Verwaltungsrecht

Unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung, Fraktionsvorsitz, Doppelspitze

Aktenzeichen  M 7 E 21.5691

Datum:
8.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2314
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118
LkrO Art. 40

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, eine aus vier Kreisräten bestehende Fraktion der Partei Alternative für Deutschland (im Folgenden: …) im Kreistag des Antragsgegners verfolgt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Änderung einer Vorschrift in der Geschäftsordnung des Kreistags des Antragsgegners, wonach die Fraktionen ein männliches und ein weibliches Mitglied gleichberechtigt für den (stellvertretenden) Fraktionsvorsitz benennen können.
Mit gemeinsamem Antrag vom 2. April 2019 stellten fraktionsübergreifend 16 Kreisrätinnen des damaligen Kreistags des Antraggegners den Antrag, die Geschäftsordnung des Kreistags in § 29 Abs. 3 Satz 2 dergestalt zu ändern, dass die Worte „oder“ durch ein „und“ ersetzt und Satz 2 lauten würde: „Die Fraktionen und Wählergruppen benennen eine Vorsitzende und einen Vorsitzenden und mindestens eine Stellvertreterin und einen Stellvertreter.“ 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sei die Repräsentanz der weiblichen Bevölkerung in der Politik noch lange nicht erreicht, sondern eher rückläufig. Die Kommunalpolitik vertreten durch den Kreistag sei Herzstück gesellschaftlicher Gestaltungsmacht und regele das unmittelbare Lebensumfeld der Menschen, das entscheidend von Frauen gestaltet werde. Um sowohl die weibliche als auch die männliche Sicht auf dieses Lebensumfeld angemessen zu vertreten, forderten fraktionsübergreifend alle Kreisrätinnen eine Doppelspitze bei den Fraktionssprechern.
In der Kreistagssitzung vom 26. Juli 2019 wurde unter Tagesordnungspunkt 2 mit einstimmigem Beschluss § 29 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung des Kreistags durch folgende Sätze 2 bis 5 ersetzt:
„Jede Fraktion und Wählergruppe benennt je eine Person für den Vorsitz sowie eine Stellvertretung. Die Fraktionen und Wählergruppen können ein männliches und ein weibliches Mitglied gleichberechtigt für den Vorsitz sowie den stellvertretenden Vorsitz benennen. Jede Vorsitzende und jeder Vorsitzende ist im Verhältnis zur Landkreisverwaltung für die jeweilige Fraktion oder Wählergruppe einzelvertretungs- und empfangsberechtigt. Regelungen für fraktions- bzw. gruppeninterne Abstimmung haben die Fraktionen bzw. Wählergruppen selbst festzulegen.“
§ 4 Satz 1 der Satzung zur Regelung der Entschädigung der Kreisrätinnen und Kreisräte sowie sonstiger ehrenamtlich tätiger Kreisbürgerinnen und Kreisbürger (Entschädigungssatzung) wurde wie folgt neu gefasst:
„Zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen erhält jede Fraktions- bzw. Ausschussgemeinschaft monatlich 110,- €. Bei zwei Vorsitzenden ist dieser Betrag zu teilen.“
Im Rahmen der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Kreistags des Antragsgegners am 15. Mai 2020 wurde unter Tagesordnungspunkt 2 die Geschäftsordnung des Kreistags des Antragstellers beschlossen. § 29 Abs. 3 Satz 3 wurde um den Begriff „Doppelspitze“ ergänzt. Die Sätze 2, 4 und 5 blieben unverändert. Der Änderungsantrag der hiesigen Antragstellerin, § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung zu ersetzen durch: „Die Fraktionen oder Wählergruppen können zwei Kreisräte gleichberechtigt für den Vorsitz sowie den stellvertretenden Vorsitz benennen (Doppelspitze)“, war zuvor mit 67 Nein-Stimmen zu 4 Ja-Stimmen abgelehnt worden.
Zudem wurde § 4 Abs. 1 der Entschädigungssatzung dahingehend geändert, dass zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen jede und jeder Vorsitzende bzw. jede Sprecherin/Sprecher einer Fraktion- bzw. Ausschussgemeinschaft monatlich 110,- Euro erhält.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 wandte sich der Fraktionsvorsitzende der Antragstellerin an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, mit der Bitte, die Regelung in der Geschäftsordnung zur Doppelspitze zu überprüfen.
Hierauf nahm im Auftrag des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration die Regierung von Oberbayern mit Schreiben an den Fraktionsvorsitzenden der Antragstellerin vom 18. November 2020 dahingehend Stellung, dass die Regelung in der Geschäftsordnung zur paritätisch zu besetzenden Doppelspitze – wie auch vorab schon durch den Bayerischen Landkreistag geprüft – keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne. Die Regelung betreffe das Außenverhältnis und sei von Art. 40 LKrO grundsätzlich gedeckt. Auch dass eine optionale Doppelspitze paritätisch besetzt sein müsse, verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 118 Abs. 2 Satz 2 BV begründeten eine Verpflichtung des Staates, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Der Landkreis sei als kommunale Gebietskörperschaft Träger der öffentlichen Gewalt und Adressat der Förder- und Hinwirkungspflicht. Es sei für ihn im Rahmen seines Selbstverwaltungsrechts grundsätzlich möglich, die tatsächliche Gleichberechtigung zu fördern. Die zur Überprüfung gestellte Geschäftsordnungsbestimmung diene der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Sie sei zu diesem Zweck auch geeignet und erforderlich. Da die Doppelspitze optional sei, stünden Mittel und Zweck auch nicht außer Verhältnis.
Der erneute Antrag der Antragstellerin vom 23. August 2021, die begehrte Änderung der Geschäftsordnung des Kreistags des Antragsgegners zu beschließen, wurde in der Sitzung des Kreistags vom 29. Oktober 2021 wiederum abgelehnt.
