Verwaltungsrecht

Verbandsklage, artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Entnahme eines Wolfes, Gefährdung von Menschen im Hinblick auf Tierrisse des Wolfes in Siedlungsnähe, nachträgliches Bekanntwerden des Todeseintritts des Wolfes bereits bei Bescheiderlass und vor dessen Inkrafttreten, Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung.

Aktenzeichen  14 CS 22.219

Datum:
11.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6514
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 3 und 6, § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

19 S 22.306 2022-01-21 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Januar 2022 ist in den Nummern I und II wirkungslos geworden.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten stritten um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer vom Antragsteller, einer anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigung, erhobenen Anfechtungsklage gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Allgemeinverfügung über eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die letale Entnahme des Wolfes mit dem genetischen Code GW2425m.
In den Landkreisen Berchtesgadener Land, Rosenheim und Traunstein kam es im Zeitraum vom 30. Oktober bis 19. Dezember 2021 zu neun oder zehn Riss- und Verletzungsereignissen von Wild- und Nutztieren durch Wölfe, dreimal wurde in diesem Zeitraum ein Wolf gesichtet, zweimal davon erfolgte eine Dokumentation per Video. Dabei konnten nach Ergebnissen einer Gen-Analyse dem Wolf mit dem genetischen Code GW2392m zwei Rissereignisse am 30. Oktober und 1. November 2021 in den Gemeinden Bergen und Anger zugeordnet werden. Dem Wolf mit dem genetischen Code GW2425m konnten fünf Riss- und Verletzungsereignisse zugeordnet werden, die sich in den Nachtstunden abgespielt hatten, und zwar:
– (Nr. 5) am 13. Dezember 2021 der Riss eines Rotwilds (Wildtier) in Aschau zwischen Wald- und Siedlungsrand (nächste Entfernung zum Siedlungsgebiet 150 m)
– (Nr. 6) am 14. Dezember 2021 der Riss eines Rotwilds (Wildtier) in Aschau zwischen Wald- und Siedlungsrand (nächste Entfernung zur Siedlung 5 m)
– (Nr. 9) am 15. Dezember 2021 die Verletzung eines Nutztieres in Bergen, bei der der Wolf eine Ziege am Unterstand angriff und nach Anleuchtung mit einer Taschenlampe aus einer Entfernung von ca. 40 m flüchtete (Entfernung zum Wohnhaus 20 m)
– (Nr. 10) am 17. Dezember 2021 der Riss eines Rotwilds (Gehegetier) in Inzell (nächste Entfernung zur Siedlung 250 m)
– (Nr. 13) am 19. Dezember 2021 der Angriff auf mehrere Nutztiere (2 Schafe tot, 2 Tiere verletzt, 2 Tiere vermisst) in Marktschellenberg (nächste Entfernung zur Bebauung ca. 200 m).
Zudem erfolgte am 15. Dezember 2021 eine Wolfssichtung im Ortszentrum von Bergen (Nr. 8) aus einem Auto heraus, die aufgrund der unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Nähe zum Rissereignis vom 15. Dezember 2021 wohl ebenfalls dem Wolf GW2425m zugeordnet werden kann.
Eine im Vorfeld der Allgemeinverfügung beteiligte Expertenkommission des Bayerischen Landesamts für Umwelt (im Folgenden: LfU) kam am 23. Dezember 2021 zu der folgenden fachlichen Einschätzung:
„Aus der Bewertung der Einzelereignisse auf Grundlage der bekannten Fakten lässt sich nach den Vorgaben des Bayerischen Aktionsplans Wolf, des BfN-Skripts Nr. 502 ´Konzept zum Umgang mit Wölfen, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten´ sowie des ´Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45a BNatSchG beim Wolf´ für die einzelnen Vorfälle keine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit des Menschen ablesen. In der Gesamtbetrachtung der Ereignisse ist jedoch auffallend, dass ein Wolf sich wiederholt in unmittelbarer Nähe von bewohnten Häusern aufgehalten hat und offenbar die Nähe zu Siedlungsstrukturen sucht. Auslöser könnte eine Phase der Konditionierung auf das leichter zugängliche Nahrungsangebot sein. Übertragen auf Tab. 1, S. 40 Aktionsplan Wolf liegt der Fall zwischen Fallgruppe drei und vier. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Begegnungen der Wölfe mit Menschen und/oder Hunden kommen kann. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft zu einer Gefährdung von Menschen kommt. Die Kommission merkt an, dass im Aktionsplan die hier vorliegende Fallkonstellation der spezifischen Auseinandersetzung mit der Anwesenheit von Wölfen in der Nähe von Siedlungen fehlt. …“
Die Regierung von Oberbayern (im Folgenden: Regierung) holte am 10. Januar 2022 mit Fristsetzung bis Dienstschluss des Folgetags Stellungnahmen landesweit tätiger Naturschutzvereinigungen, u.a. des Antragstellers, zu der geplanten Ausnahmegenehmigung ein.
