Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Ablehnung der Gewährung von familienpolitischer Teilzeit

Aktenzeichen  AN 1 K 19.01555

Datum:
21.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21321
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, § 173 S. 1
BayBG Art. 88 Abs. 1, Art. 89 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 264 Nr. 2
GG Art. 6 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Versagung der beantragten Bewilligung familienpolitischer Teilzeit führte nicht zu einem vergleichbaren tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie). Art. 89 BayBG regelt abschließend die antragsabhängigen Ansprüche auf Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung wie auch diejenigen auf Urlaub ohne Besoldung aus familiären Gründen. Weitergehende Rechte werden auch durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht gewährt. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Fortsetzungsfeststellungsklage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist statthaft.
Die ursprünglich erhobene Klage hat sich in der Hauptsache erledigt. Streitgegenstand war der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019, im welchem der Antrag des Klägers vom 29. April 2019, ihm familienpolitische Teilzeit im Umfang von 25 Wochenstunden in der Zeit vom 1. April 2019 bis 31. Mai 2020 zu bewilligen, abgelehnt worden war.
Eine rückwirkende Bewilligung ist nicht möglich, da hierdurch nachträglich der Arbeitszeitstatus des Klägers verändert würde. Dies ist rechtlich nicht zulässig, da die Folge einer nachträglichen Bewilligung wäre, dass der Kläger in dem genannten Zeitraum im Umfang von zehn Wochenstunden rechtswidrig Mehrarbeit geleistet hätte.
Der Rechtsstreit hat sich somit nach Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt.
In dieser Fallkonstellation findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO unmittelbare Anwendung. In der Umstellung des Klageantrags in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag liegt gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO.
Die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch als unzulässig abzuweisen, da der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Die Rechtsprechung bejaht ein derartiges Feststellungsinteresse in vier Fallkonstellationen:
1. Konkrete Wiederholungsgefahr
2. Rehabilitationsinteresse
3. Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses
4. Tiefgreifender Grundrechtseingriff
Keiner der genannten Fallgestaltungen ist vorliegend erfüllt.
Eine Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein vergleichbarer Verwaltungsakt ergehen wird. Dazu ist nach neuerer Rechtsprechung nicht nur eine konkrete Gefahr erforderlich, sondern müssen darüber hinaus die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – juris).
Die Bevollmächtigten der Beklagten weisen zurecht darauf hin, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind. Im Falle eines erneuten Antrags des Klägers auf Bewilligung familienpolitische Teilzeit nach Art. 89 Abs. 1 BayBG kommt es maßgeblich auf die dann gegebenen tatsächlichen Verhältnisse im Personalbereich der Beklagten, insbesondere in dem Sachgebiet, in welchem der Kläger tätig ist und die zu diesem Zeitpunkt vorhandene Arbeitsbelastung an. Zudem ist auch entscheidungsrelevant, im welchem Umfang der Kläger eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit beantragt. Eine tatsächliche Änderung der Verhältnisse ist zudem bereits dadurch eingetreten, dass die ebenfalls nur teilzeitbeschäftigte Kollegin des Klägers, Frau … …, ihren Arbeitsplatz zum 31. Dezember 2019 gekündigt hat und im Wege der Abordnung durch einen Kollegen in Vollzeit ersetzt worden ist.
Ein Rehabilitationsinteresse ist gegeben, wenn der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergab.
Die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung familienpolitische Teilzeit mit der Begründung, die Genehmigungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil zwingende dienstliche Belange entgegenstünden, hat keinen diskriminierenden Charakter. Ein solcher ist beispielsweise bei einer publikumswirksamen, polizeilichen Identitätsfeststellung anzunehmen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 113 Rn. 142).
Der Kläger macht auch nicht geltend, er benötige die gerichtliche Feststellung zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses. Er behauptet auch nicht, dass ihm durch die Ablehnung seines Antrags ein finanziell abzugeltender Schaden entstanden sei.
Der Kläger kann auch nicht gelten machen, dass Feststellungsinteresse ergebe sich aus einem mit der Antragsablehnung verbundenen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.
Umstritten ist, wie tief ein Grundrechtseingriff wirken muss, um ein derartiges berechtigtes Interesse zu rechtfertigen. Ausreichend ist nicht jedes Interesse nach Genugtuung, da jeder belastende Verwaltungsakt grundrechtsrelevant wäre. Eine bloße Bezugnahme auf Art. 2 I GG reicht daher nicht aus. Bejaht wurde z.B. ein tiefgreifender Grundrechtseingriff bei Freiheitsentziehung zur Durchsetzung eines Platzverweises durch die Polizei unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG (Kopp/Schenke, 21. Auflage, § 113 Rn. 45). Im Versammlungsrecht besteht ein Feststellungsinteresse, wenn die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) schwer beeinträchtigt wurde.
Die Versagung der beantragten Bewilligung familienpolitischer Teilzeit führte nicht zu einem vergleichbaren tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie). Art. 89 BayBG regelt abschließend die antragsabhängigen Ansprüche auf Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung wie auch diejenigen auf Urlaub ohne Besoldung aus familiären Gründen. Weitergehende Rechte werden auch durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht gewährt (vgl. Schnellenbach/Bodanowitz BeamtenR, § 10 Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn, Rn. 11a, beck-online).
Eine Antragsablehnung wegen vom Dienstherren angenommenen Entgegenstehens zwingender dienstliche Belange berührt somit zwar den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG. Es handelt sich jedoch um keinen tiefgreifenden Eingriff in das genannte Grundrecht, sondern um eine mit jeder Ablehnung eines Antrags nach Art. 89 BayBG verbundene Folgewirkung, die kein Feststellungsinteresse zu begründen vermag.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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