Verwaltungsrecht

Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wegen Pflege eines Angehörigen

Aktenzeichen  B 6 E 18.940

Datum:
18.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24048
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 2 Abs. 3 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 10 Abs. 3 S. 3, § 25 Abs. 5 S. 1, § 36 Abs. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 9, § 60 Abs. 2 S. 1
BGB § 1835 Abs. 1 S. 1, § 1835a Abs.1 S. 1, Abs. 2, § 1897, § 1908i Abs. 1 S. 1
EMRK Art. 8
GG Art. 6 Abs. 1
SGB XI § 37
ZPO § 920 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 3, § 154 Abs. 1
AsylG § 30 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Legalisierung des Aufenthaltes nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG scheidet aus, wenn die Versagung eines Aufenthaltsrechts aus familiären Gründen nicht nur an der Titelerteilungssperre gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG scheitert, sondern auch wegen eines Visumverstoßes gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG nicht rechtmäßig ist. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wenn ein Ausländer die Reduzierung des in einer aufenthaltsrechtlichen Vorschrift eröffneten Ermessens geltend macht, hat er das Verwaltungsverfahren und eine sich gegebenenfalls anschließende gerichtliche Auseinandersetzung vom Ausland aus zu betreiben. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Lebensunterhalt kann nur dann als gesichert angesehen werden, wenn unter Berücksichtigung der Berufschancen und der bisherigen Erwerbsbiographie zu erwarten ist, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt dauerhaft und nicht nur absehbar vorübergehend aus einem eigenen unbefristeten und ungekündigten Beschäftigungsverhältnis, eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln sichern kann. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
4 Unterhaltszahlungen von Familienangehörigen sind zu berücksichtigten, wenn sie sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und ihrerseits den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten können. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
5 Mittel Dritter sind zu berücksichtigen, wenn sie keine öffentlichen Mittel sind. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens
3. Der Streitwert wird auf 1.250 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
Der Antragsteller ist georgischer Staatsangehöriger. Am 30.10.2014 reiste er zusammen mit seiner ukrainischen Ehefrau und deren Sohn ins Bundesgebiet ein und führte dabei seinen bis Januar 2024 gültigen georgischen Reisepass, der im Original der Ausländerbehörde vorliegt, und ein von der Republik Polen ausgestelltes, bis 03.11.2014 gültiges Schengen-Visum mit sich. Am 02.02.2015 stellte er einen Asylantrag und wurde am 11.02.2015 dem Landkreis H zugewiesen sowie zur Wohnsitznahme in B. S. verpflichtet. Seine Ehefrau bestand auf einer Zuweisung zusammen mit ihrem Sohn an einen anderen Wohnsitz und ist inzwischen von ihm geschieden.
Im Bundesgebiet leben neben seinem älteren Bruder, der als Krankenpfleger in N. arbeitet, auch sein Vater M.L, geb. am …1949, und seine Mutter S.L, geb. am …1964, die am 28.10.2012 ins Bundesgebiet eingereist waren und am 02.11.2012 Asylanträge gestellt hatten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 20.06.2014 ablehnte. Seit die Ablehnung ihrer Anträge am 13.04.2015 unanfechtbar wurde, werden die in E. (Kreis M., Nordrhein-Westfalen) lebenden Eltern von der dortigen Ausländerbehörde geduldet, zuletzt am 19.07.2018 bis 18.10.2018.
Am 09. und am 10.10.2015 beging er Antragsteller zwei Diebstähle, die das Amtsgericht H. mit einer Geldstrafe von insgesamt 30 Tagessätzen ahndete (Az. …). Diese Verurteilung ist derzeit noch im Strafregister eingetragen.
Am 01.04.2016 ließ der Antragsteller die Umverteilung zu seinen Eltern nach E. beantragen. Diesem Antrag wurde nicht entsprochen. Vielmehr wurde ihm von der Regierung von O. – Regierungsaufnahmestelle ab 28.06.2016 die Gemeinschaftsunterkunft (Asyl) in H. als Wohnsitz zugewiesen. Diese Zuweisung gilt bis heute.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 22.09.2016 gab er an, in Georgien habe er zuletzt als Straßenkünstler gearbeitet. Da er väterlicherseits von Deutschen abstamme, sei er deutscher Volkszugehöriger.
Am 04.10.2016 stellte er erneut einen Umverteilungsantrag nach E., den er damit begründete, er wolle dort seine am Herzen erkrankte Mutter pflegen. Zwei Tage später, am 06.10.2016, ließ er beim Bundesverwaltungsamt die Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedler beantragen.
Mit Bescheid vom 06.03.2017, der dem Antragsteller am 08.03.2017 zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt seine Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab (Ziff.1 – 3), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziff. 4), forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, und drohte ihm, sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, die Abschiebung nach Georgien an (Ziff. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6).
Die Ablehnung als offensichtlich unbegründet stützte die Behörde auf § 30 Abs. 1 AsylG.
Dagegen ließ der Antragsteller am 17.03.2017 Klage erheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung beantragen. Mit Beschluss vom 27.03.2017 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth zunächst den Eilantrag ab (B 1 S 17.30293). Damit ist der Antragsteller seit 27.03.2017 vollziehbar ausreisepflichtig. Mit rechtskräftigem Urteil vom 30.08.2017 wies das Gericht die Klage ab (B 1 K 17.30924).
Bei einer Vorsprache am 23.05.2017 erklärte der Antragsteller, er wolle nicht freiwillig ausreisen. Als er darauf hinwies, er habe die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung beantragt, erhielt er die Auskunft, so lange man nichts vom Bundesverwaltungsamt höre, dürfe er bleiben, dann werde er abgeschoben.
Mit rechtskräftigen Beschluss vom 08.12.2017 (Az. …) bestellte das Amtsgericht M. (Betreuungsgericht) den Antragsteller, der seit Mai 2017 geduldet war, bis spätestens zum 07.12.2021 zum Betreuer für seinen Vater. Als Ersatzbetreuerin wurde seine Mutter bestellt. Die Bestellung umfasst die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über Unterbringung, Gesundheitsfürsorge, Heimplatzangelegenheiten, Regelung des Postverkehrs, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungen sowie Wohnungsangelegenheiten.
Die Betreuungsrichterin legte ihrer Entscheidung ein Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. T. H. vom 29.10.2017 zu Grunde, der den Vater des Antragstellers am 18.10.2017 persönlich untersucht hatte.
Der Facharzt kommt darin, auch unter Berücksichtigung eines Arztbriefes des …Klinikums … über einen Krankenhausaufenthalt v. 20.02.2017 bis 03.03.2017 und eines vorläufigen Entlassungsberichts des Klinikums über einen weiteren Krankenhausaufenthalt vom 27.04.2017 bis 15.05.2017 zu dem Schluss, dass Herr M. L. an einer frontotemporalen Demenz mit schweren wahnhaften Symptomen i.S. eines paranoiden Vergiftungswahns und depressiven Symptomen sowie an einer erheblichen affektiven Beteiligung in Form von dysphorisch gereizter Stimmungslage mit Fremd- und Eigenaggressivität leide (F02.04G, R45.4G). Die psychiatrischen Auffälligkeiten hätten sich seit Oktober 2016 erheblich intensiviert. Ohne eine adäquate Behandlung sei damit zu rechnen, dass sie weiter zunähmen. Zudem bestehe eine Speiseröhrenverengung mit schweren Schluckstörungen und beeinträchtigter Nahrungsaufnahme. Herr M.L sei nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu regeln und benötige daher eine umfassende gesetzliche Betreuung. Seine Ehefrau und der Antragsteller seien aus gutachterlicher Sicht aufgrund ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse und mangelnder emotionaler Distanz nicht zur Übernahme der Betreuung geeignet. Da nicht völlig ausgeschlossen sei, dass sich bei einer adäquaten Behandlung der psychische Zustand bessere, sollte der Betreuer zunächst für vier Jahre bestellt werden und insbesondere für eine entsprechende medizinische Betreuung und pflegerische Versorgung sorgen. Im aktuellen Zustand sei Herr M.L durch seine Ehefrau zuhause nicht ausreichend versorgt. Die aktuelle Unterbringungssituation überfordere und gefährde seine Ehefrau. Um die gravierenden selbst- und fremdgefährdenden krankheitsbedingen Verhaltensauffälligkeiten zu behandeln, ihn medikamentös richtig einzustellen und auch internistisch wegen seiner Schluckstörung zu behandeln, sei eine sofortige, zunächst sechswöchiger Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik erforderlich. Sollten sich die aktuellen Verhaltensauffälligkeiten auch nach einem erneuten Klinikaufenthalt nicht ausreichend verbessern, sei eine geschlossene Heimunterbringung von zunächst zwei Jahren aus psychiatrischer Sicht zu befürworten (Gutachten S. 11-13).
Während der Untersuchung stellte der Gutachter im Übrigen fest, dass der Antragsteller und seine Mutter nur gebrochen Deutsch sprachen.
Am 18.12.2017 ließ der Antragsteller beim Landratsamt H.eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG und nochmals die Umverteilung nach E.beantragen. Über diese Anträge wurde bisher nicht entschieden.
Mit bestandkräftigen Bescheid vom 30.04.2018 lehnte das Bundesverwaltungsamt die Erteilung eines Aufnahmebescheides zur Anerkennung und die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung ab. Zur Begründung führte die Behörde aus, der Antragsteller habe den Antrag erst im Oktober 2016 und damit nicht in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit seiner ständigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet im November 2014 gestellt.