Am 17. Januar 2022 erließ sie eine Allgemeinverfügung, mit der auf Grundlage von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG zur Vermeidung der Gefährdung von Menschen die zielgerichtete letale Entnahme des männlichen Wolfes GW2425m zugelassen wurde (Nr. 1). Die Genehmigung galt – befristet bis einschließlich 31. März 2022 (Nr. 3) – für das Gebiet der Landkreise Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land von der Landesgrenze im Süden und Osten bis zur Bundesautobahn A8 im Norden und zur Bundesautobahn A93 im Westen; ausgenommen war der Nationalpark Berchtesgaden (Nr. 2). Im Fall einer Entnahme oder eines Todfundes eines Wolfes in den genannten Landkreisen war sofort das zuständige Landratsamt zu informieren, das umgehend dafür zu sorgen hatte, dass alle zur Ausführung berechtigten Personen die Information – beispielsweise über SMS – erhielten; weitere Maßnahmen waren dann unzulässig (Nr. 4). Der im Einzelnen festgelegte berechtigte Personenkreis hatte seine Kontaktdaten an eine Funktionsadresse zu übermitteln (Nr. 5). Weitere Regelungen betrafen die Verwendung von Visiervorrichtungen für das Schießen bei Nacht und die Tötung aus Kraftfahrzeugen (Nr. 6), die Durchführung der Entnahme (Nr. 7), die Sicherstellung der Erreichbarkeit des berechtigten Personenkreises (Nr. 8) und eine unverzügliche Meldepflicht nach Erlegung des Wolfes (Nr. 9). Die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfügung wurde angeordnet (Nr. 15) und das Inkrafttreten für den Tag nach der Bekanntmachung – erfolgt am 17. Januar 2022 im Oberbayerischen Amtsblatt – bestimmt (Nr. 17).
Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sei es verboten, den Wolf (Canis lupus) als besonders und zugleich streng geschützte Art (§ 7 Abs. 2 Nr. 13a und 14a BNatSchG i.V.m. Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97 zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Deshalb sei für seine Entnahme eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich. Zwar scheitere eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG daran, dass die Regierung derzeit nicht den erforderlichen Nachweis erbringen könne, dass verbesserte Schutzmaßnahmen keine zumutbare Alternative darstellten. Eine Ausnahme könne hier jedoch nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG im Interesse der menschlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit erteilt werden. Auch in Zukunft seien Annäherungen des Wolfes GW2425m an bewohnte Siedlungen wahrscheinlich und könnten sich daraus Gefährdungen für den Menschen ergeben. Aufgrund der Beutezüge vom 13. bis 19. Dezember 2021 schließe die Regierung darauf, dass hierdurch eine Habituierung des Wolfes dahingehend eingeleitet worden sei, dass in Siedlungsnähe leichte Beute zu machen sei. Zudem habe er sich am 15. Dezember 2021 ohne ersichtlichen Grund durch das Ortszentrum in Bergen bewegt. Zum Verbleib des Wolfes nach dem 19. Dezember 2021 gebe es keine Erkenntnisse; es könne aber nicht unterstellt werden, dass er sich nicht mehr in der Gegend aufhalte und die Siedlungsnähe suchen werde. Die vorgesehenen Maßnahmen seien geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. Zumutbare Alternativen i.S.v. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG lägen nicht vor, insbesondere seien eine Vergrämung sowie ein Monitoring, Fang und anschließende Gehegeunterbringung bzw. Umsiedlung, Herdenschutzmaßnahmen oder eine Individualisierung vor der Entnahme nicht praktikabel umsetzbar. Auch eine Beschränkung des Abschusses auf die unmittelbare Umgebung der bisherigen Risse erscheine nicht als geeignetes Mittel, um die Wahrscheinlichkeit, das richtige Individuum zu entnehmen, deutlich zu erhöhen. Die bisherigen Aufenthaltsnachweise des Wolfes GW2425m erstreckten sich über ein großes Gebiet. Demgegenüber werde das Risiko, einen anderen Wolf zu erlegen, als nicht sehr hoch eingeschätzt, zumal zum Wolf GW2392m seit 2,5 Monaten keine Nachweise mehr vorlägen. Der