Verwaltungsrecht

Unterstützen einer terroristischen Vereinigung, Rechtskräftige Verurteilung, Meldeauflage, Räumliche Beschränkung, Wohnsitzauflage, Kommunikationsverbot, Androhung von Zwangsmitteln, Unmittelbarer Zwang

Aktenzeichen  W 7 K 20.613

Datum:
26.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29615
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
AufenthG § 56 Abs. 2
AufenthG § 56 Abs. 3 Nr. 1, 2
AufenthG § 56 Abs. 4 S. 1, 2
VwZVG Art. 34 S. 1
VwZVG Art. 35
VwZVG Art. 36 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

I. Über die Klage kann die Kammer in ihrer Besetzung in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2021 entscheiden. Das in der mündlichen Verhandlung (nach Ablehnung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 22. Juli 2021) erneut gestellte Ablehnungsgesuch gegen die Richter der Kammer war als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig abzulehnen. Ein rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch darf in Abweichung von § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 45 Abs. 1 ZPO von dem Spruchkörper in der Besetzung mit den Richtern abgelehnt werden, gegen die sich das Ablehnungsgesuch richtet. Ein Ablehnungsgesuch ist als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, wenn es überhaupt nicht oder nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können und in der Art und Weise seiner Anbringung ein gesetzeswidriger und damit das Instrument der Richterablehnung missbrauchender Einsatz dieses Rechts erkennbar wird (OVG NRW, B.v. 15.1.2021 – 4 A 100/21 – juris Rn. 1 m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist das Ablehnungsgesuch, welches pauschal gegen die Richter der erkennenden Kammer gerichtet ist, schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil es sich um ein wiederholtes Ablehnungsgesuch handelt, welches vom Gericht bereits verbeschieden wurde. Das Gericht hat das Befangenheitsgesuch bereits mit Beschluss vom 22. Juli 2021 – der dem Bevollmächtigten des Klägers am 23. Juli 2021 und damit vor der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2021 zugestellt worden ist – abgelehnt. Auf erneute Verbescheidung dieses Ablehnungsgesuchs hat der Kläger keinen Rechtsanspruch. Des Weiteren hat das Gericht in dem genannten Beschluss ausgeführt, dass die umfassende (pauschale) Ablehnung aller Richter eines erkennenden Spruchkörpers den Rechtsmissbrauch indiziert, soweit keine individuellen Gründe für die Ablehnung der einzelnen zur Entscheidung berufenen Richter(innen) geltend gemacht werden (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 26 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 54 Rn. 12). Derartige Gründe hat der Kläger in seiner – erkennbar im Vorfeld verfassten und in der mündlichen Verhandlung übergebenen – Richterablehnung (vgl. Anlage zum Sitzungsprotokoll) nicht substantiiert vorgebracht. Insbesondere ist er nicht auf die vom Gericht gegebenen Begründungen der Ablehnungen der gestellten Beweisanträge gemäß § 86 Abs. 3 VwGO eingegangen und hat nicht erläutert, inwiefern sich daraus eine Befangenheit ergeben können sollte. Allein die Vorbefassung der Kammer bzw. einzelner Richter(innen) derselben mit dem Gesamtkomplex des Verwaltungsstreitverfahrens des Klägers oder einzelnen Teilen desselben vermag, wie im Beschluss vom 22. Juli 2021 ausgeführt, außerhalb der abschließenden Regelung des § 41 Nr. 6 ZPO keine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Denn das Prozessrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Rechtssache heranzugehen vermag, wenn er bereits früher damit befasst war und sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (Hoppe in Eyermann a.a.O., § 54 Rn. 15; BVerwG, B.v. 28.5.2009 – 5 PKH 6.09 – NVwZ 2009, 662, juris Rn. 4, 5).
II. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die angegriffenen Verwaltungsakte unter den Ziffern 5 bis 8 und 10 bis 13 des Bescheides des Beklagten vom 14. Mai 2018 in der Fassung des Bescheides vom 22. September 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung (BayVGH, U.v. 8.1.2020 – 10 B 18.2485 – juris Rn. 23).
