Verwaltungsrecht

Unzulässiger Berufungszulassungsantrag eines afghanischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  13a ZB 17.30157

Datum:
21.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 107817
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
VwGO § 60

 

Leitsatz

1 Auch im Asylverfahren wird das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichgestellt. Gegen die Anwendung dieser Regelung bestehen aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Bedenken, insbesondere ist sie mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (vgl. BVerfG BeckRS 2000, 21928). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Der Frage, ob einem afghanischen Asylbewerber in Kabul eine adäquate Lebensgrundlage zur Verfügung steht, kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu. Ihre Beantwortung hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den individuellen Gegebenheiten des Betroffenen, ab. (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 5 K 16.31984 2016-12-19 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Dezember 2016 bleibt ohne Erfolg.
Wie der Kläger selbst einräumt, ist sein Antrag unzulässig, weil er zu spät gestellt wurde. Gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylG ist die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht zu beantragen. Das ist hier nicht geschehen, nachdem das Urteil mit Empfangsbekenntnis am 23. Dezember 2016 zugestellt worden war, der Antrag auf Zulassung der Berufung aber erst am 30. Januar 2017 beim Verwaltungsgericht Augsburg eingegangen ist. Dem Kläger kann auch nicht – wie von ihm beantragt – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, weil er nicht gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Satz 2 VwGO glaubhaft machen konnte, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Monatsfrist einzuhalten. Der Kläger führt hierzu unter Vorlage des entsprechenden Mailverkehrs aus, sein damaliger Bevollmächtigter habe trotz eines eindeutigen Auftrags den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht gestellt, obwohl er dies zuvor zweifelsfrei angekündigt habe. Hätte er den Antrag nicht einreichen wollen, hätte er ihm – dem Kläger – dies so rechtzeitig mitteilen müssen, dass die Möglichkeit der Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts bestanden hätte. Aus diesen Darlegungen – ihre Richtigkeit unterstellt – ergibt sich ein Verschulden des Bevollmächtigten. Dessen Verschulden sieht der Kläger selbst darin, dass jener nach seiner Meinung zu Unrecht ein Leistungsverweigerungsrecht für sich in Anspruch genommen hätte und deshalb keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat, obwohl der Kläger die hierfür fällige Gebühr nach seinem Vortrag vollständig entrichtet habe. Dieses Verschulden des Bevollmächtigten muss sich der Kläger allerdings nach § 173 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Auch im Asylverfahren wird das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichgestellt. Gegen die Anwendung dieser Regelung bestehen aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Bedenken, insbesondere ist sie mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (BVerfG, B.v. 21.6.2000 – 2 BvR 1989/97 – NVwZ 2000, 907).
Der Zulassungsantrag ist im Übrigen auch unbegründet. Die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).
Der Kläger führt aus, dass er in der Provinz Paktia mit Brücken- und Straßenbau eine Lebensgrundlage gehabt habe, er aber von den Taliban zur Arbeitseinstellung aufgefordert worden sei. Weil jenen sein Aufenthaltsort bekannt gewesen sei, habe er sich in einer ausweglosen Situation befunden. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu Zwangsrekrutierungen legt er dar, dass auch ihm keine Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Auch wenn der Kläger hiermit keine klärungsbedürftige Frage aufwirft, kann seinen Darlegungen sinngemäß entnommen werden, dass er geklärt haben möchte, ob ihm in Kabul eine adäquate Lebensgrundlage zur Verfügung steht. Dieser Frage kommt allerdings keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Beantwortung hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den individuellen Gegebenheiten des Klägers, ab. Es bedarf einer Würdigung, inwieweit ihm zugemutet werden kann, sich an einem anderen Ort niederzulassen. Die Frage ist damit einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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