Erhaltungszustand der Populationen werde durch die Entnahme nicht verschlechtert, weil die Einzelentnahme des Wolfes GW2425m wegen des wiederkehrenden Auftretens von einzelnen, nicht standorttreuen Wölfen im Alpenraum während der letzten Jahre neutral sei, zumal kurz vorher der andere männliche Wolf GW2392m in dem Gebiet nachgewiesen worden sei. Die Ausnahme werde in pflichtgemäßer Ermessensausübung erteilt. Trotz des strengen Schutzes des Wolfes habe die Gesundheit des Menschen unbedingten Vorrang gegenüber den artenschutzrechtlichen Belangen. Das Risiko, dass ein anderer Wolf getötet werde, lasse sich zwar nicht völlig ausschließen. Die Beeinträchtigung der Belange des Artenschutzes sei jedoch weniger gravierend und in Bezug auf die Population nur vorübergehend, weil in Zukunft mit weiteren Zuwanderungen zu rechnen sei. Infolge der Habituierung des Wolfes sei zu erwarten, dass es zu Begegnungen zwischen dem Tier und Menschen bzw. Menschen mit Hunden komme. Eine solche Situation könne schnell eskalieren. Die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfügung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Im vorliegenden Fall sei eine besondere Gefahrensituation gegeben. Die Entnahme des Wolfes solle verhindern, dass es bei weiteren Begegnungen im siedlungsnahen Bereich zu einer Gefährdung von Menschen komme. Auch wenn seit 19. Dezember 2021 keine Nachweise für die Anwesenheit des Wolfes mehr vorlägen, gebe es keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass dieser sich nicht mehr in dem Gebiet aufhalte.
Der Antragsteller hat am 20. Januar 2022 Klage gegen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erhoben (M 19 K 22.305), über die noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt. Das Verwaltungsgericht hat diesem Antrag mit Beschluss vom 21. Januar 2022 stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei zulässig und begründet. Es bestehe ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da sich nach summarischer Prüfung die in der Allgemeinverfügung vom 17. Januar 2022 getroffene Genehmigung zur ausnahmsweisen Entnahme des Wolfes GW2425m als materiell rechtswidrig erweise. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Entnahme des Wolfes seien aufgrund des Interesses der Gesundheit des Menschen oder der öffentlichen Sicherheit gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG nicht gegeben. Unter Berücksichtigung eines durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleiteten staatlichen Handelns sei die Ausnahme nicht erforderlich, da eine Gefährdungssituation, die die sofortige Entnahme des Wolfes gebiete, noch nicht vorhanden sei. Dabei seien der „Bayerische Aktionsplan Wolf“ des LfU, Stand März 2019 (im Folgenden: Aktionsplan), und der „Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen nach §§ 45 und 45a BNatSchG beim Wolf, insbesondere bei Nutztierrissen“, Fassung der Umweltministerkonferenz – UMK, Stand Oktober 2021 (im Folgenden: Praxisleitfaden), als antizipierte Sachverständigengutachten zu sehen. Die eindeutig dem Wolf GW2425m zuzuordnenden Vorfälle – Wildtierrisse am 13. und 14. Dezember 2021 zwischen Wald- und Siedlungsrand bei Aschau im Landkreis Rosenheim in 150 m bzw. 5 m Entfernung zur nächsten Bebauung, Angriff auf die Ziege im Gehöft Ramberg bei Bergen am 15. Dezember 2021 mit aus dem Auto erfolgter Sichtung des Wolfes im Ort Bergen am Abend desselben Tages, Riss eines Rotwilds in einem Wildgehege bei Inzell am 17. Dezember 2021 und Schafsriss am 19. Dezember 2021 in Marktschellenberg in 200 m Entfernung zur nächsten Bebauung – ließen sich als wiederholte Sichtung des Wolfes in unmittelbarer Nähe von bewohnten Gebäuden im Sinne einer Gefährdungslage nach „Stufe 3“ der Tabelle 10 (S. 40) des Aktionsplans bewerten, die nach dem Aktionsplan in erster Linie weitere Aufklärungsmaßnahmen und ggf. Besenderungs- und Vergrämungsmaßnahmen, aber keinesfalls die Entnahme des Wolfes rechtfertigte. Die Voraussetzungen für