Verwaltungsrecht

Verlust des Rechts auf Einreise und Freizügigkeit trotz kontinuierlichen Aufenthalts von zehn Jahren wegen Vorliegens von zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit bei massiver Gewaltkriminalität

Aktenzeichen  10 ZB 20.1584

Datum:
15.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30400
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 6 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 114 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 146 Abs. 4
FreizügG/EU § 6 Abs. Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5, § 7 Abs. 2
EMRK Art. 8 Abs. 1
AEUV Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2
Freizügigkeits-RL Art. 28 Abs. 3
StGB § 46a Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit, die zu einer Verlustfeststellung gem. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berechtigen, können nicht nur dann angenommen werden, wenn es sich um Straftaten handelt, die in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV aufgeführt sind (vgl. zB VGH München BeckRS 2014, 59696). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Insbesondere die körperliche Unversehrtheit des Menschen stellt ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar (vgl. dazu VGH München BeckRS 2019, 3409), sodass die massive Gewaltkriminalität des Klägers eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bedeutet und diese Beeinträchtigung auch den erforderlichen besonders hohen Schweregrad aufweist, weil sie nach ihrer Art und Weise geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 19.5458 2020-02-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2019, mit dem der Verlust des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt, die Einreise und der Aufenthalt befristet (auf zuletzt vier Jahre) untersagt, er unter Fristsetzung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Kroatien angedroht wurde, weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch die behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die den rechtlichen Prüfungsmaßstab betreffende Frage, ob der für die Gewährung des verstärkten Schutzes gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU (s. auch Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EG) erforderliche kontinuierliche Aufenthalt von zehn Jahren (vor dem Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung) durch die Strafhaft des Klägers in der Weise unterbrochen wurde, dass dadurch die Integrationsbande, die ihn mit dem Aufnahmemitgliedstaat (Deutschland) verbinden, abgerissen sind und der Kläger deshalb nicht mehr in den Genuss des danach verbürgten verstärkten Schutzes kommen kann, dahinstehen lassen. Denn nach seiner Auffassung liegen im Fall des Klägers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU vor. Es hat die rechtskräftige Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen, die geeignet sei, die Ruhe und physische Sicherheit der Bevölkerung der Bundesrepublik unmittelbar zu bedrohen. Die Art und Weise der Begehung der vom Kläger begangenen Straftaten aus dem Bereich der Schwerkriminalität wiesen auch die für die Annahme zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit erforderlichen besonders schwerwiegenden Merkmale auf. Es handle sich nicht um eine aufgrund Suchtdrucks begangene Spontantat, sondern um eine von langer Hand geplante und vorbereitete Tat, die von hoher krimineller Energie des Klägers zeuge. Der Kläger sei unter einem Vorwand in das Haus der Geschädigten und somit in deren Privatsphäre eingedrungen und habe insbesondere den (neben einer echt aussehenden Spielzeugpistole mit Schalldämpfer) mitgeführten Elektroschocker auch noch eingesetzt, als das Opfer bereits bewegungsunfähig am Boden gelegen sei. Infolge der Tatbegehung litten die beiden Opfer unter nicht unerheblichen psychischen Folgen und einem Gefühl der Unsicherheit zu Hause. Es handle sich daher vor dem Hintergrund einer suchtbedingten finanziell bedrängten Situation des Klägers um ein heftiges Gewaltverbrechen, unter dem die Opfer nach wie vor psychisch litten. Der Schutz vor derartigen Straftaten insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit sei eine wichtige Aufgabe und ein Grundinteresse der Gesellschaft. Der Annahme zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit stehe weder entgegen, dass es sich um die erste strafrechtliche Verurteilung des Klägers handle, noch dass das Strafgericht unter Berücksichtigung eines im Anschluss an die Tat durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleichs im Ergebnis einen minder schweren Fall angenommen habe. Die Umstände der vom Kläger begangenen Straftaten ließen auch ein persönliches Verhalten erkennen, welches eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere, die Grundinteressen der Gesellschaft berührende Gefährdung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU darstelle. Die erforderliche Wiederholungsgefahr massiver Delikte gegen die körperliche Integrität und das Eigentum, beides Rechtsgüter von höchstem verfassungsrechtlichen Rang, mit erheblichen körperlichen und seelischen Folgen für die Opfer, bestehe fort, auch wenn der Kläger Reue gezeigt und seinen Besserungswillen bekundet habe. Dass seine Therapie in einer Entziehungsanstalt (Maßregelvollzug) bisher positiv verlaufe, lasse die Wiederholungsgefahr vergleichbarer Straftaten nicht entfallen. Schließlich sei auch die Spielsucht des Klägers noch nicht abschließend behandelt und zu befürchten, dass der Kläger zu deren Finanzierung erneut straffällig werde.
Das Zulassungsvorbringen des Klägers zieht diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel.
Die Rüge, die vom Verwaltungsgericht bejahten Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU lägen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, U.v. 23.11.2010 – C-147/09 – Rn. 49 ff.) im Fall des Klägers nicht vor, weil die (einzige) strafrechtliche Verurteilung wegen besonders schweren Raubes mit zwei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren allein nicht ausreiche, zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit anzunehmen, greift nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat den Maßstab für das Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit, wie er sich aus dem Wortlaut und der Systematik von Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, U.v. 23.11.2010 – C-145/09, Tsakouridis -; U.v. 22.5.2012 – C-348/09, I. – jew. juris) ergibt, richtig erkannt und zutreffend berücksichtigt, dass Verlustfeststellungen in diesen Fällen auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzt sein sollen und demgemäß neben dem Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit auch einen besonders hohen Schweregrad dieser Beeinträchtigung voraussetzen (EuGH, U.v. 22.5.2012 – C-348/09, I. – juris Rn. 19 f.). Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit werden nach Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG „von den Mitgliedstaaten festgelegt“; diese unterliegen bei der Bestimmung dieser Anforderungen jedoch der Kontrolle durch die Organe der Europäischen Union (EuGH, U.v. 22.5.2012 – C-348/09, I. – juris Rn. 22 u. 23). Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit, die zu einer Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berechtigen, können nicht nur dann angenommen werden, wenn es sich um Straftaten handelt, die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführt sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.12.2014 – 19 ZB 13.2013 – juris Rn. 11 ff. m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass insbesondere die körperliche Unversehrtheit des Menschen ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut darstellt (s. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; vgl. dazu BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 10 B 18.1094 – juris Rn. 34), die massive Gewaltkriminalität des Klägers eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bedeutet und diese Beeinträchtigung auch den erforderlichen besonders hohen Schweregrad aufweist, weil sie nach ihrer Art und Weise geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen.
Soweit der Kläger dagegen einwendet, das Verwaltungsgericht führe insoweit allein generalpräventive Gründe an, eine besonders hohe kriminelle Energie ergebe sich nicht aus der fehlenden Vorstrafe, bei der Anlasstat handle es sich um einen minder schweren Fall und er (Kläger) habe tätige Reue gezeigt, wird damit ungeachtet des Darlegungsgebots gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO jedenfalls die Annahme eines besonders hohen Schweregrades der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Auf die Abschreckung potentieller weiterer Täter zielende generalpräventive Erwägungen hat das Verwaltungsgericht entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht abgestellt. Die dem Kläger zugeschriebene hohe kriminelle Energie hat das Verwaltungsgericht – im Übrigen in Übereinstimmung mit dem Strafurteil des Landgerichts München I vom 25. Februar 2019 (Bl. 23) – zu Recht bereits aufgrund der von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat sowie des Einsatzes nicht nur einer echt aussehenden Spielzeugpistole mit Schalldämpfer, sondern vor allem des Elektroschockers gefolgert, den der Kläger selbst dann noch fortgeführt hat, als sein Opfer bereits bewegungsunfähig am Boden lag. Für die klägerische Behauptung einer (spontanen) Tat aufgrund (akuten) Suchtdrucks finden sich dagegen auch im Strafurteil vom 25. Februar 2019 keine tragfähigen Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht hat schließlich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass die Annahme eines minder schweren Falles im Rahmen der Strafzumessung durch das Strafgericht allein aufgrund des vertypten Milderungsgrundes des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Abs. 1 StGB, nicht jedoch mit Blick auf die Tat und das Tatbild selbst erfolgt ist (vgl. Bl. 23 des Strafurteils vom 25.2.2019).
Die auf die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr zielenden Einwände, der Kläger habe inzwischen erhebliche Therapiefortschritte erzielt und sich über längere Zeit im offenen Vollzug bewährt, die Entzugstherapie habe hinreichende Aussicht auf Erfolg und der Kläger ein stabiles persönliches Umfeld, sind schon im Hinblick darauf überholt bzw. obsolet, dass in dem von Beklagtenseite vorgelegten Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts München I vom 17. September 2020 die durch das Strafurteil vom 25. Februar 2019 angeordnete Unterbringung des Klägers in der Entziehungsanstalt für erledigt erklärt und die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der mit diesem Urteil verhängten Freiheitsstrafe abgelehnt sowie die Ausgestaltung der Führungsaufsicht zurückgestellt worden ist (Bl. 111 ff. der VGH-Akte). Die Strafvollstreckungskammer hat in dieser Entscheidung aufgrund mehrfacher gravierender Verstöße beim Kläger keine Aussicht auf den erforderlichen Behandlungserfolg mehr gesehen und den Maßregelvollzug für endgültig gescheitert erklärt. Zudem hat sie „keine Anhaltspunkte für eine positive Prognose im Sinne des § 57 Abs. 1, 2 StGB“ gesehen. Vielmehr sprechen diese Vorkommnisse und insbesondere die im Beschluss der Strafvollstreckungskammer geschilderten Umstände der vorläufigen Festnahme des Klägers durch Beamte der SEK der Polizei am Abend des 21. Juli 2020 für die ganz erhebliche Gefahr erneuter schwerer Gewaltkriminalität mit gravierenden körperlichen und seelischen Schäden bei den betroffenen Opfern.