Verwaltungsrecht

Verspätete Abgabe der Zweitwohnungsteuererklärung

Aktenzeichen  M 10 S 19.539

Datum:
28.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19496
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Inhaber einer steuerpflichtigen Zweitwohnung kann nur derjenige sein, der die rechtliche und tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Wohnung hat.  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vierjährige Festsetzungsfrist beginnt erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Festsetzungsbehörde Kenntnis aller für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Tatsachen hat.  (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.109,25 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer.
Die Antragsgegnerin erhebt eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung in ihrem Stadtgebiet auf der Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der … (Zweitwohnungsteuersatzung – ZwStS) vom 22. Dezember 2006.
Die in Nordbayern wohnhafte Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung am …-Weg 13 in … Nachdem dies der Antragsgegnerin in einem anderen Zweitwohnungsteuerveranlagungsverfahren bekannt geworden war, forderte sie die Antragstellerin mit Schreiben vom 5. April 2018 zur Abgabe einer Zweitwohnungsteuererklärung auf.
Die Antragstellerin gab in ihrer Zweitwohnungsteuererklärung vom 7. Mai 2018 an, die Zweitwohnung seit 1989 innezuhaben. Derzeit sei die Wohnung unentgeltlich und ohne vertragliche Regelung ihrer Enkelin während deren Studium in … überlassen worden. Gleichzeitig wurde unter Bezug auf den Einkommensteuerbescheid für 2016 die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer beantragt.
Mit Zweitwohnungsteuerbescheid vom 29. Mai 2018 setzte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin die Zweitwohnungsteuer für die genannte Wohnung für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Dezember 2017 für die jeweiligen Kalenderjahre fest, insgesamt in Höhe von 8.437,- €. Die Fälligkeit wurde für den gesamten Besteuerungszeitraum auf den 2. Juli 2018 festgesetzt. In der Begründung wird u.a. aufgeführt, dass die Antragstellerin entsprechend ihres Antrags vom 8. Mai 2018 nach Art. 3 Abs. 3 KAG von der Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2018 befreit werde.
Gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid legte die Antragstellerin durch ihren steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 8. Juni 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung wird ausgeführt, eine Festsetzung der Zweitwohnungsteuer sei lediglich für die letzten vier Jahre möglich, da sonst die Festsetzungsverjährung greife. Seit Herbst 2016 nutze die Enkelin der Antragstellerin aufgrund mündlicher Vereinbarung die Wohnung und sei zur Tragung aller mit der Wohnung anfallenden Kosten verpflichtet. Die Antragstellerin habe in den früheren Jahren gegenüber dem Finanzamt keine Steuererklärungen abgegeben, da das Einkommen im Zusammenveranlagungsfall (bis zum Tod des Ehemannes) sowie im Einzelveranlagungsfall (nach dem Tod des Ehemannes) immer unter dem bzw. knapp über dem gesetzlichen Grundfreibetrag gelegen habe. Insofern seien die Grenzen für eine Nichterhebung der Zweitwohnungsteuer eingehalten. Es werde gebeten, dies hilfsweise im Rahmen einer Billigkeitsregelung zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2018 wurde die Aussetzung der Vollziehung beantragt.
Mit Bescheid vom 17. August 2018 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer aufgrund geringen Einkommens für die Jahre 2006 bis 2017 ab (Nr. 1 des Bescheids) und lehnte den Antrag auf Erlass der mit Bescheid vom 29. Mai 2018 festgesetzten Zweitwohnungsteuer ab (Nr. 2). Zur Begründung wird ausgeführt, die Regelung des Art. 3 Abs. 3 KAG (Befreiung aufgrund geringen Einkommens) sei erst zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Anträge auf Berücksichtigung der Einkommensgrenze schon zu einem früheren Zeitpunkt könnten schon mangels Rechtsgrundlage nicht berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich keinen rückwirkenden Zeitpunkt festgelegt. Ab dem Jahr 2009 hätte ein Befreiungsantrag jeweils bis zum 31. Januar des Folgejahres gestellt werden müssen, was nicht erfolgt sei. Der Antrag vom 8. Mai 2018 sei deshalb für die Jahre 2009 bis 2017 verfristet gewesen. Härten seien vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden.