die Annahme einer höheren Gefährdungsstufe lägen nach Auffassung des Gerichts nicht vor, da aus keinem der dokumentierten Vorfälle ersichtlich sei, dass sich der Wolf in einer nicht arttypischen Weise Menschen genähert hätte, insbesondere nicht in der Art und Weise der „Stufe 4“ des Aktionsplans. Vielmehr habe er etwa im Rahmen der Sichtung im Ort Bergen vorsichtig agiert, wobei keine Interaktion mit Menschen stattgefunden habe, und sei an diesem Abend beim Angriff auf die Ziege sofort vor einem in 40 m Entfernung aufgetauchten Menschen geflohen. Hinzu komme, dass sich die Vorfälle nachts zugetragen hätten, was die Gefahr einer Begegnung mit Menschen weiter verringere. Soweit der Antragsgegner unter Bezugnahme auf die Einschätzung der Expertenkommission ohne vertiefte Begründung von einer nicht im Aktionsplan geregelten höheren Gefährdungslage ausgehe und die Ereignisse unter Einbeziehung der Nutztierrisse als neue Fallgruppe „zwischen Fallgruppe 3 und 4“ einstufe, mithin die unterschiedlichen Ausnahmekategorien nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG nicht strikt voneinander trenne, begegne dies rechtlichem Bedenken. Diese durch den Aktionsplan nicht gedeckte und damit die Aufgabe der Expertenkommission überschreitende Einstufung (vgl. S. 16 unten des Aktionsplans) dürfe der Antragsgegner nicht ohne weitere substantiierte Erwägungen, die fehlten, übernehmen. Im Übrigen sei selbst bei Vorliegen einer solchen Gefahrenlage keine sofortige Entnahme gerechtfertigt, sondern nur Aufklärungssowie Besenderungs- und Vergrämungsmaßnahmen. Dieser Schluss ließe sich auch aus den Empfehlungen der Expertenkommission ziehen, die mehrheitlich eine Gefahrenlage sehe, bei der eine Gefährdung von Menschen lediglich „nicht auszuschließen“ sei. Mildere Mittel, wie insbesondere eine Vergrämung, seien nicht nachvollziehbar verneint worden.
Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25. Januar 2022 Beschwerde erhoben und unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses die Ablehnung des Antrags des Antragstellers begehrt. Zur Begründung wurde ausgeführt, weder der Aktionsplan noch der Praxisleitfaden seien als antizipierte Sachverständigengutachten einzustufen. Dies ergebe sich für den Praxisleitfaden schon aus der Vorbemerkung unter A (dort S. 6/7), wonach die Vollzugshinweise nicht abschließend seien und nur empfehlenden Charakter hätten. Der Aktionsplan regele als Managementplan der Stufe 3 die Strukturen des Wolfsmanagements in Bayern und enthalte allgemeine fachliche und rechtliche Hinweise und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit wandernden, standorttreuen sowie reproduzierenden Wölfen in Bayern (dort S. 8). Die fachliche Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Entnahme oder Tötung eines Wolfes erfüllt seien, nehme danach eine Expertenkommission auf der Grundlage der im Aktionsplan dargestellten Kriterien und Vorgaben vor (dort S. 16/17). Auf Seite 39 des Aktionsplans heiße es jedoch, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Fälle aufträten, die hier nicht aufgeführt seien, beziehungsweise Besonderheiten einträten, die ein anderes Vorgehen als das hier empfohlene erforderten. Letztlich könne offenbleiben, ob der Aktionsplan ein antizipiertes Sachverständigengutachten sei, da jedenfalls hinreichende Gründe vorlägen, um von ihm aufgrund der abweichenden Fallgestaltung abzuweichen. Insoweit werde die Annahme einer Aufgabenüberschreitung durch die Expertenkommission deren Rolle nicht gerecht. Deren Beurteilung erfolge zwar „auf der Grundlage“ der im Aktionsplan dargestellten Kriterien und Vorgaben, sei aber bei Besonderheiten des Einzelfalls gerade nicht darauf beschränkt, aus den im Aktionsplan ausdrücklich aufgeführten Fallgruppen eine als passend zu identifizieren. Insoweit sei die Expertenkommission aufgrund ihrer eingehenden Befassung mit der Fallgestaltung zu dem Ergebnis gelangt, dass der vorliegende Fall „zwischen der Fallgruppe 3 und 4“ der Tabelle auf Seite 40 des Aktionsplans liege; dem folgend habe die Regierung das Verhalten des Wolfes „zwischen den Fallgruppen 3 und 4“ und nicht in die auch vom Verwaltungsgericht als nicht gerechtfertigt angesehene „Stufe 4“ eingestuft. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Regierung habe die Ausnahmekategorien nach den Nummern 1 und 4 des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG in rechtlich nicht zulässiger Weise vermischt, treffe nicht zu. Vorliegend seien die Nutztierrisse nicht relevant wegen der dadurch verursachten Schäden, sondern wegen der sich aus der wiederholten Annäherung an in unmittelbarer Nähe von menschlichen Siedlungen befindliche Nutztiere ergebenden erhöhten Wahrscheinlichkeit von potentiell unkalkulierbaren Begegnungen mit Menschen. Die vorliegende Konstellation, dass der Wolf sich zwar nicht an Menschen annähere, sich aber wiederholt aktiv in die unmittelbare Nähe von bewohnten Häusern begebe, um dort Beute zu machen, sei im Aktionsplan nicht enthalten, wie die Expertenkommission zutreffend ausgeführt habe. Geregelt sei dort als „Stufe 3“ nur, dass der Wolf wiederholt in unmittelbarer Nähe von bewohnten Häusern gesehen werde. Die aus dieser Ausnahmekonstellation folgende Gefährdung von Menschen habe die Regierung in der Allgemeinverfügung auf Seiten 7 bis 9 auch begründet (vgl. auch die Stellungnahme der Regierung vom 21.1.2022, S. 2/3); mit den danach sehr wohl vorliegenden Rechtfertigungsgründen für die Entscheidung habe sich das Verwaltungsgericht nicht befasst. Was die vom Verwaltungsgericht vorweg durchzuführenden Aufklärungs-, Besenderungs- und Vergrämungsmaßnahmen betreffe, seien diese von der Regierung im Einklang mit der Expertenkommission zu Recht als nicht zumutbar durchführbar angesehen worden, was in der Allgemeinverfügung (S. 10/11) begründet worden und von der Regierung in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht vom 21. Januar 2022 auch weiter vertieft worden sei. Mit den diesbezüglichen Ausführungen, nämlich dass eine Vergrämung aufgrund des großen Aktionsradius des Wolfes und der fehlenden Standorttreue praktisch nicht durchführbar sei, habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Die im Aktionsplan vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen (genaue Analyse der Situation, Information der Öffentlichkeit, Suche nach Entfernen von Anreizen) seien schon seit längerer Zeit durchgeführt und die danach als nächsten Schritt vom Aktionsplan vorgesehene Vergrämung sei nach umfassender Prüfung aus den bereits dargelegten Gründen abgelehnt worden.
Am 9. Februar 2022 hat das LfU bekannt gegeben, dass der Wolf GW2425m am 17. Januar 2022 nordöstlich von Brünn in Tschechien überfahren worden sei. Daraufhin hat die Regierung am 18. Februar 2022 die Allgemeinverfügung vom 17.Januar 2022 aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Nachdem die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Schriftsatz des Antragstellers vom 9.3.2022, Vorabzustimmung des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 10.2.2022), ist das Verfahren durch die Berichterstatterin (§ 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO) einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung). Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist damit mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung (Nr. III des Tenors) wirkungslos geworden (§ 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden, wobei es regelmäßig billigem Ermessen entspricht, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre. Nach diesem Maßstab hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, weil seine Beschwerde voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte (vgl. zu diesem hier im Hinblick auf § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO einschlägigen Prüfungsmaßstab: BayVGH, B.v. 18.2.2004 – 1 CS 03.3043 – NVwZ-RR 2004, 622/623; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 76).
1. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die Auffassung des Antragsgegners, eine „Erledigung“ der Allgemeinverfügung vom 17. Januar 2022 i.S.v. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG sei mit dem Tod des Wolfes GW2425m am 17. Januar 2022 eingetreten, weshalb dem Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 20. Januar 2022 von Anfang an das Rechtschutzinteresse abgesprochen werden müsse. Dies zum einen deshalb, weil der Tod des Wolfes bereits bei Erlass der Allgemeinverfügung vom 17. Januar 2022 (und vor deren Inkrafttreten am 18.1.2022) eingetreten war und daher der mit der Allgemeinverfügung verfolgte Zweck, nämlich die erlaubte Tötung dieses Wolfes, von Anfang an und nicht erst durch nachträgliche Entwicklungen nicht erreicht werden konnte, sodass dieser Umstand ersichtlich nur die Frage nach der objektiven Rechtmäßigkeit der Ausnahmegenehmigung berührt. Zum anderen entfaltete die Ausnahmegenehmigung zur letalen Entnahme des Wolfes GW2425m trotz dessen vorherigen Todes Rechtswirkungen. Denn obwohl sich diese Ausnahmegenehmigung nur auf die gezielte letale Entnahme des Wolfes GW2425m bezog, führte der Umstand, dass keine Beschreibung von äußerlichen Merkmalen wie z.B. Fellfärbung dieses Wolfes vorlag, die seine Individualisierung erlaubt hätten, dazu, dass auf der Grundlage der Allgemeinverfügung jeder im fraglichen Gebiet gesichtete Wolf entnommen hätte werden können; auch wenn die Regierung das Risiko, einen anderen Wolf zu erlegen, als nicht sehr hoch beurteilt hat, war jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich noch ein anderer Wolf in dem Gebiet aufhielt bzw. ein solcher in das Gebiet einwandert- von einer jederzeit möglichen Zuwanderung von Wölfen aus den benachbarten Ländern geht auch der Aktionsplan (S. 9 oben) aus -, der dann mangels dessen Identifizierbarkeit statt des Wolfes GW2425m auf der Grundlage der Allgemeinverfügung hätte getötet werden können. Angesichts dessen ist eine Erledigung der Allgemeinverfügung erst mit deren Aufhebung durch die Regierung am 18. Februar 2022 eingetreten, sodass sich im Hinblick auf diese erst im Beschwerdeverfahren eingetretene Erledigung weder die Frage nach einem anfänglichen Fehlen des Rechtschutzbedürfnisses für den Eilrechtschutz des Antragstellers noch für die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde stellt.
2. Wie bereits unter 1. ausgeführt, betrifft die in Folge des Todes des Wolfes GW2425m von Anfang an nicht mögliche Zweckerreichung einer gezielten Entnahme dieses Wolfes zur Vermeidung der Gefährdung von Menschen auf der Grundlage des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG (verbunden mit der Gefahr der Tötung eines anderen Wolfes) die Frage nach der objektiven Rechtmäßigkeit dieses Bescheids, wobei es bei der diesbezüglichen Beurteilung grundsätzlich nur auf die objektive Rechtslage und nicht auf die Kenntnis der die Unmöglichkeit begründenden Umstände durch die Behörde ankommt. Selbst wenn man aber aufgrund des prognostischen Charakters einer Gefährdungsbeurteilung, die im Rahmen dieser Ausnahmegenehmigung von der erlassenden Behörde zu treffen war, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gefährdungsbeurteilung nur auf die diesbezüglich der erlassenden Behörde bekannten Umstände abstellen wollte, hätte die Beschwerde des Antragsgegners ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Dabei kann offenbleiben, ob es sich – wie vom Verwaltungsgericht angenommen (BA Rn. 26) und vom Antragsgegner bestritten (aber letztlich ebenfalls als nicht entscheidungserheblich eingestuft) – insbesondere beim Bayerischen Aktionsplan Wolf, Stand März 2019 (im Folgenden: Aktionsplan), um ein antizipiertes Sachverständigengutachten handelt oder nicht.
a) Der Antragsgegner hat weder den grundsätzlichen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts angegriffen, dass die Expertenkommission des LfU die fachliche Beurteilung des konkreten Einzelfalls, die dann als Grundlage für die behördliche Entscheidung über die Erteilung der Ausnahmegenehmigung dienen soll, anhand der Vorgaben des Aktionsplans zu beurteilen hat (BA Rn. 28), noch dessen Bewertung, dass nach den Vorgaben des Aktionsplans (dort S. 40 Tab. 10) aufgrund des bisherigen Verhaltens des Wolfes GW2425m nur eine Gefährdung nach der „Stufe 3“ anzunehmen sei, die in erster Linie weitere Aufklärungsmaßnahmen und gegebenenfalls Besenderungs- und Vergrämungsmaßnahmen, nicht aber die Entnahme des Wolfes rechtfertige (BA Rn. 32 f.), und die Voraussetzungen der nächsthöheren Gefährdungsstufe nach dieser Tabelle, also die der „Stufe 4“, nicht vorliegen (BA Rn. 34). Der Antragsgegner meint jedoch, anders als nach Auffassung des Verwaltungsgerichts (UA Rn. 35) liege in der Einstufung des Verhaltens des Wolfes durch die Expertenkommission in eine Gefährdungslage „zwischen der Fallgruppe 3 und 4“ weder eine Aufgabenüberschreitung der Expertenkommission noch resultiere daraus eine Vermischung der Ausnahmekategorien der Nummern 1 und 4 des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG, sodass die Regierung diese Beurteilung zu Recht ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe.
Damit wird die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage gestellt.