Am 2. November 2021 haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin Klage (M 7 K 21.5690) erhoben und zugleich einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin bestehe ausschließlich aus männlichen Mitgliedern. Nach der geltenden Geschäftsordnung könne sie somit eine sog. Doppelspitze nicht bilden. Die Mitglieder der Antragstellerin übten ihre Tätigkeit als Mitglieder des Kreistags ehrenamtlich aus. Sie erhielten dafür, wie alle anderen Mitglieder des Kreistags, eine Aufwandsentschädigung. Die Aufwandsentschädigung der Fraktionsvorsitzenden im Kreistag sei monatlich um je 110,- Euro höher, gleichgültig, ob eine Fraktion einen oder zwei Vorsitzende habe. Es liege auf der Hand, dass selbst dieser Betrag es einem ehrenamtlichen Kommunalpolitiker leichter mache, den zusätzlichen Aufwand des Fraktionsvorsitzes, etwa für Fahrten zwischen Wohnort und Sitz des Kreistags, zu finanzieren. Fraktionen mit einer Doppelspitze hätten somit gegenüber Fraktionen, die von nur einer Person geführt würden, auch aus diesem Grunde einen Wettbewerbsvorteil in ihrer kommunalpolitischen Arbeit, von der medialen Präsenz ganz abgesehen. In der von der Regierung von Oberbayern im Schreiben vom 18. November 2020 zitierten Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 26. März 2018 – Vf. 15-VII-16 – sei die Popularklage, die das Ziel gehabt habe, den Gesetzgeber zur Änderung der Wahlgesetze dahingehend zu zwingen, dass die Parteien nur mit Frauen und Männern paritätisch besetzte Wahlvorschläge einreichen dürften, gescheitert. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlass der geforderten, an die Parteien und Wählergruppen gerichteten, strikten und bindenden gesetzlichen Quotenvorgaben zur Förderung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen bei der Bewerbung um Plätze auf den Wahlvorschlagslisten für Landtags-, Bezirkstags-, Kreistags- und Gemeinderatswahlen lasse sich nicht begründen. Diese Rechtsprechung sei in jüngerer Zeit auch zustimmend in zwei ähnlich gelagerten und am 23. Oktober 2020 entschiedenen Fällen vom Brandenburgischen Verfassungsgericht zitiert worden. Darüber hinaus erfordere nach Auffassung dieses Verfassungsgerichts das Demokratieprinzip keine paritätische Geschlechtervertretung im Landtag. Denn jede Partei könne grundsätzlich Art und Umfang ihrer Organisation selbst bestimmen. Eine Einflussnahme des Staates auf die Willensbildung innerhalb der Parteien und damit auf den Prozess der politischen Willensbildung insgesamt sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich unzulässig. Insbesondere stehe es den Parteien nach Auffassung des Brandenburgischen Verfassungsgerichts, das sich insoweit ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs berufe, gleichermaßen frei, in welchem Ausmaß sie bei ihren politischen Forderungen dem Verfassungsauftrag des Art. 12 Abs. 3 Satz 2 der Brandenburgischen Verfassung (Gleichstellungsgrundsatz) Bedeutung beimessen würden. Sie seien insbesondere nicht unmittelbar durch das dort formulierte Verfassungsgebot zur Förderung der tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter verpflichtet, da sie keine Träger öffentlicher Gewalt und damit nicht Adressaten von Grundrechten oder Staatszielen seien. Was danach für die Problematik der paritätisch besetzten Wahlvorschläge gelte, gelte vermehrt auch für die Besetzung der Fraktionsvorstände mit einer sog. Doppelspitze. Hier komme hinzu, dass nicht nur die fehlende oder nur geringe Repräsentanz eines der Geschlechter die praktische Umsetzung einer solchen Bestimmung mindestens erschweren, in einem Falle wie dem vorliegenden jedoch unmöglich machen würde und damit eine solche Fraktion gegenüber anderen Fraktionen, die über eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern beiderlei Geschlechts verfügten, benachteiligen würde. Denn der praktische Vorteil der sog. Doppelspitze einer Fraktion liege gerade in der Erleichterung der Fraktionsführung durch Verteilung der damit verbundenen Aufgaben auf zwei Mitglieder der Fraktion. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, 118 Abs. 1 BV sei auch verletzt, wenn die Möglichkeit der Doppelspitze nur den Fraktionen eingeräumt werde, die tatsächlich über Mitglieder beiderlei Geschlechts verfügten, solchen Fraktionen jedoch, die nur Mitglieder eines Geschlechts aufwiesen, nicht. § 29 Abs. 3 der Geschäftsordnung wolle Ungleiches gleich behandeln, nämlich Fraktionen ungeachtet ihrer Zusammensetzung dazu zwingen, nur dann eine Doppelspitze bilden zu können, wenn sie Mitglieder beiderlei Geschlechts hätten. Die Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO sei gegeben. Die Legislaturperiode des Kreistags werde im Frühjahr 2025 enden. Der rechtskräftige Abschluss des Hauptsacheverfahrens sei bis dahin nicht, zumindest nicht sicher zu erwarten. Eine Abwägung der Vor- und Nachteile der Parteien dahingehend, welche Rechtsnachteile das Ergehen oder Unterbleiben der beantragten Eilentscheidung nach sich ziehen würde, spreche für den vorliegenden Antrag. Denn sollte sich im Hauptsacheverfahren am Ende herausstellen, dass die angefochtene Regelung in der Geschäftsordnung des Kreistags rechtswidrig sei, aber erst nach rechtskräftiger Hauptsacheentscheidung auch umgesetzt werden könne, so wäre zu besorgen, dass die Antragstellerin in der laufenden Legislaturperiode von diesem Recht keinen Gebrauch mehr machen könne. Der Nachteil für den Antragsgegner indessen, möglicherweise zu Unrecht über knapp vier Jahre eine Doppelspitze der Antragstellerin in seinem Kreistag gehabt zu haben, halte sich demgegenüber in sehr engen Grenzen. Allenfalls der monetäre Unterschied, der sich aus der dann doppelten erhöhten Aufwandsentschädigung für Fraktionsvorsitzende ergebe, sei überhaupt messbar, im Verhältnis zum Gesamtaufwand für die Finanzierung des Kreistags indessen vernachlässigbar. Vor allem aber falle dieser Gesichtspunkt im Vergleich zu den demokratischen Mitwirkungsrechten der Kreistagsmitglieder, auch ihrer Fraktionsvorstände, nicht ins Gewicht. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Mitglieder der Antragstellerin ursprünglich der Geschäftsordnung auch im angefochtenen Punkt zugestimmt hätten. Denn sie seien über die Rechtslage nicht bzw. falsch informiert gewesen. Erst die Einholung von Rechtsrat nach Bekanntwerden der zitierten Entscheidungen nach Veröffentlichung habe zu dem Entschluss geführt, nun die Änderung der Geschäftsordnung zu beantragen. Hätte die Regierung von Oberbayern im November 2020 zutreffend über die Rechtslage informiert, hätten die Mitglieder der Antragstellerin schon damals die begehrte Änderung der Geschäftsordnung beantragt. Das sie im Übrigen dann erneut erst den parlamentarischen Weg gegangen sei, die Änderung der Geschäftsordnung im Kreistag zu beantragen, führe ebenfalls nicht zur Widerlegung der Eilbedürftigkeit. Denn es sei zum einen grundsätzlich zunächst der parlamentarische Weg zu gehen, zum anderen sei dieser im Erfolgsfalle auch wesentlich schneller zielführend, als selbst das gerichtliche Eilverfahren.
