Verwaltungsrecht

Verfahren bei stattgebender Entscheidung

Aktenzeichen  Au 7 K 16.32192

Datum:
3.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 100421
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG
§ 37 Abs. 1 AsylG

 

Leitsatz

Die Überzeugung des Gerichts im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, dass den Klägerinnen in Italien weder der Flüchtlingsstatus zuerkannt noch subsidiärer Schutz gewährt worden ist und somit die auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützte Unzulässigkeitsentscheidung und die auf § 35, § 36 Abs. 1 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung sich als rechtswidrig darstellen, führt zur Unwirksamkeit des Bescheids über die Ablehnung des Asylersuchens gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 AsylG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 16. September 2016 (Gesch.-Z.: …) wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Das Gericht kann durch die Einzelrichterin entscheiden, nachdem ihr das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 22. Dezember 2016 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylG). Die Entscheidung kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Variante VwGO statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32/14 – juris, Rn. 13; BayVGH, U.v. 20.10.2016 – 20 B 14.30320 – juris).
2. Die Klage ist auch begründet.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 16. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen zu 1 und 2 in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ab. Nach diesen Vorgaben sind das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGB. I S. 162), beide zuletzt geändert durch Art. 5 und 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. 1939), das am 6. August 2016 in Kraft getreten ist, anzuwenden.
a) Ziffer 1 und 3 des angefochtenen Bescheides sind gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG unwirksam geworden. Nach dieser Vorschrift werden die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Mit dem Beschluss vom 5. Dezember 2016 (Az.: Au 7 S 16.32193) wurde die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage angeordnet, da zur Überzeugung des erkennenden Gerichts den Klägerinnen in Italien weder der Flüchtlingsstatus zuerkannt noch subsidiärer Schutz gewährt worden ist, so dass sich die auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützte Unzulässigkeitsentscheidung und die auf § 35, § 36 Abs. 1 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung als rechtswidrig darstellen. Folglich hat das Bundesamt das Verfahren fortzuführen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG).
Aus Gründen der Rechtsklarheit sind die unwirksam gewordenen Entscheidungen des Bundesamtes aufzuheben.
b) Dasselbe gilt hinsichtlich der in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids enthaltenen Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Italiens (Abschiebezielstaat entsprechend der Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids) nicht vorliegen.
Die Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, hat das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge sowie in Entscheidungen über zulässige Asylanträge zu treffen, sofern der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zuerkannt wurde. Da Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids entsprechend den Ausführungen unter a) unwirksam geworden ist und das Bundesamt daher eine Entscheidung über die Zulässigkeit (§ 29 Abs. 1 AsylG) oder gegebenenfalls über die Begründetheit der Asylanträge der Klägerinnen nochmals zu treffen hat, kann auch die in Ziffer 3 des Bescheids getroffene Feststellung über das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG keinen Bestand (mehr) haben.
c) Die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides enthaltene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG war infolge der Aufhebung der Abschiebungsandrohung ebenfalls aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
4. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 ZPO.


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