Verwaltungsrecht

Untersagung der gleichzeitigen Vermittlung von Sportwetten und des Aufstellens von Geldspielgeräten in einer Gaststätte

Aktenzeichen  10 CS 17.1147

Datum:
24.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GlüStV GlüStV § 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 4, § 3 Abs. 1 S. 3, Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1, Abs. 2, § 21 Abs. 2
SpielV SpielV § 1 Abs. 1 Nr. 3
AEUV AEUV Art. 56
GG GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Sportwetten sind als Wetten gegen Entgelt Glücksspiele iSd § 3 Abs. 1 S. 3 GlüStV. Das Anbieten von Sportwetten in einer grundsätzlich jedermann zugänglichen Gaststätte ist zudem als öffentliches Glücksspiel (§ 3 Abs. 2 GlüStV) zu qualifizieren. Das Aufstellen eines Sportwettautomaten ohne entsprechende Erlaubnis erfüllt demgemäß den Tatbestand des unerlaubten Glücksspiels (§ 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Sportwettvermittlung in einer Gaststätte, in der auch Geldspielgeräte aufgestellt sind, ist nicht erlaubnisfähig. Sie vertößt gegen das aus § 21 Abs. 2 GlüStV abzuleitende Trennungsgebot, das zwar nicht unmittelbar anwendbar, aber aus Gründen der Spielsuchtprävention gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV auf diese Situation übertragbar ist (ebenso BayVGH BeckRS 2015, 56136). Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass das Sportwettterminal in einem Nebenraum der Gaststätte aufgestellt wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Anwendung des § 21 Abs. 2 GlüStV als Maßstab für die Prüfung der materiell-rechtlichen Zulässigkeit von Sportwetten verstößt nicht gegen Unionsrecht. Die Rechtsprechung des EuGH zum sog. “Ahndungsverbot” (BeckRS 2016, 80225) lässt die materiell-rechtlichen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags unberührt (vgl. auch VGH BW BeckRS 2017, 103049). (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein vermeintliches Vollzugsdefizit steht einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung nicht entgegen. Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit begründet keinen Anspruch auf Fortführung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis (Parallelentscheidung BayVGH BeckRS 2017, 121553). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 S 17.1130 2017-05-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der eine Gaststätte betreibt, in der sich neben Geldspielgeräten auch ein Terminal für die Vermittlung von Sportwetten an die Firma C. M. Ltd. befindet, wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Januar 2017, mit dem ihm – gestützt auf § 9 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 Nr. 3 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) – unter Androhung von Zwangsgeldern die Vermittlung von Sportwetten untersagt und die Entfernung sämtlicher diesbezüglicher Einrichtungen verlangt wird.
Das Verwaltungsgericht München hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der dort anhängigen Klage (M 16 K 17.1129) des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Januar 2017 anzuordnen, mit Beschluss vom 18. Mai 2017 abgelehnt. Das öffentliche Interesse am Vollzug der Untersagung überwiege das Suspensivinteresse des Antragstellers; der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Zwar finde § 21 Abs. 2 GlüStV keine unmittelbare Anwendung, die dort enthaltene gesetzgeberische Wertung könne aber über § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV bei der Prüfung der materiellen Erlaubnisfähigkeit einer Sportwettvermittlung in einer Gaststätte nutzbar gemacht werden. Dem Antragsteller sei im Rahmen des behördlichen Anhörungsverfahrens aufgezeigt worden, dass er eine der beiden in seiner Gaststätte angebotenen Glücksspielarten aufzugeben habe. Zudem verfüge er nicht über die für die Vermittlung von Sportwetten notwendige glücksspielrechtliche Erlaubnis.
Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller vor, das sogenannte Trennungsgebot rechtfertige die Untersagung nicht, weil zur gleichen Zeit das Sportwettangebot bundesweit und flächendeckend geduldet werde. Im Bereich des Antragsgegners bestehe ein erhebliches Vollzugsdefizit, denn in geschätzten 500 Gaststätten stünden Sportwettterminals neben Geldspielgeräten, ohne dass mehr als eine Handvoll an Untersagungen bezogen auf das gesamte Bundesgebiet verfügt worden sei. Des Weiteren übersehe das Verwaltungsgericht, dass aufgrund der obergerichtlich festgestellten Gemeinschaftswidrigkeit des Konzessionsverfahrens derzeit nicht zwischen monopolabhängigen und -unabhängigen Vorschriften unterschieden werden könne. Weil faktisch das Sportwettenmonopol nach wie vor fortbestehe, müssten letztlich alle Sonderregelungen entweder als monopolabhängig oder -unabhängig angesehen werden. Im vorliegenden Fall sei auch nicht berücksichtigt worden, dass das Wettterminal in einer gesonderten Räumlichkeit innerhalb der Gaststätte stehe und somit dem Trennungsgebot Rechnung getragen werde. Außerdem ergebe sich weder aus dem Ausführungsgesetz des Antragsgegners zum Staatsvertrag – wie etwa aus dem entsprechenden nordrhein-westfälischen Landesgesetz – noch aus dem Staatsvertrag selbst eine Regelung, aus der folge, dass die Vermittlung von Sportwetten in einer Gaststätte mit Geldspielgeräten nicht erlaubnisfähig sei. Im bayerischen Ausführungsgesetz werde in Art. 7 lediglich die Zahl der Wettvermittlungsstellen auf 400 begrenzt, ohne dass damit eine Ermächtigung verbunden sei, aus der sich die angeblich fehlende Erlaubnisfähigkeit einer Wettvermittlung in einer Gaststätte ergebe. Dementsprechend könne der Antragsgegner auch keine Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung benennen, sondern sich lediglich auf die allgemeinen Ziele des Glücksspielstaatsvertrags und das sogenannte Trennungsgebot berufen. Wolle man § 1 GlüStV ausreichen lassen, finde sich immer ein Grund, jedweder Wettvermittlungsstelle entgegenzuhalten, der Wettsucht Vorschub zu leisten und gegen die Ziele des Staatsvertrags zu verstoßen. Letztlich werde im Bereich der Sportwetten mit der Argumentation einer angeblich nicht vorliegenden materiellen Erlaubnisfähigkeit in verdeckter Form erneut der Erlaubnisvorbehalt eingeführt. Sei aber weder in Bayern noch bundesweit ein Erlaubnisverfahren überhaupt eröffnet, könne nicht ohne gesetzliche Grundlage eine verdeckte Erlaubnisprüfung durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang werde auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ince aufmerksam gemacht. Eine Ungleichbehandlung von Vermittlern von Sportwetten im Vergleich zu Pferdewettvermittlern ergebe sich weiter aus der Spielverordnung, wonach zwar in einem Pferdewettbüro‚ nicht aber in einer Vermittlungsstelle für Sportwetten zugleich Geldspielgeräte aufgestellt werden dürften. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. Juni 2015 sei diese Regelung europarechtlich und verfassungsrechtlich als inkohärent anzusehen. Jedenfalls habe der Gesetzgeber in Bayern nicht ausgeschlossen, dass eine Wettvermittlungsstelle nicht auch eine Gaststätte sein könne, in der sich zusätzlich noch Geldspielgeräte befänden. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 10. November 2015 eine entsprechende Untersagung bei summarischer Prüfung noch als möglicherweise rechtmäßig erachtet habe, sei dieser Beschluss seit der Entscheidung in der Rechtssache Ince überholt. Die im Rahmen der Ermessenserwägungen von dem Antragsgegner aufgestellte Behauptung, eine Erlaubnisfähigkeit in der vorliegenden Konstellation sei unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt möglich, führe zu einer unzulässigen Ermessensreduzierung auf Null.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (M 16 K 17.1129) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Januar 2017 hinsichtlich der Nummern 1 bis 4 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält das Beschwerdevorbringen des Antragstellers für unbegründet und verweist auf eine Stellungnahme des Landratsamts P. vom 14. Juli 2017.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwal-tungsgerichts München vom 18. Mai 2017 hat keinen Erfolg.
Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Januar 2017 anzuordnen. Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen Interessenabwägung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass dem Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der im Bescheid vom 23. Januar 2017 getroffenen Regelungen gegenüber dem Interesse des Antragstellers, in der von ihm betriebenen Gaststätte weiterhin Sportwetten zu vermitteln, der Vorrang einzuräumen ist.
Auch wenn sich aufgrund der nur summarischen Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keine eindeutige Aussage über die Erfolgsaussichten der Klage, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, treffen lässt, ist auch nach Würdigung des Beschwerdevorbringens ein Erfolg der Klage eher unwahrscheinlich. Dem gesetzlich bestimmten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV für Nr. 1 und 2 sowie Art. 21a Satz 1 VwZVG für Nr. 3 und 4 des Bescheids) kommt daher ein höheres Gewicht zu.
1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsgrundlage für die angefochtenen Anordnungen in Nr. 1 und 2 des Bescheids § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV ist, wonach die Veranstaltung, Durchführung und – wie hier – Vermittlung von unerlaubten Glücksspielen untersagt werden kann. Die zuständige Behörde kann gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen; hierin liegt die Rechtsgrundlage für die Anordnung, „die technischen Einrichtungen, Systeme und schriftlichen Unterlagen“ aus den näher bezeichneten Räumlichkeiten zu entfernen (vgl. BayVGH, B.v. 10.11.2015 – 10 CS 15.1538 – juris Rn. 16; B.v. 13.7.2017 – 10 CS 17.10 –).
Das Verwaltungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass das Aufstellen eines Sportwettautomaten ohne entsprechende Erlaubnis den Tatbestand des unerlaubten Glücksspiels erfüllt, weil hierfür eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erforderlich ist. Sportwetten sind als Wetten gegen Entgelt Glücksspiele nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV. Da beim Anbieten von Sportwetten in einer grundsätzlich jedermann zugänglichen Gaststätte eine Teilnahmemöglichkeit für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis besteht, liegt bei den vom Antragsteller vermittelten Sportwetten nach § 3 Abs. 2 GlüStV außerdem ein öffentliches Glücksspiel vor. Dieses ist schließlich auch unerlaubt, denn der Antragsteller besitzt nicht die für die Vermittlung dieser Wetten nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV notwendige Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV.
Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung das Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten in einer Gaststätte, in der Geldspielautomaten aufgestellt sind, rügt, greift er die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (BA, S. 10,11) zur materiellen Erlaubnisfähigkeit der Vermittlung von Sportwetten im konkreten Fall ohne Erfolg an. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass § 21 Abs. 2 GlüStV die Sportwettvermittlung in einer Gaststätte, in der zugleich Geldspielgeräte aufgestellt sind, nicht ausdrücklich regelt (BayVGH, B.v. 10.11.2015 – 10 CS 15.1538 – juris Rn. 21 f.). Jedoch kann die in § 21 Abs. 2 GlüStV enthaltene gesetzgeberische Wertung, wonach das daraus abgeleitete sog. Trennungsgebot von Spielhallen und Sportwettvermittlungsstellen der Vermeidung einer übermäßigen Ausnutzung des Spieltriebs dient und damit eine Maßnahme der Spielsuchtprävention darstellt (LT-Drs. 16/11995, S. 30), nach summarischer Prüfung wohl über § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV bei der Prüfung der materiellen Erlaubnisfähigkeit einer Sportwettvermittlung in einer Gaststätte, in der auch Geldspielgeräte aufgestellt sind, nutzbar gemacht werden, ohne gegen den