Zwar ist es richtig, dass, wie der Antragsgegner anführt, auf Seite 39 Mitte des Aktionsplans ausgeführt wird, dass nicht ausgeschlossen sei, dass Fälle aufträten, die in den nachfolgenden Seiten – somit auch in Tabelle 10 auf Seite 40 des Aktionsplans – nicht aufgeführt seien, oder bei den aufgeführten Fällen Besonderheiten einträten, die ein anderes Vorgehen als das dort empfohlene erforderten. Allerdings hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang in erster Linie bemängelt, dass für die Annahme einer solchen neuen Fallgruppe keine vertiefte oder jedenfalls substantiierte Begründung seitens der Regierung (und letztlich auch seitens der Expertenkommission) vorliege (vgl. insoweit auch BA Rn. 24, wo verwiesen wird auf EuGH, U.v. 8.6.2006 – C-60/05 – juris Rn. 34, wonach erforderlich ist, dass solche Ausnahmegenehmigungen mit einer genauen und angemessenen Begründung versehen sind). Eine solche nähere Begründung wäre hier gerade wegen der Abweichung von den im Aktionsplan genannten Fallgruppen auch aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs von Nöten gewesen. Dies vor allem deshalb, weil die „Stufe 3“ der Tabelle 10 des Aktionsplans als Ursache für das dort genannte Annähern an bewohnte Häuser auch das Vorhandensein von „Futterquellen“ erfasst, wobei auf Seite 39 oben des Aktionsplans (Textkasten 9) im Zusammenhang mit einer positiven Futterkonditionierung bei Wölfen, die bei der „Stufe 3“ als mögliches Problem eingeschätzt wird, gerade auch Übergriffe auf in menschlichen Siedlungen vorhandene Nutztiere genannt werden, und daher ohne nähere Begründung keine fachliche Rechtfertigung für die Einschätzung erkennbar ist, dass das Verhalten des Wolfes GW2425m in Bezug auf die Gefährlichkeit für Menschen über das in der „Stufe 3“ beschriebene Verhalten hinausgeht. Der vom Antragsgegner betonte Umstand, dass es bei dem der „Stufe 3“ zugeordneten „Verhalten“ heiße, der Wolf werde wiederholt in unmittelbarer Nähe von bewohnten Häusern gesehen, was nicht ein Verhalten erfasse, dass ein Wolf – wie hier – wiederholt aktiv Siedlungen aufsuche, um leichte Beute zu machen, stellt für sich genommen eine Einordnung in diese Stufe nicht in Frage, da solches Verhalten im vorgenannten Textkasten 9 gerade beschrieben wird und somit davon auszugehen ist, dass es in den Fallgruppen der vorgenannten Tabelle 10 berücksichtigt ist, wobei dort bei „Stufe 3“ auch u.a. das Entfernen von Anreizen (etwa das Ergreifen von Schutzmaßnahmen für die Nutztiere, vgl. hierzu Textkasten 9) als „weiteres Vorgehen“ angeraten wird. Soweit der Antragsgegner vorträgt, das Entfernen von Anreizen sei bereits umgesetzt worden, ist dies nicht belegt und widerspricht auch wiederkehrenden Ausführungen in der Begründung der Allgemeinverfügung, etwa dass die Nutztiere teilweise nicht ausreichend geschützt waren (dort unter II. 3. b) bb) a.E.) oder dass nach den bisherigen Erkenntnissen möglicherweise nicht alle möglichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen für Nutztiere ergriffen worden seien (dort unter II. 3. c) cc)). Des Weiteren hätte es auch einer Begründung dafür bedurft, warum in die Bewertung auch die zwei (von fünf) dem Wolf GW2425m zugeordneten Risse (Nr. 5 und 6) einbezogen wurden, die nicht Nutz-, sondern Wildtiere betroffen haben, die wohl nicht den in bewohnten Gebieten vorzufindenden „Futterquellen“ zugeordnet werden können.