Die Antragstellerin beantragt,
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung des Kreistags dahingehend zu ändern, dass die Worte „ein männliches und ein weibliches Mitglied“ gestrichen und ersetzt werden durch die Worte „zwei Mitglieder“.
Hilfsweise: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung des Kreistags unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu formulieren.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, zunächst fehle es bereits an der Zuständigkeit des angerufenen Verwaltungsgerichts. Statthafte Antragsart sei vorliegend ein Normenkontrollantrag, der in die Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO liege. Bei der Geschäftsordnung des Kreistags handele es sich nach nunmehr gefestigter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung um einen Rechtssatz im materiellen Sinn und eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift. Die Antragstellerin verlange eine Nichtigerklärung der geschlechterspezifischen Regelung in § 29 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Kreistags „ein männliches und ein weibliches“, damit sie eine Doppelspitze aus zwei gleichgeschlechtlichen Vorsitzenden bilden könne. Die Antragstellerin wolle vom angerufenen Gericht überprüft haben, ob die Regelung zur Doppelspitze den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, 118 Abs. 1 BV verletze. Bei einer etwaigen Bestätigung durch das Gericht wäre auch eine Kassation der Regelung die Folge, die der Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unterfalle.
Hierauf erwiderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin mir Schriftsatz vom 26. November 2021, das angerufene Gericht sei sachlich zuständig. Die streitgegenständliche Regelung in der Geschäftsordnung des Kreistags sei keine untergesetzliche Norm i.S.d. § 47 VwGO. Sie sei von gleicher Qualität wie die Regelung im Geschäftsordnungsbeschluss vom gleichen Tag, mit der das Verfahren und die Zählweise zur Besetzung der Ausschüsse des Kreistags festgesetzt worden sei. Hierüber hätten auf Klage die Verwaltungsgerichte zu befinden. Davon gehe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2020 – 4 CE 20.2238 – ohne weiteres aus. Auch das erkennende Gericht habe in seinem Beschluss vom 6. August 2020 – 7 E 21.3225 – über den Geschäftsordnungsbeschluss des Kreisausschusses hinsichtlich der Ausschussbesetzung, der auch in der konstituierenden Sitzung vom 8. Mai 2020 beschlossen worden sei, entschieden, ohne seine sachliche Zuständigkeit in Zweifel zu ziehen. Sowohl die Regelung über die Ausschussbesetzung als auch die Regelung über die Besetzung der Fraktionsspitzen erfolge im Wege des Beschlusses über eine Geschäftsordnung. Es sei nicht ersichtlich, dass in einem Fall der Weg zu den Verwaltungsgerichten, im anderen Fall der Weg über die Normenkontrollklage zum Verwaltungsgerichtshof eröffnet sein solle. Höchst vorsorglich werde für den Fall, dass das angerufene Gericht sich für unzuständig halte, die Verweisung des Rechtsstreits an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragt.
Die Bevollmächtigten des Antragsgegners bestellten sich mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2021 und führten ergänzend im Wesentlichen aus, der Antrag sei bereits unzulässig. Die Antragstellerin sei in keinen Rechten als Fraktion möglicherweise verletzt. § 29 Abs. 3 der Geschäftsordnung regele die Rechte, insbesondere die Organisationsrechte der Fraktionen. Alleine die vom Kreistag nun beschlossene optionale paritätische Doppelspitze sei als Erweiterung des Grundsatzes der Besetzung der Fraktionsspitze im Sinne eines organisatorischen Vorschlags zu verstehen, ohne jeglichen, gar eingreifenden Regelungscharakter hinsichtlich einer ihrerseits grundsätzlichen verbindlichen Anordnung einer Doppelspitze einer Fraktion für Vorsitz sowie stellvertretenden Vorsitz im Übrigen. Weder werde durch diese sogenannte Potestativbedingung der Geschlechterparität der Doppelspitze, sollte diese gebildet werden, unmittelbar oder mittelbar in die Organisationsrechte der Antragstellerin als Fraktion eingegriffen noch Einfluss auf die Programmfreiheit oder Organisationsfreiheit der Partei der Antragstellerin genommen. Überdies könne eine behauptete, diesseitig bestrittene Wettbewerbsverzerrung zwischen den Fraktionen keinen Eingriff in organschaftliche Fraktionsrechte begründen. Vorliegend handele es sich bei § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung um eine reine Organisationsvorschrift. Eine mögliche Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, 118 Abs. 1 BV scheide aus. Denn gerade durch die – überdies optionale – geschlechterparitätische Doppelspitze würden alle Fraktionen, deren Mitgliedschaft beide Geschlechter beinhalte, gleich behandelt. Fraktionen, die diese Prägung beider Geschlechter nicht aufwiesen, seien nicht gleich. Ihnen stehe damit die geschäftsordnungsmäßig eingeräumte Möglichkeit von vornherein nicht zu, eine Doppelspitze zu bilden. Für sie sei die Norm nicht anwendbar. Damit werde Ungleiches folgerichtig ungleich behandelt. Auch ergebe der Verweis auf die aktuelle Entschädigungsregelung keinerlei Benachteiligung der Fraktion im Sinne einer Rechtsverletzung. § 4 Abs. 1 der Entschädigungssatzung in der Fassung vom 15. Mai 2020 regele explizit die Pauschale der 110,- Euro als Aufwandsentschädigung der Kreistagsmitglieder als Fraktionsvorsitzende für ihren alleine hierfür getätigten Aufwand. Das Geld fließe also nur diesen zu. Umgekehrt erhalte die Fraktion als solche Gelder gemäß § 4 Abs. 2, was durch die streitgegenständliche Bestimmung des § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung nicht tangiert werde. Im Übrigen sei die Behauptung einer mit einer Doppelspitze indizierten Arbeitsaufteilung und dadurch Optimierung zu bestreiten. Die politische parlamentarische Praxis belege vielmehr, dass sich bei einer Doppelspitze beide Vertreter zu allen Themen äußerten und arbeiteten, was umgekehrt zu einem gesteigerten, da abzustimmenden Arbeitsaufwand komme, der gewiss nicht Ausweis optimierter Arbeitsaufteilung sei. Der Antrag sei nach § 123 Abs. 5 VwGO unstatthaft, da Klage in der Hauptsache gemäß der Klagebegehr nur