Verwaltungsrecht

Unzulässige Feststellungsklage wegen Anordnung zur Nachuntersuchung zur Neufestsetzung eines Unfallausgleichs

Aktenzeichen  3 ZB 13.1322

Datum:
22.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 112433
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43, § 124 Abs. 2 Nr. 1
BeamtVG § 35 Abs. 3 S. 2
BayVwVfG Art. 62 S. 2

 

Leitsatz

Für eine Feststellungsklage mit dem Inhalt, dass der Dienstherr nicht befugt ist, zur Überprüfung eines Dauerschadens Nachuntersuchungen nach § 35 Abs. 3 S. 2 BeamtVG anzuordnen, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Frage, ob eine Nachuntersuchung zu Recht angeordnet wurde, kann der Beamte nach Ergehen der Anordnung mit einem Antrag nach § 123 VwGO bzw. mit der Leistungsklage überprüfen lassen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 1 K 13.596 2013-05-14 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat den von ihm geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in der unstrukturierten Vermengung von Schilderungen des Sachverhalts aus seiner Sicht und Kritik an der angefochtenen Entscheidung, ohne sich substantiiert mit dieser auseinanderzusetzen. Im Übrigen liegt der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vor.
1. An der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen auf der Grundlage des innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gemachten Vorbringens keine ernstlichen Zweifel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, festzustellen, dass der Beklagte nicht befugt ist, gegenüber dem Kläger – der als Inspektor (BesGr A 9) bei der Polizeiinspektion V. im Dienst des Beklagten steht und dem aufgrund des von ihm am 29. August 1979 erlittenen, mit Bescheid der früheren Bezirksfinanzdirektion M. vom 13. August 1981 anerkannten Dienstunfalls, bei dem er bei einer Übung vom Strahl eines Wasserwerfers getroffen wurde, mit Bescheid der früheren Bezirksfinanzdirektion R. vom 29. November 2000 eine MdE von 80 v. H. ab 1. Januar 1986 grundsätzlich als Dauerschaden zuerkannt wurde – weitere Nachuntersuchungen zur Überprüfung seines Dauerschadens anzuordnen, außer der Kläger beantragt dies selbst im Sinne eines Verschlimmerungsantrags, zu Recht schon mangels Rechtsschutzbedürfnis‘ als unzulässig abgewiesen. Es ist dem Kläger zumutbar, gegen die Anordnung einer Nachuntersuchung nach § 35 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG mit einem Antrag nach § 123 VwGO bzw. mit einer Leistungsklage vorzugehen (OVG Lüneburg, B. v. 24.10.2007 – 5 ME 267/07 – juris Rn. 10).
Daran änderte auch nichts, falls dem Kläger vorprozessual vom Beklagten bedeutet worden sein sollte, dass ihm im Falle einer Weigerung, sich einer ggf. angeordneten Nachuntersuchung zu unterziehen, der ihm zustehende Unfallausgleich gestrichen werde. Weigert sich der Beamte, der Unfallausgleich erhält, sich untersuchen zu lassen, ist die Zahlung einzustellen, wenn sich keine Feststellungen für das weitere Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gewinnen lassen (OVG NRW, U.v. 19.2.1991 – 12 A 1399/87 – juris). Die Frage, ob die Nachuntersuchung zu Recht angeordnet wurde und ob der Beamte ihr nachkommen muss, kann er nach § 123 VwGO überprüfen lassen (OVG Lüneburg, B. v. 24.10.2007 a. a. O.).
2. Da das Verwaltungsgericht die Feststellungsklage nach § 43 VwGO zutreffend schon als unzulässig abgewiesen hat, kann dahingestellt bleiben, ob sie, was das Verwaltungsgericht ebenfalls ausführlich geprüft und verneint hat, begründet wäre. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, weil der Kläger auch keinen Anspruch auf die von ihm beantragte Feststellung besitzt, dass der Beklagte nicht befugt ist, weitere Nachuntersuchungen zur Überprüfung seines Dauerschadens anzuordnen, außer er beantragt dies selbst.
Die Anordnung einer Nachuntersuchung kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Gemäß § 35 Abs. 3 BeamtVG wird der Unfallausgleich neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Zu diesem Zweck ist der Beamte verpflichtet, sich auf Anordnung des Dienstherrn durch einen von diesem bestimmten Arzt untersuchen zu lassen (BVerwG, B.v. 16.9.1980 – 6 B 44.80 – juris Rn. 3). Hieraus folgt, dass der Unfallausgleich schon gesetzlich unter einem entsprechenden Prüfungsvorbehalt steht. Bei der Gewährung von Unfallausgleich nach § 35 BeamtVG handelt es sich um eine Leistung, die keinen ausnahmslos feststehenden Charakter hat, sondern sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach Veränderungen unterworfen sein kann. Abgesehen von den Fällen, in denen es um bleibende Körperschäden mit im wesentlichen gleichbleibender Minderung der Erwerbsfähigkeit geht (vgl. dazu Tz. 35.2.4 BeamtVGVwV), sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen Anlass besteht, die Frage des Unfallausgleichs nach Ablauf bestimmter Zeiträume neu zu beurteilen. Dem dient u. a. die Vorschrift des § 35 Abs. 3 BeamtVG über die Neufeststellung des Unfallausgleichs (OVG NRW, U. v. 8.2.1994 – 6 A 2089/91 – juris Rn. 4).
