Verwaltungsrecht

Unzulässiger Antrag gegen Entziehung eines Reisepasses und Beschränkung des Personalausweises

Aktenzeichen  AN 5 S 16.01732

Datum:
21.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG BayVwVfG Art. 41 Abs. 3, Abs. 4
PassG PassG § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4
VwGO VwGO § 60 Abs. 1, § 80 Abs. 5 S. 1, S. 2
VwZVG VwZVG Art. 15 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Voraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses eines Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO vor Erhebung der Anfechtungsklage ist, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache noch zulässig erhoben werden kann (ebenso OVG NRW BeckRS 2011, 50883). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … 1957 in … geborene Antragsteller war nach einer von seinem Bevollmächtigten vorgelegten Meldebescheinigung der Antragsgegnerin vom 17. August 2016 bis zum 10. April 2010 in der …, …, sodann bis zum 1. März 2012 in der …, … gemeldet. Anschließend meldete er sich in die … Belgien ab.
Mit Schreiben vom 4. März 2016 ersuchte das Finanzamt … die Antragsgegnerin darum, den deutschen Reisepass des Antragstellers zu entziehen bzw. die Ausstellung eines Passes zu verweigern. Der Antragsteller schulde dem Freistaat Bayern Steuern und öffentliche Abgaben im Gesamtbetrag von 91.144,59 EUR. Die Forderungen seien vollstreckbar, Zahlungen bisher nicht eingegangen. Der Antragsteller habe seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt, um sich seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. Schreiben der Finanzverwaltung habe er stets unbeantwortet gelassen, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien stets ins Leere gegangen. Dem Ersuchen beigefügt war eine Aufstellung, aus der sich Forderungen des Finanzamtes gegen den Antragsteller aus Einkommenssteuer und aus Solidaritätszuschlag zur Einkommenssteuer aus den Jahren 2009 bis 2013 in Höhe von 48.403,59 EUR sowie Säumniszuschläge in Summe von 42.741,00 EUR ergeben.
Einem Vermerk der Antragsgegnerin vom 14. März 2016 nach hätten keine Nachweise dafür vorgelegen, dass sich der Antragsteller in der Schweiz aufhalte. Die Wegzugsadresse vom 1. März 2012 nach Belgien sei nicht existent.
Mit Bescheid vom 18. März 2016 versagte die Antragsgegnerin unter Ziffer 1) die Ausstellung eines Reisepasses gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG, zog unter Ziffer 2), soweit der Antragsteller einen Reisepass besitzt, diesen gemäß § 8 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG ein und erklärte unter Ziffer 3) die Anordnungen unter Ziffern 1) und 2) nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin insbesondere aus, der Antragsteller schulde dem Freistaat Bayern Steuern und öffentliche Abgaben in einer Gesamthöhe von 91.144,59 EUR. Diese Forderungen seien laut Schreiben des Finanzamtes … vom 4. März 2016 vollstreckbar. Nach Erkenntnissen der Antragsgegnerin sei der Antragsteller bisher für die …, … gemeldet gewesen und sei seit 1. März 2012 nach Belgien, …, abgemeldet. Laut Erkenntnissen der Finanzbehörden halte er sich dort allerdings nicht auf, es werde ein Aufenthalt in der Schweiz vermutet. Er versuche, sich auf diese Weise den steuerlichen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. Aufgrund des Gesamtverhaltens des Antragstellers sei davon auszugehen, dass er sich durch einen dauerhaften Wegzug aus dem Bundesgebiet seiner Steuerschuld entziehen wolle. Die Passversagung bzw. der Einzug des Passes sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolge im öffentlichen Interesse. Das öffentliche Interesse, den Antragsteller an einer eventuellen Ausreise zu hindern und sich damit möglicherweise seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt … zu entziehen, überwiege sein Interesse, einen Pass zu besitzen.
