Verwaltungsrecht

Verfristeter Antrag gegen Abschiebungsanordnung

Aktenzeichen  M 7 S 16.50051

Datum:
22.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 34a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ein die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 S. 1 AsylG nicht einhaltender Antrag ist unzulässig.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 12. April 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 21. April 2015 erneut die Durchführung eines Asylverfahrens. Er hatte bereits am 28. Juli 2011 in Deutschland Asyl beantragt, dieses Verfahren ist seit dem 28. Mai 2013 unanfechtbar abgeschlossen. Bei seiner Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 1. Juni 2015 gab er an, er habe am 5. April 2015 den Irak verlassen und sei über die Türkei nach Deutschland gelangt. Unterwegs sei er aufgegriffen worden und habe Fingerabdrücke abgegeben, er wisse aber nicht, in welchem Land dies gewesen sei. Er wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, sondern in Deutschland bleiben, seine Geschwister seien auch hier. In dem Land, in dem er aufgegriffen worden sei und seine Fingerabdrücke abgegeben habe, sei er mit 50 anderen Personen in einem dreckigen Raum eingesperrt gewesen und habe nur ein Brot bekommen.
Eine EURODAC-Recherche vom 22. April 2015 ergab für den Antragsteller einen Treffer der Kategorie 2 für Ungarn. Demnach ist er am 9. April 2015 nach Ungarn eingereist. Am 9. Juni 2015 richtete das Bundesamt ein Aufnahmeersuchen an Ungarn, auf das keine Reaktion erfolgte.
Mit Bescheid vom 1. September 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2). Ferner wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 3). Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Gegen den am 10. September 2015 durch Niederlegung zugestellten Bescheid ließ der Antragsteller am 29. Januar 2016 Klage erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamts vom 1. September 2015 aufzuheben und beantragte zugleich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid hinsichtlich der Androhung der Abschiebung anzuordnen
sowie,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen möglicher Versäumung der Frist zu gewähren.
Der Wiedereinsetzungsantrag wurde unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung damit begründet, dass der Antragsteller den Bescheid der Antragsgegnerin erst am 28. Januar 2016 von seinem Rechtsanwalt erhalten habe. Er habe von 1. September bis 2. November 2015 durchgehend in der ihm zugewiesenen Unterkunft gewohnt. Es müsse wohl ein Zustellungsfehler der Antragsgegnerin vorliegen, der Antragsteller habe die Antragsfrist jedenfalls ohne Verschulden versäumt. Zur Begründung des Eilantrags wurde auf systemische Mängel in Ungarn hingewiesen.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2016 übersandte das Bundesamt die Behördenakten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig, da er nach Ablauf der Antragsfrist bei Gericht eingegangen ist und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen.
Nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Absatz 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Frist hat mit Bekanntgabe des mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung sowie deren Übersetzung in kurdische Sprache versehenen Bescheids – ausweislich der Postzustellungsurkunde am 10. September 2015 – zu laufen begonnen (§ 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG; § 58 Abs. 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB) und ist gem. § 188 Abs. 2, 1. Alt. i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB am 17. September 2015, 24.00 Uhr abgelaufen. Der am 29. Januar 2016 bei Gericht eingegangene Eilantrag ist somit zu spät erhoben worden.
Die Zustellung erfolgte vorliegend nach § 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) mittels Postzustellungsurkunde durch die Post. Sie wurde ordnungsgemäß im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung gemäß § 3 VwZG i. V. m. § 181 ZPO durchgeführt. Danach kann eine Zustellung durch Niederlegung erfolgen, wenn eine Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 oder § 180 nicht ausführbar ist. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall ausweislich der Postzustellungsurkunde, der insoweit Beweiskraft zukommt (vgl. BayVGH, U. v. 14.9.2000 – 23 B 00.30313 – juris Rn. 14), erfüllt. Nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Postzustellungsurkunde wurde der streitgegenständliche Bescheid am 10. September 2015 durch Niederlegung bei einer hierfür bestimmten Stelle zugestellt, weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung und auch die Einlegung in einen Briefkasten nicht möglich war. Wie sich aus der Postzustellungsurkunde weiter ergibt, wurde eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in der bei gewöhnlichen Briefen in üblicher Weise, nämlich in den Briefkasten, abgegeben. Ausweislich der Behördenakten wurde das niedergelegte Schriftstück nicht abgeholt und ist daher gemäß § 181 Abs. 2 ZPO nach drei Monaten an den Absender zurückgesendet worden.
Der Beweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen und damit der Zustellung ist nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässig. Ein derartiger Beweisantritt verlangt den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Hierzu muss ein geeignetes Vorbringen substantiiert dargelegt werden (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1986 – 4 CB 8/86 – juris Rn. 3). Ein bloßes Bestreiten genügt nicht. Vielmehr müssen Umstände dargelegt werden, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (vgl. BVerwG, a. a. O.). Ein solcher Gegenbeweis ist dem Antragsteller nicht gelungen.
Er trägt vor, den Bescheid nicht erhalten zu haben, obwohl er durchgehend in der ihm zugewiesenen Unterkunft gewohnt habe, deshalb müsse ein Zustellungsfehler der Antragsgegnerin vorliegen. Damit sind keine Umstände dargetan, die einen Fehler bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung belegen könnten. Seine Angabe, er habe von 1. September 2015 bis 2. November 2015 durchgehend in der zugewiesenen Unterkunft gewohnt, ist nicht geeignet, den Gegenbeweis der bezeugten Tatsachen zu führen. Der Antragsteller behauptet damit schon selbst nicht, sich konkret am Zustellungstag zum Zustellungszeitpunkt in der Unterkunft aufgehalten zu haben. Die Voraussetzungen für eine Niederlegung sind mithin als gegeben anzusehen.
Dem Antragsteller ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Kein Verschulden liegt vor, wenn dem Säumigen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, dass er die Frist ungenutzt hat verstreichen lassen. Verschuldet ist die Versäumung einer Frist also dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 60 Rn. 6 m. w. N.). Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.
Hier hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO), ohne Verschulden gehindert gewesen zu sein, die einwöchige Antragsfrist einzuhalten. Zur Begründung hat er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vorgetragen, er habe den Bescheid erst durch seinen Bevollmächtigten am 28. Januar 2016 erhalten. Wie oben ausgeführt, erfolgte die Zustellung laut Postzustellungsurkunde am 10. September 2015 im Wege der Niederlegung, so dass die Wirkung der Zustellung zu diesem Zeitpunkt eintrat. Der Antragsteller konnte den Beweis der Unrichtigkeit der Angaben auf der Postzustellungsurkunde nicht führen. Wenn er vom Bescheid erst am 28. Januar 2016 durch seinen Bevollmächtigten erfahren hat, so liegt dies in seinem Verantwortungsbereich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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