ein Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO sein könne. Eine Vergleichbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeit mit dem Fall der Ausschussbesetzung bestehe nicht. Dem Antrag fehle auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass das berechtigte Interesse am Erlass einer Rechtsnorm nur in Ausnahmefällen bejaht werden könne. Die mögliche Rechtsverletzung müsse nur durch den Erlass einer Norm aus der Welt geschaffen werden können, sonst bestehe kein Bedürfnis für die Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips. Vorliegend führe die Antragstellerin nicht aus, in welcher Weise sie vorliegend selbst konkret und messbar beeinträchtigt sei und der Normerlass daher alternativlos wäre. Denkbar wäre auch die Kassation der Norm ohne Neuregelung, wodurch eine etwaige beeinträchtigende Wirkung jedenfalls beendet würde. Die Antragstellerin habe weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die streitrelevante Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung sei wirksam und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 118 Abs. 2 Satz 2 BV, was weiter ausgeführt wurde. Die sogenannte Doppelspitze sei bereits in der letzten Wahlperiode aufgrund eines fraktionsübergreifenden Antrags durch Änderung der damaligen Geschäftsordnung des Kreistags eingeführt worden. Da der Antrag fraktionsübergreifend gestellt worden sei, bilde er das Meinungsbild der Volksvertreter des Landkreises ab. Sowohl dem Antrag als auch den Protokollen der Sitzungen könne entnommen werden, dass das alleinige Ziel hinsichtlich der Einführung einer Doppelspitze bestehend aus beiden Geschlechtern gewesen sei und weiterhin sei, mehr Repräsentanz der weiblichen Bevölkerung in der Politik zu erreichen. Von einer Verpflichtung zur Umsetzung sei der Kreistag entgegen dem gegnerischen Vortrag zu keinem Zeitpunkt ausgegangen. Aus diesem Grund sei die Regelung zur Doppelspitze in der Geschäftsordnung auch als Option ausgestaltet und nicht als Verpflichtung, d.h., dass auch Fraktionen, die Mitglieder beiden Geschlechts aufwiesen, selbst entscheiden könnten, ob sie die Möglichkeit einer Doppelspitze wahrnehmen wollten oder nicht. Die Einführung der Doppelspitze und die damit auch einhergehende viel stärkere fraktionsübergreifende Vernetzung der weiblichen Volksvertreterinnen im Landkreis werde von den Kreisrätinnen genutzt, um gemeinsame Anträge vorzubereiten und einzureichen. Die Fraktionssprecherinnen würden sich verstärkt gemeinsam sozialen Themen annehmen. Streitgegenstand sei vorliegend eine Regelung zur Fraktionsspitze. Diese habe mit der – von Antragstellerseite angeführten – Rechtsprechung zur Bildung von Wahlvorschlägen der Parteien für die Kommunalwahl nichts zu tun, sondern regele rein organisatorisch in einem weiteren Schritt die optionale Frage einer Ausgestaltung der Spitze der aus der Kommunalwahl hervorgegangenen Fraktion in Geschlechterparität, wenn und soweit eine Doppelspitze bei den Positionen des Vorsitzenden sowie des Stellvertreters überhaupt gewünscht sei. Die Antragstellerin sei eine Fraktion und daher keine Grundrechtsträgerin, die eigene Rechte aus dem Grundrecht des Art. 3 GG herleiten könne. Als Teil der Landkreisvertretung gehörten Fraktionen zu den kommunalen Organen. Damit seien sie Teil des Staates, der durch die Grundrechte verpflichtet und nicht berechtigt werde. Bei der Regelungsmaterie des § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung bestehe keine sogenannte grundrechtstypische Gefährdungslage in Ansehung der Antragstellerin, welche eine ausnahmsweise, die Konfusion durchbrechende Grundrechtsträgerschaft begründen könnte, da die Geschäftsordnung an dieser Stelle als optionale Organisationsregelung keine derartige Situation gegenüber dem Landkreis schaffen könne. Das Gebot strenger Gleichbehandlung gelte grundsätzlich nur für die Wahl und den Wahlvorgang. So folge auch aus der Mandatsgleichheit der Gewählten keine streng formale Gleichheit der Fraktionen, da diese ihre Rechtsstellung nicht ebenso wie Mandatsträger unmittelbar aus der Wahl herleiteten. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes scheide auch dann aus, wenn § 29 der Geschäftsordnung einer Gesamtschau mit § 4 der Entschädigungssatzung unterzogen werde und damit eine Benachteiligung der Antragstellerin aufgrund Verwehrung einer Aufwandsentschädigung für eine nicht bildbare Doppelspitze behauptet werde. Zum einen handele es sich nicht um die Verletzung eines Organisationsrechts als Fraktionsrecht. Allenfalls stelle die Nichtgewährung einer Aufwandsentschädigung die Folge einer Nichtrealisierbarkeit der Geschlechterparität dar, welche im Lichte des gesetzgeberisch wahrgenommenen Förderauftrags als allenfalls mittelbare Beeinträchtigung der Fraktion infolge kollidierenden Verfassungsrechts hinzunehmen wäre. Wie ausgeführt, handele es sich bei der pauschalen zusätzlichen Auszahlung von 110,- Euro an jeden Fraktionsvorsitzenden um seine Aufwandsentschädigung, mithin gar nicht um Fraktionszuwendungen. Die Behauptung, eine Fraktion habe einen Wettbewerbsvorteil vor der anderen Fraktion bei einer Doppelspitze werde bestritten. Die Antragstellerin sei durch die Doppelspitzenregelung an der Wahrnehmung ihrer kommunalrechtlichen Rechte und der Erfüllung ihrer Pflichten nicht gehindert. Sie sei mit einem Vertreter bei den Fraktionssprechersitzungen vertreten und sei damit über alle Themen ausreichend informiert. Eventuelle Unterrichtungs-, Mitwirkungs- und Informationsrechte der Antragstellerin seien durch die streitgegenständliche Regelung nicht tangiert. Ein irreversibler Schadenseintritt drohe der Antragstellerin nicht. Die finanziellen Auswirkungen hinsichtlich der Aufwandsentschädigung betreffe nicht die Antragstellerin selbst. Die Antragstellerin habe auch im Übrigen eine besondere Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Die Geschäftsordnung des Kreistags sehe bereits seit dem 7. Juni 2019, also schon seit der vorigen Wahlperiode, die Möglichkeit einer Doppelspitze vor. Es fehle an jeglichen Anhaltspunkten für eine Eilbedürftigkeit. Zudem sei festzustellen, dass die derzeitige Legislaturperiode nicht im Frühjahr 2025 ende, sondern bis zum 30. April 2026 andauere.