1. Die Anordnung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids, dass der Kläger sich zweimal täglich persönlich unter Vorlage eines amtlichen Ausweises bei der Polizeiinspektion Tirschenreuth zu melden hat, ist rechtmäßig. Der Beklagte stützt diese Anordnung zutreffend auf die Rechtsgrundlage des § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach unterliegt ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Die in § 56 AufenthG vorgesehenen Anordnungen einer Meldepflicht, einer räumlichen Aufenthaltsbeschränkung und damit verbunden einer Wohnsitzauflage dienen der spezifischen Gefahrenabwehr durch Terrorismusbekämpfung, indem die von – wegen eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesenen – Ausländern ausgehende Gefahr der Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eingedämmt werden soll, und zwar gerade in Fällen – wie dem vorliegenden -, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BayVGH, B.v. 3.2.2020 – 19 CS 19.567 m.V.a. Bundesrat, 802. Plenarprotokoll v. 9.7.2004, S. 338 ff.). Die Vorschrift ergänzt die allgemeinen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, ist auf einen engeren Personenkreis als die §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 AufenthG angesprochenen Ausländer begrenzt und sieht abgestufte Maßnahmen zur Gefahrenabwehr vor (Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 56 AufenthG Rn. 5 f.). Die in § 56 AufenthG geregelten Befugnisse gehen somit aufgrund des besonders betroffenen Personenkreises, der systematischen Stellung der Norm und der besonderen Zielrichtung den allgemeinen Befugnissen vor.
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage liegen vor. Gegen den Kläger besteht nach der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides eine rechtmäßige Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses (u.a.) nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Zur näheren Begründung wird auf das Urteil der Kammer vom heutigen Tag in der Verwaltungsstreitsache Az. W 7 K 20.612 verwiesen.
b) Die vorliegend unter der Ziffer 5 des Bescheids angeordnete zweimal tägliche Meldepflicht begegnet keinen rechtlichen Bedenken. § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG stellt die von der gesetzlichen Regel der mindestens einmal wöchentlichen Meldepflicht abweichende Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen in das Ermessen der Ausländerbehörde (BayVGH, B.v. 12.2.2021 – 10 C 20.3061 – juris Rn. 15; Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand 1.1.2021, § 56 AufenthG Rn. 15; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 56 AufenthG Rn. 6). Das Gericht ist insoweit gemäß § 114 Satz 1 VwGO auf die Prüfung von Ermessensfehlern beschränkt. Gemessen daran ist die von dem Beklagten getroffene Ermessensentscheidung rechtmäßig. Zum einen musste der Beklagte nicht zugunsten des Klägers die in § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Regelfall (vgl. Wortlaut: „es sei denn (…)“) vorgesehene einmal wöchentliche Meldepflicht reduzieren, d.h. eine „grobmaschigere“ Meldehäufigkeit anordnen. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass von dem Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die wegen terroristischer Straftaten oder Unterstützungshandlungen nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen wurden. Zum anderen stellt die Anordnung der zweimal täglichen Meldepflicht zwar eine erhebliche Belastung des Klägers dar, sie ist aber in seinem Falle nicht zu „engmaschig“ und damit unverhältnismäßig. Die Beklagtenseite führt zutreffend aus, dass die Meldepflicht geeignet und erforderlich ist, um weitere Unterstützungshandlungen des Klägers zugunsten des IS zumindest zu erschweren, indem ihm die Möglichkeit entzogen wird, sich unbemerkt über einen längeren Zeitraum hinweg außerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs bewegen zu können. Eine engmaschige Überwachung des Klägers nach Beendigung der Haft erscheint aufgrund der festgestellten Wiederholungsgefahr im Interesse effektiver Gefahrenabwehr erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 19 CS 18.1704 – juris Rn. 36). Ein weniger belastendes, aber gleich effektives Mittel ist nicht ersichtlich, zumal eine sog. elektronische Fußfessel (vgl. § 56a AufenthG), welche dem Kläger zwar theoretisch einen größeren