Mit weiterer Verfügung der Antragsgegnerin vom 18. März 2016 wurde die öffentliche Zustellung des Bescheids angeordnet, da der Bescheid dem Antragsteller nicht habe zugestellt werden können, da dieser unbekannten Aufenthalts sei. Ermittlungen über seinen derzeitigen Aufenthaltsort seien ergebnislos verlaufen. In der Folge wurde der Bescheid noch am 18. März 2016 an der Amtstafel der Antragsgegnerin ausgehängt und am 13. April 2016 abgenommen.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2016 teilte die Antragsgegnerin der Grenzschutzdirektion des Bundespolizeipräsidiums die Passversagung (Passentziehung) des Antragstellers mit. Mit Schreiben vom 2. Juni 2016 teilte das Bundespolizeipräsidium der Antragsgegnerin mit, ihrem Ersuchen sei entsprochen worden und der Antragsteller sei zur Ausreiseuntersagung ausgeschrieben worden. Zugleich sei der für ungültig erklärte Reisepass zum Zwecke der Einziehung/Sicherstellung im Schengener Informationssystem ausgeschrieben worden.
Nachdem die Schweizer Bundespolizei aufgrund der Eingaben im Schengener Informationssystem festgestellt und übermittelt hatte, dass der Antragsteller mit Aufenthaltstitel in der Schweiz lebe, und diese darauf gebeten wurde, den Reisepass einzuziehen, beauftragte sie die Kantonspolizei … mit der Einziehung des Passes. Einem Bericht der Kantonspolizei … vom 14. Juli 2016 nach konnte der Pass nicht eingezogen werden. Bei einem Besuch habe eine Mitbewohnerin des Antragstellers geöffnet, der Antragsteller selbst habe in England geweilt. Mit Email vom 13. Juli 2016 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers unter Vorlage einer Vollmacht des Antragstellers, aus der sich dessen Anschrift in England ergibt, an die Kantonspolizei …, der Antragsteller habe ihm berichtet, dass die Kantonspolizei von einem deutschen Gläubiger, vermutlich dem Finanzamt …, damit beauftragt worden sei, seinen Reisepass zu beschlagnahmen. Dieser Vorgang sei aus juristischer Sicht durchaus bemerkenswert, da die Beschlagnahme eines Reisepasses nur durch einen richterlichen Beschluss erfolgen könne. Die Beschlagnahme eines Reisepasses sei darüber hinaus eine sehr schwerwiegende Einschränkung der Freiheitsrechte, was mit Steuerverbindlichkeiten alleine wohl kaum gerechtfertigt werden könne.
Mit Schreiben vom 24. August 2016 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers an die Antragsgegnerin und führte insbesondere aus, die gegenüber dem Antragsteller von der Antragsgegnerin verfügte Einschränkung sei ein belastender Verwaltungsakt, der diesem niemals zugestellt worden sei. Die Zustellung sei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen die Voraussetzung der Wirksamkeit eines belastenden Verwaltungsaktes.
Am 9. August 2016 wurde der Reisepass des Antragstellers bei der Einreise in das Vereinigte Königreich durch die UK Border Agency einbehalten und an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland London übermittelt, welche den Reisepass mit Schreiben vom 23. August 2016 an die Antragsgegnerin übersandte.
Mit auf den 31. August 2016 datiertem Schriftsatz, bei Gericht per Telefax eingegangen am 30. August 2016, wandte sich der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach und erhob gegen die von der Antragsgegnerin verfügte Einziehung des Reisepasses sowie der Beschränkung des Personalausweises Widerspruch und beantragte nach § 80 Abs. 5 VwGO,die Antragsgegnerin zu verpflichten, den gegen den Antragsteller erlassenen belastenden Verwaltungsakt über die Entziehung des Reisepasses dem Antragsteller unter der Adresse seines Bevollmächtigten in schriftlicher Form bekanntzugeben und zu übersenden und