Hierauf erwiderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2021 und führte im Wesentlichen aus, man bleibe dabei, dass die klagende Fraktion aktivlegitimiert sei und auch in ihren eigenen Rechten insoweit betroffen sei, als die angegriffene Regelung in der Geschäftsordnung sie im Verhältnis zu den Fraktionen des Kreistags, die über Mitglieder beiderlei Geschlechts verfügten, in Verletzung des Gleichbehandlungsgebots der Verfassung benachteilige. Der Antragstellerin sei es nicht von vorneherein unmöglich, eine Doppelspitze zu bilden, sondern nur deswegen, weil der Kreistag des Antragsgegners dies so beschlossen habe. Die Entschädigung der Fraktionsvorsitzenden sei auch für die Fraktion selbst relevant. Denn diese werde eher ein weiteres Mitglied finden, das sich ebenfalls die Arbeit des Vorsitzes zumute, wenn diese auch vergütet werde. Dies aber sei nur dann der Fall, wenn dieses Fraktionsmitglied auch förmlich zum Co-Vorsitzenden bestellt werden könne. Es sei ausdrücklich beantragt, hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, ergo über die angegriffene Klausel der Geschäftsordnung im Wege eines Änderungsbeschlusses zu befinden, der auf der Rechtsauffassung des Gerichts beruhe. Im Übrigen sei es auch von Verfassung wegen gleich zu betrachten, ob Parteien bei der Aufstellung der Kandidatenlisten handelten und dort der Gleichheitssatz anzuwenden sei, oder ob Kommunalparlamente bei der Erstellung ihrer Geschäftsordnung handelten und den Gleichheitssatz anzuwenden hätten. Die Bevollmächtigten der Antragstellerin vertieften ihren Vortrag unter Verweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 15.12.2020 – 2 BvC 46/19 und B.v. 6.12.2021 – 2 BvR 1470/20) weiter mit Schriftsatz vom 19. Januar 2022 und führten ergänzend im Wesentlichen aus, die Partei, die nun die klagende Fraktion im Kreistag stelle, habe ihre Kandidatenaufstellung ersichtlich nicht an Paritätsmaßstäben ausgerichtet. Das Wahlergebnis spiegele demgemäß auch nicht die Zusammensetzung des Wahlvolks nach Geschlechtern wider. Eine Geschäftsordnungsvorschrift, wie sie hier zu beurteilen sei, übe mittelbar auf die Parteien einen Zwang dahingehend aus, schon ihre Kandidatenlisten geschlechterparitätisch zu gestalten, um dann in den Fraktionen Abgeordnete beider Geschlechter zu haben. Denn nur dann könnten sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Arbeit der Fraktionsführung auf zwei gleichberechtigte Abgeordnete zu übertragen. Die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Geschäftsordnungsbestimmung ergebe sich zudem aus der schlichten Anwendung des Gleichheitssatzes. Darüber hinaus greife diese auch in den Verfassungsgrundsatz der Parteienfreiheit ein. Es dürfe Parteien nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Parteien über einen nur geringen Prozentsatz von weiblichen Mitgliedern verfügten, was sich dann auch bei den Kandidatenaufstellungen in den Mitgliederversammlungen niederschlage. Alles andere würde bedeuten, man müsse den Mitgliedern, die über die Aufstellung entschieden, vorgeben, jedenfalls auf den „vorderen letzten“ Plätzen Frauen und Männer paritätisch im Reißverschlussprinzip zu berücksichtigen, was ein Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1 GG darstellen würde.
Die Bevollmächtigten des Antragsgegners vertieften ihren Vortrag mit Schriftsatz vom 26. Januar 2022 und führten ergänzend im Wesentlichen aus, zu bedenken bleibe die vorliegend aufgeführte und begründete Argumentationslinie der Antragstellerin, welche ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der Geschäftsordnungsbestimmung des Art. 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung beinhalte (Verstoß gegen das Demokratiegebot, den Gleichheitssatz, die Parteienfreiheit, Art. 20, 28 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 21 GG). Diese sei bei der Antragsauslegung durch das Gericht über den Wortlaut hinaus stets zu berücksichtigen. Der Schwerpunkt liege also auf Kassation der letztbeschlossenen Fassung dahingehend, nicht etwa, dass die Anzahl der Mitglieder, sondern dass „männlich“ und „weiblich“, also die Geschlechterparität gestrichen würden. Die logisch verbleibende Konsequenz seien dann „zwei Mitglieder“. Sinn und Zweck des Antrags sei damit die ledigliche Regelungskassation, nicht eine Änderung überdies. Hierfür sei jedoch statthafter Antrag § 47 VwGO. Die seitens der Antragstellerin vorgetragene verfassungsrechtliche Rechtsprechung, sei teilweise unrichtig vorgetragen, jedenfalls seien die daraus gezogenen Schlussfolgerungen für vorliegenden Fall bereits in ihrer Absolutheit sowie aufgrund fehlenden gesetzlichen Paritätsgebots nicht vertretbar, was weiter ausgeführt wurde. Bei der streitgegenständlichen Geschäftsordnungsregelung handele es sich nicht um ein untergesetzliches Paritätsgebot. Vielmehr stelle die Regelung eine Option dar für den Fall einer doppelten geschlechteralternativen Besetzungsmöglichkeit der Fraktionsspitze durch zwei Mandatsträger. Damit stelle sich die Frage, ob der angeführte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wertungsmäßig überhaupt einschlägig sei. Denn von einem verbindlichen Rechtscharakter des Regelungsinhalts dergestalt, dass die die Fraktion tragende Partei dadurch in ihrer Freiheit zu geschlechterparitätischen Kandidatenaufstellung gezwungenermaßen alternativlos eingeschränkt werden könnte, könne hier nicht die Rede sein. Ferner sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Vorschrift um eine rein organisationsrechtliche Vorschrift einer additiven Fraktionsdoppelspitze handele. Durch diese werde weder in die originären Rechte noch Programmatik oder Arbeit der Fraktion eingegriffen. Der etwaige Einwand einer Ungleichbehandlung mit anderen Fraktionen verbiete sich angesichts des rechtfertigenden Grundes. Vorliegend stelle sich dabei bereits die Frage, ob eine Gleichheit der Fraktion gegeben sei, wenn die Antragstellerin nur durch ein Geschlecht vertreten sei. Selbst wenn man dies bejahen würde, würde der sachlich rechtfertigende Grund einer etwaigen Ungleichbehandlung gerade im Gestaltungsauftrag des Gleichstellungsgebots, Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG liegen. Vorliegender Fall sei im Übrigen gekennzeichnet durch den optionalen Weg. Dieser stelle gleichzeitig auch eine allgemein verhältnismäßige Lösung dar. Einerseits bringe der Normgeber in Gestalt des Kreistags zum Ausdruck, dass er, wenn auch nicht eine Parität, so doch einen erheblichen Anstieg an weiblicher Beteiligung in der Mandatsvertretung – ein legitimer Zweck – wünsche und anstrebe. Andererseits gehe die Geschäftsordnung nicht so weit, dieses Ziel verpflichtend durchzusetzen. Gerade in diesem beschrittenen Weg der optionalen Doppelspitze bei Geschlechterparität liege die Verhältnismäßigkeit der Regelung begründet. Diese stelle gleichsam keine Verpflichtung, jedoch einen Anreiz für die Fraktionen und Parteien dar, gegebenenfalls ihre Kandidatenauswahl anzupassen. Ein Anreiz sei kein Eingriff.
Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2022 vertieften die Bevollmächtigten der Klägerin, mit Schriftsatz vom 2. Februar 2022 die Bevollmächtigten des Beklagten ihren jeweiligen Vortrag.
Mit unanfechtbarem Beschluss vom 7. Februar 2022 hat das Gericht sich in der Hauptsache (M 7 K 21.5690) vorab für sachlich zuständig erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 7 K 21.5690 Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO bleibt insgesamt ohne Erfolg.
Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist im Rahmen eines zwischen Organ(teil-)en des Landkreises bestehenden Kommunalverfassungsstreits statthaft. Die von der Antragstellerin begehrte Änderung von § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung entsprechend ihrem Änderungsantrag vom 23. August 2021 ist vorliegend daher im Wege einer (unechten) Normerlassklage zu verfolgen. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses des Gerichts vom 7. Februar 2022 (M 7 K 21.5690) Bezug genommen. Gegen die Zulässigkeit der Klage in der Hauptsache, die entweder als allgemeine Leistungsklage oder als Feststellungsklage statthaft sein dürfte, bestehen vorliegend keine Bedenken. Dabei kann die Frage nach der in der Hauptsache statthaften Klageart im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch dahinstehen. Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich in jedem Fall nach § 123 VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Denn es ist vorliegend nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass eigene Rechte der Antragstellerin verletzt oder in ihrer Verwirklichung gefährdet sein könnten (vgl. Kuhla in BeckOK, VwGO, Stand: 1.7.2021, § 123 Rn. 35). Ansprüche auf den Erlass oder die Ergänzung bestimmter Rechtsnormen können sich aus der Verfassung ergeben, insbesondere aus grundrechtlichen Schutzpflichten und dem allgemeinen Gleichheitssatz; speziell in Bezug auf untergesetzliche Normen kommen auch „einfache“ Gesetze als Anspruchsgrundlagen in Betracht (vgl. Sodan in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, VwGO, 5. Aufl. 2018, VwGO § 42 Rn. 46). So kann die Antragstellerin, die von der in § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung vorgesehenen Möglichkeit der Bildung einer geschlechterparitätischen Doppelspitze mangels weiblicher Kreistagsmitglieder in der aktuellen Legislaturperiode anders als die übrigen Fraktionen keinen Gebrauch machen kann, vorliegend jedenfalls eine mögliche Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) geltend machen, der als Bestandteil des allgemeinen Rechtsstaatsgebots auch Geltung für die Rechtsbeziehungen zwischen Landkreis und Kreistagsfraktionen beansprucht (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 4 N 14.2046 – juris Rn. 39).
Der Antrag nach § 123 VwGO ist in seinem Hauptantrag jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO – sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 3; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 123 Rn. 6). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Zudem richtet sich das Antragsbegehren vorliegend auf eine Regelung, die die Hauptsache – jedenfalls für eine beschränkte Zeit – vorwegnehmen würde. Die Antragstellerin begehrt dem Hauptantrag nach die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, die Geschäftsordnung des Kreistags in § 29 Abs. 3 Satz 3 dahingehend zu ändern, dass die Bildung einer Doppelspitze für jede Fraktion geschlechterunabhängig möglich ist. Begehrt ein Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Regelung des Gerichts, welche – wie hier – auf eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache hinausläuft, sind besonders strenge Anforderungen an das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu stellen. Das Gericht kann nämlich grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Grundsätzlich ausgeschlossen, da mit dem Wesen einer einstweiligen Anordnung nicht vereinbar, ist es daher, eine Regelung zu treffen, die rechtlich oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a). Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist nur ausnahmsweise dann möglich, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Dies ist jedoch nur unter äußerst engen Voraussetzungen der Fall: Zum einen muss hierfür der Anordnungsanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehen, d.h. ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Zum anderen muss die einstweilige Anordnung notwendig sein, um schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile zu verhindern, welche auch durch eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden könnten (vgl. BVerwG in st. Rspr., z.B. B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 18.9.2018 – 21 CE 18.1100 – juris Rn. 20; B.v. 12.4.2018 – 21 CE 18.136 – juris Rn. 12; B.v. 27.11.2015 – 21 CE 15.2183 – juris Rn. 13, 16; B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 14).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Vorwegnahme der Hauptsache erforderliche Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung vorliegend nicht gegeben. Ein Anordnungsgrund ist nicht in einer den strengen Anforderungen bei begehrter Vorwegnahme der Hauptsache genügenden Weise glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat nichts vorgetragen, aus dem sich ergeben könnte, dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung für sie schwere und unzumutbare Nachteile zur Folge hätte. Allein die Befürchtung, der rechtskräftige Abschluss des Hauptsacheverfahrens sei bis zum Ablauf der aktuellen Legislaturperiode – voraussichtlich zum 30. April 2026 – nicht sicher zu erwarten, vermag die Eilbedürftigkeit jedenfalls nicht zu begründen. Inwieweit deshalb ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens für die Antragstellerin unzumutbar wäre, wurde weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht. Die bloße zeitliche Verzögerung der Entscheidung über den von der Antragstellerin geltend gemachten Änderungsanspruch stellt insbesondere im Hinblick darauf, dass die aus insgesamt vier Mitgliedern bestehende Fraktion der Antragstellerin auch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache jedenfalls einen Fraktionsvorsitzenden und einen Stellvertreter benennen kann, die vollumfänglich alle mit der jeweiligen Funktionsstelle verbundenen Rechte für die Antragstellerin ausüben können, keinen unzumutbaren Nachteil für die Mitwirkungs- und Teilhaberechte der Antragstellerin dar. Denn es ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass die Fraktionsarbeit angesichts der konkreten Fraktionsgröße von vier Mitgliedern ohne Bildung einer sog. Doppelspitze derart eingeschränkt oder unzumutbar erschwert wäre, dass dies schwere und unzumutbare Nachteile für die Antragstellerin zur Folge hätte. Das Ortsrecht des Kreistags des Antragsgegners knüpft an das Gebrauchmachen von der Möglichkeit der Bildung einer Doppelspitze – soweit ersichtlich – nur eine einzige Rechtsfolge, nämlich die zusätzliche Entschädigung des weiteren Fraktionsvorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden i.H.v. monatlich jeweils 110,- Euro. Dies wird aber auch von der Antragstellerin selbst lediglich als Finanzierungserleichterung, etwa im Hinblick auf Fahren zwischen Wohnort und Sitz des Kreistags, von untergeordneter Bedeutung („selbst dieser Betrag“) dargestellt. Unabhängig davon, dass es sich dabei bereits nicht um eine der Antragstellerin selbst gewährte Aufwandsentschädigung handelt, ist auch nicht erkennbar, wie sich aus dieser, den Mitgliedern der Antragstellerin nicht gewährten Aufwandsentschädigung für einen – mangels Bildung einer Doppelspitze – tatsächlich nicht angefallenen Mehraufwand eine erhebliche Einschränkung von subjektiven Rechten der Antragstellerin, insbesondere im Hinblick auf ihre Beteiligungs-, Informations- und Mitwirkungsrechte ergeben könnte.