räumlichen Aktionsradius ermöglichen würde, aber mit einer Überwachung gleichsam „auf Schritt und Tritt“ verbunden wäre, nicht als weniger belastend angesehen werden könnte, weil sie im Hinblick auf die von Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre eingriffsintensiver wäre. Angesichts der erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und andere bedeutende Rechtsgüter, die nach wie vor von dem Kläger ausgehen (vgl. die Ausführungen im Urteil zur Ausweisungsverfügung, Az. W 7 K 20.612), ist die Anordnung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck der effektiven Gefahrenabwehr auch angemessen. Der erhebliche Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, zumal dieser bislang nicht von seiner extremistischen Einstellung und den Unterstützungsbekundungen für den IS abgerückt ist (vgl. die Ausführungen im Urteil zum Az. W 7 K 20.612). Der Beklagte hat die Anordnung – und ebenso die übrigen, unter den Ziffern 6, 7 und 8 verfügten Maßnahmen des Bescheides – als Dauerverwaltungsakte bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung rechtlich unter Kontrolle zu halten (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 19 CS 18.1704 – juris Rn. 34). Damit ist gewährleistet, dass die Maßnahmen aufgehoben oder angepasst werden, falls nachträglich Umstände eintreten sollten, welche den Grundrechtseingriff dann – unter veränderten Vorzeichen – als unverhältnismäßig erscheinen ließen.
2. Die Anordnung der räumlichen Beschränkung auf das Stadtgebiet Tirschenreuth unter der Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Diese Maßnahme findet ihre Rechtsgrundlage in § 56 Abs. 2 AufenthG. Danach ist der Aufenthalt eines Ausländers, der aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen wurde, kraft Gesetzes auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage liegen vor. Der Kläger wurde wegen eines Ausweisungsinteresses gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen. Der weitergehenden Voraussetzungen des § 61 Abs. 1c AufenthG für die Anordnung einer räumlichen Beschränkung bedarf es nicht, weil § 56 Abs. 2 AufenthG im Verhältnis zu § 61 Abs. 1c AufenthG die speziellere Norm darstellt. Dass der Aufenthalt des Klägers auf das Gemeindegebiet Tirschenreuth beschränkt wurde, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Festlegung eines geringeren Aufenthaltsradius als der gesetzlich vorgesehenen Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde nach § 56 Abs. 2 AufenthG liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar. Der Beklagtenvertreter hat zur Begründung der räumlichen Beschränkung auf Tirschenreuth ausgeführt, das Ziel der Maßnahme sei, den Wirkungsradius und die Mobilität des Klägers aufgrund seiner persönlichen Gefährlichkeit möglichst einzuschränken. Dies ist angesichts der erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und andere bedeutende Rechtsgüter, die nach wie vor von dem Kläger ausgehen, nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen zur Wiederholungsgefahr im Urteil zur Ausweisungsverfügung unter Ziffer 1 des Bescheides (Az. W 7 K 20.612) kann insoweit verwiesen werden. Die Festlegung eines größeren Bereiches, in welchem sich der Kläger ohne erforderliche Befreiung von der räumlichen Beschränkung und damit ohne behördliche Kontrolle bewegen könnte, würde seine kontinuierliche Überwachung erheblich erschweren. Der Bezirk der Ausländerbehörde würde sich auf den gesamten Landkreis Tirschenreuth bzw. – bei Zuständigkeit der ZAB – auf den gesamten Regierungsbezirk der Oberpfalz erstrecken und damit die Überwachung erschweren. Eine solche räumliche Beschränkung wäre deshalb im Hinblick auf das Erfordernis der effektiven Gefahrenabwehr kein gleich geeignetes Mittel. Andere gleich geeignete, aber weniger eingriffsintensive Mittel sind nicht ersichtlich (vgl. oben 1.). Zwar handelt es sich bei der räumlichen Beschränkung auf das Stadtgebiet Tirschenreuth um einen erheblichen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG, im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck der effektiven Gefahrenabwehr zum Schutz bedeutender Rechtsgüter ist dieser Eingriff aber noch angemessen und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Beklagte hat die Anordnung als Dauerverwaltungsakt rechtlich unter Kontrolle zu halten (siehe oben 1.).