Am 21.08.2018 wurde der Antragsteller bei einer Vorsprache bei der Zentralen Ausländerbehörde zur Identitätsfeststellung und Sicherung der Ausreise in Gewahrsam genommen. Der Antragsgegner beantragte Sicherungshaft bis 23.09.2018 (Az. …). Am 22.08.2018 wurde er vom Amtsgericht B. dazu angehört. Dabei erklärte er, er habe sich seit Februar 2018 bei seinen Eltern in E. aufgehalten und dort seinen schwerkranken Vater gepflegt. Einmal im Monat sei er in H. gewesen, um sich dort zu „zeigen“. Er sei auf jeden Fall damit einverstanden, abgeschoben zu werden und sei bereit, sich, wenn ihm der Abschiebetermin genannt worden sei, von seinem Bruder nach München fahren zu lassen und für die Abschiebung zur Verfügung zu stehen. Nachdem der Haftrichter deutlich gemacht hatte, dass für ihn bei der Anhörung der Eindruck entstanden sei, dass er sich der Abschiebung stellen werde und deshalb kein Haftgrund ersichtlich sei, nahm der Antragsgegner den Haftantrag zurück.
Seit 29.08.2018 ist der Antragsteller wieder in der Gemeinschaftsunterkunft in H. wohnhaft. Er ist im Besitz einer Duldung bis 21.09.2018, die unter der auflösenden Bedingung steht, dass sie mit Bekanntgabe des Termins zur Ausreise erlischt. Die Duldung ist, wie schon seinen bisherigen Duldungen, mit der Auflage versehen, dass die Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet ist. Eine entsprechende Erlaubnis hat er nie beantragt.
Mit Telefax vom 05.09.2018 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
Zur Begründung führt er aus, der Antragsteller habe einen Duldungsanspruch. Seine Abschiebung sei rechtlich unmöglich, weil darin ein ungerechtfertigter Eingriff in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK liege. Sein Vater sei auf die Pflege und die rechtliche Betreuung durch ihn angewiesen. Es sei nicht ersichtlich, wer diese Funktionen sonst ausüben könne, insbesondere nicht seine Mutter, die nicht ausreichend Deutsch spreche, und der körperlichen Belastung durch die Pflege nicht mehr gewachsen sei.
Als Nachweis legt er u.a. ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Gesundheitsamtes des Kreises M. vom 26.06.2017 vor, das bei seinem Vater Pflegegrad 4 feststellt. Außerdem ist eine Stellungnahme der Betreuungsstelle des Kreises M. an das Betreuungsgericht vom 02.03.2018 beigefügt. Sie beruht auf einem Hausbesuch am 26.02.2018, bei dem trotz sprachlicher Einschränkungen ein ausführliches Gespräch mit dem Antragsteller und seiner Mutter geführt wurde, und einem Telefonat mit der Hausärztin seines Vaters. Dort heißt es, der Antragsteller und seine Mutter hätten versichert, der Zustand von Herrn M.L. habe sich unter dem Einfluss des Antragstellers, der ihn in erster Linie pflege und versorge, gebessert. Insbesondere sei er nicht mehr so aggressiv, dass sich seine Ehefrau vor ihm fürchten müsse und nehme vom Antragsteller Essen und Trinken an. Der Antragsteller habe sich bereit erklärt, weiterhin die tatsächliche Pflege und die rechtliche Betreuung zu übernehmen. Auch die Hausärztin, die ihn seit November 2016 behandele, habe telefonisch die Besserung bestätigt und halte eine erneute stationäre Behandlung derzeit nicht mehr für erforderlich.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, die Voraussetzungen für eine Abschiebung lägen vor. Insbesondere sei die Ausreise überwaschungsbedürftig, weil der Antragsteller keine Anstrengungen unternommen haben habe, um das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Vielmehr sei er ab März 2018 bis 21. August 2018 untergetaucht gewesen und zudem mittellos. Die Abschiebung sei tatsächlich möglich, weil die Ausländerbehörde über seinen Reisepass verfüge und ein „Abschiebeflug“ nach Ablauf der Duldung inzwischen gebucht sei. Die Abschiebung sei auch nicht rechtlich unmöglich, weil sie ihn nicht unzumutbar beeinträchtige.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verweisen.
II.
1. Der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, ist zulässig, aber unbegründet.
a) Der Antrag ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an einem Rechtsschutzinteresse.
Die Abschiebung des Antragstellers, der über eine bis 21.09.2018 gültige Duldung verfügt, ist zwar derzeit ausgesetzt. Da seine Abschiebung aber einige Tage später vorgesehen ist und der Antragsgegner nicht bereit ist, eine neue Duldung über den 21.09.2018 hinaus zu verfügen, hat er bereits jetzt ein Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag.
