Verwaltungsrecht

Verbot der Doppelbestrafung steht Widerruf der Asylanerkennung nicht entgegen

Aktenzeichen  21 ZB 17.31692

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 137094
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 73 Abs. 2b, § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 8
GG Art. 103 Abs. 3

 

Leitsatz

Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 3 GG geht hervor, dass unter den „allgemeinen Strafgesetzen“ die Kriminalstrafgesetze zu verstehen sind (BVerfG BeckRS 9998, 111282), zu denen die Regelungen über den Widerruf einer Asylanerkennung nicht zählen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 16.32056 2017-07-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der am … 1991 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien. Er wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 1. Juli 2008 im Rahmen des Familienasyls als Asylberechtigter anerkannt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den Kläger mit Urteil vom 15. Dezember 2011, rechtskräftig seit dem 13. Juni 2012, wegen Vergewaltigung mit gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von 5 Jahren.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Februar 2014 wies die Ausländerbehörde den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus.
Das Bundesamt widerrief mit Bescheid vom 28. Oktober 2016 die zugunsten des Klägers ausgesprochene Anerkennung als Asylberechtigter vom 1. Juli 2008 (Nr. 1) und lehnte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 2) sowie des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab. Zudem wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die Klage mit Urteil vom 20. Juli 2017 abgewiesen. Der Kläger hat dagegen die Zulassung der Berufung beantragt.
Zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung befand sich der Kläger in Haft. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte unter dem 30. März 2017 gegen den Kläger Anklage wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und der schweren Vergewaltigung jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung erhoben (Tatzeit: 29.9.2016 bzw. 4.11.2016). Termin zur Hauptverhandlung war durch das Landgericht Nürnberg-Fürth für den 24. April 2017 bestimmt worden.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht ausreichend dargelegt.
1. Eine Rechtssache hat – soweit hier von Interesse – nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, wenn die im Zulassungsantrag formulierte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war und wenn sie klärungsbedürftig ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Der Zulassungsantrag lässt nicht erkennen, dass die aufgeworfenen Grundsatzfragen einer Klärung bedürfen.
1.1 Der Klägerbevollmächtigte misst zunächst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, „ob im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3 des GG, Verbot der Doppelbestrafung, vorliegt.“ Mit dem Zulassungsantrag ist dazu ausgeführt, es sei richtig, dass der Kläger erhebliche Strafen erhalten habe. Wenn er zusätzlich auch noch abgeschoben werde, stelle das für ihn eine weitere, möglicherweise noch größere Strafe dar, als die Strafe an sich.
Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es keines Berufungsverfahrens. Sie ergibt sich ohne Weiteres aus dem Grundgesetz und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Nach Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden. Dagegen verstößt der vom Kläger angefochtene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht. Wie aus der Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 3 GG hervorgeht, sind unter den „allgemeinen Strafgesetzen“ die Kriminalstrafgesetze zu verstehen (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1967 – 2 BvR 391/64 – juris Rn. 17). Dazu zählen die hier maßgeblichen, dem Widerruf der Asylanerkennung des Klägers zugrunde liegenden Vorschriften (§ 73 Abs. 2b Satz 1, § 26 Abs. 4 Satz 1 AsylG, § 60 Abs. 8 AufenthG) ersichtlich nicht. Eine Abschiebung, auf die sich der Zulassungsantrag insoweit bezieht, wurde mit dem auf der Grundlage des § 73 AsylG ergangenen Bescheid des Bundesamtes (zu Recht) nicht angedroht (vgl. dazu BVerwG, U.v. 23.11.1999 – 9 C 16.99 – juris Rn. 17; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 73 AsylG Rn. 31 m.w.N.).
1.2 Der Klägerbevollmächtigte meint des Weiteren: Es sei „eine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich des § 60 Abs. 8 AufenthG zu sehen. Denn wenn der Asylstatus des Klägers für die Zukunft entzogen wird, ist auch dann ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot festzustellen.“
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist auch damit nicht dargelegt. Es kann dahinstehen, ob es insoweit bereits an einer konkreten Grundsatzfrage fehlt. Der Zulassungsantrag lässt jedenfalls nicht einmal ansatzweise erkennen, dass bezogen auf § 60 Abs. 8 AufenthG und das Rückwirkungsverbot ein (fallübergreifender) Klärungsbedarf besteht.
Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt: Die Versagungsgründe des § 60 Abs. 8 AufenthG seien anwendbar, weil Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht entgegenstünden. Der Asylstatus des Klägers werde nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit entzogen, so dass das Rückwirkungsverbot nicht greife. Bei Anwendung der Vorschrift des § 60 Abs. 8 AufenthG dürften auch strafrechtliche Verurteilungen berücksichtigt werden, die vor Inkrafttreten dieser Norm erfolgt seien, weil damit kein Fall der echten Rückwirkung im Sinn einer Rückwirkung von Rechtsfolgen vorliege. Der Zulassungsantrag setzt sich mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts in keiner Weise auseinander und legt damit nicht dar, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung nach Ansicht des Klägers dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. Juli 2017 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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