3. Die Anordnung der Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft Tirschenreuth gemäß der Ziffer 7 des streitgegenständlichen Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Diese Maßnahme hat ihre Rechtsgrundlage in § 56 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG. Danach kann ein Ausländer, der nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen wurde, verpflichtet werden, an einem anderen Wohnort oder bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt zu haben, zu erschweren oder zu unterbinden. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor, weil er (u.a.) nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen ist und durch die Wohnsitzauflage die Fortführung seiner Aktivitäten zur Unterstützung des IS erschwert bzw. unterbunden werden soll. Eine konkrete Wiederholungsgefahr liegt beim Kläger vor, wie in Bezug auf die Ausweisungsverfügung nach Ziffer 1 des Bescheides festgestellt wurde (vgl. das Urteil zum Az.: W 7 K 20.612). Die Maßnahme kann wegen der inzwischen eingetretenen Rechtskraft der Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten unter anderem wegen Werbens um Unterstützung für eine terroristische Vereinigung im Ausland in zwei Fällen auch auf § 56 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG gestützt werden, um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geführt haben, zu unterbinden.
Die Anordnung der Wohnsitznahme in einer bestimmten Unterkunft nach § 56 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AufenthG liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde nach Art. 40 BayVwVfG. Ermessensfehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Zu Recht hat der Beklagte sein Entschließungsermessen (hinsichtlich des „ob“ der Maßnahme) dahingehend ausgeübt, dass die Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort angeordnet wird, weil es aufgrund der festgestellten konkreten Wiederholungsgefahr erforderlich erscheint, den Kläger möglichst engmaschig zu überwachen. Dies wäre nicht in gleicher Weise effektiv möglich, wenn er (als vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer) seinen Wohnsitz innerhalb des Freistaates Bayern gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG frei wählen könnte. Des Weiteren weist die Auswahl der Gemeinschaftsunterkunft Tirschenreuth als künftigen Wohnsitz des Klägers (Auswahlermessen) keine Ermessensfehler auf. Aufgrund von Art. 4 Satz 1, Art. 1 des Bayerischen Aufnahmegesetzes (AufnG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) „soll“ der Kläger zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) verpflichtet werden. Ein Abweichen von der für den Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge kommt vorliegend nicht in Betracht, da Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 3 oder 5 Aufnahmegesetz – AufnG schon tatbestandlich nicht greifen. Hinsichtlich der Auswahl der GU Tirschenreuth hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Kläger durch den Ortswechsel aus seinem bisherigen Umfeld herausgenommen werden solle. Des Weiteren biete die ausgewählte Gemeinschaftsunterkunft entsprechende Überwachungsmöglichkeiten, welche in anderen Unterkünften nicht bestünden. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden, zumal der Kläger die Ausführungen des Beklagten zur besseren Überwachungsmöglichkeit auch nicht bestritten hat. Die Maßnahme ist geeignet und aufgrund der festgestellten Wiederholungsgefahr auch erforderlich, um den Kläger ausreichend zu überwachen und so die Wiederholung der zur Ausweisung führenden oder gleichartiger Straftaten oder Unterstützungshandlungen zugunsten des internationalen Terrorismus zu unterbinden. Im Hinblick auf die festgestellten erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und andere bedeutende Rechtsgüter, die nach wie vor von dem Kläger ausgehen (vgl. die Ausführungen im Urteil zur Ausweisungsverfügung, Az. W 7 K 20.612), ist die Anordnung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck der effektiven Gefahrenabwehr auch angemessen. Der erhebliche Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Auf die Ausführungen zur Meldeauflage nach Ziffer 5 sowie zur räumlichen Beschränkung nach Ziffer 6 des Bescheides kann insoweit verwiesen werden. Der Beklagte hat auch diese Anordnung als Dauerverwaltungsakt rechtlich unter Kontrolle zu halten (siehe oben 1.).