Außerdem hat der Antragsteller zwar am 22.08.2018 bei der Anhörung im Abschiebungshaftverfahren erklärt, er sei bereit, sich der Abschiebung zu stellen und sogar angeboten, sich von seinem Bruder zum Flughafen fahren zu lassen und dadurch erreicht, dass der Antragsgegner auf Anraten des Haftrichters seinen Antrag auf Sicherungshaft zurückgezogen hat. Doch lässt sich daraus nicht schließen, dass ihm das subjektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits fehlt, weil er die Entscheidung nicht (mehr) ernsthaft will (vgl. dazu BVerwG, U. v. 17.01.1989 – 9 C 44/87 – BVerwGE 81, 164/166 = NVwZ 1989, 673/673). Denn sein Prozessbevollmächtigter hat, sicher nicht ohne von ihm im Rahmen seiner bereits am 06.10.2016 erfolgten Mandatierung auch dazu beauftragt zu sein, vor dem Verwaltungsgericht einen Eilantrag gestellt, um die aufenthaltsbeendende Maßnahme verhindern, obwohl er unter dem Eindruck drohender Abschiebungshaft zwei Wochen vorher noch beteuert hatte, er werde sich ihr beugen.
b) Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass die Antragsteller das von ihnen behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr ihrer Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m.§ 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass gegen ihn keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ergriffen werden. Deshalb liegt wegen der drohenden Abschiebung zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vor.
aa) Die Voraussetzungen für eine Abschiebung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegen vor.
Der Antragsteller ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, weil er den für den beabsichtigten Daueraufenthalt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als georgischer Staatsangehöriger erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Die Ausreisepflicht ist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar. Er hat zwar am 28.12.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, über den noch nicht entschieden ist. Sein Aufenthalt gilt aber nicht gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt, weil er sich nicht rechtmäßig, sondern nur geduldet im Bundesgebiet aufhält. Seine Ausreisefrist ist abgelaufen. Vor einer gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu seinen Ungunsten ist er nicht zur freiwilligen Ausreise bereit. Zudem ist die Überwachung seiner Ausreise erforderlich, weil er mittellos ist (§ 58 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG).
bb) Der Antragsteller hat entgegen seinem Vorbringen in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG keinen aus den Vorschriften über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen abzuleitenden Anspruch auf weiteren Verbleib im Bundesgebiet, der im Wege des § 123 VwGO gesichert werden könnte.
Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
aaa) Eine Legalisierung des Aufenthaltes nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG scheidet jedenfalls dann schon aus systematischen Gründen aus, wenn die Versagung eines Aufenthaltsrechts aus familiären Gründen nicht nur an der Titelerteilungssperre gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG scheitert, sondern auch wegen eines Visumverstoßes gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht rechtmäßig ist (VGH Mannheim, B. v. 10.03.2009 – 11 S 2990/08 – InfAuslR 2009, 236/242). Das ist hier der Fall.
Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der allein in Betracht kommt, kann sonstigen Familienangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist.
Eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, darf dem Antragsteller, gestützt auf diese Vorschrift, vor der Ausreise wegen der zu seinen Lasten eingreifenden Titelerteilungssperre nicht erteilt werden.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis findet Satz 1 keine Anwendung (§ 10 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 AufenthG).
Der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis muss ein strikter Rechtsanspruch sein. Nur wenn ein gesetzlicher Anspruch besteht, hat der Gesetzgeber in abstrakt-genereller Weise eine abschließende, die Verwaltung bindende Wertung zu Gunsten eines Aufenthaltsrechts getroffen. Demgegenüber zeichnen sich Fälle, in denen ein Ausländer die Reduzierung des in einer aufenthaltsrechtlichen Vorschrift eröffneten Ermessens geltend macht, durch einen erhöhten administrativen und gerichtlichen Prüfungsaufwand aus. Es liegt in der Logik des Sanktionsgedankens, der auch § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG immanent ist, dass der Ausländer in diesen Fällen das Verwaltungsverfahren und eine sich gegebenenfalls anschließende gerichtliche Auseinandersetzung vom Ausland aus zu betreiben hat und ihm nicht gestattet werden soll, sich für die Dauer des Verfahrens weiter im Bundesgebiet aufzuhalten und den Aufenthalt hierdurch weiter zu verfestigen. Nur die Begrenzung der in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorgesehenen Ausnahme auf gesetzliche Ansprüche gewährleistet, dass die Sperrwirkung in der Praxis nicht weitgehend leer läuft (BVerwG, U. v. 16.12.2008 – 1 C 37/07 – BVerwGE 132, 382/388-390 Rn. 21 – 23 = InfAuslR 2009, 224/226).
Da der Asylantrag des Antragstellers mit Bescheid vom 06.03.2017 abgelehnt wurde, der unanfechtbar geworden ist, darf ihm gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Die in § 10 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 AufenthG vorgesehene Ausnahme greift nicht ein, weil auf eine solche Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug kein Anspruch i.S. eines strikten Rechtsanspruchs besteht. Eine unterstellte Ermessensreduzierung auf Null würde nicht genügen.
Außerdem ist auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum nicht erfüllt, von der beim Antragsteller nicht abgesehen werden kann.
Gemäß § 5 Abs. 2 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG).