Zudem dürfte vorliegend auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sein.
Ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache dürfte vorliegend nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, denn die Antragstellerin dürfte keinen Anspruch auf die begehrte Änderung von § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung bzw. eine entsprechende Feststellung haben.
Mit ihrem Änderungsantrag will die Antragstellerin eine Änderung der in § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung vorgesehenen Möglichkeit zur Bildung eines geschlechterparitätisch besetzten Fraktionsvorsitzes sowie stellvertretenden Vorsitzes (sog. Doppelspitze) dahingehend erreichen, dass die Bildung einer Doppelspitze den Fraktionen grundsätzlich und ohne Ansehung des Geschlechts des jeweils benannten Funktionsträgers offensteht. Ein allgemeiner Anspruch einer Fraktion auf eine solche Dopplung an von in der Geschäftsordnung vorgesehenen Funktionsstellen dürfte jedoch nicht bestehen. Denn die Schaffung von parlamentarischen Funktionsstellen und deren finanzielle Ausstattung unterfällt grundsätzlich der Regelungsmacht des Parlaments in eigenen Angelegenheiten (vgl. BVerfG, U.v. 21.7.2000 – 2 BvH 3/91 – juris Rn. 42). Regelungen über die innere Ordnung des Parlaments bedürfen der Flexibilität, um eine Anpassung an die veränderte Verfassungswirklichkeit zu ermöglichen. In der Gestaltung hat das Parlament schon im Hinblick auf seine besonderen Arbeitsbedingungen (etwa als Vollzeit- oder Teilzeitparlament) weitgehende Freiheit. Dabei muss in Kauf genommen werden, dass sich solche Regeln unter Umständen ungleichmäßig auswirken (vgl. BVerfG, U.v. 21.7.2000 – 2 BvH 3/91 – juris Rn. 58 m.w.N.). Entscheidet sich ein kommunales Vertretungsorgan – wie vorliegend der Kreistag des Antragsgegners – im Rahmen der ihm in Art. 40 Abs. 1 LKrO eingeräumten Geschäftsordnungsautonomie dazu, eine Dopplung von Funktionsstellen vorzusehen, um sowohl die weibliche als auch die männliche Sicht auf das kommunale Lebensumfeld angemessen vertreten zu wissen, dürfte diese Entscheidung als Ausfluss des Selbstorganisationsrechts des Kreistags rechtlich nicht zu beanstanden sein (vgl. zur Geschäftsordnungsautonomie als Ausfluss des Selbstorganisationsrechts des Gemeinderats und deren Grenzen BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 16, 23). Insbesondere dürfte vorliegend – angesichts der klaren Zielsetzung der Regelung und im Hinblick darauf, dass die Regelung unverändert aus der vorangegangenen Legislaturperiode übernommen wurde, in der die Partei der Antragstellerin im Kreistag des Antragsgegners noch gar nicht vertreten war – auch keine willkürliche und daher unzulässige Organisationsregelung gegeben sein, die sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richtet und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgt, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten.
Ein entsprechender Anspruch dürfte sich vorliegend zudem auch nicht aus höherrangigem Recht ergeben. Die Antragstellerin dürfte einen entsprechenden Anspruch nicht aus § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung i.V.m. dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) herleiten können. Die streitgegenständliche Geschäftsordnungsregelung dürfte nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen.
Der Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber, gleich liegende Sachverhalte, die aus der Natur der Sache und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit eine gleichartige Regelung erfordern, ungleich zu behandeln; dagegen ist wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu regeln. Der Gleichheitssatz verbietet Willkür. Er verlangt keine schematische Gleichbehandlung, sondern lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Dem Gesetzgeber bleibt es überlassen, nach seinem Ermessen zu entscheiden, in welcher Weise er dem allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung tragen will. Nur wenn die äußersten Grenzen dieses Ermessens überschritten sind, d.h. wenn für die getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt (vgl. BayVerfGH, E.v. 29.10.2018 – Vf. 21-VII-17 – juris Rn. 56). Der Normgeber muss für seine Unterscheidungen und Nichtunterscheidungen mithin einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonstwie einleuchtenden Grund angeben können. Verboten ist auch ein durch Sachgründe nicht gerechtfertigter und daher gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 4 N 14.2046 – juris Rn. 40 m.w.N.).
Die Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung dürfte nach diesem Maßstab nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen, insbesondere nicht willkürlich sein.
Die einzelnen Fraktionen dürften grundsätzlich eine geeignete Vergleichsgruppe bilden, jedenfalls soweit auf die Fraktion als solche und nicht ihre Zusammensetzung nach Geschlechtern abgestellt wird. Vorliegend dürfte jedoch bereits keine Ungleichbehandlung der verschiedenen Fraktionen durch die Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung gegeben sein. Denn die Möglichkeit der Bildung einer Doppelspitze steht im Grundsatz ohne Differenzierung jeder Fraktion offen. Ob eine Fraktion in der jeweils aktuellen Legislaturperiode von der in der Regelung vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch machen kann oder nicht, stellt primär einen bloßen Reflex des von den Mandatsträgern der jeweiligen Fraktion erzielten Wahlergebnisses dar. Ansatzpunkte für einen verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich dürften insoweit nicht bestehen. Jedenfalls aber dürfte die Zielsetzung der Regelung des § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung, nämlich die männliche wie die weibliche Sicht auf das kommunale Lebensumfeld in der Kommunalpolitik gleichermaßen berücksichtigt zu wissen (vgl. Bl. 7 der vorgelegten Akte), insbesondere im Hinblick auf den aus Art. 3 Abs. 2 GG abgeleiteten Handlungsauftrag für den Staat zur Förderung der Gleichberechtigung einen rechtfertigenden Sachgrund darstellen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der durch die Regelung bewirkte „Nachteil“ einer Fraktion, deren Mitwirkungs- und Teilhaberechte in keiner Weise beschnitten werden, allenfalls einen Eingriff von sehr geringem Gewicht darstellen dürfte.