Parlamentsvorbehalt, den Wesentlichkeitsgrundsatz und Vorbehalt des Gesetzes zu verstoßen (krit. hierzu SächsOVG, B.v. 12.1.2017 – 3 B 135/16 – juris Rn. 11). Es läuft jedenfalls dem Ziel der Vorbeugung und Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV zuwider, wenn in Vermittlungsstellen für Sportwetten zusätzlich auch die Möglichkeit zum Geldautomatenspiel angeboten wird. Hierdurch wird die Gelegenheit zum Wetten in einer Umgebung eröffnet, in der sich Personen aufhalten, von denen eine beträchtliche Anzahl anfällig für die Entwicklung einer Glücksspiel- oder Wettsucht ist. Denn das Geldautomatenspiel bringt die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten hervor (LT-Drs. 16/11995, S. 20). Die räumliche Verknüpfung von gewerblichen Geldautomatenspielen in einer Betriebsstätte für die Vermittlung von Sportwetten bietet daher für diese in hohem Maße suchtgefährdeten Personen einen nach der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrags unerwünschten Anreiz, sich auch den Sportwetten zuzuwenden. Ebenso könnte eine Kumulation beider Angebote die an Sportwetten interessierten Kunden dazu animieren, sich auch dem Geldautomatenspiel zuzuwenden. Daher bestimmt auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV, dass in Wettannahmestellen – mit Ausnahme der nach § 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes konzessionierten Buchmacher – Geldspielautomaten nicht aufgestellt werden dürfen. Jedenfalls kann angesichts dieser gesetzgeberischen Wertungen nicht von einer offensichtlichen materiellen Erlaubnisfähigkeit der Vermittlung von Sportwetten in einer Gaststätte, in der auch Geldspielgeräte aufgestellt sind, ausgegangen werden (BayVGH, B.v. 10.11.2015 – 10 CS 15.1538 – juris Rn. 22). Hieran ändert auch der vom Verwaltungsgericht in den Blick genommenen Umstand nichts‚ dass das Sportwettterminal in einem Nebenraum der Gaststätte aufgestellt ist‚ denn es befindet sich jedenfalls innerhalb derselben Gaststätte (vgl. § 21 Abs. 2 GlüStV).
Der Senat hält daher nach den vorstehenden Ausführungen und entgegen der Auffassung des Antragstellers für die vorliegende Konstellation eine ausdrückliche spezielle (landesrechtliche) Bestimmung‚ die ein Verbot von Wettvermittlungsstellen in Gaststätten mit Geldspielgeräten festgelegt (vgl. etwa § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Baden-Württembergisches Landesglückspielgesetz – LGlüG BW)‚ für nicht erforderlich.
Soweit der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Vortrag im Hinblick auf eine (angebliche) Ungleichbehandlung von Sportwettenvermittlern gegenüber Pferdewettbüros wiederholt‚ kann auf die Bezugnahme des Verwaltungsgerichts (UA S. 12‚ 1. Abs.) auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 25. September 2015 (Vf. 9-VII-13 u.a., Rn. 208) verwiesen werden; dort wird insbesondere auf die Besonderheiten im Bereich der Pferdewetten als historisch gewachsenes Segment im Glücksspielmarkt abgestellt. In dem vom Antragsteller in Bezug genommenen Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. Juni 2015 (12 A 84/15) wird zugunsten des dort klagenden Inhabers einer Erlaubnis zur Sportwettenvermittlung‚ der zusätzlich Geldspielgeräte in seiner Lokalität aufstellen wollte‚ die Gleichheitssatzwidrigkeit von § 1 Abs. 1 Nr. 3 SpielV festgestellt; eine derartige oder eine vergleichbare Konstellation liegt im vorliegenden Fall des Inhabers einer Erlaubnis für eine Gaststätte‚ in der neben Spielgeräten eine Vermittlung für Sportwetten betrieben wird‚ nicht vor.
2. Die Anwendung des § 21 GlüStV als Maßstab für die Prüfung der materiell-rechtlichen Zulässigkeit von Sportwetten verstößt auch unter Berücksichtigung der Entscheidung in der Rechtssache Ince (EuGH‚ U.v. 4.2.2016 – C-336/14 – NVwZ 2016‚ 369) nicht gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV).
