Verwaltungsrecht

Verfolgung im Iran wegen Konversion zum Christentum

Aktenzeichen  W 8 K 18.32228

Datum:
7.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 445
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 2, § 71 Abs. 1
RL 2011/95/EU Art. 10 Abs. 1 lit. b

 

Leitsatz

1 Die Würdigung der Angaben der Kläger zur Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG BeckRS 2015, 51672). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Staatliche bzw. nichtstaatliche Repressionen drohen für konvertierte Christen im Iran nur dann, wenn sie in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten, wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – entsprechend ihrer christlichen Prägung nach außen zeigen wollen (BayVGH BeckRS 2018, 17180). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge decken sich mit den zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln sowie mit der einschlägigen Rechtsprechung.
Zwar liegt ein zulässiger Folgeantrag vor, sodass ein weiteres Asylverfahren durchzuführen war (vgl. § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG). Die Beklagte hat dies ebenfalls im Hinblick auf das Vorbringen zur Konversion vom Islam zum Christentum bejaht. Darauf kann Bezug genommen werden.
In der Sache ist das Gericht zum gegenwärtigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt jedoch nicht davon überzeugt, dass den Klägern aufgrund ihrer Konversion schon heute bei einer Rückkehr in den Iran eine beachtliche Verfolgungsgefahr droht. Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran haben die Kläger derzeit keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG.
Gemäß §§ 3 ff. AsylG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe wie die Religion (vgl. dazu Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 – so genannte Anerkennungsrichtlinie oder Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3b AsylG) Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (§ 3a AsylG). Eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit kann eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende auf Grund der Ausübung dieser Freiheit tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Dabei ist es nicht zumutbar, von seinen religiösen Betätigungen Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – ABl. EU 2012, Nr. C 331 S. 5 – NVwZ 2012, 1612).
Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung sowie des schriftlichen Vorbringens der Kläger ist das Gericht nicht überzeugt, dass bei bei einer Rückkehr in den Iran eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit besteht. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Kläger schon jetzt aufgrund einer persönlichen religiösen Prägung entsprechend ihrer neu gewonnenen Glauben- und Moralvorstellungen auf Dauer das unbedingte Bedürfnis haben, ihren Glauben auch in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen öffentlich auszuüben. Insbesondere erachtet das Gericht es noch nicht als glaubhaft, dass bei allen drei Klägern schon jetzt eine andauernde christliche Prägung vorliegt und dass sie auch bei einer Rückkehr in den Iran ihren christlichen Glauben leben wollen. Die Würdigung der Angaben der Kläger zur Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19).
Erforderlich wäre, dass im Falle einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – aktiv im Iran ausüben will bzw. nur gezwungenermaßen, unter den Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten würde. Staatliche bzw. nichtstaatliche Repressionen drohen für konvertierte Christen im Iran nur dann, wenn sie in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten, wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – entsprechend ihrer christlichen Prägung nach außen zeigen wollen (vgl. zuletzt etwa BayVGH, B.v. 19.7.2018 – 14 ZB 17.31218; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris m.w.N.).
Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das Gericht im jetzigen Stadium des konkreten Konversionsprozesses der Kläger noch nicht überzeugt, gerade weil die Kläger nach eigenen Angaben noch in der Vorbereitungsphase der Taufe sind und auch nach Bekunden ihres Beistandes aus ihrer christlichen Gemeinde nach ihrem eigenen Verständnis zum jetzigen Zeitpunkt – wenn auch auf einem guten Weg – noch nicht so weit sind, jetzt schon getauft zu werden.
Zwar ist aus der Sicht des iranischen Staates bei der Konversion nicht auf einzelne förmliche Akte der neuen Religion abzustellen, sondern auf den nach außen getragenen Abfall vom Islam und der Hinwendung zu einer anderen Religion. Jedoch ist es erforderlich, die Lösung vom Islam nach außen zu manifestieren, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sich der Betreffende nachhaltig und auf Dauer nach außen hin erkennbar ernstlich vom islamischen Glauben abgewandt hat. Eine solche erkennbar nach außen sich manifestierende Lösung vom Islam kann insbesondere in der jeweiligen, den Regeln der Religionsgruppe entsprechenden Aufnahme zu sehen sein, etwa in einer Taufe (HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120, veröffentlicht auch unter: https://www.asyl.net/rsdb/m16712/ bzw. https://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/dokumente/16712.pdf). Hinzu kommt, dass nach Erkenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran Apostasie, der Abfall vom Islam, erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft vorgenommen wird. Im Falle christlicher Glaubensgemeinschaften wäre also für einen Apostasievorwurf die Taufe notwendig (so ausdrücklich Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 25.8.2015). Eine solche nach außen erkennbare Manifestation der Konversion vom Islam zum Christentum und der damit entscheidende Qualitätsumschwung ist bei den Klägern noch nicht eingetreten.
Die Kläger, insbesondere die Klägerin zu 2), haben zwar schon glaubhaft ihre Abkehr vom Islam und ihrer Hinwendung zum Christentum dargetan. Nicht zuletzt in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zu 2) insoweit die Unterschiede zwischen Islam und Christentum, die für ihren Glaubenswechsel relevant sind, etwa der Stellung von Gott, der im Islam ein entfernter Gott sei, dem man sich erst durch Rituale annähern müsse. Im Islam seien die Sünder verpönt. Der Islam sei eine Religion der Brutalität. Demgegenüber sei im Christentum Gott in Form von Jesus als Mensch erschienen, dem man sich nahe fühle. Im Christentum könnten Sünder Buße tun und die Sünden würden vergeben. Im Christentum erfahre man das ewige Leben. Beim Islam bestimme die Scharia das ganze Leben. Auch ihr Sohn, der Kläger zu 3) werde christlich erzogen und würde ab jetzt auch den evangelischen Religionsunterricht in der Schule besuchen. Die Kläger seien sehr präsent und jede Woche im Gottesdienst, wie auch der in der mündlichen Verhandlung anwesende Beistand, der Pfarrer aus der Kirchengemeinde, bekräftigte.
Jedoch ist auch anzumerken, dass die Klägerin zu 2) bei ihrer Anhörung beim Bundesamt am 17. Januar 2018 auf die Frage, welcher Religion sie sich zugehörig fühle, noch angab, sie fühle sich dem Christentum „zugeneigt“ (Bl. 147 der Bundesamtsakte). Der Kläger zu 1) erklärte bei seiner Bundesamtsanhörung auf die Frage, ob er sich selbst aktuell als Christ begreife: „Noch nicht.“ (Bl. 136 der Bundesamtsakte).
Auch wenn der Weg zum christlichen Glauben und der Konversionsprozess seitdem fortgeschritten sind, ist der Glaubenswechsel bei den Klägern noch nicht endgültig und auf Dauer vollzogen. Ein starkes Indiz dafür ist gerade auch die noch ausstehende, für Ostern vorgesehene Taufe der Kläger, weil die Kläger – auch nach Bekunden ihrer christlichen Gemeinde – jetzt noch nicht so weit sind. Der Beistand, der Pfarrer aus der Kirchengemeinde, erläuterte ehrlich, der Glaubenswechsel sei ein Glaubensweg. Dies setze auch Glaubenswissen voraus. Daran sei es bisher noch gescheitert, auch aus sprachlichen Gründen. Mittlerweile gebe es aber eine sprachliche Unterstützung und seit sechs Wochen führten sie unter Verwendung einer dreisprachigen Broschüre Glaubensgespräche zur Taufvorbereitung. Wenn es passe, sei die Taufe für Ostern vorgesehen. Es sei ein persönlicher Glaubensweg. Es gehe auch um ein Hineinwachsen in die Kirchengemeinde. Dies würde er, der Pfarrer der Kirchengemeinde, gern an Ostern abschließen.
Ebenso wie die christliche Gemeinde – zu Recht – vor einer Taufe noch eine entsprechende Taufvorbereitung für notwendig ansieht, um die Taufe der Kläger guten Gewissens vollziehen zu können, fehlt es auch dem Gericht zum jetzigen Zeitpunkt an der Überzeugungsgewissheit einer bereits endgültig und auf Dauer vollzogen und nach außen hin manifestierten Konversion vom Islam zum Christentum. Auch wenn die Kläger auf einem guten Weg sind, sind sie jedenfalls noch nicht so weit. Wenn die Kläger ihren Weg zum Christentum fortsetzen und auch mit der Taufe nach außen hin manifestieren, bleibt ihnen unbenommen, rechtzeitig einen weiteren Asylfolgeantrag zu stellen.
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.


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