Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Aktenzeichen  10 C 21.1705

Datum:
28.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20893
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 55a, § 60 Abs. 1, Abs. 2, § 147 Abs. 1, § 173
ZPO § 222, § 236 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein mit einfacher E-Mail gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist unzulässig. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die schlichte und nicht glaubhaft gemachte Behauptung, wegen eines Krankenhausaufenthalts an der Wahrung der Beschwerdefrist gehindert gewesen zu sein, genügt den Anforderungen an einen zulässigen Wiedereinsetzungsantrag nicht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 22 K 20.3851 ; M 22 S 20.3854 2021-05-10 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen Nr. II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 10. Mai 2021 (M 22 K 20.3851 u. M 22 S 20.3854), mit der dieses seine Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich der zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Klage samt Eilantrag abgelehnt hat.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Antragsteller im Wesentlichen beantragt, auf seine Anfechtungsklage hin ein gegen ihn erlassenes Betretungsverbot aufzuheben, die aufschiebende Wirkung der genannten Klage anzuordnen und ihm hierfür jeweils Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 10. Mai 2021 (Nr. II.) hat das Verwaltungsgericht die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Nr. II. des angegriffenen Beschlusses abgelehnt. Der Beschluss, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungversehen ist (vgl. BA S. 24), wurde dem Antragsteller am 22. Mai 2021 zugestellt.
Mit seiner am 12. Juni 2021 per einfacher E-Mail bei dem Verwaltungsgericht eingelegten Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Ablehnung der Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Dabei trägt er vor, dass ihm der Beschluss zwar am 22. Mai 2021 förmlich zugestellt worden sei, er jedoch vom Morgen des 22. Mai 2021 bis zum 9. Juni 2021 wegen einer Operation im Krankenhaus außerhalb von München gewesen sei. Er habe nicht damit gerechnet und auch nicht damit rechnen müssen, in der Rechtsstreitigkeit fristgebundene Post zu erhalten. Mit ebenfalls einfacher E-Mail vom 18. Juni 2021 verweist er zur Begründung auf seinen ebenfalls per einfacher E-Mail eingelegten Antrag auf Zulassung der Berufung in dem Verfahren 10 ZB 21.1714.
Mit E-Mail vom 22. Juni 2021 (adressiert an d. aus d. E-Mails v. 12.6.2021 u. 18.6.2021 bekannte E-Mailadresse) hat der Senat den Antragsteller auf § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 60 VwGO hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass für den Antrag auf Wiedereinsetzung dieselben Formvorschriften gelten wie für die versäumte Rechtshandlung.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die nach § 146 Abs. 2 VwGO und § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 ff. ZPO erhobene Beschwerde ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen.
a) Die Beschwerde ist nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Einlegung einer Beschwerde mit einfacher E-Mail, die nicht den qualifizierten Anforderungen des § 55a VwGO entspricht (qualifizierte elektronische Signatur o. einfache Signatur auf einem sicheren Übertragungsweg), genügt dem Schriftformerfordernis nicht (vgl. bereits zu § 55a a.F.: BT-Drs. 17/12634 S. 14 u. S. 25: „ist das … Dokument nicht wirksam eingereicht“ u. „ist die prozessuale Form nicht gewahrt“ sowie „sofern die Verfahrensordnung Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht“; vgl. ebenfalls zu § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 55a a.F.: SächsOVG, B.v. 19.10.2015 – 5 D 55/14 – juris Rn. 8; vgl. aus dem Schrifttum: Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 147 Rn. 2 i.V.m. § 81 Rn. 9 u. 11; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 55a Rn. 11 u.14; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 147 Rn. 2 i.V.m. § 81 Rn. 9).
Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungversehene Beschluss des Verwaltungsgerichts wurde dem Antragsteller laut der bei den Gerichtsakten befindlichen Postzustellungsurkunde am 22. Mai 2021 zugestellt. Damit endete die Monatsfrist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO gemäß § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1 und 2 BGB und § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 7. Juni 2021, eines Montags. Bis zu diesem Zeitpunkt und auch in der Folgezeit hat die Antragstellerseite eine Beschwerde, die den Anforderungen des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt, nicht eingelegt. Die von dem Antragsteller am 12. Juni 2021 übersandte einfache E-Mail genügt nicht dem Schriftformerfordernis und ging zudem erst nach Ablauf der Beschwerdefrist ein.
b) An dem festgestellten Fristversäumnis ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller der Sache nach gleichzeitig in der einfachen E-Mail vom 12. Juni 2021 Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat.
aa) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Für den Antrag auf Wiedereinsetzung gelten nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 236 Abs. 1 ZPO dieselben Formvorschriften wie für die versäumte Rechtshandlung. Der Antrag ist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Dazu ist innerhalb der Antragsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.
bb) Gemessen daran kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. So genügt der mit einfacher E-Mail vom 12. Juni 2021 eingereichte Antrag auf Wiedereinsetzung aus den genannten Gründen nicht dem Schriftformerfordernis des § 60 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO (s.o.). Des Weiteren fehlt es an einer substantiierten Darlegung und Glaubhaftmachung der Tatsachen für den Antrag auf Wiedereinsetzung im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Der Antragsteller hat den Hinderungsgrund nicht näher beschrieben, beispielsweise wo er sich aufgehalten hat, und auch keine Nachweise für den geltend gemachten Hinderungsgrund vorgelegt. Schließlich fehlt es erkennbar an der formgerechten Nachholung der versäumten Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Denn selbst wenn man den geltend gemachten Hinderungsgrund heranziehen würde, der, wie erörtert, hier bereits nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht wurde (s.o.), wäre dieser am 10. Juni 2021, mithin am Tag der Rückkehr des Antragstellers von dem behaupteten Krankenhausaufenthalt, weggefallen. Der Antragsteller hat damit auch zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die Beschwerde weder schriftlich noch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht (s.o.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr anfällt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
3. Diese Entscheidung ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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