Verwaltungsrecht

Unzulässiger Folgeantrag

Aktenzeichen  AN 19 K 20.30277

Datum:
4.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22201
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 32, § 33, § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwVfG § 51 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Macht der Kläger im Folgeverfahren ausschließlich bereits im Asylerstverfahren bekannte Gründe geltend, ist von der Unzulässigkeit des Folgeantrags auszugehen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens stellt sich als Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags dar, welche mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Hinblick auf das Rechtsschutzziel der Feststellung eines Abschiebungsverbots ist die Verpflichtungsklage die richtige Klageart. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger weder einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 26. März 2020 hinsichtlich dessen Ziffer 1 hat noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG (Ziffer 2). Denn der angefochtene Bescheid erweist sich nach Prüfung durch das Gericht als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten Bescheid des Bundesamtes vom 26. März 2020, § 77 Abs. 2 AsylG, und führt im Hinblick auf den Verlauf und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung ergänzend aus:
1. Gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist allein – die vorliegend insoweit erhobene – Anfechtungsklage die statthafte Klageart.
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG (geltende Rechtslage seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 (BGBl. 2016 I 1939)) stellt sich die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG – hier durch Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides – als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrages dar, welche mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016, 1 C 4.16, juris, Rn. 15 ff.).
Die zulässige Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bundesamtsbescheides ist jedoch unbegründet. Denn der Bescheid des Bundesamtes vom 26. März 2020 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Bundesamt hat den Folgeantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Gemäß § 71 Abs. 1 AsylG hat der Antragsteller einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.
So muss sich gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung bedingen, (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO vorliegen (Nr. 3)
Zudem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Darüber hinaus muss der Antrag binnen drei Monaten nach Kenntniserlangung von dem Wiederaufgreifensgrund gestellt werden, § 51 Abs. 3 VwVfG. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beginnt die Frist mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
Vorliegend macht der Kläger ausschließlich Gründe geltend, von denen er bereits im Zeitpunkt des Asylerstverfahrens Kenntnis gehabt hat. Grund für seine Ausreise ist nach seinem Vorbringen allein der Konflikt mit dem Ehemann seiner verstorbenen Freundin. Die in diesem Zusammenhang dargelegten Tatsachen und Umstände lagen sämtlich bereits zutage, als der Kläger seinen Asylerstantrag gestellt hatte, und somit auch, als die Einstellungsentscheidung des Bundesamtes ergangen war.
Das Asylerstverfahren des Klägers wurde bereits mit Bescheid vom 27. April 2017 gemäß §§ 33, 32 AsylG eingestellt. Ein Rechtsbehelf wurde dagegen nicht erhoben, genauso wenig wurde ein Wiederaufnahmeantrag gemäß § 33 Abs. 5 AsylG gestellt.
Der Folgeantrag wurde erst knapp drei Jahre später, nämlich am 24. Januar 2020, durch den Bevollmächtigten des Klägers gestellt. Dass der Kläger etwa mehr als zwei Jahre keine Kenntnis von dem Einstellungsbescheid gehabt haben und damit gehindert gewesen sein soll, seine Fluchtgründe, in einem etwaigen Rechtsbehelfsverfahren oder in einem Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 33 Abs. 5 AsylG darzulegen, wurde im gesamten behördlichen und gerichtlichen Verfahren nicht einmal ansatzweise vorgetragen.
Gegenüber dem Bundesamt hat der Kläger insoweit im Rahmen der informatorischen Anhörung am 18. Februar 2020 (Blatt 74 ff. der Bundesamtsakte zum Folgeverfahren) auf entsprechende Nachfrage erklärt, dass er, als er aus dem Gefängnis entlassen worden sei, eine Ausreiseaufforderung bekommen habe. Im Gefängnis bzw. während seines Gerichtsverfahrens habe er keinen neuen Antrag gestellt, weil er bei der Therapie gewesen sei und einen Anwalt genommen habe. Dort habe er eine Abschiebung erhalten. Der Anwalt habe für ihn eine Duldung erreicht, aber er habe kein Schreiben zur Anhörung erhalten. In der mündlichen Verhandlung am 4. August 2020 erklärte der Kläger zu diesem Thema, dass er im entsprechenden Zeitraum in Haft gewesen und zwar willens gewesen sei, sein Asylverfahren weiter zu betreiben, aber nicht gewusst habe, wie er dies hätte bewerkstelligen können.
Dieser Einwand ist zum einen nicht hinreichend konkret und substantiiert dargetan worden. Der Kläger hat nach eigenen Angaben einen Rechtsbeistand im Gefängnis gehabt. Zum anderen ist die Dreimonatsfrist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut unabhängig davon zu beurteilen, ob dem Antragsteller ein Verschulden oder ein Verstoß gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten vorgehalten werden kann.
Vielmehr ist dies allein im Rahmen der Prüfung von § 51 Abs. 2 VwVfG relevant, wonach der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig ist, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Auf das Problem, ob die Mitwirkungspflichten des Asylantragstellers im Rahmen von § 10 AsylG derart weit gehen, dass auch ein „Umzug“ in eine Haftanstalt dem Bundesamt mitgeteilt werden muss, kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an, weil jedenfalls die Dreimonatsfrist gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG abgelaufen ist.
Letztlich wurde das Vorliegen eines Grundes für das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 VwVfG nicht einmal ansatzweise geltend gemacht. Das Gericht sieht in dem bisherigen Vorbringen des Klägers keinen schlüssigen Vortrag, der eine günstigere Entscheidung als die im Ausgangsverfahren überhaupt möglich erscheinen lässt, so dass auch insoweit von der Unzulässigkeit des Folgeantrages auszugehen ist. Denn letztlich hat der Kläger ausschließlich bereits im Asylerstverfahren bekannte Gründe geltend gemacht.
2. Die im Hinblick auf das Rechtsschutzziel der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG richtigerweise erhobene Verpflichtungsklage (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 20) erweist sich ebenfalls als unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, so dass der streitgegenständliche Bescheid auch in seiner Ziffer 2 nicht zu beanstanden ist und der Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO. Unabhängig von der Frage, ob das Bundesamt sich auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG beschränken durfte oder ob hier unabhängig davon eine Entscheidung in der Sache, d.h. über das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hätte erfolgen müssen (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG), ist auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren hinreichend konkret und substantiiert geltend gemacht worden.
Nach alledem erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben