Verwaltungsrecht

Untersagung der Haltung von Hunden, konkrete Gefahr für die Gesundheit von Menschen, dauerhafte und hartnäckige Weigerung, (bestandskräftigen) sicherheitsbehördlichen Anordnungen zur Haltung der Hunde nachzukommen, mehrfache erfolglose vollstreckungsrechtliche Durchsetzung der Anordnungen mit Zwangsgeldern, Ungeeignetheit als Hundehalter, Verhältnismäßigkeit der Anordnung, besondere Belastungen durch Wegnahme und Unterbringung der Hunde im Tierheim

Aktenzeichen  10 CS 21.2097

Datum:
20.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24877
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs. 1, § 146 Abs. 4
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3, 18 Abs. 1, 2 und 3
GG Art. 14 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 1 S 21.806 2021-07-29 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juli 2021 weiter, mit dem ihnen unter anderem die Haltung ihrer beiden Hunde untersagt worden ist.
Die Antragsteller sind verheiratet und halten auf ihrem Wohngrundstück im Gemeindegebiet des Antragsgegners zwei Hunde, eine vier Jahre alte “Deutsche Dogge” mit dem Namen “Mira” und einen knapp fünf Jahre alten “Husky” mit dem Namen “Blue”. Mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 21. Juni 2018 und 18. Februar 2020 ordnete der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern jeweils sofort vollziehbar unter anderem die Leinenpflicht (innerhalb der geschlossenen Ortsteile des Gemeindegebiets) und Maulkorbzwang (im gesamten Gemeindegebiet) für den Husky “Blue” und die Dogge “Mira” an und drohte für den Fall der Nichtbeachtung dieser Verpflichtungen entsprechende Zwangsgelder an. Anlass waren – neben wiederholten Beschwerden über die frei herumlaufenden Hunde der Antragsteller – zum einen ein Vorfall im Mai 2018, bei dem der Husky “Blue” nach Angaben mehrerer Zeugen ein Reh verfolgt und gebissen hatte, zum anderen insbesondere zwei Vorfälle, bei denen sich die Dogge “Mira” losgerissen und einen anderen Hund gebissen (25.12.2019) sowie einen Nachbarn auf dem Fahrrad attackiert (9.1.2020) hatte.
In der Folge stellte der Antragsgegner die in diesen Bescheiden (für die jeweiligen Hunde) angedrohten Zwangsgelder insbesondere wegen wiederholt festgestellter Verstöße gegen den Maulkorbzwang mehrfach (d.h. bezüglich “Blue”: mit Schreiben vom 4.2.2019, 14.10.2020 und 4.5.2021; bezüglich Mira: mit Schreiben vom 14.10.2020, 26.2.2021 und 4.5.2021) fällig und drohte jeweils für weitere Verstöße gegen die Anlein- und Maulkorbpflicht erneute und insbesondere bezüglich der Maulkorbpflicht auch jeweils höhere Zwangsgelder an. Die Klageverfahren der Antragsteller bezüglich der Fälligstellung und Androhung erneuter Zwangsgelder durch Schreiben bzw. Bescheide vom 26. Februar 2021 und 4. Mai 2021 sind beim Verwaltungsgericht noch anhängig, im Übrigen sind alle Zwangsgelder betreffenden Verwaltungsstreitverfahren der Antragsteller ohne Erfolg rechtskräftig abgeschlossen.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2021 untersagte der Antragsgegner den Antragstellern die Haltung ihrer Hunde “Mira” und “Blue” (Nr. 1.) sowie die künftige Haltung von Hunden jeder Art (Nr. 2.) ab zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids (bzw. näher bezeichneter Ersatzfristen), verpflichtete die Antragsteller zur Abgabe der Hunde an ein Tierheim oder einen anderen, zuverlässigen Halter (außerhalb ihres Wohnanwesens) innerhalb derselben Frist (Nr. 3.) sowie zur Vorlage eines Nachweises über die erfolgte Abgabe (Nr. 4.), ordnete den Sofortvollzug bezüglich der Anordnungen Nr. 1. bis 3. an (Nr. 5.) und drohte für den Fall der nicht vollständigen oder fristgerechten Erfüllung dieser Verpflichtungen die Verbringung der Hunde in ein Tierheim im Wege der Ersatzvornahme an (Nr. 6. und 7.). Weiter wurde verfügt, dass die Haltung anderer Hunde vom Antragsgegner auf schriftlichen Antrag ausnahmsweise erlaubt werden könne, wenn aufgrund rassespezifischer Eigenschaften der Tiere oder deren Größe eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht zu befürchten sei (Nr. 8.). Rechtsgrundlage für die getroffenen Anordnungen, insbesondere die Hundehaltungsuntersagung, seien Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG. Die (in Teil I. der Gründe des Bescheids bezüglich der beiden Hunde jeweils im einzelnen aufgeführten) Vorfälle und Geschehnisse, insbesondere die zwei Fälle von Wilderei sowie die Sachbeschädigungen in Form von Bissverletzungen anderer Hunde, zeigten, dass es auch künftig durch die Hunde der Antragsteller zu weiteren Gefährdungen des Eigentums Dritter sowie zu Gefahren für Gesundheit und Leben von Menschen kommen könne. Die Antragsteller hätten gegen die in den jeweiligen Bescheiden angeordnete Leinen- und Maulkorbpflicht wiederholt verstoßen und dadurch mehrere Ordnungswidrigkeitentatbestände erfüllt. Aufgrund ihrer hartnäckigen Weigerung, die behördlichen Anordnungen zu befolgen, sei davon auszugehen, dass sie auch künftig weitere diesbezügliche Ordnungswidrigkeiten begehen würden. Die verfügten Anordnungen, insbesondere auch die Haltungsuntersagung, seien ermessensgerecht und verhältnismäßig. Selbst die mehrfache Fälligstellung angedrohter Zwangsgelder und Androhung erneuter höherer Zwangsgelder habe die Antragsteller nicht zur Beachtung des jeweils angeordneten Leinen- und Maulkorbzwangs bewegen können. Eine Beachtung dieser sicherheitsbehördlichen Anordnungen durch sie sei auch künftig nicht zu erwarten; sie zeigten vielmehr keinerlei Unrechtsbewusstsein und Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Gefahrenabwehr. Die Antragsteller hätten sich durch ihr hartnäckiges Verhalten als für die Haltung von Hunden generell ungeeignet erwiesen. Die Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erfolge im besonderen öffentlichen Interesse, weil die fortbestehende Gefährdung von Menschen oder Tieren durch die Hunde der Antragsteller bis zur Bestandskraft dieses Bescheids nicht hingenommen werden könne.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller am 19. Juli 2021 Klage und beantragten gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid wiederherzustellen.
Mit Beschluss vom 29. Juli 2021 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juli 2021 abgelehnt. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei formell nicht zu beanstanden, da sie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichendem Maße schriftlich begründet worden sei. Der Antragsgegner habe hinreichend dargelegt, dass infolge der von den Hunden der Antragsteller ausgehenden Gefahr für andere Tiere sowie für Menschen im öffentlichen Interesse mit den angeordneten Maßnahmen nicht bis zur Bestandskraft des Bescheids zugewartet werden könne. Die summarische Prüfung ergebe, dass die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juli 2021 voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Auf die Begründung des Bescheids werde zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Lediglich ergänzend sei festzustellen, dass das verfügte Hundehaltungsverbot verhältnismäßig sei, weil sich die Antragsteller trotz der zahlreich erfolgten Zwangsgeldfälligstellungen dauerhaft und hartnäckig weigerten, den bestehenden sicherheitsbehördlichen Anordnungen (Leinen- und Maulkorbpflicht) nachzukommen; letzteres stehe zur Überzeugung des Gerichts auch ohne Zeugeneinvernahme und persönliche Anhörung der Antragsteller fest. Dass das Tragen einer Maulschlaufe nicht ausreichend sei, habe nicht zuletzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 3. April 2020 (im Verfahren 10 C 19.1978 und 10 C 19.1979) festgestellt. Zudem stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Hunde der Antragsteller wiederholt auch ohne Maulkorb oder Maulschlaufe angetroffen worden seien. Die von den Antragstellern vorgebrachte Umzäunung einer Teilfläche ihres Grundstücks und die “Anbindehaltung” der beiden Hunde seien keine (gleich) geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der von der Haltung der Hunde ausgehenden Gefahr, weil sich die Gefahrensituationen vor allem dadurch ergäben, dass die Hunde ohne Leine und/oder Maulkorb ausgeführt würden und beim Spazierengehen nicht ausreichend gehalten bzw. kontrolliert werden könnten. Der mit der Abgabe verbundene persönliche Verlust der Antragsteller müsse gegenüber der Gefahr drohender Gesundheitsschäden bei anderen Tieren oder Menschen zurücktreten.
