Verwaltungsrecht

Unzulässiger Eilrechtsschutzantrag nach erfolgter Abschiebung (Ukraine)

Aktenzeichen  W 6 S 20.31184

Datum:
4.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32633
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 123
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 76 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Hinsichtlich der Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten scheidet ein Antrag, der eine aufschiebende Wirkung anordnen könnte, grundsätzlich aus. Vorläufiger Rechtsschutz kann nur durch einen Antrag auf einstweilige Anordnung erreicht werden. Es ist dabei erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.  (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind ukrainische Staatsangehörige und reisten am 4. März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre Asylanträge wurden mit Bescheid vom 25. April 2017 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) abgelehnt, die hiergegen erhobene Klage wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 28. September 2018 (Az.: W 6 K 17.31967) abgewiesen. Am 28. Februar 2019 stellten die Antragsteller Wiederaufgreifensanträge auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Zur Begründung wurde auf die Erkrankungen der Antragsteller verwiesen, welche nicht in der Ukraine behandelt werden könnten. Am 30. September 2020 wurden die Antragsteller in die Ukraine abgeschoben.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2020 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Abänderung des Bescheides vom 25. April 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren fehle, nachdem sie sich nicht mehr im Bundesgebiet befänden und eine Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland nicht absehbar sei.
Hiergegen ließen die Antragsteller am 21. Oktober 2020 Klage erheben (Az.: W 6 K 20.31183), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich im vorliegenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen, ohne einen konkreten Antrag zu stellen.
Die Antragsgegnerin stellte bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren W 6 K 20.31183, sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Die Einzelrichterin ist gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG zur Entscheidung berufen.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben, denn er ist bereits unzulässig. Ungeachtet der Tatsache, dass ein konkreter Antrag im vorliegenden Verfahren auf Gewährung von Eilrechtschutz trotz der gerichtlichen Aufforderung nicht gestellt wurde, vermag auch eine Auslegung gemäß § 88 VwGO kein zulässiges Rechtsschutzziel erkennen lassen.
Soweit der Klageschriftsatz vom 21. Oktober 2020 in Ziffer 1 zum Ziel hat, das Bestehen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 7 hilfsweise Abs. 5 AufenthG feststellen zu lassen, wäre ein flankierender Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig. In der Sache begehren die Antragsteller (bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache) nicht abgeschoben zu werden. Hinsichtlich der Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG scheidet ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der eine aufschiebende Wirkung anordnen könnte, grundsätzlich aus. Vorläufiger Rechtsschutz kann nur durch einen Antrag nach § 123 VwGO beantragt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.
Rein vorsorglich ist aber darauf hinzuweisen, dass vorliegend auch ein nach § 123 VwGO gestellter Antrag auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung unzulässig wäre, da ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Die Kläger wurden nämlich bereits vor Anhängigkeit des vorliegenden Verfahrens in die Ukraine abgeschoben, sodass das Antragsziel zu keinem Zeitpunkt hätte erreicht werden können. Erscheint die gerichtliche Eilentscheidung für den Antragsteller von vornherein nutzlos, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn eine unnütze Inanspruchnahme des Gerichts findet (auch) im Eilverfahren nicht statt (Schoch/Schneider/Bier/Schoch, 36. EL Februar 2019, VwGO § 80 Rn. 492).
Soweit in dem Klageschriftsatz vom 21. Oktober 2020 in Ziffer 2 die Feststellung, dass die durchgeführte Abschiebung am 30. September 2020 rechtswidrig gewesen sei, enthalten ist, wäre ein flankierender Eilrechtsschutz hierzu zum einen bereits unzulässig, da es sich hierbei in der Hauptsache um einen Feststellungsantrag handelt. Die Feststellung entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft und damit nicht zulässig (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 131). Ungeachtet dessen wäre ein solcher Antrag wegen fehlender Passivlegitimation auch unbegründet, da er gegen die Bundesrepublik Deutschland und damit gegen die falsche Antragsgegnerin gerichtet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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