Daneben erscheint es auch aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht unproblematisch, wenn bloße Risse von (nicht ausreichend geschützten) Nutztieren nahe von Siedlungen als für den Menschen gefährlich der Ausnahmekategorie des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG zugeordnet werden, ohne dass – wie hier – irgendein Interesse des Wolfes am Menschen (oder an Hunden) bzw. der Verlust der Scheu vor Menschen oder ein Umgehen von ausreichenden Herdenschutzmaßnahmen erkennbar geworden sind, sondern nur ein Interesse an (leicht zugänglichen) Futterquellen ohne Interaktionen mit Menschen oder Hunden (vgl. auch BA Rn. 34), wobei der Wolf GW2425m in dem einzigen Fall (Nr. 9), in dem sich ihm ein Mensch bei einem Riss genähert hatte, sofort geflüchtet ist. Durch eine solche Zuordnung könnte es nämlich zu einer Umgehung der Voraussetzungen der Ausnahmekategorie nach Nummer 1 des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG (Abwendung wirtschaftlicher Schäden) kommen, bei der als milderes Mittel grundsätzlich vorrangig – soweit dies möglich ist – passive Herdenschutzmaßnahmen zu ergreifen sind (vgl. S. 39 Textkasten 9 und S. 43 Tab. 13 des Aktionsplans). Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass das bloße Durchstreifen von Ortschaften – wie es hier am 15. Dezember 2021 in Bergen erfolgt ist – gemäß der Tabelle 10 des Aktionsplans ein arttypisches und für den Menschen ungefährliches Verhalten von Wölfen darstellt (vgl. auch BA Rn. 27) und daher als der „Stufe 1“ zugeordnet keinen Handlungsbedarf erfordert, auch wenn derartige Wolfssichtungen – was nachvollziehbar ist – in der Bevölkerung womöglich Ängste auslösen.
b) Unabhängig davon ist – selbst wenn der Einschätzung der Expertenkommission vom 23. Dezember 2021 hinsichtlich einer (höheren) Gefährdung für Menschen „zwischen der Fallgruppe 3 und 4“ zu folgen wäre – der Erlass der Allgemeinverfügung am 17. Januar 2022 nicht (mehr) von dieser gedeckt. Bereits das abschließende Resümee der Expertenkommission in ihrer Stellungnahme vom 23. Dezember 2021, es sei nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft zu einer Gefährdung von Menschen komme, weist auf keine aktuelle Gefährdungslage hin, sondern nur auf eine möglicherweise künftig eintretende Gefährdung, die, wie das Verwaltungsgericht wohl zu Recht ausführt (BA Rn. 36), grundsätzlich weitere Aufklärungsmaßnahmen (v.a. im Sinne einer Gefahrerforschung) erfordert (bzw. auch die forcierte Beseitigung von Anreizen). Hinzu kommt vorliegend, dass die dem Wolf GW2425m zuzuordnenden fünf Rissereignisse alle in kurzen Abständen in der Zeit vom 13. bis 19. Dezember 2021 erfolgt waren, und zwar ersichtlich in einer Wanderungsbewegung des Wolfes von West nach Ost (vgl. die Karte Stand 23.12.2021, Anlage 04 zur Begründung der Allgemeinverfügung vom 17.1.2022). Der letzte Riss war am 19. Dezember 2021 in Marktschellenberg in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Österreich erfolgt. Angesichts des Umstands, dass bis zum 17. Januar 2022, also seit knapp einem Monat nach dem letzten Riss, der zudem in unmittelbarer Grenznähe erfolgt war, keine weiteren Vorkommnisse dieser Art bekannt geworden sind, musste im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung entweder davon ausgegangen werden, dass der besagte Wolf, soweit er sich noch (lebend) im fraglichen Gebiet aufhalten sollte, sein Verhalten geändert hatte und demnach die Gefahr einer Futterkonditionierung bzw. Habituierung nicht (mehr) bestand, oder dass dieser – was sich nachträglich bestätigt hat – weiter gezogen war und sich daher nicht mehr im fraglichen Gebiet aufhielt. Damit war die Gefährdungseinschätzung der Expertenkommission ersichtlich überholt und die Allgemeinverfügung hätte auf ihrer Basis nicht (mehr) erlassen werden dürfen, zumal mangels Beschreibung von Merkmalen des Wolfes GW2425m auf deren Grundlage die Gefahr der Tötung eines anderen Wolfes bestand, dessen Vorhandensein jedenfalls nicht auszuschließen war. Bereits das Verwaltungsgericht hat angesichts des verstrichenen Zeitraums seit dem letzten Riss die besondere Notwendigkeit, eine Gefahr für eventuelle sich noch im Gebiet aufhaltende bzw. zeitnah einwandernde Wölfe auszuschließen, betont (BA Rn. 36).
c) Auf die weiteren umstrittenen Fragen, insbesondere ob entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (BA Rn. 38) Vergrämungsmaßnahmen von vornherein als undurchführbar einzustufen wären, kommt es nach alledem nicht mehr an.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG (mangels anderer Anhaltspunkte wie Vorinstanz).


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