Verwaltungsrecht

unzulässiger Asylantrag bei vorheriger Schutzzuerkennung in Slowenien

Aktenzeichen  W 4 K 21.30180

Datum:
8.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40143
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
AsylG § 36

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass ein Vertreter der Beklagten an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Erfolg.
1. Die Klage ist nur zum Teil zulässig.
Unzulässig ist die Klage soweit sie sich auf Ziffer 3, Satz 4 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht (Abschiebungsverbot bzgl. Somalia), da diese Regelung für den Kläger lediglich rechtlich vorteilhaft ist und damit eine Klagebefugnis des Klägers mangels Rechtsverletzung nicht ersichtlich ist.
2. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom 13. Februar 2020, in der Fassung vom 27. Februar 2020, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger schon deswegen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
2.1. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ist rechtmäßig, denn der Asylantrag des Klägers in Deutschland ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig.
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Hiermit wird Art. 33 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Asylverfahrensrichtlinie – (RL 2013/32/EU) umgesetzt, welcher in seinem Absatz 2 abschließend regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten einen Asylantrag als unzulässig betrachten dürfen (vgl. OVG NRW, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16.A – juris Rn. 30). Dies ist nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) Asylverfahrensrichtlinie u.a. dann der Fall, wenn ein anderer Mitgliedstaat bereits internationalen Schutz gewährt hat.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf das entsprechende Schreiben der slowenischen Behörden vom 5. Februar 2020 (Blatt 110 der Behördenakte), das mit der Eurodac-Treffer-Abfrage übereinstimmt, wonach dem Kläger bereits am 30. November 2010 in Slowenien internationaler Schutz in Form der Flüchtlingsanerkennung zuerkannt wurde. Diesen Umstand hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch selbst bestätigt.
2.2. Der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht auch nicht Art. 4 der Grundrechtscharta (GRC) i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen (vgl. hierzu EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 u.a. – juris). Eine ernsthafte Gefahr, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Slowenien zu erfahren, besteht für den Kläger nach Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel (vgl. hierzu nur BFA, Länderinformationsblatt, Slowenien, Gesamtaktualisierung vom 25.9.2020; AIDA, Country Report: Slowenia, 27.3.2020; Amnesty International, Slowenia 2019, 16.4.2020) nicht.
2.2.1 Bei der Prüfung, ob Slowenien hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 28). Denn Slowenien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (vgl. hierzu nur EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. juris Rn. 83 f.).
Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 83).
Solche Schwachstellen verstoßen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber nur dann gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese Schwelle wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Eine große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse erreichen diese Schwelle nicht, wenn sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund derer diese Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 91 ff.).
2.2.2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben droht dem Kläger, bei dem es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann handelt, in Slowenien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK (in diesem Sinne etwa auch VG Trier, U.v. 3.4.2019 – 7 K 5601/18.TR – juris Rn. 51 ff.). Derartige Mängel lassen sich aktuellen Erkenntnismitteln zu Slowenien nicht entnehmen. Solche hat der Kläger auch selbst nicht substantiiert geltend gemacht. Diesbezüglich nimmt das Gericht daher auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug und macht sie sich zu eigen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend hierzu wird noch Folgendes ausgeführt:
Anerkannte Flüchtlinge erhalten in Slowenien einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Die dazugehörige Aufenthaltskarte wird für zehn Jahre ausgestellt und kann vor Ablauf ohne Schwierigkeiten verlängert werden. Schutzberechtigte haben Zugang zum Gesundheitswesen, Sozialleistungen, Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnbeihilfe wie slowenische Bürger (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Slowenien, Gesamtaktualisierung vom 25.9.2020, S. 14 f.).
Schutzberechtigte fallen zudem unter die obligatorische Krankenversicherung. Sie werden jedoch von den Integrationsbeauftragten dazu ermutigt, auch eine Zusatzkrankenversicherung abzuschließen, da ohne diese die Kosten für Medikamente und medizinische Behandlungen sehr hoch werden können. Sozialhilfeempfänger – darunter auch Schutzberechtigte nach Schutzgewährung – benötigen jedoch keine Zusatzversicherung und genießen trotzdem die vollen Rechte. Minderjährige mit internationalem Schutz haben Anspruch auf medizinische Versorgung wie slowenische Kinder bis zum 18. Lebensjahr (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Slowenien, Gesamtaktualisierung vom 25.9.2020, S. 15).
Schutzberechtigte haben des Weiteren nicht nur freien Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern sie werden bei den Programmen der aktiven Beschäftigungspolitik und als Arbeitslose in gleicher Weise behandelt wie Staatsangehörige. Vor kurzem wurden vom Arbeitsmarktservice Sloweniens zwei Stellen für Berufsberater geschaffen, einer in Ljubljana und einer in Maribor, die ausschließlich mit Schutzberechtigten arbeiten. Die sogenannten on-the-job Programme für Schutzberechtigte wurden an ihre Bedürfnisse angepasst (z.B. verlängerte Laufzeit, in Begleitung eines Mentors). Personen mit internationalem Schutz sind bei der Jobsuche gleichwohl mit gewissen Hindernissen (z.B. Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede, fehlende Bildungsnachweise und Berufserfahrung, medizinische Probleme, Diskriminierung, Vertrauensmangel seitens der Arbeitgeber, etc.) konfrontiert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Slowenien, Gesamtaktualisierung vom 25.9.2020, S. 16).