Zur Begründung ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage begehren, machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, der Beweiswert von namentlich nicht benannten Zeugen für angebliche Verstöße gegen die sicherheitsbehördlichen Anordnungen dürfte zumindest erheblich eingeschränkt sein. Dem Antragsgegner gehe es offensichtlich darum, “Stoff gegen die Beschwerdeführer” zu sammeln und “eventuell aufgebrachte Bürger ruhig zu stellen”, ohne die Richtigkeit der Vorwürfe gründlich zu überprüfen. Die Antragsteller hätten im Übrigen inzwischen “ihr Grundstück entsprechend der Tierschutz-Hundeverordnung die Anbindehaltung von Hunden betreffend modifiziert”. Die Hunde hätten bei den von den Zeugen behaupteten Vorfällen Maulschlaufen statt eines Maulkorbs getragen, welche den Zweck der Prävention des Beißens in gleicher Weise erfüllten. Die Antragsteller hätten sich diesbezüglich bei der Anschaffung beraten lassen und man habe ihnen gesagt, dass diese Vorrichtung das Tragen eines Maulkorbs ersetze. Für die behaupteten Beißvorfälle und vor allem Verletzungen existierten keine tierärztlichen Untersuchungsberichte oder sonstigen Beweise. In den Jahren 2020 und 2021 sei es zu keinen Vorfällen mit den Hunden mehr gekommen; der Antragsgegner beziehe sich allein auf Vorfälle insbesondere aus dem Jahr 2018. Das Verhalten der Antragsteller anlässlich des Entlaufens der Hunde bei einem Spaziergang am 2. August 2018 spreche im Übrigen dafür, dass diese sich verantwortungsbewusst verhielten und um eine Befolgung der auferlegten Anordnungen bemüht seien. Demgemäß seien sie auch nicht zur Hundehaltung ungeeignet. Die Unterbringung der Tiere im Tierheim fern von ihren Haltern bedeute einen erheblichen Stress und eine psychische Qual für die Tiere und bedinge die Gefahr gesundheitlicher Verschlechterungen bei den Hunden. Das Tierwohl gebiete, die Hunde den Antragstellern unverzüglich zurückzugeben. Die Antragstellerin leide an Depressionen und habe die unberechtigte Wegnahme der Hunde nicht verkraftet. Aus Zeitungsberichten der örtlichen Presse ergebe sich zudem eine Ungleichbehandlung der Antragsteller gegenüber anderen Gefährdungsfällen. Die Maßnahme verstoße somit nicht nur gegen das Übermaßverbot, sondern auch gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde im Wesentlichen mit dem Vorbringen entgegen, die Antragsteller setzten sich mit den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss nicht in der gebotenen Weise auseinander und zeigten keinen Rechtsfehler dieser Entscheidung auf. Die Behauptung lediglich anonymer Beschwerden entspreche ausweislich der Behördenakten nicht den Tatsachen. Die behördlichen Anordnungen zur Hundehaltung seien bestandskräftig und von den Antragstellern zu beachten gewesen. Diese hätten sich aber dauerhaft und hartnäckig geweigert, ihren Verpflichtungen zu Haltung der Hunde nachzukommen. Die Auffassung, das Tragen einer Maulschlaufe sei ausreichend, sei zu Recht bereits wiederholt beanstandet worden. Das bloße Bestreiten von Beißvorfällen genüge nicht. Die Hunde seien vom Antragsgegner im Tierheim P. in S. untergebracht worden. Dieses biete den Hunden ausreichend große und angemessen ausgestattete Räume sowie Auslauf im Freien. Die Hunde würden ordnungsgemäß und tiergerecht versorgt. Gegensätzliche Behauptungen der Antragstellerseite seien völlig aus der Luft gegriffen.