Für die Einreise und für den Aufenthalt im Bundesgebiet ist ein Aufenthaltstitel erforderlich, sofern nicht u.a. durch Recht der Europäischen Union etwas anderes bestimmt ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Nach Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsabkommens (SDÜ), das als Recht der Europäischen Union gemäß § 15 AufenthV die Befreiung vom Erfordernis eines deutschen Aufenthaltstitels bei Kurzaufenthalten gemeinschaftsrechtlich regelt, können sichtvermerkfreie Drittausländer sich im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten höchstens 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei bewegen. Außerdem müssen sie die in Art. 6 Abs. 1 Buchstaben a), c), d) und e) Schengener Grenzkodex aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen. Drittausländer ist gemäß Art. 1 SDÜ eine Person, die nicht Staatsangehöriger eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist. Zu diesen sichtvermerkfreien Drittausländern gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 EG-VisaVO i .V. m. der Liste der in Anhang II aufgeführten Drittländer gehören seit 28.03.2017 auch die Staatsangehörigen der Republik Georgien.
Eine asylunabhängige Aufenthaltserlaubnis haben auch Ausländer im Visumverfahren einzuholen, die als Asylbewerber ohne Visum eingereist sind, deren Asylantrag aber erfolglos geblieben ist (BVerwG, U. v. 03.06.1997 – 1 C 1/97 – BVerwGE 105, 28 = NVwZ 1998,187 jew. Leitsatz). Das Visumerfordernis gilt auch bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (BVerwG, U. v. 30.07.2013 – 1 C 15/12 -BVerwGE 147, 278/281 Rn.10). Eine Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen können Ausländer u.a. dann, wenn sie eine Aufenthaltsgestattung besitzen und einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis haben (§ 39 Nr. 4 AufenthV) ausgesetzt ist.
Der Antragsteller ist zwar als Staatsangehörige Georgiens von der Sichtvermerkpflicht befreit, jedoch nur für Kurzaufenthalte von 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen (Art. 20 Abs. 1 SDÜ). Für den von ihm angestrebten längerfristigen Aufenthalt dagegen ein nationales Visumerforderlich(§ 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Da er keine Aufenthaltsgestattung (mehr) besitzt und § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Ermessensvorschrift ist, ist er auch nicht gemäß § 39 Nr. 4 AufenthV davon befreit.
Von der Erfüllung der Visumpflicht kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
Da es sich bei § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG um eine Ermessensvorschrift handelt, die keinen strikten Rechtsanspruch vermittelt, und die Reduzierung des Ermessens auf Null nicht genügt (so ausdrücklich Maor in Kluth/Heusch, BeckOK-AuslR, Stand 01.05.2018, § 5 AufenthG Rn.36), greift § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG nicht ein.
Darüber hinaus ist es dem Antragsteller auch entgegen § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG zumutbar, das Visumverfahren nachzuholen.
Im Hinblick darauf, dass vom Visumverfahren als wichtigem Steuerungsinstrument der Zuwanderung nur ausnahmsweise abgewichen werden soll und auch aus generalpräventiven Gründen eine restriktive Handhabung der Ausnahmevorschrift gerechtfertigt ist, sind erhöhte Anforderungen zu stellen, was die Darlegung der Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens angeht (BayVGH, B. v. 18.05.2015 – 10 CS 15.800 – juris Rn.15). Werden sie nicht erfüllt, liegt in der geforderten Nachholung des Visumverfahrens auch kein Verstoß gegen Art. 6 GG, dem bei Aufenthaltserlaubnissen aus familiären Gründen besondere Bedeutung zukommt (VGH Mannheim, B.v.10.03.2009 – 11 S2990/08 – InfAuslR 2009, 236/238 Rn. 29).
Besondere Umstände des Einzelfalls, die ein kurzfristiges Verlassen des Bundesgebietes nicht zumutbar erscheinen ließen, hat der Antragsteller jedoch nicht dargelegt.
bbb) Selbst wenn man entgegen dieser Rechtsauffassung davon ausginge, dass § 25 Abs. 5 AufenthG als „Auffangnorm“ neben § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG anwendbar ist, ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Der Antragsteller hat bereits deshalb keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, weil nicht alle allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht und dass der Lebensunterhalt gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 1 AufenthG).
Ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse liegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder behördliche Verfügungen begangen hat.
Bei vorsätzlich begangenen Straftaten handelt es sich grundsätzlich nicht um geringfügige Verstöße (BVerwG, U. v. 05.05.1998 – 1 C 17.97 – BVerwGE 106, 351/357 = InfAuslR 1998, 383/385).
Der Antragsteller hat durch seinen zwei Diebstähle vorsätzlich gegen strafrechtliche Normen verstoßen. Außerdem ist hat er gegen § 50 Abs. 4 AufenthG verstoßen. Diese Vorschrift schreibt vor, dass es ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer bei der Ausländerbehörde anzuzeigen hat, wenn er den Bezirk der Behörde für mehr als drei Tage verlässt. Als er den Bezirk der Ausländerbehörde jedenfalls von Februar April bis August 2018 jeden Monat für mehr als drei Tage verließ, ohne dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen, hat er jeweils seine Anzeigepflicht verletzt. Schließlich hat er auch gegen die ihm gegenüber kraft Gesetzes bestehende und in die Duldungsbescheinigungen aufgenommene Wohnsitzauflage verstoßen. Gemäß § 61 Abs. 1 d Satz 1 AufenthG ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen. Zwar beinhaltet die Pflicht zur Wohnsitznahme anders als eine Aufenthaltsbeschränkung nicht, sich ausschließlich an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Jedoch hatte der Antragsteller jedenfalls von Februar bis August 2018 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in E. und nicht (mehr) in H., wo er sich nur einmal im Monat „zeigte“.
