Verwaltungsrecht

Verlängerung der Ausbildungsförderung wegen Kindererziehung

Aktenzeichen  AN 2 K 14.01843

Datum:
17.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 5, Abs. 3a, § 15a Abs. 1
BAföG-VwV Tz. 15.3.10
VwGO VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 2, § 75 S. 1

 

Leitsatz

1 Kindererziehungszeiten verlängern die Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus nur dann gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG, wenn die Kindererziehung kausal für die Überschreitung der Regelstudienzeit gewesen ist. Dies ist nicht der Fall, wenn es auch dann zu einer Überschreitung der Regelstudienzeit gekommen wäre, wenn die Kindererziehungsleistung hinweg gedacht werden kann.  (redaktioneller Leitsatz)
2 An dieser Kausalität fehlt es, wenn bereits vor der Geburt des Kindes keine vollen Punktzahlen erreicht worden sind, wodurch sich die Studiendauer insgesamt verlängert hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Verpflichtungsklage ist als Untätigkeitsklage (§§ 42 Abs. 1 Alternative 2, 75 Satz 1 VwGO) zulässig, da der Beklagte den am 25. Juni 2014 erhobenen Widerspruch bis heute nicht entschieden hat, ohne dass hierfür ein zureichender Grund vorliegt. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 30. Mai 2016 verwiesen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 2014 ist im Ergebnis rechtmäßig, der Kläger hat für den Zeitraum seines 5. Master-Fachsemesters von April bis September 2014 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG, § 113 Abs. 5 VwGO.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung grundsätzlich nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer geleistet. Die Förderungshöchstdauer entspricht nach § 15 a Abs. 1 BAföG der Regelstudienzeit. Diese beträgt für das Master-Studium Kulturgeographie nach § 4 Abs. 1 der Prüfungsordnung für die Bachelor- und Masterstudiengänge Physische Geographie und Kulturgeographie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der … vom 27. September 2007 (Prüfungsordnung) vier Semester (Studienzeit von 3 Semestern und die Zeit zur Anfertigung der Masterarbeit; für letzteres ist in der Anlage 5 der Prüfungsordnung ein Semester vorgesehen). Damit endete die Regelstudienzeit beim Kläger mit dem Wintersemester 2013/2014 zum 31. März 2014.
Ausnahmsweise wird nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit weiter Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie infolge der Pflege und Erziehung eines Kindes bis zu zehn Jahren überschritten worden ist. Die Formulierung des § 15 Abs. 3 BAföG („infolge“) fordert dabei nicht nur, dass der Studierende Kindererziehungsleistungen tatsächlich übernimmt, was im Falle des Klägers nicht in Zweifel steht, sondern auch, dass die Kindererziehung kausal für die Überschreitung der Regelstudienzeit ist. Dies ist nach der Rechtsauffassung des Gerichts jedenfalls dann nicht der Fall, wenn es zu einer Überschreitung der Regelstudienzeit auch gekommen wäre, wenn die Kindererziehungsleistung hinweg gedacht würde. Dies ist beim Kläger der Fall.
Zwar konnte der Kläger die Vermutung aus dem Weg räumen, dass sein Zweitstudium Politikwissenschaft zur Überschreitung der Regelstudienzeit im Erststudium Kulturgeographie beigetragen hat. Seine Darlegungen in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2016, dass er das Studium der Politikwissenschaft zu keinem Zeitpunkt aktiv betrieben habe und die erzielten ECTS-Punkte ausschließlich auf Anrechnungen von Leistungen aus seinem Geographiestudium beruhen sowie die in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2016 vorgelegte Leistungsübersicht, die dies belegt, überzeugten das Gericht, dass die Einschreibung für das Studium der Politikwissenschaft tatsächlich keine Auswirkung auf die Studiendauer seines Kulturgeographiestudiums hatte.
Die Leistungsbescheinigungen des Klägers vom 8. Mai 2014 (dem Beklagten vorgelegt am 12.5.2014) und vom 10. Januar 2016 (vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vom 5.8.2016) belegen jedoch, dass der Kläger bereits im 1. Fachsemester (Sommersemester 2012) die nach der Prüfungsordnung vorgesehene ECTS- Punktezahl von 30 ECTS nicht erreicht hat. Er erzielte im Sommersemester 2012 lediglich 20 ECTS. Zu diesem Zeitpunkt spielte die Kindererziehung noch keine Rolle, nachdem der Sohn des Klägers erst am 17. Februar 2013, also am Ende des 2. Fachsemesters geboren wurde. Dass das Punktedefizit von 10 ECTS allein auf Umständen beruht, auf die der Kläger keinen Einfluss hatte, konnte der Kläger ebenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Unterpunktung ausschließlich damit zusammenhängt, dass das Master-Studium der Kulturgeographie erstmals mit