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und Gerichtsakten auch in den Verfahren B 1 K 20.180, B 1 K 20.1254, B 1 K 20.1255,10 ZB 21.1726, 10 ZB 21.1728 und 10 ZB 21.1729 verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht ist – unter nach § 117 Abs. 5 VwGO zulässiger Bezugnahme auf die Begründung des Bescheids des Antragsgegners vom 5. Juli 2021 – zutreffend davon ausgegangen, dass die Untersagung der Hundehaltung aufgrund der von den Hunden ausgehenden konkreten Gefahr insbesondere für die Gesundheit von Menschen voraussichtlich zu Recht auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt werden kann (nachfolgend 1.). Daneben kommt als tragfähige Rechtsgrundlage für die angefochtene Untersagung aber auch die im Bescheid vom 5. Juli 2021 mit herangezogene Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG (in Verbindung mit Art. 18 Abs. 3 LStVG) in Betracht, weil die Antragsteller durch zahlreiche Zuwiderhandlungen gegen die vollziehbaren Anordnungen des Antragsgegners zur Haltung der Hunde “Mira” und “Blue” (jeweils Leinen- und Maulkorbzwang) den Ordnungswidrigkeitentatbestand gemäß Art. 18 Abs. 3 LStVG verwirklicht haben und auch künftig die konkrete Gefahr der erneuten Verwirklichung solcher Ordnungswidrigkeiten droht (nachfolgend 2.). Das Verwaltungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise weiter festgestellt, dass sich die Haltungsuntersagung des Antragsgegners voraussichtlich als verhältnismäßig (Art. 8 LStVG) und auch sonst ermessensgerecht erweisen wird, weil Anordnungen nach Art. 18 LStVG und deren vollstreckungsrechtliche Durchsetzung mit Zwangsgeldern in erheblicher Höhe erfolglos geblieben sind und die Antragsteller trotz gerichtlich wiederholt bestätigter Zwangsgeldfälligstellungen mit Androhung erneuter (höherer) Zwangsgelder nicht bereit bzw. gewillt sind, die bestandskräftigen Anordnungen des Antragsgegners zur Haltung der beiden Hunde zuverlässig zu befolgen. Weder der Antragsgegner noch das Verwaltungsgericht haben verkannt, dass die Untersagung der Hundehaltung für die Antragsteller auch mit Blick auf Art. 14 GG die einschneidendste denkbare Maßnahme zur Verhütung und Unterbindung einer von der Hundehaltung ausgehenden Gefahr und die erzwungene Weggabe der Hunde einen ganz erheblichen Eingriff darstellt (nachfolgend 3.).
1. Die Untersagung der Haltung eines konkreten Hundes oder überhaupt der Haltung von Hunden kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats (auch) auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt werden, um konkrete Gefahren für die dort genannten qualifizierten Rechtsgüter, insbesondere Leben und Gesundheit von Menschen abzuwehren. Der Antragsgegner hat im angefochtenen Bescheid unter Benennung einer Vielzahl von “Vorfällen” mit den Hunden der Antragsteller “Mira” und “Blue” eine derartige konkrete Gefahr damit begründet, dass die beiden Hunde beginnend ab dem Jahr 2018 im Ortsgebiet, den angrenzenden Feldern und Wäldern der Gemeinde, aber auch in Nachbargemeinden immer wieder frei herumgelaufen seien und es nach den vorliegenden Zeugenaussagen dabei wiederholt zu gefährlichen Begegnungen bzw. Vorfällen mit Radfahrern, Kindern, Spaziergängern und anderen Hundehaltern gekommen sei, weshalb der Antragsgegner für die Hunde jeweils mit bestands- bzw. rechtskräftig gewordenen Bescheiden (bezüglich “Blue” Bescheid vom 21.6.2018, bezüglich “Mira” Bescheid vom 18.2.2020) unter anderem Leinen- und Maulkorbzwang verfügt hat. Das Verwaltungsgericht ist in seiner angegriffenen Entscheidung dieser Gefahreneinschätzung gefolgt und hat dazu unter anderem ausgeführt, es komme regelmäßig zu Vorfällen mit den Hunden der Antragsteller, weil die Antragsteller die Hunde (teilweise) ohne Leine und/oder ohne Maulkorb ausführen bzw. beim Spazierengehen freilaufen lassen und die Hunde dann andere Tiere oder Menschen angehen würden, weil sie von den Antragstellern nicht mehr gehalten bzw. kontrolliert werden könnten (UA S. 13 f.).