Darüber hinaus muss die sich daraus ergebende konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach wie vor aktuell zu besorgen sein (BayVGH, B. v. 27.12.2016 – 10 CS 16.2289 – juris Rn. 7). Dagegen spricht hier, dass die beiden Diebstähle bereits im Oktober 2015 begangen wurden und der Antragsteller seit 29.08.2018 wieder in H. wohnhaft ist. Dafür spricht allerdings, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz zumindest auch deshalb wieder in H. nahm, weil er ansonsten befürchten musste, in Abschiebungshaft genommen zu werden.
Das Gericht kann jedoch letztlich dahingestellt sein lassen, ob § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt ist.
Denn der Antragsteller hat jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass sein Lebensunterhalt gesichert ist.
Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.
Der Lebensunterhalt kann nur dann als gesichert angesehen werden, wenn unter Berücksichtigung der Berufschancen und der bisherigen Erwerbsbiographie zu erwarten ist, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt dauerhaft und nicht nur absehbar vorübergehend aus einem eigenen unbefristeten und ungekündigten Beschäftigungsverhältnis, eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln sichern kann. Unterhaltszahlungen von Familienangehörigen sind zu berücksichtigten, wenn sie sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und ihrerseits den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten können. Mittel Dritter sind zu berücksichtigen, wenn sie keine öffentlichen Mittel sind (Bender/Welge/Keßler in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 2 AufenthG Rn. 14).
Legt man diese Maßstäbe zu Grunde, ist der Lebensunterhalt des Antragstellers nicht gesichert. Der Antragsteller war während seines Aufenthalts im Bundesgebiet bisher nicht erwerbstätig, obwohl ihm, jedenfalls seit er seit Mai 2017 geduldet ist, einen Erwerbstätigkeit auf Antrag gestattet worden wäre, und hat sich auch nicht nachweislich darum bemüht, eine Beschäftigung zu finden. Seine Chancen auf eine Erwerbstätigkeit, die über eine bloße Aushilfstätigkeit hinausgeht, sind im Hinblick darauf, dass er in Georgien sein Leben als Straßenkünstler fristete und sich mit der deutschen Sprache weiterhin schwer tut, als gering einzuschätzen.
Auch wenn er keiner außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgeht, sondern in E. seinen Vater pflegt und rechtlich betreut, erwirtschaftet er damit kein Einkommen.
Den Anspruch auf das Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI hat nur der Pflegebedürftige, nicht die Pflegeperson. Es ist kein Entgelt für Pflegeleistungen, sondern soll den Pflegebedürftigen in Stand setzen, pflegenden Angehörigen eine materielle Anerkennung für die im häuslichen Bereich sichergestellte Pflege zukommen zu lassen und kann deshalb nicht beim Einkommen des Antragstellers berücksichtigt werden, selbst wenn es ihm sein Vater in vollem Umfang überlassen sollte (OVG Lüneburg, B. v. 27.11.2014 – 13 LA 108/14 – InfAuslR 2015, 49/49f.).
Auch mit der Vergütung als ehrenamtlicher Betreuer kann er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Anders als ein Berufsbetreuer mit entsprechender Qualifikation hat er gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 1 Satz 1, § 1835a Absatz 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nur einen Anspruch auf seine tatsächlich angefallenen Aufwendungen oder auf eine pauschalierte Aufwandsentschädigung, die derzeit 399 EUR im Jahr beträgt (Bohnert in beck-online Großkommentar Zivilrecht, Stand 01.06.2018, § 1835a BGB Rn. 9).
Als Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts können schließlich auch Leistungen seiner Eltern nicht berücksichtigt werden, weil sie sich nur geduldet und damit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und, soweit bekannt, von öffentlichen Mitteln leben, die sie damit nur weiterreichen würden.
Der Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts ist jedoch nur im Regelfall Erteilungsvoraussetzung, nicht dagegen in atypischen Fällen. Ein atypischer Fall ist gegeben, wenn der Sachverhalt soweit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder der grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar ist. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Rechtsentscheidung aufgrund einer umfassenden Abwägung aller einschlägigen öffentlichen und privaten Interessen zu entscheiden Zu berücksichtigten ist dabei insbesondere, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 Abs. 1 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist (BayVGH, B. v. 27.12.2016 – 10 CS 16.2289 – juris Rn. 7).
