Verwaltungsrecht

Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bei Bemessung der Geldbuße unter Berücksichtigung vorsätzlicher Begehung

Aktenzeichen  3 Ss OWi 80/17

Datum:
1.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB StGB § 46 Abs. 3
BayBO BayBO Art. 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 8
OWiG OWiG § 17 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Es stellt einen Verstoß gegen den auch im Bußgeldverfahren geltenden Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB dar, wenn einem Betroffenen bei der Bemessung der Geldbuße vorsätzliches Verhalten angelastet wird (u. a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschluss vom 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 = BeckRS 2014, 4739 = NJOZ 2014, 858). (amtlicher Leitsatz)
2 Das Doppelverwertungsverbot soll verhindern, dass Umstände, die zum Tatbestand der Bußgeldnorm gehören oder die das generelle gesetzgeberische Motiv für die Bußgelddrohung darstellen, bei der Bemessung der Geldbuße noch einmal herangezogen werden. Das vorsätzliche Verhalten ist aber gerade Tatbestandsmerkmal und begründet den hohen Bußgeldrahmen des Art. 79 Abs. 1 BayBO. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 07.11.2016
1. im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Betroffene schuldig ist der vorsätzlichen Errichtung einer baulichen Anlage ohne die erforderliche Baugenehmigung;
2. im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
II.
Der Betroffene wird zur Geldbuße von 500 € verurteilt.
III.
Die Liste der angewendeten Vorschriften wird wie folgt berichtigt: Art. 55 Abs. 1, 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BayBO.
IV.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
V.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird jedoch auf 1/4 ermäßigt. Die Staatskasse trägt die Auslagen im Rechtsbeschwerdeverfahren und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu je 3/4.

Gründe

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen, einen Architekten, mit Urteil vom 07.11.2016 wegen „vorsätzlichen Bauens der Bodenplatte der Gaststätte um 30 cm zu groß“ zu einer Geldbuße von 2.000 € verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der Betroffene, der als Bauherr einen genehmigungspflichtigen Umbau einer Gaststätte aufgrund einer erteilten Baugenehmigung vornahm, in Abweichung von den genehmigten Plänen einen Anbau, der ursprünglich mit einer Breite von bis zu 3,20 m vorgesehen war, auf 3,50 m erweiterte und mit der Bauausführung im Juli 2015 begann, ohne dass die hierfür erforderliche Baugenehmigung erteilt worden war. Einen deswegen am 26.06.2015 zunächst gestellten Bauantrag nahm der Betroffene zurück. Aufgrund eines neuen Antrags vom 21.12.2015 wurde die Abweichung des Bauvorhabens durch Bescheid der zuständigen Bauaufsichtsbehörde vom 23.12.2015 schließlich genehmigt.
II. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat – abgesehen von der nicht gebräuchlichen Formulierung der Tenors der angefochtenen Entscheidung – im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Zur Begründung wird insoweit auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 11.01.2017 Bezug genommen, die durch die Gegenerklärung nicht entkräftet wird. Der Schuldspruch war – wie aus der Beschlussformel ersichtlich – zu berichtigen. Richtig zu stellen war zudem die Liste der angewendeten Vorschriften.
III. Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch der rechtlichen Nachprüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand.
1. Das Amtsgericht hat bei der Bemessung der Rechtsfolge explizit berücksichtigt, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Dies stellt einen Verstoß gegen den Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB dar, der auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 = BeckRS 2014, 4739 = NJOZ 2014, 858; BayObLGSt 1994, 237; OLG Düsseldorf VRS 84, 340; KK-OWiG/Mitsch 4. Aufl. § 17 Rn. 32, jeweils m. w. N.). Demnach besteht ein Doppelverwertungsverbot, welches verhindern soll, dass Umstände, die zum Tatbestand der Bußgeldnorm gehören oder die das generelle gesetzgeberische Motiv für die Bußgelddrohung darstellen, bei der Bemessung der Geldbuße noch einmal herangezogen werden. Das vorsätzliche Verhalten ist aber gerade Tatbestandsmerkmal und begründet den hohen Bußgeldrahmen des Art. 79 Abs. 1 BayBO, während bei Fahrlässigkeit § 17 Abs. 2 OWiG Anwendung findet, so dass das Vorliegen von Vorsatz bei der Bemessung der konkreten Rechtsfolge dem Betroffenen nicht angelastet werden darf.
2. Der Senat macht, weil weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, von der Befugnis zu eigener Sachentscheidung nach § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch und setzt die Geldbuße auf 500 € fest. Grundlage für die Zumessung der Geldbuße i. S. d. § 17 Abs. 3 OWiG sind der hohe Bußgeldrahmen bis zu 500.000 €, den Art. 79 Abs. 1 BayBO vorsieht, die geordneten Verhältnisse, in denen der Betroffene lebt, und die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit. In Bezug auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, dass die bauliche Abweichung von der ursprünglich erteilten Baugenehmigung keinen großen Umfang einnahm, der Betroffene zudem einen entsprechenden Bauantrag gestellt hat und dieser sogar nachträglich genehmigt wurde. In Anbetracht der relativ geringfügigen Bedeutung des verwirklichten Handlungsunrechts ist auch der Vorwurf, der den Betroffenen trifft, nicht allzu erheblich. Insgesamt sind deshalb 500 € zur Ahndung ausreichend.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.


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