Verwaltungsrecht

Verteilung von Asylbewerbern – Gestattung des Auszugs aus dezentraler Unterkunft

Aktenzeichen  21 C 15.30221

Datum:
15.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufnG Art. 1, Art. 4 Abs. 4 S. 1
AsylbLG AsylbLG aF § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1
SGB XII SGB XII § 9 Abs. 2 S. 3, § 35

 

Leitsatz

Während des Asylverfahrens bedarf der Auszug aus einer dezentralen Unterkunft der Gestattung. Hierfür ist Voraussetzung, dass die gewünschte Wohnung keine unverhältnismäßigen Mehrkosten verursacht. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 15.301 2015-09-18 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1. Den Klägern geht es im Hauptsacheverfahren in erster Linie darum, dass der Beklagte verpflichtet wird, ihnen den Auszug aus einer dezentralen Unterkunft zu gestatten.
Die Regierung von Unterfranken wies die Kläger mit Bescheid vom 20. November 2012 dem Landkreis Main-Spessart zu und verpflichtete sie zur Wohnsitznahme in 97737 Gemünden. Mit Bescheid vom 8. Juli 2013 wies die Regierung den Klägern als künftigen Wohnsitz das „Wohnobjekt …“ (Obergeschoss rechts), … …, in … … zu.
Die Kläger ließen unter dem 18. Dezember 2014 beantragen, ihnen gemäß Art. 4 Abs. 4 Nr. 1 AufnG den „Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft und die Privatwohnsitznahme zu gestatten.“ Das Landratsamt Main-Spessart lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. März 2015 ab.
2. Die Kläger haben dagegen mit Schriftsatz vom 7. April 2015 Klage erhoben, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung beantragt sowie eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst der erforderlichen Nachweise vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 10. August 2015 ließen die Kläger unter anderem vortragen, sie seien nicht mehr verpflichtet, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, weil ihnen nunmehr ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zustünde. Es wurde eine prozessbeendende Erklärung angekündigt und um vorherige Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag gebeten. Das Landratsamt erwiderte, dass die Kläger zum Auszug aus der dezentralen Unterkunft aufgefordert worden seien, weil die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft am 27. Juli 2015 rechtskräftig geworden sei.
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 18. September 2015 abgelehnt. Die Kläger haben gegen den am 28. September 2015 zugestellten Beschluss am 12. Oktober 2015 Beschwerden eingelegt, denen das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO) sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zu Recht abgelehnt. Die Klagen bieten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung konnten die Kläger zu keinem Zeitpunkt die Gestattung des Auszugs aus der von ihnen bewohnten dezentralen Unterkunft beanspruchen. Dabei kann offenbleiben, ob ein solcher Anspruch, worauf die Kläger abstellen, aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG zu entnehmen ist oder ob er, wovon der Beklagte ausgeht, aus § 2 Abs. 1 AsylbLG und der daraus folgenden sozialrechtlichen Anknüpfung herzuleiten ist (1.1). Es ergibt sich auch nichts daraus zugunsten der Kläger, dass sie während des erstinstanzlichen Verfahrens bestandskräftig als Flüchtlinge anerkannt wurden (1.2).
1.1 Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG setzt die Berechtigung zum Auszug aus einer Gemeinschaftsunterkunft unter anderem voraus, dass durch den Ausländer eine anderweitige Unterkunft nachgewiesen wird, deren Aufwendungen den angemessenen Umfang nicht übersteigen. Einen solchen Nachweis haben die Kläger zu keinem Zeitpunkt erbracht. Es ist auch weder konkret dargelegt noch spricht etwas dafür, dass das Landratsamt, wie die Kläger sinngemäß behaupten, den Auszug unter der aufschiebenden Bedingung eines solchen Nachweises (Art. 36 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BayVwVfG) hätte gestatten müssen.
Nichts anderes ergibt sich der Sache nach, wenn auf die Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG i. d. F. vom 10. Dezember 2014 (BGBl I S. 2187) abgestellt wird. Danach ist das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Wären die Kläger diesem Personenkreis zuzurechnen, ergäbe sich aus den für den Bedarf an Unterkunft statt des § 3 AsylbLG entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch entgegen ihrer Auffassung keine freie Wahl des Wohnsitzes. Die Regelungen über die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung in § 35 SGB XII gelten für die von § 2 Abs. 1 AsylbLG erfassten Ausländer mit der Maßgabe, dass bei Asylbewerbern, die eine Aufenthaltsgestattung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG) besitzen, die besonderen Bestimmungen über die Unterbringung zwingend zu berücksichtigen sind (vgl. Deibel in Hohm, AsylbLG, Stand November 2015, § 2 Rn. 181). Mithin bedurften die Kläger, nach wie vor die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG unterstellt, bis zu ihrer bestandskräftigen Anerkennung als Flüchtlinge für den von ihnen begehrten Auszug einer Gestattung, für die bei einer dezentralen Unterkunft der örtliche Träger zuständig ist (§ 18 Abs. 3 DVAsyl). Für die Erfolgsaussichten der Klage ist es ohne Bedeutung, wenn für diese Gestattung die Bestimmungen des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuchs statt des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG herangezogen werden. Denn in diesem Fall kommt es auch darauf an, ob die gewünschte Wohnung nicht unverhältnismäßige Mehrkosten verursacht (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Die Kläger haben jedoch schon keine anderweitige Wohnung nachgewiesen.
1.2 Im Übrigen ergibt sich auch nichts dadurch zugunsten der Erfolgsaussichten der Klagen, dass die Kläger nunmehr als Flüchtlinge anerkannt wurden. Mit der nach Lage der Akten am 27. Juli 2015 bestandskräftig gewordenen Flüchtlingsanerkennung entfielen die Aufenthaltsgestattungen der Kläger (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylVfG) und damit ab dem 1. August 2015 die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylbLG). Mithin unterfallen die Kläger seit diesem Zeitpunkt nicht mehr dem Geltungsbereich des Aufnahmegesetzes (Art. 1 AufnG) mit der Folge, dass es für den Umzug aus der Unterkunft keiner Gestattung mehr bedurfte und ein darauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren schon aus diesem Grund ohne Erfolg bleiben muss.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, wobei allerdings Kosten nicht erstattet werden (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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