Verwaltungsrecht

Unzulässiger Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Aktenzeichen  20 S 19.384

Datum:
28.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7791
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 153
ZPO § 579 Nr. 4

 

Leitsatz

1 Seit der Einführung der Anhörungsrüge fehlt es an der für die analoge Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO notwendigen Regelungslücke bei anderen, ähnlich schwerwiegenden Verstößen gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs, wie der dort geregelten nicht ordnungsgemäßen Vertretung einer Partei. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die reine Behauptung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung vermag eine Erweiterung der grundsätzlich abschließenden Nichtigkeitsgründe in § 579 ZPO im Wege der Analogie aber nicht zu begründen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 11 K 17.1664 2018-10-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird verworfen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Wiederaufnahmeverfahren auf 1.427,57 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 153 Abs. 1 VwGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO analog ist bereits unzulässig.
Denn dessen Zulässigkeit setzt jedenfalls voraus, dass der angeführte Wiederaufnahmegrund überhaupt ernsthaft in Erwägung gezogen werden kann bzw. hinreichend schlüssig und substantiiert behauptet wird (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, 35. Ergänzungslieferung Sept. 2018, § 153 Rn. 33; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 153 Rn. 30; BayVGH, B.v. 23.7.2013 – 6 BV 13.1273 – juris Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall.
Der Antragsteller macht vorliegend geltend, dass ein Wiederaufnahmegrund „analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO“ vorliege. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nennt als möglichen Klagegrund einer Nichtigkeitsklage (bzw. Antragsgrund eines Nichtigkeitsantrags) die nicht ordnungsgemäße Vertretung einer Partei im Verfahren. Ein solcher Fall lag hier angesichts der Vertretung des Antragstellers durch seine Bevollmächtigte, eine zugelassene und vertretungsbefugte Rechtsanwältin (§ 67 VwGO), die ihn auch im Wiederaufnahmeverfahren vertritt, offensichtlich nicht vor und wird auch nicht geltend gemacht. Bis zur Einführung der Anhörungsrüge in § 152a VwGO war jedoch umstritten, ob bei anderen, ähnlich schwerwiegenden Verstößen gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs eine analoge Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geboten sei (vgl. zum Ganzen: Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 153 Rn. 8). Seit der Einführung der Anhörungsrüge fehlt es jedoch an der für die Annahme einer Analogie insoweit notwendigen Regelungslücke (vgl. hierzu Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 153 Rn. 8 und jetzt derselbe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. Rn. 8).
Angesichts der Stellung des Wiederaufnahmeantrags durch einen Rechtsanwalt besteht auch kein Raum für eine Auslegung desselben als Anhörungsrüge nach § 152a VwGO. Dem steht bereits der eindeutige Wortlaut des gestellten Antrags entgegen. Dessen ungeachtet ist dem Vorbringen im Schriftsatz vom 20. Februar 2019 auch kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu entnehmen. Die Bevollmächtigte des Klägers tritt darin (ebenso wie im folgenden Schriftsatz vom 26. März 2019) der Begründung des Senats in dessen Beschluss vom 12. Februar 2019 inhaltlich unter Anführung verschiedener Kommentarstellen entgegen und führt aus, warum nach ihrer Auffassung ein Zulassungsgrund vorliege. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs wird damit bereits nicht geltend gemacht.
Auch der im Schriftsatz vom 26. März 2019 enthaltene Vortrag der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass dem Beschluss des Senats vom 12. Februar 2019 der Fehler innewohne, dass dort das Vorliegen eines mangels ordnungsgemäßer Verkündung in Wirklichkeit nicht existenten Urteils („Scheinurteil“) verneint werde, vermag einen Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig darzulegen. Denn es fehlt schon an der Darlegung, inwiefern hier die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 579 Nr. 4 ZPO vorliegen sollen. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 26. März 2019 beschränken sich insoweit auf die Wiedergabe der (abstrakten) Voraussetzungen einer Analogie, ohne darzustellen, warum diese hier vorliegen sollen, und die wiederholte Behauptung, dass entgegen der Auffassung des Senats das Verwaltungsgericht mangels ordnungsgemäßer Verkündung ein „Scheinurteil“ erlassen hat. Die reine Behauptung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung vermag eine Erweiterung der grundsätzlich abschließenden (Heck in Beck-OK ZPO, Stand 01.12.2018, § 579, vor Rn. 1; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 579, Rn. 1) Nichtigkeitsgründe in § 579 ZPO im Wege der Analogie aber nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 153 VwGO i.V.m. § 591 ZPO, § 152 VwGO.


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