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der von der Antragsgegnerin getroffenen Einziehung des Reisepasses gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zugleich kündigte der Bevollmächtigte des Antragstellers an, in der Hauptsache gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zu beantragen, den Bescheid der Antragsgegnerin aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, der Antragsteller sei bis zum 1. Januar 2012 in … gemeldet und wohnhaft gewesen, dann in … Er habe eine Tätigkeit als freiberuflicher Facharzt für Anästhesie ausgeübt. Aus privaten Gründen (u. a. Ehescheidung) wie auch aus Gründen einiger fehlgeschlagener finanzieller Investitionen habe sich der Antragsteller entschieden, ab dem 1. Januar 2012 seinen Wohnsitz von… ins EU-Ausland zu verlegen, insbesondere auch aus dem Grunde, weil ihm entsprechende Beschäftigungsverhältnisse als angestellter Arzt angeboten worden seien. Seine Approbation als Arzt in Deutschland habe er zurückgegeben. Ende des Jahres 2011 sei er auf Betreiben seiner Gläubiger dazu gezwungen worden, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über seine Vermögensverhältnisse zu leisten. Aus einer Bescheinigung des Einwohnermeldeamtes der Antragsgegnerin vom 17. August 2016 ergebe sich, dass sich der Antragsteller von … am 1. Januar 2012 nach …, … [!], Belgien, abgemeldet habe. Derzeit sei der Antragsteller in … bei London (Grafschaft …) wohnhaft und übe ein Beschäftigungsverhältnis als angestellter Arzt in …(Kanton …) aus. Ende Juni sei der Antragsteller in seinem Schweizer Aufenthaltsort von einem Vollzugsbeamten aufgesucht worden, der ihn aufgefordert habe, seinen Reisepass abzugeben, da dies vom Finanzamt … ihm aufgetragen worden sei. Der Antragsteller habe diesen Vorfall zum Anlass genommen, sich noch einmal grundlegend unter seiner jetzigen Adresse im Vereinigten Königreich mit dem Finanzamt in Verbindung zu setzen. Mit Schreiben vom 16. August 2016 habe das Finanzamt dem Antragsteller noch einmal mitgeteilt, dass sich die Steuerschulden auf 93.058,59 EUR belaufen würden. Am 9. August 2016 sei dem Antragsteller bei der Einreise in das Vereinigte Königreich auf dem Flughafen … der Reisepass abgenommen worden. Mit Schreiben vom 24. August 2016 habe sich der Bevollmächtigte des Antragstellers an das Finanzamt … mit der Aufforderung gewandt, das Ersuchen gegenüber der Antragsgegnerin zurückzunehmen. Das Finanzamt … sei nach § 65 Abs. 2 VwGO beizuladen, da sie Initiatorin des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes gewesen sei. Derzeit sei alles vollkommen unklar mit Ausnahme der Tatsache, dass der Reisepass des Antragstellers aufgrund der Verfügung, die die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller erlassen haben müsse, dem Antragsteller abgenommen worden sei. Weder sei bekannt, ob die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller einen Verwaltungsakt mit Rechtsmittelbelehrung erlassen habe und ob, was durchaus wahrscheinlich sei, das Internum umgesetzt worden sei, ohne den Antragsteller nur darüber in Kenntnis zu setzen. Falls doch ein Verwaltungsakt erlassen sein sollte, sei unklar, an welche Adresse dieser geschickt worden sei. Bekanntlich habe der Antragsteller seit dem 1. Dezember 2016 [!] in Deutschland keine ladungsfähige Adresse. Vermutlich sei der Verwaltungsakt nicht einmal durch öffentlichen Aushang zugestellt worden. Eine solche Verfahrensweise spreche rechtsstaatlichen Grundsätzen Hohn und könne nicht toleriert werden. Unter Hinweis auf eine beigefügte eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 28. August 2016 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dieser habe keinen Verwaltungsakt erhalten. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei begründet, weil bei der vorzunehmenden Güterabwägung das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem Interesse des Finanzamtes …an der Aufrechterhaltung der Vollziehung überwiege (§ 133 Abs. 1 Satz 1 VwGO) [!]. Dem Antragsteller könne nicht zugemutet werden, mindestens ein Jahr ohne Reisepass zu leben, die Wahrscheinlichkeit, dass das Finanzamt … innerhalb dieser Zeit in Deutschland erfolgreiche Vollstreckungsversuche unternehme, sei gleich Null. Die auf Veranlassung des Finanzamtes … von der Antragsgegnerin vollzogene Verfügung sei offensichtlich rechtswidrig gewesen. Zunächst müssten Zweifel gerade an der Verfassungsgemäßheit dieses Normteils in § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG angemeldet werden. Allen zehn Regelbeispielen sei gemeinsam, dass die Vorschriften der Prävention dienten. Auch die Bestimmung „sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen“ müsse voraussetzen, dass der Steuerpflichtige in dem Augenblick, in dem er sich vermeintlich entziehe, leistungsfähig sei. Der Antragsteller allerdings habe sich bereits mit Datum vom 1. Januar 2012 in Deutschland abgemeldet und lebe seitdem im EU-Ausland. Es seien Präzedenzfälle zu schaffen, die klar machten, dass § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG restriktiv auszulegen sei und nur bei Bestehen einer erheblichen Steuerlast und auch dem Hinzutreten weiterer Indizien überhaupt zur Anwendung kommen könne. Von einer Erheblichkeit einer Steuerschuld, die einen Fluchtwillen indiziere, könne in diesem Fall bei einer Festlegung einer Steuerschuld von ca. 45.000,00 EUR nicht ausgegangen werden. Säumniszuschläge könnten nicht für den Entzug eines Reisepasses eingefordert werden. Beim Antragsteller lasse nichts Rückschlüsse auf kriminelles oder auch sonst zweifelhaftes Verhalten zu. § 7 Abs. 2 Nr. 4 PassG verstoße auch gegen Art. 18 EUV. Die Gründe, die das OVG Berlin-Brandenburg bestimmt hätten, einen Verstoß zu verneinen, überzeugten nicht. Zu berücksichtigen sei nämlich auch, dass das EU-Recht nicht nur die Freizügigkeit seiner Bürger gestärkt habe, sondern auch wegen der gesteigerten Mobilität auch die zwischenstaatliche Zusammenarbeit zum Zwecke der Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen erleichtere. Wenn das OVG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit mache, wonach der Passentzug weder gemeinschaftsrechtlich noch im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 PassG unverhältnismäßig sei, so könne dies für diesen Fall jedenfalls nicht gelten. Bereits an der Geeignetheit müsse gezweifelt werden. Der Antragsteller erkläre sich ausdrücklich dazu bereit, gegenüber dem Finanzamt … eine Vermögensauskunft zu geben, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bedürfe es dazu nicht. Auch die Erforderlichkeit sei nicht gegeben, da das Finanzamt …die Möglichkeit habe, im Amtshilfeverfahren die englischen Behörden zu veranlassen, Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller einzuleiten. Die Passversagung sei in keinem Fall angemessen. Der Antragsteller wäre bei Fortbestand des Passentzuges und auch eines eingeschränkten Personalausweises dazu gezwungen, seine derzeitige Existenz zu beenden und seine Wohnung in England aufzulösen. Er müsste sich in Deutschland eine neue Wohnung suchen und insbesondere müsste er seine Arbeitsstelle in …/Schweiz aufgeben.
Der Antragsteller führte in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 28. August 2016 aus, ihm sei der ihm von der Antragsgegnerin am 4. April 2009 ausgestellte Reisepass auf dem Flughafen London/… bei der Einreise in das Vereinigte Königreich mit der Begründung abgenommen worden, dieser sei als gestohlen/verloren gemeldet worden. Er habe kein Schreiben der Antragsgegnerin erhalten, nach welchem die entsprechende Beschlagnahme seines Reisepasses nach der Norm im Passgesetz, die ihm damals nicht bekannt gewesen sei, verfügt worden sei. Da er aus privaten Gründen seit April 2016 seinen Wohnsitz in England habe, allerdings ein Beschäftigungsverhältnis in …/Schweiz habe, sei er auf ein gültiges Reisedokument dringend angewiesen.
Mit Schriftsatz vom 2. September 2014, eingegangen bei Gericht am 7. September 2016, reichte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine auf ihn lautende Vollmacht nach, woraufhin das Gericht die Antragsgegnerin bat, ihm einen Abdruck des Bescheids über die Passentziehung bzw. Einschränkung des Personalausweises zu übersenden.