Soweit die Antragstellerseite demgegenüber eine von ihren Hunden ausgehende konkrete Gefahr unter Hinweis auf den “erheblich eingeschränkten” bzw. vollkommen fehlenden “Beweiswert” anonymer Zeugenaussagen sowie Bestrebungen des Antragsgegners, “Stoff gegen die Beschwerdeführer zu sammeln” und “eventuell aufgebrachte Bürger ruhig zu stellen”, lediglich bestreitet und behauptet, dass es in den Jahren 2020 und 2021 zu keinen Vorfällen mit den Hunden mehr gekommen sei, genügt das nicht, die behördliche und gerichtliche Gefahrenprognose ernstlich in Zweifel zu ziehen. Der Antragsgegner hat im Rahmen seiner Beschwerdeerwiderung zu Recht darauf verwiesen, dass unabhängig von der Bestandskraft der zugrundeliegenden Bescheide die Behauptung lediglich anonymer Beschwerden bzw. Anzeigen nicht zutreffe, sondern sich die verschiedenen Vorfälle und Anzeigenerstatter ohne weiteres aus den Behördenakten nachvollziehen ließen. Im Übrigen ist festzustellen, dass der letztlich den Anlass für sicherheitsbehördliche Anordnungen zur Haltung der Hündin “Mira” gebende Vorfall ausweislich des inzwischen rechtskräftig gewordenen Bescheids des Antragsgegners vom 18. Februar 2020 am 9. Januar 2020 stattgefunden hat.
Den im Beschwerdeverfahren erneut erhobenen Einwand einer Teilumzäunung des Grundstücks der Antragsteller und einer “Anbindehaltung” hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht mit dem Argument zurückgewiesen, die von der Hundehaltung der Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit ergebe sich nicht etwa deshalb, weil die Hunde unbemerkt von den Antragstellern von deren Grundstück entweichen würden, sondern aufgrund fehlender Kontrolle der Hunde beim Ausführen bzw. Spazierengehen und der hartnäckigen Nichtbeachtung der Leinen- und Maulkorbpflicht.
2. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Untersagung der Hundehaltung (auch) gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG in Verbindung mit Art. 18 Abs. 3 LStVG vorliegen, weil die Antragsteller durch zahlreiche Zuwiderhandlungen gegen die vollziehbaren Anordnungen des Antragsgegners zur Haltung der Hunde “Mira” und “Blue” (jeweils Leinen- und Maulkorbzwang) den Ordnungswidrigkeitentatbestand gemäß Art. 18 Abs. 3 LStVG vielfach verwirklicht haben und auch künftig die konkrete Gefahr der erneuten Verwirklichung solcher Ordnungswidrigkeiten droht.
