Verwaltungsrecht

Unzureichende Erkrankung für Aufenthaltsrecht und Aslyanerkennung

Aktenzeichen  M 5 K 16.32006

Datum:
7.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60, § 60a Abs. 2 lit. c S. 2, S. 3
AsylG AsylG § 15 Abs. 1 S. 1, § 78 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Es ist Sache des Asylsuchenden, von sich aus die wesentlichen Umstände zu benennen, die seinen Vortrag über seine Homosexualität glaubhaft erscheinen lassen. Ein etwaiges Schamgefühl muss er überwinden. Auch insoweit gilt die allgemeine Mitwirkungspflicht des § 15 Abs. 1 S. 1 AsylG. (redaktioneller Leitsatz)
2 Wer erst mit 33 Jahren seine homosexuelle Veranlagung erkannt haben will, zuvor intime Beziehungen mit mehreren Frauen hatte und ein Kind gezeugt hat, und aufgrund seiner Homosexualität Angst vor der Familie und der Gesellschaft hat, muss sein „Hin- und Hergerissensein“ zwischen den Geschlechtern und seinen Bedürfnissen detailreich schildern können, um glaubwürdig zu sein. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage ist offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes/AsylG).
1. Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Klagepartei nicht erkennbar. Das Gericht hält den Vortrag des Klägers über ein angebliches Verfolgungsschicksal für völlig unglaubhaft. Daher ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird für die Begründung auf den bereits zitierten Beschluss vom 16. August 2016 (M 5 S 16.32007) verwiesen, soweit dort nicht auf Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eingegangen ist.
2. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
a) Der Kläger konnte den Eindruck, dass der Vortrag über dessen angebliche Homosexualität aufgesetzt und frei erfunden ist, auch nicht ansatzweise widerlegen.
Der Vortrag enthält bereits eine offene Widersprüchlichkeit. Denn im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt hat er vorgetragen, vor 2005 eine Freundin gehabt zu haben. Den Umstand, dass er mit einer Frau im Lauf des Jahres 2011 eine Tochter gezeugt hat, die am … Dezember 2011 geboren wurde, hat er nicht ansatzweise angegeben. Das ist ein wesentlicher Umstand, der auch in der Anhörung hätte angegeben werden müssen. Das gilt auch für den Vortrag, dass die Mutter des Kindes die Beziehung abgebrochen habe, als sie gemerkt habe, dass der Kläger „auch etwas mit Männern habe“.
Schließlich erscheinen die übrigen Angaben des Klägers, er sei homosexuell, unglaubhaft. Denn die von ihm hierzu geschilderten Umstände blieben völlig vage und schematisch. Das Bemerken und Ausleben der eigenen sexuellen Veranlagung, die – nach Aussage des Klägers – in Gegensatz zu den herrschen Moralvorstellungen seines familiären Umfelds und auch der Gesellschaft stehe, wobei er auch Beziehungen zu Frauen gehabt haben will, müssen den Kläger belastet und bewegt haben. Denn der Kläger will seine angebliche homosexuelle Veranlagung erst im Alter von 33 Jahren erkannt haben. Das gilt umso mehr, als ihm bewusst sein musste, dass ein Ausleben der Homosexualität zu einer entsprechenden Ablehnung in seinem Umfeld führen würde. Eine Schilderung des „Hin- und Hergerissen seins“ zwischen den Geschlechtern und seinen Bedürfnissen ist auch nicht ansatzweise erfolgt. Das drängt sich aber angesichts der angeblichen sexuellen Beziehungen auch zu Frauen auf. Die Unglaubhaftigkeit des Vortrags wird auch dadurch unterstrichen, dass der Kläger auch nicht ansatzweise weiter geschildert habt, wie sich die Beziehung zu seinem Freund, der er seit 2007 vier Mal die Woche getroffen haben will, weiter entwickelt hat. Auch das drängt sich auf.
Dabei ist es nicht Aufgabe des Gerichts oder der Behörden, diese Umstände zu erfragen. Vielmehr ist es Sache des Asylsuchenden, von sich aus diese wesentlichen Umstände zu benennen. Auf seine Mitwirkungspflicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 AsylG) wurde er wiederholt hingewiesen. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass er eventuell aus Schamgefühl nur knappe Angaben zu seiner Homosexualität haben machen wollen. Das hat der Kläger so ausdrücklich nicht angegeben. Im Übrigen musste ihm die Bedeutung der Glaubhaftigkeit seiner Schilderung bewusst sein. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung auch die fehlende Glaubhaftigkeit des Vortrags erörtert. Schließlich ist auf den offenen Widerspruch hinzuweisen, dass der Kläger Ende 2011 Vater einer Tochter geworden sein will, was er aber in der Anhörung vor dem Bundesamt auch nicht ansatzweise thematisiert hat.
b) Insbesondere durch den augenärztlichen Befundbericht vom 17. November 2016 der Augenklinik sowie die Bestätigung vom 19. Oktober 2016 dieser Klinik über die laufende ambulante Behandlung ergibt sich nicht, dass sich die vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise zu verschlimmern droht, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers zu erwarten ist (vgl. BVerwG, U. v. 9.9.1997 – 9 C 48.96 – BVerwGE 105, 383; U. v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – BVerwGE 127, 33; B. v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 u. a. – juris). Eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands, sondern nur dann anzunehmen, wenn außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden bei einer Rückkehr in den Zielstaat drohen (BVerwG, B. v. 24.5.2006 – 1 B 118.05 – juris). Um ein entsprechendes Abschiebungshindernis feststellen zu können, ist eine hinreichend konkrete Darlegung der gesundheitlichen Situation erforderlich, die in der Regel durch ein ärztliches Attest zu untermauern ist (VG München, U. v. 24.2.2012 – M 22 K 10.30780 – juris). Dieses muss gewissen Mindestanforderungen genügen (siehe hierzu jetzt § 60a Abs. 2 c Sätze 2 und 3 AufenthG). So muss sich aus diesem nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – BVerwGE 129, 251-264, juris Rn. 15). Dem genügt der augenärztliche Befundbericht nicht.
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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