Dem genannten Urteil lässt sich nicht entnehmen, das „Ahndungsverbot“ führe dazu, dass auch die materiell-rechtlichen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages für private Vermittler von Sportwetten wegen des faktischen Fortbestands des glücksspielrechtlichen Monopols nicht anwendbar seien. Die Entscheidung erging im Rahmen von Strafverfahren, in denen der Wettvermittlerin zur Last gelegt wurde, Sportwetten ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis vermittelt zu haben. Der Europäische Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass Art. 56 AEUV die Strafverfolgungsbehörden daran hindert, die ohne Erlaubnis erfolgte Wettvermittlung zu ahnden, wenn ein privater Wirtschaftsteilnehmer theoretisch eine Erlaubnis für die Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten erhalten könnte, die Kenntnis von dem Verfahren zur Erteilung einer solchen Erlaubnis aber nicht sichergestellt ist und ein unionsrechtswidriges staatliches Sportwettenmonopol daher faktisch fortbesteht. Die in dem Urteil getroffenen Aussagen stellen damit zwar die Unionsrechtmäßigkeit der Erlaubnispflichtigkeit der Sportwettvermittlung in seiner derzeitigen Form bzw. Durchführung in Frage, berühren jedoch das sog. Trennungsgebot nicht (vgl. zu § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG BW: VGH BW, B.v. 20.2.2017 – 6 S 916/16 – juris Rn. 6). Die Untersagungsverfügung ist vorliegend allein darauf gestützt, dass die Art und Weise der Vermittlungstätigkeit aus monopolunabhängigen Gründen sowie losgelöst von ihrer Erlaubnispflichtigkeit materiell-rechtlich nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Hierzu trifft das genannte Urteil in der Rechtssache Ince keine Aussage. Im Übrigen vermag der Senat die Annahme des Antragstellers‚ eine Unterscheidung zwischen monopolabhängigen Bestimmungen des Glückspielvertrags und solchen‚ die unabhängig von dem (behaupteten) faktischen Fortbestand des Sportwettenmonopols bestehen‚ sei nicht zulässig‚ nicht nachzuvollziehen.
Die Frage, ob ein „Ahndungsverbot“ auch dann besteht, wenn zweifelhaft ist, ob die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen vorliegen, hatte der Europäische Gerichtshof nicht zu beantworten. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lässt sich jedenfalls keine so weitreichende Aussage treffen, dass sich aus der Interpretation der Entscheidungsgründe der Ince-Entscheidung ergebe, auch die nicht monopolabhängigen materiell-rechtlichen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags könnten nicht angewandt werden, solange kein dem Unionsrecht genügendes transparentes und diskriminierungsfreies nationales Verwaltungsverfahren zur Erlangung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis existiere (BayVGH, B.v. 1.8.2016 – 10 CS 16.893 – juris Rn. 27 ff.; ebenso VGH BW, B.v. 20.2.2017 – 6 S 916/16 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.5.2017 – 1 N 72.15 – juris Rn. 14).
3. Auch das behauptete strukturelle (landes- oder bundesweite) Vollzugsdefizit steht der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verfügungen nicht entgegen. Das Landratsamt P. hat zuletzt mit Schriftsatz vom 14. Juli 2017 für den Antragsgegner dargelegt, dass in seinem Zuständigkeitsbereich in zwei vergleichbaren Fällen Untersagungsverfahren eingeleitet worden seien und das sog. Trennungsgebot durchgesetzt worden sei. Der Antragsteller ist dagegen der Meinung, es liege ersichtlich ein Vollzugsdefizit vor, solange nicht bundesweit oder zumindest landesweit in Form eines nachvollziehbaren und weitestgehend einheitlichen Vollzugs entsprechend vorgegangen werde. Damit kann dem Antragsgegner jedoch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG kein willkürliches Vorgehen entgegen gehalten werden. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass außerhalb des Landkreises P. keine oder nur wenige vergleichbare Maßnahmen getroffen worden sein sollten – der Antragsteller spricht selbst von „einer Handvoll Ausnahmen bundesweit“ –, begründet der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit keinen Anspruch auf Fortführung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis. Der Umstand, dass andere Glücksspielaufsichtsbehörden in Bayern oder in der Bundesrepublik in ihrem Zuständigkeitsbereich keine entsprechenden Untersagungsverfügungen gegen Sportwettenvermittler ausgesprochen haben, würde nicht dazu führen, dass der Antragsgegner ebenfalls auf ein behördliches Einschreiten gegen den Antragsteller verzichten müsste (BayVGH, B.v. 1.8.2016 – 10 CS 16.893 – juris Rn. 48; B.v. 13.7.2017 – 10 CS 17.10 –).