Ein Erlass aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO komme nicht in Betracht, da weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe vorlägen. Sachliche Billigkeitsgründe seien dann anzunehmen, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden könne, dass er die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden könne, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzgebers widerspreche. Durch die Billigkeitsregel solle keine allgemeine Korrektur von Steuerregelungen ermöglicht werden. Der Gesetzgeber des Kommunalabgabengesetzes habe ausdrücklich erst ab 2009 eine Billigkeitsregelung getroffen, welche einen fristgerechten Antrag voraussetze. Damit könne kein sachlicher Billigkeitsgrund außerhalb der Befreiungsregelung gesehen werden. Persönliche Billigkeitsgründe setzten Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit voraus. Hier fehle es bereits an der Erlassbedürftigkeit. Eine Billigkeitsentscheidung scheide in aller Regel aus, wenn Stundung mit entsprechender Ratenzahlung in Betracht komme oder die Steuer mithilfe eines Darlehens beglichen werden könne.
Mit Schreiben ebenfalls vom 17. August 2018 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass ihr erst aufgrund einer Überprüfung der Zweitwohnungsteuerpflicht der Enkelin der Antragstellerin bekannt geworden sei, dass die Antragstellerin Inhaberin der genannten Nebenwohnung sei. Die Antragsgegnerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, zu einem früheren Zeitpunkt selbst zu ermitteln, ob die Antragstellerin schon früher Inhaberin einer Zweitwohnung gewesen sei. Die Festsetzungsfrist von vier Jahren habe erst mit positiver Kenntnis der Antragsgegnerin vom Innehaben einer Zweitwohnung durch die Antragstellerin begonnen, also sei ab dem Veranlagungsjahr 2006 auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
Der Steuerbevollmächtigte der Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 17. September 2018 erneut Stellung, ohne aber gegen den Bescheid vom 17. August 2018 Widerspruch einzulegen.
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 28. September 2018 wurde bekräftigt, dass Festsetzungsverjährung nicht eingetreten sei. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin regelmäßig Grundsteuer an die Antragsgegnerin für die genannte Wohnung zahle, lasse nicht darauf schließen, dass die Antragsgegnerin auch Kenntnis vom Innehaben einer Zweitwohnung durch die Antragstellerin gehabt habe. Die Antragstellerin habe vielmehr aufgrund der Zweitwohnungsteuersatzung selbst die Pflicht zur Anzeige des Innehabens einer Zweitwohnung gehabt. Sollte die Antragstellerin nicht in der Lage sein, die Steuerforderung für 2006 bis 2017 in einem Betrag zu begleichen, werde auf die Möglichkeit einer Stundung in Form einer Ratenzahlung hingewiesen. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Bescheid ebenfalls vom 28. September 2018 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 legte die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid der Regierung von Oberbayern vor. Über den Widerspruch wurde bisher nicht entschieden.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihrer Steuerbevollmächtigten vom 4. Februar 2019 sinngemäß beim Verwaltungsgericht München beantragt,
die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2018 anzuordnen.
Eine weitere Begründung erfolgte nicht.
Die Antragsgegnerin hat ohne eigene Ausführungen mit Schreiben vom 8. April 2019 die Verfahrensakten vorgelegt.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2019 kündigte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Zwangsvollstreckung der mit Bescheid vom 29. Mai 2018 bekanntgegebenen Forderungen zuzüglich Säumniszuschlägen und einer Mahngebühr an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung des (fristgerecht) eingelegten Widerspruchs gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2018 anzuordnen, ist zulässig, insbesondere hat die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, wie von § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO verlangt, bei der Antragsgegnerin beantragt.
2. Der Antrag bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung anordnen, wobei es zwischen dem öffentlichen Interesse am Vollzug der getroffenen Regelung und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers abzuwägen hat. Die Interessensabwägung berücksichtigt dabei insbesondere die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. In entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Aussetzung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zweitwohnungsteuerbescheides vom 29. Mai 2018 noch Anhaltspunkte für eine unbillige Härte der Vollziehung.
a) Rechtsgrundlage für die Steuererhebung durch die Antragsgegnerin ist deren Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 22. Dezember 2006, mit deren Erlass sie von der ihr eingeräumten Ermächtigung in Art. 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 KAG Gebrauch gemacht hat. Hinsichtlich der Gültigkeit der Zweitwohnungsteuersatzung wurden Bedenken weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich; sie wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mehrfach bestätigt (vgl. schon BayVGH, B. v. 28.9.2009 – 4 ZB 09.923 – BeckRS 2009, 43781). Insbesondere ist auch die Bemessung der Steuer für Zweitwohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, nach der anhand des Mietspiegels geschätzten Jahresnettokaltmiete nicht zu beanstanden (BayVGH, B. v. 7.5.2009 – 4 ZB 08.1342 – BeckRS 2009, 43257).
b) Die Antragstellerin wurde in den hier streitigen Jahren 2006 bis 2017 zu Recht zur Zahlung der Zweitwohnungsteuer herangezogen.
Nach § 1, § 3 Abs. 1 ZwStS ist steuerpflichtig, wer im Stadtgebiet der Antragsgegnerin eine Zweitwohnung i.S.v. § 2 Abs. 1 ZwStS innehat.
Die Antragstellerin ist Steuerpflichtige gemäß § 3 Abs. 1 ZwStS, da sie die Wohnung am …-Weg 13 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin im streitbefangenen Zeitraum Februar 2006 bis einschließlich Dezember 2017 als Zweitwohnung im Sinne des § 2 ZwStS innehatte.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS gilt als Zweitwohnung jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Weiterhin ist – unabhängig von den melderechtlichen Erklärungen bzw. der Eintragung im Melderegister – nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZwStS unter Zweitwohnung jede Wohnung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin zu verstehen, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat; die vorübergehende Nutzung zu anderen Zwecken, insbesondere zur Überlassung an Dritte, steht der Zweitwohnungseigenschaft nicht entgegen.
Das nach dem Aufwandsbegriff i.S.v. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahingehende Bestimmung des Verwendungszweckes der Zweitwohnung voraus. Eine solche Festlegung kann nur derjenige treffen, der für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Nutzung der Wohnung verfügen kann. Es kommt daher auf die rechtliche und tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Wohnung an (BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 4 BV 16.2343 – juris Rn. 19). Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt deshalb ausdrücklich darauf ab, dass Inhaber einer steuerpflichtigen Zweitwohnung nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte sein kann (BVerfG, B.v. 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325; BVerwG, U.v. 13. 5. 2009 – 9 C 8/08 – BayVBl 2010, 545).
Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben seit 1989 Eigentümerin oder Miteigentümerin der streitgegenständlichen Wohnung am …-Weg 13. Dieser Verfügungsbefugnis hat sich die Antragstellerin auch nicht begeben; insbesondere hat sie die Wohnung, soweit nach Aktenlage bekannt, auch nicht vertraglich einem Dritten überlassen. Die Enkelin der Antragstellerin hat in ihrer Zweitwohnungsteuererklärung angegeben, die Wohnung ohne Vereinbarung unentgeltlich erhalten zu haben.
c) In dem angegriffenen Bescheid vom 29. Mai 2018 wurde die Zweitwohnungsteuer auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt.
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 ZwStS ist für Wohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, die Jahresnettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen. Diese hat die Antragsgegnerin für die streitgegenständliche Wohnung am …-Weg 13 anhand ihres Mietspiegels pro Quadratmeter Wohnfläche geschätzt (Schätzungsgrundlagen: Mehrfamilienhaus, mittlere Wohnung, durchschnittliche Lage). Einwendungen hiergegen hat die Antragstellerin nicht erhoben, dem Gericht drängen sich keine Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung auf.
d) Der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer im angegriffenen Bescheid vom 29. Mai 2018 steht auch nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen.
Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 1 KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem eine Berechnung der Abgabe in der gesetzlich richtigen Höhe möglich ist, die Antragsgegnerin also Kenntnis aller für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Tatsachen hat. Hierauf kann der Steuerpflichtige Einfluss nehmen, indem er seiner satzungsrechtlich (vgl. § 8 ZwStS) begründeten Mitwirkungspflicht nachkommt und der zuständigen Behörde die für die Steuerfestsetzung notwendigen Informationen liefert (vgl. dazu BayVGH, B.v. 29.5.2018 – 4 ZB 17.1801 – juris).
Vorliegend haben die Antragstellerin und ihr verstorbener Ehemann als früherer Miteigentümer entgegen ihrer Verpflichtung nach § 8 Abs. 2 ZwStS der Antragsgegnerin das Innehaben einer Zweitwohnung nach Aktenlage auch nicht unverzüglich noch im Jahr 2006 angezeigt. Vielmehr erhielt die Antragsgegnerin erst mit der Zweitwohnungsteuererklärung der Enkelin der Antragstellerin (vom 9.1.2018) Kenntnis vom Innehaben der Zweitwohnung durch die Antragstellerin. Erst ab diesem Zeitpunkt bzw. ab dem Eingang der Zweitwohnungsteuererklärung der Antragstellerin vom 7. Mai 2018 hatte sie Kenntnis von den für die Zweitwohnungsteuerfestsetzung erforderlichen Tatsachen.
Nach Aktenlage gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin von diesen Tatsachen auf andere Weise hätte erfahren oder sie den Sachverhalt ohne Schwierigkeiten selbst hätte feststellen können, so dass die Verjährungsfrist auch ohne Anzeige der Antragsgegnerin zu laufen begonnen hätte (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2018 a.a.O.). Insbesondere ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die Antragstellerin für eine Wohnung im Stadtgebiet Grundsteuer zahlte, kein Anlass für die Antragsgegnerin zu weiteren Nachforschungen, ob diese Wohnung eine Zweitwohnung i.S.d. Zweitwohnungsteuersatzung vom 22. Dezember 2006 war oder anderweitig genutzt wurde, zB. vermietet war.
Die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist begann daher erst mit Ablauf des Jahres 2018 und war bei der Steuerfestsetzung 2018 nicht abgelaufen.
e) Der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer im angegriffenen Bescheid steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin für die dort veranlagten Zeiträume ab 2006 bzw. ab Inkrafttreten der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 KAG in der seit September 2009 geltenden Fassung (vgl. § 1 KAG-ÄndG v. 9.5.2008, LT-Drs. 15/10637) einen Anspruch auf Steuerbefreiung geltend macht.
Das Befreiungsverfahren nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 bis 8 KAG und das Steuerfestsetzungsverfahren stellen zwei gesonderte, wenn auch möglicherweise gleichzeitige Verfahren dar, die ihren Abschluss in zwei Verwaltungsakten finden, selbst wenn die Befreiung häufig mit der Steuerfestsetzung in einem Bescheid verbunden wird (vgl. zuletzt ausführlich VG München, U.v. 11.10.2018 – M 10 K 17.5157 – BeckRS 2018, 32278 m.w.N.) Dies ergibt sich schon eindeutig aus der Gesetzesbegründung (vgl. die Einzelbegründung B. VI. zu § 1, LT-Drs. 15/10637), wonach der Nachweis, dass die maßgeblichen (Einkommens-)Grenzwerte nicht überschritten werden, vom Zweitwohnungsinhaber in einem – insoweit gesonderten – Antragsverfahren zu führen ist. Die Gesetzesbegründung stellt weiter klar, dass, wenn die Nachweise erbracht werden, schon kein Zweitwohnungsteuerbescheid ergeht; ist die Festsetzung bereits erfolgt, wird die Steuerschuld „nicht erhoben“. Das Gleiche gilt auch für ein Erlassverfahren unter Geltendmachung (persönlicher) Billigkeitsgründe.
Im vorliegenden Fall ist mit Bescheid vom 17. August 2018 der Antrag auf Befreiung von der Zweitwohnungssteuer aufgrund geringen Einkommens wie auch ein Erlass aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO abgelehnt worden. Nach Aktenlage hat die Antragstellerin dagegen auch keinen Widerspruch eingelegt, sodass die Ablehnung bestandskräftig ist.
f) Schließlich ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Vollziehung (d.h. die Zahlung bzw. Zwangsvollstreckung der festgesetzten Zweitwohnungsteuer) für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte i.S.v. § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO zur Folge hätte.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine solch unbillige Härte vor, wenn durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids dem Abgabeschuldner wirtschaftliche Nachteile drohten, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden könnten oder nur schwer gutzumachen wären, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 35. EL September 2018, § 80 VwGO Rn. 296 m.w.N.).
Die Zahlung der für den streitigen Zeitraum 2006 bis 2017 festgesetzten Zweitwohnungsteuer in Höhe von insgesamt 8.437 € stellt zwar für einen Rentner mit geringen Einkünften eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastung dar. Die Antragsgegnerin ist diesem Umstand in ihrem Schreiben vom 28. September 2018 jedoch mit dem Angebot einer Ratenzahlung entgegengetreten, so dass nicht von einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung der Antragstellerin auszugehen ist.
Sonstige schwere Nachteile, die der Antragstellerin über die Zahlung der Zweitwohnungsteuer als solche hinaus entstehen würden, hat sie nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, auch sind solche nicht sonst ersichtlich.
3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 29. Mai 2018 war daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 3.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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