Mit Schriftsatz vom 7. September 2016 erwiderte die Antragsgegnerin und beantragte,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin insbesondere aus, die Entziehung des Reisepasses des Antragstellers habe ihre Grundlage in dem durch öffentliche Zustellung bekanntgegebenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. März 2016. Die öffentliche Zustellung sei erforderlich gewesen, da sich der Antragsteller – wie die Klagebegründung bestätige – ins Ausland abgesetzt habe und Adressen dort nicht ermittelt haben werden können. Für den Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller den erlassenen Verwaltungsakt bekannt zu geben und zu übersenden, fehle es an der Klagebefugnis, da der streitgegenständliche Bescheid bereits zugestellt worden sei. Die Antragsgegnerin werde dem Bevollmächtigten des Antragstellers zudem einen Abdruck des Bescheids zukommen lassen. Der erhobene Widerspruch sei nicht statthaft (Art. 15 Abs. 2 AGVwGO). Aus diesem Grund komme auch die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht. Eine Anfechtungsklage sei verspätet, da der Bescheid vom 18. März 2016 spätestens seit 14. Mai 2016 (Beginn der Klagefrist mit Beendigung des Aushangs am 13. April 2016) bestandskräftig sei. Die Klage sei auch unbegründet. Gründe weshalb die Vorschrift (§ 8 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG) unbestimmt oder sonst verfassungswidrig sein könnte, seien nicht ersichtlich. Der Bevollmächtigte des Antragstellers lege mit dem Zitat des OVG Berlin-Brandenburg vielmehr selbst dar, dass der Wille, sich der Steuerpflicht zu entziehen, keinen rechtlichen Schutz verdiene. Der Entscheidung sei zu entnehmen, dass das Instrument der Passentziehung auch mit Europarecht zu vereinen sei. Im vorliegenden Fall ergebe sich der Steuerfluchtwille bereits aus der Höhe der Steuerschulden. Zu diesen zählten auch die Säumniszuschläge, da sie ebenfalls von den Steuerbehörden festgesetzt worden seien und fällig seien. Letztendlich räume der Antragsteller ohnehin selbst ein, dass er sich wegen „einiger fehlgeschlagener finanzieller Investitionen“ und zur Vermeidung eines sonst drohenden Insolvenzverfahrens ins Ausland abgesetzt habe. Richtig sei allerdings, dass die Passentziehung nur dann verhältnismäßig sei, wenn sie dazu beitragen könne, die Erfüllung der Steuerschulden zu fördern. Dies sei im Falle des Antragstellers eindeutig zu bejahen und werde bereits daraus deutlich, dass der Antragsteller nunmehr bereit sei, sich mit den Finanzbehörden in Verbindung zu setzen und über seine Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben. Letzteres wäre ohne den Druck der Passentziehung nicht geschehen. Zu beachten sei zudem, dass der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben in der Schweiz arbeite und sich eine Wohnung in der Nähe von London leisten könne. Es liege daher nahe und werde im Antragsschriftsatz nicht einmal im Ansatz widerlegt, dass der Antragsteller über ein Einkommen verfüge, das auch Zahlungen an die deutschen Steuerbehörden zulasse. Mildere, aber in gleicher Weise geeignete Mittel, stünden den Behörden nicht zur Verfügung.
Mit Schriftsatz vom 8. September 2016 bestätigte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass es in diesem Verfahren nur um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gehe. Es sei noch einmal auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit verwiesen. Auch werde bereits jetzt bei der Antragsgegnerin ein rechtsstaatswidriger Ermessensnichtgebrauch gerügt, wenn sich diese lediglich als Vollstreckerin des Willens des Finanzamtes … verstanden habe und ohne jegliches Hinterfragen dieses Ersuchens den hier streitgegenständlichen belastenden Verwaltungsakt erlassen habe (was wohl vermutet werden müsse). Die Umsetzung eines Verwaltungsinternums ohne jedwede Überprüfung sei ein verfassungsrechtlich unzulässiger Ermessensnichtgebrauch.
Mit Schriftsatz vom 9. September 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie dem Bevollmächtigten des Antragstellers einen Abdruck Bescheids vom 18. März 2016 übersandt habe.
Mit Schriftsatz vom 16. September 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie vom Finanzamt … ein an den Antragsteller gerichtetes Schreiben vom 30. Juni 2016 erhalten habe, in dem das Finanzamt ausführt, dem Anliegen des Antragstellers könne nur unter der Voraussetzung der Zahlung seiner Steuerschulden entsprochen werden. Sollte das zur Zeit in voller Höhe nicht möglich sein, bitte das Finanzamt den Antragsteller um einen angemessenen Ratenzahlungsvorschlag mit der sofortigen Überweisung der ersten Rate und Vorlage von Sicherheiten. Die Antragsgegnerin führte dazu aus, die Erforderlichkeit der Passentziehung könnte entfallen, falls der Antragsteller auf die Vorschläge des Finanzamtes eingehe und erfolgversprechende Anstrengungen zur Begleichung der Steuerschulden unternehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben. Er ist unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt bereits unzulässig.