4. Auch aus den weiteren, vom Antragsteller zur Stützung seiner Rechtsansicht im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gerichtsentscheidungen ergibt sich nichts anderes; sie betreffen andere Sachverhalte oder Rechtsprobleme.
Der Verweis des Antragstellers auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2016 (8 C 5.15 – juris) verhilft seiner Argumentation nicht zum Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. Juni 2016 festgestellt, dass das bloße Fehlen einer Erlaubnis auch keine verwaltungsrechtliche Untersagung der Wettvermittlung begründen kann, wenn das für Private bis zur Anwendung einer glücksspielrechtlichen Neuregelung eingeführte Erlaubnisverfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet worden ist und deshalb faktisch weiterhin ein staatliches Sportwettenmonopol besteht. Eine Aussage dahingehend, dass eine Untersagung der Sportwettvermittlung nicht auf die materiell-rechtliche Unzulässigkeit der Vermittlungstätigkeit aus monopolunabhängigen Gründen gestützt werden kann, ist hingegen auch diesem Urteil nicht zu entnehmen. Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen geht in vergleichbaren Fällen von der Zulässigkeit einer Untersagungsverfügung aus monopolunabhängigen Gründen aus, weil es sich bei dem – landesrechtlich gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5c LGlüG NW geltenden – Trennungsgebot um eine nicht monopolbezogene Anforderung an die Sportwettvermittlung handele (OVG NW, B.v. 07.10.2016 – 4 B 177/16 – juris; vgl. zudem NdsOVG, B.v. 2.12.2016 – 11 ME 219/16 –, GewArch 2017, 80).
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in dem vom Antragsteller weiter angeführten Beschluss vom 20. Februar 2017 (4 B 609/18) in einem ähnlichen Fall offengelassen, ob § 21 Abs. 2 GlüStV verletzt ist, aber wegen im vorliegenden Fall nicht einschlägiger Gesichtspunkte einen Ermessensfehlgebrauch angenommen. Im Wesentlichen hat das Gericht beanstandet, dass die Behörde – da der dortige Antragsteller der Betreiber sowohl der Spielhalle wie auch der Sportwettenvermittlung war – durch dessen Anhörung nicht ermittelt hatte, ob statt der Untersagung der Sportwettenvermittlung als milderes Mittel auch die Einstellung des Spielhallenbetriebes in Betracht gekommen wäre. Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.
Das Verwaltungsgericht Aachen hat in seinem Beschluss vom 2. März 2017 (3 L 430/16) in einem vergleichbaren Fall zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV als (wohl) erfüllt angesehen, aber einen Ermessensfehlgebrauch angenommen, weil die Behörde die Untersagungsverfügung allein auf das (formelle) Fehlen einer Erlaubnis gestützt und außerdem mit nicht dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Erwägungen begründet hatte. Beides trifft im vorliegenden Fall nicht zu.
Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. März 2017 (411 HKO 24/17) schließlich betrifft wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, wobei das Landgericht selbst feststellt, dass die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke insoweit nicht herangezogen werden könne.
5. Im Übrigen steht bei nicht eindeutigen Erfolgsaussichten des Rechtsmittels dem öffentlichen Vollzugsinteresse, dem gesetzlich der Vorrang eingeräumt ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV), kein gleichwertiges Interesse des Antragstellers gegenüber. Auch wenn derzeit Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV und Wettvermittlungserlaubnisse nach § 10a Abs. 5 GlüStV nicht erteilt werden, heißt dies nicht, dass materiell nicht offensichtlich erlaubnisfähige Wettangebote vom Antragsgegner ohne weiteres geduldet werden müssten. Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, dass er etwa durch die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten in der Gaststätte in seiner Existenz bedroht wäre.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO).


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