4. Das Verbot der Nutzung EDVgestützter Kommunikationsmittel unter der Ziffer 8 des Bescheides begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Diese Maßnahme stützt sich auf § 56 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Danach kann der Ausländer, um die Fortführung von Bestrebungen, die (u.a.) zur Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Die Maßnahme dient vorliegend der Unterbindung der Fortführung von Bestrebungen des Klägers zur Unterstützung des internationalen Terrorismus, welche zur Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geführt haben. Eine konkrete Wiederholungsgefahr liegt vor, insoweit kann wiederum auf die Ausführungen im Urteil zur Ausweisung verwiesen werden (Az.: W 7 K 20.612).
Die Maßnahme ist auch erforderlich, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Aufgrund des persönlichen Verhaltens des Klägers liegt eine erhebliche Gefährdung der genannten Rechtsgüter vor. Ein milderes Mittel, welches in gleicher Weise zur effektiven Gefahrenabwehr geeignet wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger seine Straftaten und Gefährdungshandlungen gerade unter Nutzung der genannten EDVgestützten Kommunikationsmittel begangen, weshalb die Abriegelung dieser Kommunikationskanäle zur Verhütung weiterer gleichartiger Taten naheliegt. Die Nutzung der elektronischen Kommunikationsmittel in der Form von Messengerdiensten, Chatforen und ähnliche Einrichtungen stellt für Personen im Umfeld des internationalen Terrorismus eine wichtige Plattform zur Verbreitung von Sympathiewerbung und Propaganda dar, wobei die systemimmanenten Schwierigkeiten der Überwachung durch staatliche Sicherheitsorgane bewusst ausgenutzt werden. Gerade wegen der genannten Überwachungsprobleme ergeben sich erhebliche Beeinträchtigungen der effektiven staatlichen Gefahrenabwehr. Das Verbot der Nutzung derartiger Kommunikationswege ist auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Dem Kläger bleibt die Möglichkeit, ein nicht internetfähiges Mobiltelefon zu nutzen oder Briefe zu schreiben. Auf diese Weise wird es ihm trotz des Verbots möglich sein, seine geringen persönlichen Kontakte im Bundesgebiet aufrecht zu erhalten und – gegebenenfalls mit der Unterstützung von Hilfsorganisationen – auch wieder Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie in Syrien aufzunehmen. Bei Überlassung eines internetfähigen Mobiltelefons wäre hingegen eine Überwachung kaum möglich, weshalb insoweit kein gleich geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr gegeben wäre (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 19 CS 18.1704 – juris Rn. 39). Dass der Kläger ohne die Möglichkeit der Internetnutzung sein Studium an der Fernuniversität H. nicht aufnehmen kann, stellt zwar einen Eingriff in seine Studierfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dar. Dieser Eingriff ist aber im Hinblick auf die, wie dargestellt, erhebliche Wiederholungsgefahr und den hohen Rang der bedrohten Rechtsgüter gerechtfertigt.
5. Die Androhungen des Verwaltungszwangs zur Durchsetzung der vorgenannten Verpflichtungen unter den Ziffern 10 bis 13 des Bescheides sind ebenfalls rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie stützen sich auf Art. 36 Abs. 1, Art. 29, 31 VwZVG – soweit unter den Ziffern 10, 11 und 13 Zwangsgelder angedroht werden – sowie auf Art. 36 Abs. 1, 34 Satz 1 VwZVG, soweit zur Durchsetzung der Wohnsitzverpflichtung unter der Ziffer 7 die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht wird (Ziffer 12 des Bescheides). Die erforderlichen Grundverwaltungsakte unter den Ziffern 5 bis 8 des Bescheides sind wirksam und werden mit der Rechtskraft des vorliegenden Urteils vollstreckbar gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG. Die angedrohten Zwangsgelder sind der Höhe nach angemessen und ausreichend, aber auch erforderlich und geboten. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs ist gemäß Art. 35 BayVwZVG auch ohne vorherige Fristsetzung zulässig, soweit eine solche bei Unterlassungspflichten nicht ohnehin entbehrlich ist.
III. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben