Verwaltungsrecht

Verfolgungsgefahr in Uganda wegen Homosexualität

Aktenzeichen  9 ZB 20.31328

Datum:
7.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16972
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

Mit der Kritik an der Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht und die Rechtsanwendung wendet sich ein Rechtsmittelführer letztlich nur im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, was jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH BeckRS 2020, 9704). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 17.43620 2020-05-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 19.30489 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Dem Zulassungsvorbringen, mit dem keine Frage formuliert wird, kann zwar entnommen werden, dass der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daran anknüpfen lassen will, dass es sich bei ihm um eine landesweit gesuchte und als regimekritisch sowie der Homosexualität verdächtige Person handele, für die im Fall der Rückkehr sowohl von Seiten der Strafbehörden wie auch der Bevölkerung Gefahr für Leib und Leben drohe. Daraus könnte eine klärungsfähige bzw. entscheidungserhebliche Fragestellung aber nicht abgeleitet werden, weil das Verwaltungsgericht ausweislich seines Urteils dem Kläger weder dessen Homosexualität oder Bisexualität geglaubt hat noch aus politischen Gründen eine beachtliche Verfolgungsgefahr für ihn in Uganda anzunehmen vermochte. Mit der Kritik des Klägers an der diesbezüglichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung wendet er sich letztlich nur im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, was jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 9 ZB 20.30690 – juris Rn. 4).
2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird schon nicht ausreichend dargelegt. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich kein Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz entnehmen, den das Verwaltungsgericht abweichend von einem der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten übergeordneten Gerichte aufgestellt haben soll (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 19.31503 – juris Rn. 6).
3. Soweit das Zulassungsvorbringen des Klägers, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ sowie gegen den Grundsatz, dass Schweigen keine Erklärung darstelle, verstoßen, weil es ein Strafverfahren gegen den Kläger wegen Vergewaltigung einer Frau, das jedoch mit einem Freispruch geendet habe, sowie die Nichtangabe seiner Homosexualität in diesem Verfahren als Indizien dafür gesehen habe, dass er sich für Frauen interessiere und nicht homosexuell sei, auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, der zur Zulassung der Berufung führt, gerichtet sein soll, ist der dafür hier einzig in Betracht kommende Verstoß gegen das rechtliche Gehör (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dargelegt.
Mit einer Rüge der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerwG, B.v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 9.10.2018 – 9 ZB 16.30738 – juris Rn. 6). Auch soweit der Kläger Rechtsanwendungsfehler im Zusammenhang mit der Würdigung seines Vortrags behauptet, ist dies grundsätzlich nicht geeignet, einen Gehörsverstoß zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2010 – 1 BvR 96/10 – juris Rn. 28; BVerwG, B.v. 9.6.2011 – 3 C 14.11 – juris Rn. 7). Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann allenfalls im Einzelfall bei gravierenden Verstößen verletzt sein, wenn die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 8.10.2019 – 9 ZB 19.31544 – juris Rn. 3), oder wenn es sich um gewichtige Verstöße gegen Beweiswürdigungsgrundsätze handelt, weil etwa die Würdigung willkürlich erscheint oder gegen gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze verstößt (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 9 ZB 20.30794 – juris Rn. 7).
Indem der Kläger kritisiert, dass das Verwaltungsgericht seinen Aussagen bzw. seinem Aussageverhalten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Bedeutung hinsichtlich der Frage beimaß, ob dem Kläger dessen von ihm behauptete Homosexualität oder Bisexualität geglaubt werden kann, zeigt der Zulassungsantrag derart gravierende Mängel nicht auf. Es ist die Sache des Tatrichters, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (vgl. BVerwG, B.v. 22.2.2005 – 1 B 10.05 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 9 ZB 17.30411 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger im Strafermittlungsverfahren eine Beziehung zu einer Frau eingeräumt, andererseits sexuelles Interesse gegenüber Männern hier in Deutschland aber nicht bekundet habe und solches auch Zeugenaussagen von Mitbewohnern nicht entnommen werden könne, ist durch den Freispruch vom Strafvorwurf der Vergewaltigung nicht erschüttert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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