Soweit der Antragsteller, wie sein Bevollmächtigter formuliert, begehrt, die Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 5 VwGO zu verpflichten, seinem Bevollmächtigten den gegen den Antragsteller erlassenen belastenden Verwaltungsakt in schriftlicher Form bekanntzugeben und zu übersenden, ist der Antrag bereits unzulässig, weil das Verfahren des gerichtlichen Eilrechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht dazu dient, die Behörde zu einem tatsächlichen Tun zu verpflichten, sondern vielmehr einzig dazu dient, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt ganz oder teilweise anzuordnen bzw. wiederherzustellen, wenn die sonst nach § 80 Abs. 1 VwGO eintretende aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs kraft Gesetzes nicht gegeben ist oder dadurch entfallen ist, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet hat. Eine Umdeutung in einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, mit dem eine solche Regelung möglicherweise erstritten werden könnte, kommt zum einen beim anwaltlich vertretenen Antragsteller nicht in Betracht. Zum anderen wäre im vorliegenden Fall auch ein solcher Antrag wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da der Bevollmächtigte des Antragstellers jederzeit im Wege eines Antrags auf Akteneinsicht, den er soweit ersichtlich bislang zu keinem Zeitpunkt gestellt hat, einfacher zum selben Ergebnis gelangen könnte. Zudem hat die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Antragstellers bereits einen Abdruck ihres Bescheids vom 13. März 2016 zur Verfügung gestellt.
Soweit der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anzuordnen, ist der Antrag auch dann unzulässig, wenn der Antrag nach § 88 VwGO dahingehend ausgelegt wird, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, den der Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber dem Gericht formuliert hat, wiederherzustellen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die aufschiebende Wirkung nicht bereits aufgrund Gesetzes, sondern erst infolge der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin entfallen ist. Auch diesem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Denn ein Widerspruch wurde hier schon nicht erhoben und wäre im Übrigen offensichtlich unzulässig. Die Erhebung eines Widerspruchs hat gegenüber der Behörde zu erfolgen. Gegenüber der Antragsgegnerin hat der Antragsteller weder selbst noch über seinen Bevollmächtigten Widerspruch eingelegt. Die Formulierung eines Widerspruchs gegenüber dem Gericht ersetzt den Widerspruch gegenüber der Behörde nicht. Beim Widerspruchsverfahren handelt es sich um ein Verwaltungs-, nicht um ein Gerichtsverfahren. Zudem wäre der Widerspruch, selbst wenn er gegenüber der Antragsgegnerin erklärt worden wäre, offensichtlich unzulässig, da das Widerspruchsverfahren, wie die Antragsgegnerin zu Recht ausführt und worauf der Bevollmächtigte des Antragstellers auch bereits durch das Gericht hingewiesen worden ist, nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Art. 15 Abs. 2 AGVwGO im vorliegenden Fall durch Landesgesetz ausgeschlossen ist.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist auch dann unzulässig, wenn er – entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Antrags des anwaltlich vertretenen Antragstellers – nach § 88 VwGO dahin ausgelegt wird, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage begehrt wird.