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die angefochtene Verlustfeststellung erweise sich im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO als ermessensfehlerfrei und auch unter Berücksichtigung der persönlichen Bindungen des Klägers als verhältnismäßig, begegnet ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln. Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag, er habe fast sein gesamtes Leben in Deutschland verbracht und zu Kroatien keinerlei Bezüge mehr, bis auf seinen (gewalttätigen) Vater lebe seine gesamte Familie in Deutschland, er habe ein gutes Verhältnis und engen Kontakt zu seinen zwei kleinen Kindern, die ihn regelmäßig besuchten, er sei sozial tief in Deutschland verwurzelt, während er im Kroatien obdachlos und ohne Erwerbsmöglichkeit wäre, ein zu erwägendes milderes Mittel wäre auch, ihm nach erfolgreicher Therapie eine Bewährung unter Auflagen zu ermöglichen, lässt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht erkennen. Das Verwaltungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der in Deutschland geborene und aufgewachsene Kläger nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse integriert sei, dass ihm ein Leben in Kroatien unzumutbar wäre. Es ist in nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass die beruflichen Aussichten des Klägers dort im Bereich der Altenpflege oder – aufgrund seiner deutschen Sprachkenntnisse – der Tourismusbranche nicht schlechter einzuschätzen seien als in Deutschland. Die kroatische Kultur und dortigen Lebensgewohnheiten seien ihm schon von seinen Eltern her vertraut; auch verfüge er über zumindest ausbaufähige Kenntnisse seiner Muttersprache. Als erwachsener Mann sei er nicht zwingend auf die Unterstützung seiner Mutter und seiner Geschwister angewiesen. Selbst wenn bei einer Rückkehr ein Kontakt zu seinem in Kroatien lebenden Vater nicht gewollt oder möglich sein sollte, sei es ihm als arbeitsfähigen, erwachsenen Mann zuzumuten, seinen Lebensunterhalt durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften.
Das Verwaltungsgericht hat sich mit der zwischen dem Kläger und seinen inzwischen fünf und knapp vier Jahre alten Kindern bestehenden familiären Lebensgemeinschaft auseinandergesetzt und dabei zu Recht festgestellt, dass diese bereits durch die Inhaftierung des Klägers am 20. Juni 2018 beendet worden sei und ein (Besuchs-)Kontakt erst nach einem längeren Auslandsaufenthalt der Mutter und der beiden Kinder in Amerika (von Mai 2018 bis Mai 2019) im Maßregelvollzug ab Juni 2019 und danach ca. einmal monatlich wieder stattgefunden habe. Für die Kinder ist daher – wie das Verwaltungsgericht zutreffend darlegt – die Trennung vom Kläger seit Jahren gelebte Realität, sodass auch ein längerer Auslandsaufenthalt des Klägers und die damit verbundene Trennung für diese keine grundlegende Änderung ihrer bisherigen Lebensbedingungen bedeutet. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls durch eine (weitere) Trennung hat weder das Verwaltungsgericht gesehen noch etwa der Kläger aufgezeigt. Dabei ist, wie das Verwaltungsgericht betont, zu berücksichtigen, dass eine dauerhafte Trennung der Kinder von ihrem Vater durch die Aufenthaltsbeendigung keineswegs eintreten muss, da die Wirkungen der Verlustfeststellung befristet sind und der Kläger neben den verschiedenen Formen moderner Kommunikation (insbesondere Telefon, Internet) auch die Möglichkeit hat, Betretenserlaubnisse (§ 11 Abs. 8 AufenthG) zu beantragen. Angesichts dessen und mit Blick auf die ganz erhebliche Wiederholungsgefahr schwerer Gewaltdelikte durch den Kläger (siehe oben) überwiegt letztlich das öffentliche Interesse an der Abwehr der Gefahren für die öffentliche Sicherheit das durch die familiären Bindungen des Klägers zu seinen Kindern begründete Bleibeinteresse.
Schließlich ist die Befristungsentscheidung der Beklagten nach § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU rechtlich nicht zu beanstanden. Die Fristlänge von zuletzt vier Jahren ist unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (s. § 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU) nicht unverhältnismäßig bzw. unzumutbar. Die diesbezüglichen individuellen und einzelfallbezogenen Erwägungen des Verwaltungsgerichts sind rechtlich nicht zu beanstanden, zumal der Kläger unter dem pauschalen Verweis auf seine geltend gemachten persönlichen Belange deren Unverhältnismäßigkeit lediglich behauptet und „allenfalls noch eine Frist von höchstens sechs Monaten überhaupt“ als vertretbar ansieht.
2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, die der Kläger unter Hinweis auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 27. April 2016 (11 S 2081/15 – juris) bezüglich der Frage geltend macht, ob bei einer einmaligen Haftstrafe die Kontinuität des langjährigen Aufenthalts unterbrochen sein kann und ob diesbezüglich die Verurteilung zu einer einzigen Haftstrafe ausreicht, sind schon nicht hinreichend dargelegt. Zum einen hat das Verwaltungsgericht zu Gunsten des Klägers den Anwendungsbereich des verstärkten Schutzes gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU angenommen, zum anderen ist die aufgeworfene Frage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (U.v. 17.4.2018 – C-316/16, C-424/16, B. und Vomero – NVwZ 2019,47) geklärt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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