Verwaltungsrecht

Unzulässige Leistungsklage auf Versorgungsleistungen

Aktenzeichen  M 12 K 18.2915

Datum:
25.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21920
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VersoG Art. 10

 

Leitsatz

1. Eine Leistungsklage auf Versorgungsleistungen ist unzulässig, wenn ein entsprechender Antrag bei der Behörde nicht gestellt und eine angemessene Entscheidungsfrist nicht abgewartet wurde. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anspruch auf Versorgungsleistungen haben nur Pflichtmitglieder der Versorgungsanstalt, das sind alle natürlichen Personen, die Mitglieder der Rechtsanwalts- und Steuerberaterkammern in Bayern sind. Die Pflichtmitgliedschaft entsteht ohne Antrag kraft Gesetzes. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Es konnte in der Verwaltungsstreitsache entschieden werden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Er wurde mit Auslandsrückschein spätestens am 8. Juli 2019 (Eingang des unterschriebenen Auslandsrückscheins bei Gericht) sowie mit öffentlicher Zustellung am 19. Juni 2019 ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde er darauf hingewiesen, dass auch ohne seine Anwesenheit verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
2. Die Klage ist unzulässig. Ihr fehlt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist nicht gegeben, wenn der Kläger sein Ziel auf anderem Wege einfacher und schneller oder effizienter erreichen könnte (BGH U.v. 20.1.1971 – VIII ZR 251/69 – BGHZ 55, 201, 206). Eine Leistungsklage ist unnötig, solange der Bürger bei der Behörde einen entsprechenden Antrag nicht gestellt und eine angemessene Entscheidungsfrist nicht abgewartet hat (BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – NVwZ 2008, 575 Rn 23; U.v. 16.12.2009 – 6 C 40/07 – NJW-RR 2010, 1504 Rn. 17; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, vor § 40 Rn. 13, jeweils m.w.N.). Dieser für die Verpflichtungsklage anerkannte Grundsatz gilt vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung regelmäßig auch für die Leistungsklage (BVerwG, U.v. 26.1.1978 – 2 C 66/73 – NJW 1978, 1643; U.v. 28.6.2001 – 2 C 48/00 – NVwZ 2002, 97; Rennert a.a.O; a.A. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, vor § 40 Rn. 51; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 45 mit Verweis auf § 156 VwGO). Es kann daher dahinstehen, ob der Klageantrag zu 1) als Verpflichtungsklage i.S.v. § 42 Abs. 1 VwGO auf Festsetzung einer Versorgung durch Verwaltungsakt oder als allgemeine Leistungsklage auf Zahlung der geforderten Versorgung als Realakt auszulegen ist. Einen Antrag hat der Kläger bei der Beklagten nicht gestellt, er stand auch vor Klageerhebung nie im Kontakt mit der Beklagten.
3. Selbst wenn man von der Zulässigkeit ausgeht, hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Versorgung durch die Beklagte hat.
Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen – VersoG – regeln die Versorgungsanstalt ihre Angelegenheiten durch Satzung. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 und 5 VersoG sind in der Satzung Beginn und Ende der Mitgliedschafts-, Versicherungs- und Versorgungsverhältnisse, die Voraussetzungen, Art und Höhe sowie das Erlöschen der Ansprüche von Mitgliedern, Versicherten und Leistungsberechtigten zu regeln. Nach § 27 der Satzung der Beklagten haben Anspruch auf Leistung nur Mitglieder der Versorgungsanstalt. Nach § 15 Abs. 1 und 3 der Satzung sind Pflichtmitglieder der Versorgungsanstalt alle nicht berufsunfähig natürlichen Personen, die Mitglieder der Rechtsanwalts- und Steuerberaterkammern in Bayern sind, beginnend mit dem Tag, an dem diese Voraussetzung eingetreten ist. Die Pflichtmitgliedschaft entsteht ohne Antrag bei der Beklagten kraft Gesetzes. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 der Satzung kann eine vorherige Pflichtmitgliedschaft, die nicht aufgrund Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft beendet wurde, auf Antrag als freiwillige Mitgliedschaft fortgesetzt werden. Die Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft ohne vorherige Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten ist in der Satzung nicht vorgesehen.
Der Kläger hat weder vorgetragen noch sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger jemals Mitglied einer der beiden bayerischen Steuerberaterkammern war. Damit ist schon die Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht erfüllt.
Der Kläger kann auch mit dem Vortrag, er sei von Finanzämtern und Gerichten des Freistaates Bayern unter Verletzung der Dienstleistungsfreiheit als Bevollmächtigter zurückgewiesen worden, nicht durchdringen. Denn selbst wenn man annimmt, dass der Kläger wie ein in der Bundesrepublik Deutschland zugelassener Steuerberater zu behandeln ist, fehlt es weiterhin an der Mitgliedschaft bei einer Steuerberaterkammer in Bayern und damit bei der Beklagten. Dafür, dass die örtlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft bei den Steuerberaterkammern erfüllt sind, ist nichts ersichtlich.
Da schon kein Anspruch auf Versorgungsleistung gegen die Beklagte besteht, hat der Kläger auch keinen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, den Freistaat Bayern in Regress zu nehmen.
4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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