Beginn zum Sommersemester 2012 möglich gewesen ist und der Studienplan seitens der Universität hierauf noch nicht voll eingerichtet war, so dass es zwangsläufig zu einem Punktedefizit kommen musste. Vielmehr spricht der gesamte Studienverlauf des Klägers eher dafür, dass ihm die Qualität seiner Leistungen sehr wichtig war, im Zweifelsfall auch wichtiger als ein ausbildungsförderungsrechtlich aber zu fordernder stringenter Studienverlauf und die Einhaltung der Regelstudienzeit von ihm zugunsten besserer Studienleistungen zurückgestellt wurde. Diese Einstellung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2016 selbst deutlich zum Ausdruck gebracht. Insbesondere begründete er die Tatsache, dass er – nachdem sein Sohn zum 1. April 2014 einen Krippenplatz hatte – noch weitere drei Semester studiert hat, damit, dass er ehrgeizig sei und sich Zeit genommen habe, um seine Masterarbeit sehr gut zu erledigen. Auf die Frage, warum er seine Wahlpflichtfächer nicht bereits im 1. Semester belegt habe, gab er an, sich zunächst auf das Hauptfach konzentriert zu haben. Dass der Kläger in seinem 1. Fachsemester bestimmte Module, die nach der Anlage 5 der Prüfungsordnung für dieses Fachsemester regelmäßig vorgesehen sind, nicht belegen konnte, kann ihm durchaus geglaubt werden. Dass er aber andere Module nicht hätte vorziehen können, insbesondere die Wahlpflichtmodule nicht hätte absolvieren können, ist nicht ersichtlich. Ein derartig selbstständiger Ausgleich ist ausbildungsförderungsrechtlich von einem Studenten jedoch zu fordern.
Es ist auch nicht ersichtlich, warum die fehlenden 10 ECTS des 1. Fachsemesters nicht bereits im 2. Fachsemester hätten aufgeholt werden können. Dass insofern bereits die Pflege und Erziehung des Sohnes eine maßgebliche Rolle gespielt haben, ist nicht anzunehmen. Zum einen ist sein Sohn erst am Ende des 2. Fachsemesters geboren worden, so dass eine nennenswerte Auswirkung für dieses Semester nicht naheliegt. Zum anderen gibt der Kläger selbst an, dass in der ersten Zeit nach der Geburt zunächst seine Frau schwerpunktmäßig für die Pflege zuständig war. Wenn es tatsächlich so gewesen sein sollte, dass der Kläger bereits zu Beginn des 2. Fachsemesters, also im Oktober 2013, im Hinblick auf die spätere Geburt seines Sohnes weniger Module belegt bzw. auf ein Aufholen von Punkten bewusst verzichtet hat, kann dieses Verhalten jedenfalls nicht als Grund für die Studienverzögerung anerkannt werden. Zeiten vor der Geburt des Kindes fallen für den Vater nicht unter § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG und auch nicht als schwerwiegender Grund unter § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG.
Letztlich hat der Kläger auch, nachdem sein Sohn einen Krippenplatz hatte, nämlich im Sommersemester 2014 noch keine und im Wintersemester 2014/2015 mit 5 ECTS nur geringfügige Studienleistungen erbracht und erst im Sommersemester 2015 und Wintersemester 2015/2016 seine Masterarbeit fertiggestellt und verteidigt. Er hat für die vorgesehenen vier Fachsemester somit insgesamt acht Studiensemester benötigt bzw. für noch fehlende 35 ECTS am Ende seines 4. Fachsemesters noch vier weitere Studiensemester. Zwar hat der Kläger damit nicht die wohl entsprechend anzuwendende Frist des § 15 Abs. 3 a BAföG überschritten, dies ist aber ein weiteres Indiz dafür, dass der Kläger nicht aufgrund seiner Erziehungsleistungen die Förderungshöchstdauer überschritten hat, sondern schwerpunktmäßig aus anderen Gründen und es zu einer Überschreitung auch dann gekommen wäre, wenn das Kind nicht geboren und vom Kläger (mit-)versorgt worden wäre. Tz. 15.3.10 BAföG-VwV entbindet zwar vom Nachweis der Dauer der auf die Kindererziehung zurückzuführenden Verzögerung und pauschaliert diese mit einem Semester pro Lebensjahr des Kindes, aber nicht vom Nachweis der Kausalität als solcher. Gegen die Kausalität sprechen die dargelegten Umstände. Da eine weitere Aufklärung der aus der Sphäre des Klägers rührenden Aspekte für das Gericht nicht möglich war, der Kläger die gegen die Kausalität sprechenden Umstände gerade nicht entkräften konnte, trifft ihn die Nichterweislichkeit dieser Tatsache, so dass die Klage abzuweisen war.
Dass die ursprüngliche Begründung des Beklagten im Bescheid vom 3. Juni 2014 nicht der Rechtslage entsprach (vgl. insoweit Begründung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 30. Mai 2016), ist im Ergebnis unerheblich. Da es sich um keine Ermessensentscheidung des Beklagten gehandelt hat, konnte und musste seitens des Gerichts auf den richtigen Sachverhalt und die richtige Rechtslage abgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.


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