Verwaltungsrecht

Unzulässige Rechtsausübung und Verjährung bei Beitragsnachforderung durch Rechtsanwaltsversorgungskammer

Aktenzeichen  Au 2 K 16.1488

Datum:
15.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VersoG VersoG Art. 3, Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, Art. 21 Abs. 2, Art. 24
BGB BGB § 242
Satzung BRAStV § 19 Abs. 1, Abs. 2, § 21, § 45

 

Leitsatz

1 Die Verjährung von Beitragsforderungen der Rechtsanwaltsversorgungskammer tritt fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem sie entstanden sind (Art. 24 VersoG, § 45 Satzung BRAStV). Entstanden ist der Anspruch, sobald der Gläubiger ihn geltend machen kann, was zur Bestimmung der Beitragshöhe den korrekten Nachweis des Einkommens durch den Beitragspflichtigen voraussetzt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Einrede der Verjährung der Beitragsforderungen steht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen (§ 242 BGB), wenn der Anwalt trotz der ihm obliegenden Mitteilungs- und Auskunftspflichten den ihm bekannten, aber unrichtigen Angaben seines Arbeitgebers hinsichtlich seines Einkommens nicht entgegentritt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2016, mit dem gegenüber dem Kläger eine Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 16.676,86 EUR erhoben wurde, ist, soweit er noch streitgegenständlich ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Beitragsforderung der Beklagten ist Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 und Art. 31 Abs. 1 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen vom 16. Juni 2008, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2015, (VersoG) i. V. m. § 19 Abs. 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberatungsversorgung, Bayerische Versorgungskammer, Stand 1. Januar 2016 (Satzung). Danach wird von den Mitgliedern ein Beitrag in Höhe eines Beitragssatzes aus dem monatlichen oder täglichen beitragspflichtigen Einkommen erhoben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Nach Art. 31 Abs. 2 VersoG wird das beitragspflichtige Einkommen in der Satzung bestimmt. Beitragspflichtige Einkommen sind nach der Legaldefinition in § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung das entsprechend dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung beitragspflichtige Arbeitsentgelt für Tätigkeiten, auf die sich eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 5 SGB VI erstreckt. Insofern ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass als beitragspflichtiges Einkommen das in der „Anlage Schadensberechnung“ der Deutschen Rentenversicherung zum sozialversicherungspflichtigen Entgelt für den Zeitraum 2001 bis 31. August 2014 angegebene „tatsächliche“ Einkommen zugrunde zu legen ist. Ausgehend von der daraus zu ermittelnden Entgeltdifferenz wurde von der Beklagten rechnerisch korrekt die im streitgegenständlichen Bescheid erhobene Beitragsnachforderung festgesetzt und vom Kläger eingefordert. Einwendungen hinsichtlich der Höhe des Beitrags wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger für den hier allein noch streitgegenständlichen Zeitraum der Nachforderung betreffend die Jahre 2001 bis 2008 die Einrede der Verjährung geltend macht, dringt er damit nicht durch. Die Beitragsnachforderung ist noch nicht verjährt.
Die Verjährung ist in Art. 24 VersoG bzw. in der inhaltsgleichen Vorschrift des § 45 der Satzung geregelt. Danach verjähren die öffentlich-rechtlichen Ansprüche u. a. auf Beiträge in fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten entsprechend; Art. 53 des BayVwVfG bleibt unberührt.
Die Regelungen knüpfen an die Entstehung des Anspruchs an. Entstanden ist ein Anspruch, sobald er vom Gläubiger geltend gemacht werden kann. Der Anspruch muss daher hinsichtlich Gläubiger, Schuldner und Inhalt bestimmbar sein (BGH, U. v. 16.4.2014 – IV ZR 153/13 – juris Rn. 14; Henrich/Spindler in Beck’scher OK, Bamberger/Roth, 41. Edition, Stand August 2016, § 199 BGB Rn. 4). Vorliegend war dies frühestens mit Mitteilung der zutreffenden und vollständigen der Beitragsbemessung zugrundeliegenden Einkommensangaben durch den Kläger der Fall. Denn zur Bestimmung der Höhe des Beitrags ist gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 der Satzung auf das beitragspflichtige Einkommen abzustellen ist, welches sich aus den von der Versorgungsanstalt angeforderten Einkommensangaben ergibt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Der Nachweis des beitragspflichtigen Einkommens setzt damit die korrekte Mitteilung der Einkommensverhältnisse voraus. Auf Verlangen ist das angegebene Einkommen u. a. durch eine Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers nachzuweisen, wobei nachträgliche Berichtigungen der Bescheinigungen vorzulegen sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Satzung).
Dessen ungeachtet steht der Einrede der Verjährung der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen (vgl. § 242 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 26.1.1971 – VI C 71.65 – juris; U. v. 21.4.1982 – 6 C 34.79 – juris Rn. 23) ist regelmäßige Voraussetzung für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm infolge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind; nur zu eigenem Tun wird sich im allgemeinen der Schuldner durch Erhebung der Verjährungseinrede in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch setzen können. So liegt der Fall hier. Denn der Kläger ist trotz der ihm obliegenden Mitteilungs- und Auskunftspflichten (siehe hierzu auch Art. 21 Abs. 2 VersoG) den ihn bekannten, aber unrichtigen Angaben seines Arbeitgebers hinsichtlich seines Einkommens nicht entgegengetreten und hat sich damit treuwidrig im Sinne des § 242 BGB verhalten.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, wonach die Berufung zuzulassen ist (§ 124, § 124a VwGO), liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 9.738,26 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,– EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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