Verwaltungsrecht

Unzulässiger Antrag wegen Versäumung der Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 S. 1 AsylG

Aktenzeichen  M 17 S 16.30293; M 17 K 16.30292

Datum:
24.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Ein Antrag, der die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 S. 1 AsylG nicht einhält, ist unzulässig. Ist die Versäumung der Frist vom Bevollmächtigten des Antragstellers verschuldet, ist dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 17 S 16.30293) und für das Hauptsacheverfahren (M 17 K 16.30292) abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger, albanischer Volkszugehöriger und muslimischen Glaubens. Sein Asylerstantrag wurde am 18. Mai 2005 durch Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg am 14. April 2005 und sein Asylfolgeantrag am 24. März 2006 durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) unanfechtbar abgelehnt. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Serbien angedroht.
Nach seinen eigenen Angaben reiste der Antragsteller am … Februar 2015 über Ungarn und Österreich erneut in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … Februar 2015 persönlich beim Bundesamt einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 trug der Bevollmächtigte des Antragstellers vor, dass der aus dem Kosovo stammende Antragsteller auch heute noch von Serben verfolgt und geschlagen werde. Er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Die vorgelegten ärztlichen Atteste würden dies bestätigen.
Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung am … Dezember 2015 gab der Antragsteller zur Niederschrift gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen an, psychisch krank zu sein. Er hätte über 200 schmerzhafte Tumore in seinem Körper, die sich ständig vermehren würden. Der Sohn seines Onkels leide auch an dieser Erkrankung und sei für 8.000,– EUR in Albanien operiert worden. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Niederschrift Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2016, dem Bevollmächtigten des Antragstellers nach eigenen Angaben am 29. Januar 2016 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet sowie den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Auf den Inhalt des Bescheides wird verwiesen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 16. Februar 2016, dem Bayerischen Verwaltungsgericht München am 18. Februar 2016 zugegangen, Klage (M 17 K 16.30292) mit dem Antrag, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, seinem Asylantrag stattzugeben und ihm subsidiären Schutz zu gewähren (Ziffer I.). Zugleich wurde beantragt (Ziffer II.),
die Antragsgegnerin zu verurteilen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gem. Ziff. I. zu unterlassen und dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den gesetzlich geregelten sofortigen Vollzug der Versagung des Aufenthaltstitels werde hiermit gestellt.
Schließlich wurde beantragt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren mit der Begründung, dass der Antragsteller den Brief seines Bevollmächtigten vom 1. Februar 2016 über den Ablehnungsbescheid des Bundesamtes erst am 11. Februar 2016 erhalten habe, da er zuvor versehentlich nicht auf der Liste aufgeführt worden sei, über die die Heimbewohner über den Posteingang informiert werden. Da es zuvor übersehen worden sei, den Antragsteller über den Eingang des Briefes zu informieren, habe er diesen erst am 11. Februar 2016 spät abends persönlich übergeben erhalten. Im Übrigen wurde zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller unter einer PTBS, einer Depressions- und Angsterkrankung schwerer Ausprägung leide. Seine Abschiebung wäre demnach mit nicht zu verantwortenden, erheblichen gesundheitlichen Risiken, so beispielsweise suizidaler Gefährdung, verbunden.
Sowohl für das Klageverfahren als auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte der Bevollmächtigte, dem Antragsteller unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu gewähren. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde mit Schreiben vom 16. Februar 2016 dem Verwaltungsgericht München am 24. Februar 2016 vorgelegt.
Die Antragsgegnerin übersandte mit Schreiben vom 29. Januar 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30292 sowie der Asylakten verwiesen, insbesondere auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG).
II.
1. Bei interessengerechter Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) ist der Eilantrag (Ziffer II. der Antragsschrift vom 16. Februar 2016) auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im angegriffenen Bundesamtsbescheid unter Ziffer 5. des Tenors ausgesprochene Abschiebungsandrohung gerichtet.
Wird ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, ist nach § 34 AsylG eine Abschiebungsandrohung mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) zu erlassen, gegen die eine Klage wegen § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Daran anknüpfend normiert § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG, dass Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO – die wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1, Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO das Ziel der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung haben müssen – innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsandrohung zu stellen sind. Nach dem klaren Wortlaut des durch den Bevollmächtigten des Antragstellers formulierten Antrags („Anordnung der aufschiebenden Wirkung“) kann darin kein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO dahingehend gesehen werden, dem Antragsteller eine Duldung resp. Aufenthaltstitel zu erteilen. Zumal ein dahingehender Antrag nach § 123 VwGO sowie eine Verpflichtungsklage in der Hauptsache auf Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG an den falschen Antragsgegner gerichtet wäre. Der Antragsteller muss sich hierfür auf einen Antrag bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde verweisen lassen. Es gibt keine Handhabe, das Bundesamt in der von dem Antragsteller gewünschten Weise einstweilen zu verpflichten, da es sich vorliegend um eine ausschließlich aufenthaltsrechtliche Angelegenheit in der Zuständigkeit der Ausländerbehörde, nicht um eine asylrechtliche Streitigkeit in der Kompetenz des Bundesamts handelt. Damit würde dem Bundesamt die Zuständigkeit fehlen und könnte es insoweit auch nicht vorübergehend zu einer ihm nicht zustehenden Statusgewährung verpflichtet werden (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG; VG Potsdam, B. v. 30.04.2015 – 6 L 375/15.A – juris Rn. 7ff.). Da die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Asylfolgeverfahren) vom Bundesamt auch nicht abgelehnt wurde, wäre auch ein Antrag nach § 123 VwGO gegenüber dem Bundesamt mit dem Ziel, dass die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 AsylG gegenüber der Ausländerbehörde unterbleibt oder zurückgenommen wird, – sollte ein solcher beabsichtigt gewesen sein – unstatthaft.
2. Der so verstandene Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im angegriffenen Bundesamtsbescheid ausgesprochene Abschiebungsandrohung bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist bereits unzulässig. Er ging nicht innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei Gericht ein.
Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid vom 19. Januar 2016 wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers nach dessen eigenen Angaben am 29. Januar 2016 zugestellt.
Vorliegend hatte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 dem Bundesamt seine Vertretung im Verwaltungsverfahren angezeigt und eine schriftliche Vollmacht vom 22. Oktober 2015 vorgelegt (Bl. 42 d. BA). Deshalb hatte die Zustellung – wie geschehen – zwingend nach § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwZG an den Bevollmächtigten des Antragstellers zu erfolgen.
Die einwöchige Antragsfrist begann damit gemäß § 31 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB am Samstag, den 30. Januar 2016 um 0 Uhr zu laufen und endete am Freitag, den 5. Februar 2016, 24 Uhr (§ 31 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 188 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 1. Alt. BGB), weshalb der erst am 18. Februar 2016 eingegangene Antrag verfristet ist.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht stattzugeben, da die Versäumung der Klagefrist vom Bevollmächtigten des Antragstellers verschuldet war.
Gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO). Ein Verschulden des gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters wird als eigenes Verschulden des von ihm vertretenen Beteiligten angesehen (§ 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 60 Rn. 14). Dies gilt auch im Asylverfahren (vgl. BVerfG, B. v. 20.4.1982 – 2 BvL 26/81 – BVerfGE 60, 253 ff.; B. v. 21.6.2000 – 2 BvR 1989/97 – NVwZ 2000, 907 ff.). Als eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten wird gewertet, wenn er nicht im Rahmen des ihm Zumutbaren dafür Sorge getragen hat, dass seine Mitteilungen den Mandaten zuverlässig und rechtzeitig erreichen. Hat ein Rechtsanwalt – wie im vorliegenden Fall – bei seinem Mandanten angefragt, ob gegen die Ablehnung eines Asylantrags ein Rechtsbehelf eingelegt werden soll, so darf er es nicht damit bewenden lassen, dass auf seinen einmaligen Benachrichtigungsversuch eine Antwort seines Mandanten ausbleibt; er muss vielmehr nochmals und nicht nur mit einfachem Brief Rückfrage halten oder sich auf sonstige Weise vergewissern, ob dieser eine Weiterverfolgung seiner Rechte wünscht. Dies gilt gerade mit Rücksicht darauf, dass regelmäßig eine Reaktion des Mandanten auf Benachrichtigungen der hier vorliegenden Art durch seinen Rechtsanwalt zu erwarten ist, und unter Berücksichtigung der gerade bei der Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen nicht selten auftretenden Schwierigkeiten bei der Postzustellung (Schmidt in Eyermann, 14. Aufl. 2014, VwGO, § 60 Rn. 15 m. w. N.; BVerwG, U. v. 23.11.1982 – 9 C 167/82 – BVerwGE 66, 240-241 – juris). Auch besteht in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der fristwahrende Schriftsatz mitunter am letzten Tag der Frist eingereicht werden soll, eine besondere Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts selbst (vgl. BayVGH, B. v. 19.12.2011 – 2 ZB 11.1171 – juris Rn. 5 m. w. N.; BayVGH, B. v. 18.5.2011 – 10 ZB 10.1957 – juris Rn. 3).
3. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.
4. Ist nach dem Vorstehenden der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolglos, so gilt dies auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowohl für das Antrags- als auch für das Klageverfahren. Denn es fehlt an der gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung. Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
5. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar; dies gilt auch im Hinblick auf die Versagung von Prozesskostenhilfe (vgl. BayVGH, B. v. 25.09.1992 – 24 C 92.32498 – juris Rn. 2).


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