Auch dem so verstandenen Antrag fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar geht die Kammer nicht bereits davon aus, dass der Antrag auf aufschiebende Wirkung bereits deshalb unzulässig ist, weil die Anfechtungsklage, wie der Bevollmächtigte des Antragstellers auf telefonische Nachfrage des Berichterstatters in seinem Schriftsatz vom 8. September 2016 ausdrücklich schriftlich bestätigte, noch nicht erhoben worden sein soll (die Einlegung des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt bzw. angeordnet werden soll, zur Voraussetzung macht dagegen Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. EL Feb. 2016, § 80, Rn. 460). Denn § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO erklärt ausdrücklich, dass der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist. Voraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses eines solchen Antrages ist jedoch, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache, das heißt im vorliegenden Fall die Anfechtungsklage, noch zulässig erhoben werden kann (vgl. OVG Münster, B. v. 24.5.2011 – 14 B 391/11 – juris Rn. 3; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80, Rn. 129), was hier nicht der Fall ist. Denn, ein wegen Verfristung nach § 74 VwGO unzulässiger Rechtsbehelf in der Hauptsache führt seinerseits nicht zu einer aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO, weil der Verwaltungsakt in diesen Fällen unanfechtbar geworden ist, so dass es kein offenes Hauptverfahren mehr gibt, das zu sichern wäre (s. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. EL Feb. 2016, § 80, Rn. 84). Für eine aufschiebende Wirkung ist dann kein Raum mehr. Im vorliegenden Fall ist die Anfechtungsklage nach § 74 Abs. 1 VwGO verfristet und wäre im Übrigen auch bereits am 30. August 2016, mithin am Tage des Eingangs der Antragsschrift bei Gericht, verfristet gewesen.
Der streitgegenständliche Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. März 2016 ist dem Antragsteller entgegen der Auffassung seines Bevollmächtigten zu Recht nach Art. 41 Abs. 3 und 4 BayVwVfG, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZVG durch öffentliche Zustellung bekannt gegeben worden. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZVG kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers eines Verwaltungsakts unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Dies war hier beim Antragsteller der Fall. Der Antragsteller hat sich, anders als sein Bevollmächtigter vorträgt, nicht zum 1. Januar 2012, sondern wie sich aus der von seinem Bevollmächtigten selbst vorgelegten Meldebescheinigung vom 17. August 2016 ergibt, zum 1. März 2012 von seiner vorherigen Wohnung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin in die … in …/Belgien abgemeldet. Weitere Anschriften im In- und Ausland, insbesondere sein Aufenthaltsort in der Schweiz oder seine gegenwärtige Anschrift in England, Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigte waren zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht bekannt. Eine Bekanntgabe an den Antragsteller unter der von ihm angegebenen Wegzugsadresse in Belgien war nicht möglich, insbesondere weil in … eine Straße dieses Namens schon nicht existiert, wie sich aus dem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 14. März 2016 ergibt. In der auf der offiziellen Internetpräsenz der Stadt … veröffentlichten offiziellen Liste aller Straßennamen der Stadt … (www.ville.namur.be/files/files/liste_rues.pdf) ist eine Straße dieses Namens nicht verzeichnet. Auch aus den auf der offiziellen Internetpräsenz der Stadt … ersichtlichen Straßennamensänderungen ergibt sich nicht, dass in der jüngeren Vergangenheit eine Straße dieses Namens in … existiert hätte. Die Antragsgegnerin hat, wie sich aus der vorgelegten Behördenakte ergibt, auch die weiteren Vorschriften über die öffentliche Zustellung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwZVG eingehalten. Insbesondere sind der Bescheid sowie Anordnung der öffentlichen Zustellung an der Amtstafel der Antragsgegnerin ausgehängt worden. Damit gilt der streitgegenständliche Bescheid nach Art. 15 Abs. 2 Satz 6 VwZVG als zugestellt, wenn seit dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind. Da die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung am 18. März 2016 erfolgt ist, gilt der Bescheid damit bereits als mit Ablauf des 1. April 2016 als zugestellt. Unschädlich ist dabei, dass die Antragsgegnerin offenbar von einer längeren Frist bis 13. April 2016 ausgeht. Auf dieser Grundlage endete die Monatsfrist für die Erhebung der Anfechtungsklage nach § 74 Abs. 1 VwGO, nachdem der 1. Mai 2016 Sonn- und Feiertag war, mit Ablauf des 2. Mai 2016. Damit ist der streitgegenständliche Bescheid der Antragsgegnerin bereits seit diesem Tag bestandskräftig und nicht mehr anfechtbar. Ist aus diesem Grund eine Anfechtungsklage offensichtlich unzulässig, ist folglich auch ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer solchen Klage nicht mehr zulässig.