Zwar garantiert Art. 8 Abs. 1 EMRK im Bundesgebiet verwurzelten Ausländern das Recht auf Achtung des Privatlebens. Ein Privatleben i. S. des Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet, kommt jedoch grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht. Da dem Antragsteller ausschließlich asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsgestattungen und Duldungen erteilt worden sind, wurde ihm zu keiner Zeit ein Aufenthaltsrecht eingeräumt, das ein berechtigtes Vertrauen auf Fortbestand hätte begründen können. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller nie eine Verfestigung des Aufenthalts in Aussicht gestellt, sondern seit Abschluss des Asylverfahrens auf die Beendigung ihres Aufenthalts hingewirkt (BVerwG, U. v. 26.10.2010 – 1 C 18/09 – InfAuslR 2011, 92/93 Rn.13).
Art. 6 Abs. 1 GG gebietet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige, die einen pflegebedürftigen Ausländer pflegen sollen, nur wenn der zu pflegende Angehörige auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe nach Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft angewiesen ist und die Pflege nur im Bundesgebiet und durch einen bestimmten Familienangehörigen erbracht werden kann. Pflege durch enge Verwandte in einem gewachsenen Vertrauensverhältnis, das geeignet ist, den Verlust der Autonomie der Person infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen kompensieren zu können, ist auch aufenthaltsrechtlich schutzwürdig (BVerwG, U. v. 18.04.2013 – 10 C 10/12 – BVerwGE 146, 198/215f. =NVwZ 2013, 1339/1343 jew. Rn. 37f.).
Auch unter Berücksichtigung des Schutzgebots des Art. 6 GG kann der Antragsteller nicht verlangen, dass ihm ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist und dass dazu die Sicherung des Lebensunterhalts zurückzutreten hätte.
Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, dass sein Vater an frontotemporaler Demenz leide und pflegebedürftig (Pflegegrad 4) sei. Bei einem Hausbesuch der Betreuungsstelle am 26.02.2018 erklärten seine Mutter und der Antragsteller übereinstimmend, dass sein Vater sich von ihm waschen und pflegen lasse und Essen und Trinken annehme und dass er ihn in erster Linie pflege und versorge.
Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass deshalb die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller geboten ist. Der Hausbesuch liegt inzwischen bereits über ein halbes Jahr zurück und der Antragsteller hält sich inzwischen seit 29.08.2018 wieder in H. auf, so dass er jedenfalls derzeit die Pflege nicht durchführen kann. Außerdem ergibt sich aus der Stellungnahme zwar, dass der pflegebedürftige Vater die Lebenshilfe die Pflege und Versorgung durch den Antragsteller annimmt, nicht jedoch, dass er sich nicht auch durch eine andere Person, etwa von einem Pflegedienst, pflegen ließe. Weiter war zwar nach den Angaben des Antragstellers und seiner Mutter am 26.02.2018 eine Besserung eingetreten. In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten im Betreuungsverfahren vom 29.10.2017 ging der damit betraute Facharzt jedoch davon aus, dass mit einer Zunahme der psychiatrischen Auffälligkeiten zu rechnen sei, so dass es sich auch nur um eine nur vorübergehende Verbesserung handeln kann. Weiter ist es dem Antragsteller zuzumuten, neben seinen pflegerischen Tätigkeiten, anders als bisher eine Erwerbstätigkeit, jedenfalls in Teilzeit aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wie er unter diesen neuen Rahmenbedingungen die Pflege und Versorgung seines Vaters weiterhin durchführen will, hat er bislang nicht vorgetragen.
Schließlich spricht einiges dafür, dass die Lebenshilfe nicht nur im Bundesgebiet erbracht werden kann. Aktuell gibt es noch keine Therapie, die den Krankheitsverlauf bei einer frontodemenziellen Demenz medikamentös beeinflussen kann und die nicht-medikamentöse Therapie zielt (nur) auf eine Milderung der typischen Verhaltensauffälligkeiten (Informationsblatt 11 der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft, Stand August 2017, S.2 abzurufen unter www. deutsche – alzheimer.de). Deshalb ist es jedenfalls nicht von vornherein von der Hand zu weisen, den Antragsteller und seine Eltern, für die das Bundesamt kein Abschiebungsverbot festgestellt hat, und die sich deshalb lediglich geduldet im Bundesgebiet aufhalten, darauf zu verweisen, die Pflege im Georgien fortzuführen.
Seit der Abschaffung der Visapflicht für Kurzaufenthaltes für Georgier sind im Übrigen auch längere und wiederholte Besuche des pflegebedürftigen Vaters für die Zeit von 90 Tagen binnen eines Zeitraums von 180 Tagen für den Antragsteller unter erleichterten Voraussetzungen möglich.
Unter diesen Umständen gebietet es Art. 6 Abs. 1 GG hier nicht, von einem atypischen Fall auszugehen und deshalb auf den Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalte zu verzichten.