Soweit die Antragsteller diesbezüglich weiterhin darauf verweisen, dass ihre Hunde zwar keinen Maulkorb, aber immer wirkungsgleiche Maulschlaufen getragen hätten, setzen sie sich schon nicht in der gebotenen Weise mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinander. Denn das Verwaltungsgericht hat – ungeachtet eines von ihm angenommenen Ausführens beider Hunde am 18. Februar 2020 ohne Maulkorb oder Maulschlaufe – diesem Einwand zu Recht entgegengehalten, dass auch das zu ihren Gunsten unterstellte Anlegen einer Maulschlaufe nicht ausreichend sei. Denn in den bestands- bzw. rechtskräftig gewordenen Bescheiden des Antragsgegners vom 21. Juni 2018 (bezüglich Husky “Blue”) und vom 18. Februar 2020 (bezüglich Dogge “Mira”) sei jeweils die Verpflichtung angeordnet worden, “einen das Beißen sicher verhindernden Maulkorb anzulegen”. Zudem habe auch der Senat in die Fälligstellung von Zwangsgeldern und Androhung erneuter Zwangsgelder betreffenden Prozesskostenhilfeverfahren der Antragsteller bereits eindeutig und unmissverständlich klargestellt, dass diese bestandskräftige Verfügung den Antragstellern keine Wahlmöglichkeit lasse, weshalb es auch nicht entscheidungserheblich darauf ankomme, ob eine Maulschleife das Zubeißen tatsächlich ebenso wirksam unterbinden könne (BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 10 C 19.1978 und 10 C 19.1979 – Rn. 49).
Der Versuch der Beschwerdebegründung, die Tatsachenfeststellungen des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts bezüglich der (jahrelangen vielfachen) Verstöße gegen die bestandskräftigen Anordnungen des Leinen- und Maulkorbzwangs bei beiden Hunden als falsch oder zumindest nicht hinreichend tragfähig darzustellen, geht ungeachtet dessen, dass das Vorbringen der Antragstellerseite hier äußerst vage und unsubstantiiert bleibt, schon deshalb fehl, weil inzwischen rechtskräftig feststeht, dass die Fälligstellung angedrohter und die Androhung erneuter Zwangsgelder bezüglich Anordnungen zur Haltung der Dogge “Mira” und des Huskys “Blue” zu Recht erfolgt sind (vgl. dazu den die jeweiligen Anträge der Antragsteller auf Zulassung der Berufung ablehnenden Senatsbeschluss vom 20.7.2021 – 10 ZB 21.1726, 10 ZB 21.1728, 10 ZB 21.1729 – noch nicht veröffentlicht).
3. Nicht durchgreifend ist schließlich die im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Verhältnismäßigkeit der Haltungsuntersagung gemäß Art. 8 LStVG ausgegangen.
Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass an die Zulässigkeit einer (umfassenden) Haltungsuntersagung mit Blick auf die hohe Eingriffsintensität insbesondere auch in das Grundrecht aus Art. 14 GG strenge Anforderungen zu stellen sind und eine solche sicherheitsbehördliche Maßnahme daher grundsätzlich voraussetzt, dass der Halter generell nicht für die Haltung von Hunden geeignet ist. Letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn sich der Hundehalter dauerhaft und hartnäckig weigert, einer bestehenden sicherheitsbehördlichen Anordnung nachzukommen. Vor Erlass einer solchen Haltungsuntersagung muss die Behörde deshalb grundsätzlich zunächst erfolglos Zwangsmittel zur Durchsetzung von Anordnungen zur Haltung von Hunden eingesetzt haben. Je weniger ein Halter bereit ist, der von seinem Hund ausgehenden Gefahr durch andere Maßnahmen entgegenzuwirken, umso eher ist eine Untersagung verhältnismäßig. Es ist im konkreten Einzelfall genau zu begründen, weshalb die Haltungsuntersagung die einzig sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahme ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2018 – 10 ZB 18.103 – juris Rn. 8; B.v. 6.3.2015 – 10 ZB 14.2166 – juris Rn. 8; B.v. 26.2.2014 – 10 ZB 13.2476 – juris Rn. 4; vgl. auch Schwabenbauer in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, Stand 15.3.2021, LStVG Art. 18 Rn. 112 ff. m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass gemessen an den dargelegten Grundsätzen im Fall der Antragsteller und ihrer Hunde “Mira” und “Blue” die Anordnung eines umfassenden Haltungsverbots voraussichtlich gerechtfertigt ist. Es ist auf der