Dem Antragsteller ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, die er im Übrigen auch nicht beantragt hat. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Dabei sind nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen. Zudem ist nach § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (60 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Selbst wenn man hier die vom Antragsteller unter Angabe einer nicht existierenden Wegzugsadresse selbst verschuldete Nichterreichbarkeit für die deutschen Behörden und die daraus folgende Nichtkenntnis der Bekanntgabe des hier streitgegenständlichen Bescheides als Grund für eine Wiedereinsetzung anerkennen würde, wofür in Anbetracht der Gesamtumstände nichts spricht, so hat der Antragsteller jedenfalls die versäumte Rechtshandlung, hier die Erhebung der Anfechtungsklage, nicht innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt. Denn der Antragsteller hat, wie sich aus dem Vortrag seines Bevollmächtigten und aus der von ihm selbst verfassten eidesstattlichen Versicherung vom 28. August 2016 ergibt, bereits Ende Juni 2016 durch die Kantonspolizei … erfahren, dass sein Pass eingezogen werden sollte. Klage hiergegen hat er selbst bis zum heutigen Tage nicht oder, wenn man entgegen der ausdrücklichen Erklärung seines Bevollmächtigten die Ankündigung einer Klage in der am 30. August 2016 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift eine Klageerhebung erblicken würde, erst an diesem Tag, mithin mehr als zwei Monate später erhoben.
Auch der Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers, der im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG bzw. einen Verstoß gegen Art. 18 EUV geltend macht, kann nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen.
Zum einen steht selbst dann, wenn von einer Verfassungswidrigkeit bzw. Europarechtswidrigkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG ausgegangen würde, der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage die Bestandskraft des hier streitgegenständliche Bescheids der Antragsgegnerin entgegen. Der Bestandskraft von Verwaltungsakten kommt als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips in Gestalt der Rechtssicherheit Verfassungsrang zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit ist auch im Europarecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz primärrechtlich anerkannt. Folglich kann sich ein Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes nach Eintritt der Bestandskraft nicht mehr mit Erfolg auf eine behauptete Verfassungswidrigkeit bzw. Europarechtswidrigkeit berufen. Alles andere würde dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der ebenfalls Verfassungsrang bzw. den Rang von Primärrecht hat, widersprechen.
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers geltend macht, § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG sei verfassungswidrig, wofür im Übrigen auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Bevollmächtigten des Antragstellers nichts spricht (vgl. BVerwG, B. v. 16.10.1989 – 1 A 110/89 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 11.9.2007 – OVG 5 S 56.07 – juris Rn. 15), könnte im hiesigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angesichts des vorläufigen und eilbedürftigen Charakters dieses Verfahrens und des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts eine Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit zudem nur bei schwerwiegenden Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes in Betracht kommen. Dies kann nur dann angenommen werden, wenn die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes offensichtlich ist, die Nichtigkeit der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Normen also geradezu auf der Hand liegt, das fragliche Gesetz mithin greifbar verfassungswidrig ist (so VGH Kassel, U. v. 8.10.2010 – 8 B 1344/10 – juris Rn. 8). Solche schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG hat die Kammer nicht. Die Kammer ist vielmehr der Auffassung, dass, was im Übrigen selbst der Bevollmächtigte des Antragstellers einräumt, der Passentzug unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt, verhältnismäßig und auch erforderlich sein kann. Die Kammer teilt auch ausdrücklich die Auffassung der Antragsgegnerin, dass der Wille, sich seiner Steuerpflicht im Inland zu entziehen, keinen rechtlichen Schutz verdient. Die Passversagung und damit auch die Entziehung eines Passes ist geeignet, erforderlich und angemessen, wenn mit ihrer Hilfe, wie im vorliegenden Fall, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist, der gewünschte Erfolg, den Passbewerber zur Rückkehr in die Bundesrepublik und zur Bezahlung der Steuer- und Abgabenrückstände zu veranlassen, gefördert werden kann (so ausdrücklich OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 11.9.2007 – OVG 5 S 56.07 – juris Rn. 15 mit Verweis auf BVerwG, B. v. 16.10.1989 – 1 A 110/89).
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers geltend macht, § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG verstoße gegen Art. 18 EUV, schließt sich die Kammer im Übrigen den Ausführungen des OVG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 11. September 2007 an, denen nichts hinzuzufügen ist (OVG 5 S 56.07 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Nach all dem war der Antrag vollumfänglich abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus den §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


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