Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit einer isolierten Anfechtungsklage bei Sachentscheidung des Bundesamts über einen Asylantrag

Aktenzeichen  M 21 K 16.34644

Datum:
8.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 30, § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Für die mit der Anfechtungsklage verfolgte Aufhebung eines ablehnenden Asylbescheids ohne gleichzeitige Verpflichtung des Bundesamts zu einer asylrelevanten Sachentscheidung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Eine auf Verpflichtung zur Fortführung eines Asylverfahrens gerichtete Klage ist in der Regel unstatthaft (vgl. BayVGH BeckRS 2016, 49369).  (Rn. 13) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Eine Asylklage ist dann iSv § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Weder die Schilderung innerfamiliärer Konflikte um das Erbe des Vaters noch der Hinweis auf kriegerische Auseinandersetzungen in Mali, ohne eine eigene Betroffenheit hiervon dazutun, beinhalten asylrelevantes Vorbringen. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Beides ist hier der Fall.
Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig. Der – zuletzt auch anwaltlich vertretene – Kläger beantragt ausschließlich die Aufhebung des ablehnenden Bescheides der Beklagten. Eine Kassation des angefochtenen Bescheids ohne gleichzeitige Verpflichtung des Bundesamts zu einer asylrelevanten Sachentscheidung verschafft dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil. Eine auf Verpflichtung zur Fortführung eines Asylverfahrens gerichtete Klage ist in der Regel unstatthaft. Auch bei einer unterbliebenen Entscheidung über einen Asylantrag und selbst bei einer unterbliebenen Anhörung im Asylverfahren ist ausschließlich eine auf die Verpflichtung des Bundesamtes in der Sache gerichtete Klage statthaft (BayVGH, B.v. 7.7.2016 – 20 ZB 16.30003 – juris Rn. 12 ff.). Etwas anderes gilt nur, wenn ein Asylverfahren vom Bundesamt ohne Sachentscheidung eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, 7.3.1995 – 9 C 264/94 – juris Rn. 15). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Ungeachtet dessen wäre die Klage auch offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben sind die Klagen insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Der Vortrag des Klägers enthält nicht im Ansatz asylrelevantes Vorbringen. Vielmehr schildert der Kläger lediglich einen innerfamiliären Konflikt um das Erbe seines verstorbenen Vaters. Soweit der Kläger auf den Krieg in Mali hinweist, hat diesen keinen Bezug zu seiner Person. Dass er von kriegerischen Handlungen oder Bedrohungen selbst betroffen gewesen ist, lässt der Kläger nicht im Mindesten erkennen.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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