Verwaltungsrecht

Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG und § 25 Abs. 5 AufenthG wegen bestandskräftiger Ausweisung

Aktenzeichen  AN 5 K 18.00814

Datum:
28.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 44103
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 3
AufenthG § 10 Abs. 3
AufenthG § 5

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 26. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, denn der Kläger hat weder einen Anspruch nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (1) noch nach § 25 Abs. 5 AufenthG (2).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht vorliegend – unabhängig davon, ob der Kläger überhaupt in hinreichender Weise die Personensorge für sein Kind ausübt – schon die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel grundsätzlich nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, der zu den aufenthaltsrechtlichen Regelungen zum Familiennachzug zählt, ist im 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes verortet und die Asylanträge des Klägers wurden mit Bescheiden des Bundesamtes vom 24. September 2014 und vom 5. Juli 2016 bestandskräftig abgelehnt, sodass § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG für den Kläger grundsätzlich Sperrwirkung entfaltet.
Der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Hs. AufenthG, wonach die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG durchbrochen wird, wenn der Ausländer einen Anspruch auf eine Titelerteilung hat, ist vorliegend nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Hs. AufenthG setzt einen strikten Rechtsanspruch voraus, der nur vorliegt, wenn alle allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind und sich daraus unmittelbar ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt. Ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift genügt dagegen auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2008 – 1 C 37/07 – juris Rn. 21 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.8.2018 – 10 C 18.1497 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Zwar gewährt § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bei Vorliegen der allgemeinen und der besonderen Erteilungsvoraussetzungen einen gebundenen Anspruch auf Titelerteilung. Grundsätzlich ist es daher möglich, trotz negativer Asylentscheidung ohne vorherige Ausreise einen entsprechenden Titel zu erlangen. Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits an der Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (nicht bestehendes Ausweisungsinteresse), denn gegen den Kläger besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1a lit. a) mit lit. d) AufenthG. Der Kläger wurde wegen räuberischen Diebstahls und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt. Die Körperverletzung ist ein Delikt gegen die körperliche Unversehrtheit im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1a lit. a), der räuberische Diebstahl, der gemäß § 252 StGB wie ein Raub zu bestrafen ist, und damit der Strafandrohung des § 249 StGB unterliegt, ist ein Delikt gegen das Eigentum, für das das Gesetz eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe (mindestens ein Jahr) vorsieht.
Dass der Beklagte nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG die Möglichkeit gehabt hätte, das bestehende Ausweisungsinteresse unberücksichtigt zu lassen, ist unbeachtlich, denn der Gesetzgeber eröffnet den Ausländerbehörden mit der genannten Norm nur ein Ermessen. Selbst wenn dieses Ermessen im konkreten Fall „auf Null“ reduziert gewesen wäre, wofür die Kammer keine Anhaltspunkte hat, hätte der Kläger keinen (gesetzlichen) Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Hs. AufenthG. Ein solcher ist nach dem bereits Dargestellten aber notwendig, um die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG zu durchbrechen.
Außerdem erfüllt der Kläger die Titelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht, da er nicht mit dem erforderlichen Visum zum Familiennachzug eingereist ist. Zwar kann nach § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV ein Ausländer einen Aufenthaltstitel ohne vorgeschaltetes Visumsverfahren vom Inland aus einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er aufgrund der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen aber nicht, denn einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stand auch zum Zeitpunkt der Geburt seines Kindes schon das bestehende Ausweisungsinteresse entgegen. Im Übrigen eröffnet auch § 39 Satz 1 AufenthV der Ausländerbehörde lediglich ein Ermessen, was im Hinblick auf § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Hs. AufenthG nicht hinreichend ist (s.o.).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes; insbesondere erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht.
Dabei kann dahinstehen, ob § 25 Abs. 5 AufenthG als Auffangnorm im Falle eines etwaigen, auf Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK gestützten Ausreisehindernisses für die Titelerteilung überhaupt herangezogen werden kann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zum Familiennachzug, welcher nach § 27 Abs. 1 AufenthG ebenfalls auf Art. 6 GG gründet, nicht erfüllt sind. Zumindest fehlt es im vorliegenden Fall an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des nicht bestehenden Ausweisungsinteresses und der nicht erfüllten Visumspflicht (s.o.).
Der Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen, das nach § 114 VwGO einer nur begrenzten gerichtlichen Überprüfung unterliegt, in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, als er vom bestehenden Ausweisungsinteresse nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen hat. Dabei begründet auch § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG kein anderes Ergebnis: Zwar ist die Abschiebung des Klägers inzwischen seit längerem ausgesetzt, so dass nach dem Wortlaut die „Soll“-Regelung des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG greift, gemäß der Systematik der Norm ist § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG aber an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG geknüpft (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14/05 – juris Rn. 22) und prägt somit das Ermessen der Behörde bezüglich des Absehens von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vor.
Ob die Ausreise des Klägers aufgrund der Bindung zu seinem Kind im Hinblick auf Art. 6 GG aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Zur weiteren Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheides des Beklagten vom 26. März 2018 Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich abzuweisen.


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