Grundlage einer Vielzahl in den Behördenakten des Antragsgegners dokumentierter Verstöße gegen die bestandskräftig für beide Hunde angeordnete Leinen- und Maulkorbpflicht, die sich auch bereits in vor dem Verwaltungsgericht mündlich verhandelten Verfahren als zutreffend erwiesen hätten, im Rahmen seiner Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO davon ausgegangen, dass diese Verstöße nicht etwa “aus der Luft gegriffen” seien oder auf “Belastungsmotiven” beruhten, sondern tatsächlich auch so stattgefunden hätten. Die Folgerung des Verwaltungsgerichts, die Antragsteller würden sich fortgesetzt bzw. dauerhaft und hartnäckig weigern, die ihre Hunde betreffenden bestands- bzw. rechtskräftigen sicherheitsbehördlichen Anordnungen des Antragsgegners zu beachten und ihnen nachzukommen, ist nach Auffassung des Senats gerechtfertigt. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, von dieser Einschätzung Abstand zu nehmen. Denn aus diesem Vorbringen ergibt sich vielmehr, dass sich die Antragsteller als Opfer völlig unverhältnismäßiger Anordnungen, behördlicher Willkür sowie einer “Konfliktlage” innerhalb des “dorfgemeinschaftlichen Zusammenlebens” verstehen, von ihren Hunden ausgehende Gefahren im Sinne von Art. 18 Abs. 1 und 2 sowie Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG schon ganz grundsätzlich und erst recht die Zulässigkeit der daran anknüpfenden bestandskräftigen Anordnungen zur Hundehaltung bestreiten und demgemäß auch durch zahlreiche fällig gestellte, nicht unerhebliche Zwangsgelder verbunden mit erneuten Zwangsgeldandrohungen nicht zu bewegen waren, diesen Anordnungen zur Gefahrenabwehr nachzukommen.
Neben der Sache liegt vor diesem Hintergrund der Einwand, vorliegend hätten “mildere Mittel zur Wahl gestanden”, die Antragsteller vom Antragsgegner “einbestellt und letztmalig darauf hingewiesen werden müssen, dass bei weiterer Nichtachtung des Maulkorbzwangs die Wegnahme der Tiere drohe”. Im Übrigen sind die Antragsteller zur beabsichtigten Untersagung der Hundehaltung mit Schreiben vom 15. April 2021 ordnungsgemäß angehört worden.
Soweit die Antragsteller auf die besonderen Belastungen der Wegnahme und Unterbringung der Hunde im Tierheim P. sowohl für die Tiere als auch für sie selbst verweisen, vermag auch das die Unverhältnismäßigkeit der streitbefangenen Haltungsuntersagung nicht zu begründen. Denn derartige Belastungen sind typische Folgen einer Haltungsuntersagung mit Abgabeverpflichtung und damit regelmäßig hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 10 ZB 19.459 – juris Rn. 29). Dass schwerwiegende Gründe des Tierschutzes der Unterbringung der beiden Hunde im Tierheim P. nicht entgegenstehen, hat der Antragsgegner mit seiner Beschwerdeerwiderung vom 16. August 2021 und den dem Schriftsatz beigefügten Fotos von der Unterbringungssituation hinreichend glaubhaft gemacht. Es ist zwar nachvollziehbar, dass es den Antragstellern aufgrund der Wegnahme ihrer Hunde und des dadurch erzwungenen Abbruchs der Halter-Tier-Beziehung ausweislich der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten ärztlichen Atteste vom 13. und 16. August 2021 “psychisch sehr schlecht geht” bzw. sie sich in einer “psychischen Ausnahmesituation” befinden. Mit Blick auf die dargelegten Gesamtumstände des Falles ist dieser Umstand aber ebenfalls nicht geeignet, die Unzumutbarkeit der Haltungsuntersagung zu begründen.
Der Vorwurf willkürlichen Handelns bzw. einer Verletzung des Gleichheitssatzes Art. 3 Abs. 1 GG unter Bezugnahme auf andere Fälle im Zuständigkeitsbereich des Land-ratsamts H. ist schließlich schon deshalb verfehlt, weil der Gleichheitssatz jeden Träger öffentlicher Gewalt nur innerhalb seines eigenen Zuständigkeits- und Kompetenzbereichs bindet. Demgemäß wäre selbst eine unterschiedliche Handhabung des Ermessens durch verschiedene Verwaltungsträger keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung (vgl. Boysen in von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 67 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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