Durch die Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung dürfte auch nicht unzulässig auf das freie Wahlvorschlagsrecht der Parteien Einfluss genommen werden. Denn es ist nicht ersichtlich, wie die bloße Vorsehung einer Möglichkeit der Dopplung von Funktionsstellen einer Fraktion, deren Mitwirkungs- und Teilhaberechte unabhängig von der Inanspruchnahme dieser Option umfassend erhalten bleiben, auf die verfassungsrechtlich gebotene freie Nominierung der Wahlvorschlagsträger (vgl. BVerfG, B.v. 15.12.2020 – 2 BvC 46/19 – juris Rn. 103) unzulässig Einfluss nehmen könnte. Entscheiden sich die Mitglieder der eine (spätere) Fraktion tragenden Parteien und Wählergruppen dafür, lediglich Kandidaten eines Geschlechts für die Wahl zu nominieren, scheidet für die spätere Fraktion zwar die Inanspruchnahme der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Möglichkeit zur Bildung einer Doppelspitze aus. Im Zeitpunkt der Aufstellungsentscheidung ist jedoch weder absehbar, ob die Partei oder Wählergruppe mit ihrem künftigen Wahlergebnis Fraktionsstärke erlangen wird, noch ob die gewählten Volksvertreter an der Möglichkeit der Bildung einer solchen Doppelspitze festhalten werden. Insbesondere dürfte sich auch der Schluss verbieten, dass die paritätische Ausgestaltung des Wahlvorschlags zwingend zur Folge hätte, dass Wahlvorschlagsträger beiden Geschlechts in das kommunale Gremium gewählt würden. Welchem Kandidierenden mit welchem Listenplatz der Einzug in das zu wählende Gremium gelingt, ist allein abhängig vom – für die den Wahlvorschlag Erstellenden letztlich unwägbaren – Wählerwillen. So kann ebenso die paritätische Besetzung der Wahlvorschlagslisten zur Folge haben, dass nur Vertreter eines Geschlechts im zu wählenden Gremium vertreten sein werden, genau wie die Nominierung nur eines Andersgeschlechtlichen zur Folge haben kann, dass die Partei oder Wählergruppe mit Vertretern beider Geschlechter Einzug in das zu wählende Gremium erhält. Die im Hinblick auf die streitgegenständliche Geschäftsordnungsregelung allein eröffnete Möglichkeit, durch statistische Erwägungen die Wahlvorschlagslisten so zu gestalten, dass mit der höchsten Wahrscheinlich schließlich Vertreter des männlichen und weiblichen Geschlechts in das Gremium gewählt werden, dürfte in der Folge lediglich einer von zahlreichen – von der jeweiligen Partei oder Wählergruppe freiwillig beachteten – Parametern sein, an denen die Entscheidung zur Nominierung der Wahlvorschlagsträger ausgerichtet ist.
Die Antragstellerin dürfte einen solchen Anspruch auch nicht auf den, aus der verfassungsrechtlich garantierten Wahlrechtsgleichheit (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) abzuleitenden Grundsatz der streng formalen Gleichbehandlung, der Differenzierungen nur aus zwingenden Gründen zulässt, stützen können. Zwar gilt dieses Verfassungsgebot nicht allein für den Wahlvorgang, sondern erstreckt sich auch auf die gewählten Mandatsträger, sodass deren Rechtsstellung und Mitwirkungsbefugnisse innerhalb der Vertretungskörperschaft sowie die ihnen gewährte Entschädigung ebenfalls in einem streng formalen Sinne gleich sein müssen. Daraus lässt sich jedoch, wie das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich klargestellt hat, für die Rechte von Ratsfraktionen nichts gewinnen. Denn diese leiten ihre Stellung im Unterschied zu den gewählten Ratsmitgliedern nicht unmittelbar aus der vorangegangenen Wahl ab, sondern aus dem Selbstorganisationsrecht der gewählten Vertretung (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 4 N 14.2046 – juris Rn. 37 m.w.N.).
Schließlich lässt sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf § 4 der Entschädigungssatzung stützen. Zwar erhält nach § 4 Abs. 1 der Entschädigungssatzung jede und jeder Vorsitzende bzw. jede Sprecherin/Sprecher einer Fraktion- bzw. Ausschussgemeinschaft monatlich 110,- Euro mit der Folge, dass innerhalb einer Fraktion, die eine Doppelspitze gebildet hat, zwei statt einem Mandatsträger diese Aufwandsentschädigung erhalten. Zum einen dürfte sich daraus aber kein Anspruch der Fraktion selbst ableiten lassen, deren Aufwandsentschädigung in § 4 Abs. 2 der Entschädigungssatzung eigenständig geregelt ist. Zum anderen folgt – wie ausgeführt – aus der formalen Gleichheit der Mandatsträger keine ebenso formale Gleichheit der von ihnen gebildeten Fraktionen, sodass der strenge Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht für deren finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand gilt (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 4 N 14.2046 – juris Rn. 37 m.w.N.). Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass die dem Doppelvorsitz gewährten Entschädigungen den mit den Leitungs- und Koordinierungsaufgaben des Fraktionsvorstands verbundenen Zusatzaufwand übersteigen würden, sodass ein Teil der Zuwendungen für reine Parteiarbeit unabhängig von der Mandatstätigkeit übrig bliebe. Vielmehr dürfte durch die Aufwandsentschädigung tatsächlich für die jeweilige Funktionsstelle angefallener Mehraufwand – insbesondere durch die fraktionsspitzeninterne Koordinierung der einzubringenden männlichen und weiblichen Ansichten – abgegolten werden. Ein solcher Koordinierungsmehraufwand dürfte hingegen bei Bildung einer „Einzelspitze“ von vorneherein ausscheiden.
Es kann im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsanspruch gegeben wäre. Die Antragstellerin hat – wie dargelegt – bereits keine stichhaltigen Gründe glaubhaft gemacht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache im vorliegenden Fall rechtfertigen könnten, wie insbesondere schwere und unzumutbare Nachteile bei einem Zuwarten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO kann daher schon wegen Fehlens eines Anordnungsgrunds – und weil er auf eine hier unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist – keinen Erfolg haben.
Aus dem gleichen Grund hat der zulässige Hilfsantrag, über den hier zu entscheiden war, da er unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung gestellt war, dass der Hauptantrag unzulässig und/oder unbegründet ist und diese Bedingung eingetreten ist, keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG – unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Daraus ergibt sich für das Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 10.000,- Euro, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.


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