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben zudem Anspruch auf finanzielle Sozialhilfe für Mittellose, der aktuell 402,58 EUR pro Monat beträgt. Dazu kommen noch weitere Leistungen (z.B. Kindergeld, Beihilfe für kinderreiche Familien, Notstandshilfe, Kinderbetreuungsbeihilfe), wenn die Betroffenen die entsprechenden Kriterien erfüllen. Ein wesentliches Problem stellt für Schutzberechtigte das Fehlen der sozialen Sicherheit in der Anfangsphase nach der Schutzgewährung dar. Die Bearbeitung des Antrags auf Sozialhilfe kann bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit sind die Betroffenen oft auf die humanitäre Unterstützung karitativer Organisationen angewiesen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Slowenien, Gesamtaktualisierung vom 25.9.2020, S. 15).
Schutzberechtigte haben außerdem neben dem Zugang zu Bildungseinrichtungen das Recht auf Stipendien und Unterbringung im Studentenwohnheim unter den gleichen Bedingungen wie Staatsbürger. Minderjährige haben in der Regel bereits vor Schutzgewährung Zugang zu Bildung. Die Kosten für die Anerkennung und Überprüfung der im Ausland erworbenen Abschlüsse werden übernommen. Schutzberechtigte haben weiterhin Anspruch auf einen kostenlosen Sprachkurs in slowenischer Sprache von 300 Stunden, der mit der Zustimmung des UIOM um weitere 100 Stunden verlängert werden kann. Auf die besonderen Bedürfnisse von asylsuchenden Minderjährigen wird ebenso Rücksicht genommen wie bei slowenischen Schülern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Slowenien, Gesamtaktualisierung vom 25.9.2020, S. 15).
Kläger, die internationalen Schutz erhalten, sind verpflichtet das Aufnahmezentrum (außer das Studentenheim in Postojna) innerhalb von 15 Tagen zu verlassen, wenn die Entscheidung über ihren Asylantrag rechtskräftig wird. Im Falle einer negativen Entscheidung gelten die Aufnahmebedingungen während des Beschwerdeverfahrens weiter. Wenn Schutzberechtigte über keine Finanzmittel verfügen und ihnen keine andere Unterkunft bereitgestellt wird, haben sie Anspruch auf finanzielle Unterstützung für bis zu 18 Monate ab Schutzgewährung. Diese Unterstützung kann für weitere 18 Monate gewährt werden, wenn die Nutznießer mindestens 80% der von der UOIM organisierten kostenlosen Sprach- und kulturellen Trainings besuchen. Der Höchstbetrag für Alleinstehende ist an die monatliche Sozialhilfe, derzeit 402,58 EUR, gekoppelt. Bei Familien ist der Höchstbetrag pro Person geringer; die Berechnung erfolgt nach gen gesetzlichen Bestimmungen. Im ersten Jahr nach Schutzgewährung kann die finanzielle Unterstützung durch eine kostenlose Unterkunft in einem der drei sogenannten Integrationshäuser (Einrichtungen bestehend aus Appartements) des Innenministeriums, mit einer Gesamtkapazität von 90 Plätzen, ersetzt werden. Das Integrationshaus in Ljubljana ist für Familien und alleinstehende Frauen vorgesehen; in Maribor werden alleinstehende Männer untergebracht. Das dritte Integrationshaus befindet sich in Velenje. Aus medizinischen oder anderen Gründen kann die Unterbringung im Integrationshaus um weitere sechs Monate verlängert werden. Ende Dezember 2019 wurden insgesamt 29 Personen in den Einrichtungen beherbergt. Schutzberechtigte erhalten Unterstützung bei der Wohnungssuche und bei der Integration durch die UOIM und NGOs, hauptsächlich von Društvo Odnos und Slovene Philanthropy (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Slowenien, Gesamtaktualisierung vom 25.9.2020, S. 16).
Unter Berücksichtigung dieser aktuellen Erkenntnisse ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger und seiner Familie in Slowenien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK droht.
2.2.3. Gegenteiliges hat der Kläger im Hinblick auf die generellen Lebensbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte in Slowenien auch nicht geltend gemacht. Der Kläger, der mit seiner Familie bereits mehrere Jahre in Slowenien verbracht hat und damit mit den Verhältnissen vor Ort wenigstens einigermaßen vertraut sein dürfte, hat vielmehr im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt bzw. in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass er und seine Familie in Slowenien eine Wohnung hatten (vgl. Blatt 75 BA) und dass für den notwendigen Lebensunterhalt gesorgt war, obwohl weder der Kläger noch seiner Frau in Slowenien jemals einer Arbeit nachgingen. Die Ehefrau des Klägers hat im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt (BA-Az.: …) ebenfalls angegeben, dass sie und ihre Familie in Slowenien versorgt waren und sie, die Ehefrau, in Slowenien auch wegen ihrer Hepatitis-B-Erkrankung ärztlich behandelt worden ist (vgl. Blatt 66 f. BA zum vorgenannten BA-Az.).