Des Weiteren hat sich das Ermessen des Antragsgegners, in einem Regelfall vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abzusehen, nicht dahingehend verdichtet, dass der Antragsgegner nur dann ermessensgerecht handelt, wenn er vom Nachweis der Sicherung des Lebensunterhaltes absieht.
Da mit dem Aufenthaltsgesetz kein Zuzug in die Sozialsystem eröffnet werden soll, ist eine Aufenthaltsgewährung, die zu einer dauerhaften Belastung der Sozialsysteme führt, zu vermeiden. Bei ihrer Ermessensentscheidung hat die Ausländerbehörde deshalb zu berücksichtigen, ob aufgrund der Qualifikation des Antragstellers, insbesondere seiner Ausbildung und seiner Sprachkenntnisse und aktiver Bemühungen in der Vergangenheit um einen Beschäftigung prognostiziert werden kann, dass er seinen Lebensunterhalt eigenständig sichern kann oder ob absehbar ist, dass der Ausländer auf unabsehbare Zeit von Sozialleistungen abhängig sein wird (Maaßen/Kluth in Kluth/Heusch, BeckOKAuslR 01.05.2018, § 25 AufenthG Rn. 148).
Aufgrund der fehlenden Qualifikation des Antragstellers, der sich außerdem in der Vergangenheit nicht aktiv darum gekümmert hat, eine Beschäftigung zu finden und aufgrund seiner pflegerischen Tätigkeiten dem Arbeitsmarkt allenfalls eingeschränkt zur Verfügung steht, ist abzusehen, dass er für unbestimmte Zeit Sozialleistungen benötigt. Deshalb sprechen gute Gründe dafür, von der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung nicht abzusehen.
cc) Schließlich hat der Antragsteller auch keinen sicherungsfähigen Anspruch auf eine Duldung. Gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
aaa) Die Abschiebung des Antragstellers ist tatsächlich möglich, weil er über einen Reisepass besitzt, der vom Antragsgegner verwahrt wird, und ein Flug bereits gebucht wurde.
bbb) Seine Abschiebung ist auch aus rechtlichen Gründen nicht unmöglich.
Wie bereits ausgeführt, wird es ihm durch die Abschiebung nicht erschwert oder unmöglich gemacht, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durchzusetzen.
Darüber hinaus ist seine Abschiebung auch nicht deshalb unmöglich, weil das Amtsgericht M. ihn mit Beschluss vom 08.12.2017 zum Betreuer seines Vaters bestellte.
Gemäß § 1897 Abs. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlichen bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihm in dem dafür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Das Betreuungsgericht hat den Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Wird der Betreuer entlassen, ist ein neuer Betreuer zu bestellen (§ 1908c BGB).
Aus der Bestellung zum Betreuer lässt sich nicht ableiten, dass der Aufenthalt des Antragstellers so lange nicht beendet werden könnte, wie die Bestellung zu diesem Ehrenamt besteht.
Auch wenn er nach dem Eindruck der Betreuungsstelle beim Hausbesuch am 26.02.2018 in der Lage war, das Amt auszuüben und sich auch selbst damit nicht für überfordert ansah, bestehen zum ersten keine Anhaltspunkte dafür, dass nur er allein dazu imstande wäre und deswegen im Bundesgebiet bleiben müsste. Wenn die zur Ersatzbetreuerin bestellte Ehefrau des Betreuten nicht in der Lage ist, die Betreuung auszuüben, besteht die Möglichkeit einen andere ehrenamtlich tätige Person, etwa seinen in N. lebenden Bruder, sofern er trotz der Entfernung in der Lage ist, dieses Amt auszuüben, oder einen Vereins-, einen Behörden- oder einen Berufsbetreuer damit zu betrauen (§ 1897 Abs. 2 und 6 Satz 1 BGB). Zum zweiten hat das Betreuungsgericht ihn zu einem Zeitpunkt zum Betreuer bestellt, als er bereits vollziehbar ausreisepflichtig war und ist dabei von der falschen Annahme ausgegangen, dass er in E. wohnhaft ist und nicht in H. seinen Wohnsitz zu nehmen hat. Zum dritten ist für den Fall, dass objektive Umstände eintreten, die (nachträglich) Zweifel an der Eignung des Betreuers begründen, wie etwa Abwesenheit oder zu große Distanz zwischen dem Betreuer und dem Aufenthaltsort des Betreuten, ausdrücklich gesetzlich vorgesehen, dass ein Betreuer zu entlassen und ein neuer Betreuer zu bestellen ist (vgl. dazu Schwab in MüKoBGB, 7. Aufl. 2017, § 1908b BGB Rn. 8).
Schließlich lässt sich weder aus Art. 6 Abs. 1 GG noch aus Art. 8 EMRK, wie bereits im Zusammenhang mit § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ausgeführt, ableiten, dass die Abschiebung aufgrund übergeordneten Rechts ausgesetzt werden müsste.
2. Der Antragsteller trägt als unterliegender Teil gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern. 8.3, 1.5 Streitwertkatalog (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 1/4 des Regelstreitwertes .


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