Dementsprechend hat der Beklagte mit Bescheid der früheren Bezirksfinanzdirektion R. vom 29. November 2000 auch ausdrücklich auf die Bestimmung des § 35 Abs. 3 BeamtVG verwiesen, auch wenn er die polizeiärztlich durch Dr. P. mit Schreiben vom 13. Januar 2000 festgestellte MdE von 80 v. H. grundsätzlich als Dauerschaden anerkannt hat. Er hat hierzu in Übereinstimmung mit der Gesetzeslage ausdrücklich erklärt, eine Nachuntersuchung des Klägers sei von Seiten der BFD aufgrund des bestehenden Dauerschadens derzeit nicht vorgesehen, soweit keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eintritt, und weiter auf die Anzeigepflicht bei wesentlicher Änderung gemäß Tz. 35.3.5 BeamtVGVwV hingewiesen. Schon deshalb kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass ihm zugesichert worden sei, dass er nicht mehr zu weiteren Nachuntersuchungen herangezogen werde, sofern er nicht selbst einen sog. Verschlimmerungsantrag stelle. Bereits vorher wurde dem Kläger mit Schreiben der Bezirksfinanzdirektion R. vom 6. Juni 2000 verdeutlicht, dass es grundsätzlich bei einer Anerkennung einer MdE von 80 v. H. als Dauerschaden verbleibe, falls sich keine wesentlichen Änderungen ergeben sollten; der vom Kläger vorgeschlagenen Regelung, eine Nachuntersuchung nur auf seinen Antrag vorzunehmen, könne man nicht beitreten, weil sie der gesetzlichen Regelung widersprechen würde. Es trifft deshalb nicht zu, dass die Bezirksfinanzdirektion R. dem Kläger zugesagt habe, dass keine Nachuntersuchungen auf ihre Veranlassung mehr erfolgen würden. Auch die telefonische Erklärung der Bezirksfinanzdirektion R. vom 1. August 2000 zu ihrem Schreiben vom 24. Juli 2000, in dem sie unmissverständlich erklärt hat, von sich aus keine Nachuntersuchung zu veranlassen, es sei denn, er würde eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers i. S. d. § 35 Abs. 3 BeamtVG eintreten, besagt nur, dass es der BFD fernliege, ohne „Verdachtsmomente“ (d. h. ohne konkrete Anhaltspunkte) den Kläger zu einer Nachuntersuchung vorzuladen, enthält aber entgegen der Behauptung des Klägers keine Zusicherung, auf eine Nachuntersuchung künftig zu verzichten. Ein Vergleich mit einem solchen Inhalt ist mangels erkennbaren hierauf gerichteten Willens der Bezirksfinanzdirektion R. nicht zustande gekommen (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i. V. m. §§ 145 ff. BGB analog). Auch wenn der Kläger im Rahmen der Verhandlungen davon ausgegangen sein sollte, dass die Bezirksfinanzdirektion R. auf eine Nachuntersuchung verzichten werde, handelt es sich lediglich um einseitige Vorstellungen (Motive) des Klägers, die nicht von beiden Beteiligten zur Geschäftsgrundlage des Vergleichs gemacht wurden, sondern als reiner Motivirrtum unbeachtlich sind (VGH BW, U. v. 29.6.2015 – 9 S 280/14 – juris Rn. 164). Auch Vertrauensschutz (§ 242 BGB analog) scheidet aus.
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf verschiedene, in der Vergangenheit zum Gesundheitszustand des Klägers eingeholte Gutachten darauf verweist, dass bei ihm dauerhafte Gesundheitsbeschwerden sowie chronifizierte Schmerzen festgestellt worden seien, die einer dauerhaften Behandlung bedürften, bedeutet dies nicht, dass der Beklagte deshalb auf die Anordnung einer Nachuntersuchung verzichten müsste, selbst wenn wesentliche Änderungen eingetreten sind. Dies kann – entgegen der Annahme des Klägers – im Übrigen nicht nur der Fall sein, wenn sich sein Gesundheitszustand verbessern, sondern auch dann, wenn er sich verschlechtern sollte. Das Verwaltungsgericht hat sich damit ausführlich auseinandergesetzt und ist unter umfassender Würdigung sämtlicher vorliegender Gutachten nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass sich diesen keine Aussage zur Erforderlichkeit einer etwaigen Nachuntersuchung entnehmen lässt. Auch die von Bezirksfinanzdirektion R. dem Bescheid vom 29. November 2000 zugrunde gelegte polizeiärztliche Stellungnahme von Dr. P. vom 13. Januar 2000 hat insoweit eine Nachuntersuchung lediglich für April 2008 ausgeschlossen. Gleiches gilt für das nervenärztliche Gutachten Dres. L. und E. vom 1. Dezember 2010, die eine Nachuntersuchung frühestens in fünf Jahren für angezeigt angesehen haben. Im Übrigen greift der Kläger mit seinem Vorbringen lediglich die Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) des Verwaltungsgerichts an, ohne diesbezüglich ernstliche Zweifel aufzuzeigen. Er legt nicht substantiiert dar, dass die tatsächlichen Feststellungen nicht zutreffen oder etwa wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind, sondern bewertet lediglich die betreffende Aussagen der Gutachten anders als das Verwaltungsgericht. Daher musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht von Amts wegen die Erholung eines weiteren Gutachtens aufdrängen.
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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