Mag der Lebensstandard in Slowenien auch deutlich geringer sein als in der Bundesrepublik – dahingehend zumindest die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung -, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK droht dem Kläger mit seiner Familie in Slowenien nach den vorstehenden Ausführungen damit nicht.
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung somit zu Recht als unzulässig abgelehnt.
3. Es bestehen ferner auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Kläger.
3.1. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Da der Kläger in Slowenien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK droht, scheidet auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu seinen Gunsten aus. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2.2.2. und 2.2.3. Bezug genommen. Die Verletzung sonstiger Konventionsrechte ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei ist unerheblich, ob man hier hinsichtlich der Gefahrenprognose auf den Kläger alleine oder auf den Kläger samt seiner Familie abstellt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 50.18 – juris), da unter Berücksichtigung der Lage von anerkannten Schutzberechtigten in Slowenien (siehe oben unter 2.2.2.) auch im letzteren Fall die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht vorlägen.
Soweit der Kläger vorträgt, ihm drohe in Slowenien durch die dortige „Bettel-Mafia“ Gefahr für Leib und Leben, so ist er insoweit auf die slowenischen Sicherheitsbehörden zu verweisen. Dass diese nicht willens oder nicht in der Lage wären, den Kläger zu schützen, ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon ist das Gericht aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks überzeugt, dass der diesbezügliche Vortrag des Klägers und seiner Ehefrau konstruiert ist und so nicht stattgefunden hat. Denn die Angaben hierzu waren völlig oberflächlich, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger von tatsächlich Erlebtem berichtet hat. Zudem wichen die diesbezüglichen Angaben des Klägers erheblich von denen seiner Ehefrau ab. Während der Kläger vortrug, er selbst sei seitens seiner Familie erstmals im Jahr 2016 von der Bettel-Mafia bedroht worden, seine Ehefrau dann später im März oder Mai 2016, gab die Ehefrau an, ihr Ehemann sei erstmals im Juli 2016 bedroht worden. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers und seiner Ehefrau ist daher als unglaubhaft einzustufen.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat das Bundesamt daher ebenfalls zu Recht vereint.
3.2. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind nicht gegeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Anhaltspunkte für eine derartige Erkrankung sind vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hat das Bundesamt daher nach derzeitigem Erkenntnisstand zu Recht verneint.
Der im Juni 2020 (früh-)geborene Sohn des Klägers ist vom hier streitgegenständlichen Bescheid nicht betroffen. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass eine für den Jungen ggf. medizinisch noch notwendige Betreuung (vgl. hierzu die vorgelegten Atteste des Universitätsklinikums Würzburg vom 4.12.2020 und vom 4.11.2020) in Slowenien nicht geleistet bzw. erhalten werden könnte.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, sein im Juni 2020 geborenes Kind sei wegen seiner Erkrankung auf unabsehbare Zeit reiseunfähig, so dass er und der Rest der Familie nicht nach Slowenien abgeschoben werden könnten, so handelt es sich insoweit um ein etwaiges inlandsbezogenes Abschiebungsverbot, das im vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung ist und ggf. von der Ausländerbehörde zu beachten sein wird.
4. Auch die Abschiebungsandrohung an sich und die dabei gesetzte Ausreisefrist von einer Woche ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Wochenfrist stützt sich auf § 36 Abs. 1 AsylG. Nachdem das Bundesamt den Beginn der Ausreisefrist nachträglich mit Schriftsatz vom 27. Februar 2020 an die Bekanntgabe der Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gekoppelt hat, kann vorliegend dahinstehen, ob die unionsrechtlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2018 (C-181/16 – Gnandi – juris) auch auf Sachverhalte wie den vorliegenden zu übertragen sind, da diese Vorgaben mit der Abänderung jedenfalls eingehalten werden.
5. Schließlich ist auch die Einreisebefristung rechtlich nicht zu beanstanden. Denn weder Art. 7 GRC noch Art. 6 GG, jeweils i.V.m. Art. 8 EMRK, gewähren dem Kläger ein Recht darauf, seine eheliche bzw. familiäre Gemeinschaft gerade in der Bundesrepublik zu führen. Die Asylanträge der Ehefrau und seiner Kinder, die in Slowenien ebenfalls bereits internationalen Schutz erhalten und dort mehrere Jahre gelebt haben, wurden mit Bescheid des Bundesamts vom 25. April 2018 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage (W 4 K 21.30181) wurde mit Urteil des erkennenden Gerichts vom selben Tag abgewiesen.
6. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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