Verwaltungsrecht

Verstoß gegen eine Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  1 ZB 17.1898

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27370
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19, Art. 31, Art. 37
VwGO § 86 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder z.B. wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (Anschluss an VGH München BeckRS 2017, 121523). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO findet unter anderem dann im Prozessrecht eine Stütze, wenn sich der behauptete Sachverhalt, als gegeben unterstellt, nicht auf die Entscheidung auswirken kann, weil es nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts für den Ausgang des Rechtsstreits nicht darauf ankommt (Anschluss an BVerwG BeckRS 2015, 51746). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 16.5597 2017-05-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 16. Mai 2017 wird der Streitwert für das Klageverfahren und das Zulassungsverfahren auf jeweils 3.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen die Fälligstellung und erneute Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer Nutzungsuntersagung. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 13. März 2014 untersagte der Beklagte dem Kläger die Nutzung eines als Garage genehmigten Gebäudes zu Wohnzwecken. Für den Fall der Nichtbefolgung der Nutzungsuntersagung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht. Nach mehreren Baukontrollen teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 9. November 2016 mit, dass das Gebäude weiterhin als Wohnung genutzt werde und das mit Bescheid vom 13. März 2014 angedrohte Zwangsgeld zur Zahlung fällig geworden sei. Darüber hinaus wurde erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Nutzungsverbot angedroht. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Mai 2017 ab.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) oder liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger macht geltend, er habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass er fristgerecht von der untersagten Nutzung Abstand genommen habe. Das Verwaltungsgericht habe zu seinem Nachteil die Vermutung aufgestellt, ein anderweitiger Aufenthalt schließe die Wohnnutzung im streitgegenständlichen Objekt nicht aus. Dem Kläger sei jedoch nicht jeder Aufenthalt dort verboten, sondern nur die (dauerhafte) Wohnnutzung dieser Räumlichkeit. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, sich mit dem behördlichen Fotomaterial kritisch auseinander zu setzen. Entgegen der Auffassung des Gerichts seien die Einlassungen des Klägers nicht unglaubhaft. Er habe seine Wohnung bei dem Zeugen genommen und nur mitunter bei einer zunächst genannten Freundin genächtigt.
Mit diesem Vorbringen richtet sich der Kläger gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweis- und Sachverhaltswürdigung. Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder z.B. wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2017 – 1 ZB 14.68 – juris Rn. 5; B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutrifft oder wegen Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft ist, bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht ist in seiner Urteilsbegründung auf den Vortrag des Klägers eingegangen, wonach er ab dem 31. März 2015 eine Wohnung in Rosenheim bezogen habe. Es hat nachvollziehbar dargelegt, dass dieser Vortrag nicht geeignet sei, die durch die Feststellungen bei den Ortseinsichten belegte Nutzung zu Wohnzwecken zu widerlegen. Mit dem Bescheid vom 13. März 2014 wurde nicht nur die Nutzung des Gebäudes als Hauptwohnsitz oder einziger ständiger Wohnsitz untersagt, sondern das Wohnen und damit der menschliche Aufenthalt zur selbstbestimmten Lebensführung generell. Auch eine Nutzung zu Freizeit(wohn) zwecken ist damit untersagt. Substantiierte Einwendungen zu den in Bezug genommenen und genannten Feststellungen der Baukontrolle, die das Verwaltungsgericht in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. UA S. 9), werden nicht geltend gemacht. Der Kläger greift sich nur einen einzelnen Umstand heraus (Möblierung) ohne auf die anderen Indizien einzugehen.
Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung gestellten förmlichen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt. Die beantragte Zeugeneinvernahme hätte ergeben, dass der Kläger die Wohnnutzung zum 31. März 2015 aufgegeben habe. Das Verwaltungsgericht hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Zeuge dies nicht hätte bestätigen können. Es sei mit den Grundsätzen der Amtsermittlung und Beweiswürdigung nicht in Einklang zu bringen, die Beweisaufnahme abzulehnen, da sich das Gericht ohnehin schon eine andere Überzeugung gebildet habe. Das Gericht sei seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht nachgekommen.
Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Sie findet unter anderem dann im Prozessrecht eine Stütze, wenn sich der behauptete Sachverhalt, als gegeben unterstellt, nicht auf die Entscheidung auswirken kann, weil es nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts für den Ausgang des Rechtsstreits nicht darauf ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn. 10 m.w.N.). Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag nannte als zu beweisende Tatsache, „dass der Kläger Ende März 2015 die Wohnnutzung des streitgegenständlichen Objekts aufgegeben hat und stattdessen die Wohnung bei dem nachgenannten Zeugen bezog“. Unter Beweis wurde damit gestellt, dass der Kläger seine Wohnung zu dem Zeugen verlagert habe, nicht jedoch das Unterlassen einer Nutzung des streitgegenständlichen Objekts zu Wohnzwecken. Wie bereits ausgeführt, reicht es nach der zutreffenden Auffassung des Verwaltungsgerichts für den Verstoß gegen die Nutzungsuntersagung indes aus, dass das streitgegenständliche Objekt zeitweise zu Wohnzwecken genutzt wird.
Soweit der Kläger in seiner Zulassungsbegründung geltend macht, der Zeuge hätte aufgrund seiner privaten Bekanntschaft mit dem Kläger Angaben über dessen Lebensführung machen können, wird eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dargelegt. Ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ist nur dann ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Dementsprechend müssen auch die für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen bezeichnet und es muss entweder dargelegt werden, dass bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 1 ZB 15.2574 – juris Rn. 12). Die Behauptung, der Zeuge könne über seine persönlichen Lebensumstände Auskunft geben, hat der Kläger erstmals im Zulassungsverfahren erhoben. Gegenüber dem Verwaltungsgericht hat er nicht auf eine Aufklärung in dieser Richtung hingewirkt. Der Kläger legt auch nicht dar, weshalb sich dem Verwaltungsgericht gleichwohl eine weitere Sachaufklärung zu den persönlichen Lebensumständen des Klägers hätte aufdrängen müssen. Zudem sind Erkenntnisse zum überwiegenden Aufenthalt des Klägers für das Vorliegen einer Wohnnutzung des streitgegenständlichen Objekts, wie bereits ausgeführt, nicht entscheidungserheblich.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 und Nr. 1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für die Feststellungsklage ist nach Nr. 1.7.1 und Nr. 1.3 Streitwertkatalog der fällig gestellte Zwangsgeldbetrag in Höhe von 2.000 Euro anzusetzen. Soweit sich die Klage daneben gegen die (erneute) Androhung des Zwangsgeldes richtet, ist hierfür gemäß Nr. 1.7.1 Satz 2 Streitwertkatalog die Hälfte des angedrohten Zwangsgeldes (1.500 Euro) anzusetzen. Die beiden Beträge werden nach Nr. 1.1.1 Streitwertkatalog addiert. Die Abänderungsbefugnis für die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Beck Widmann Beil


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