Verwaltungsrecht

Verumutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG bezüglich Äthiopien gegenwärtig widerlegt

Aktenzeichen  B 7 K 17.33349

Datum:
5.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24038
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 28 Abs. 1a
RL 2011/95/EG Art. 4 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG, wonach bei einem wegen politischer Oppositionstätigkeit vorverfolgten Asylbewerber die Verfolgungsfurcht weiterhin begründet ist bzw. er tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, ist im Hinblick auf die politischen Veränderungen in Äthiopien gegenwärtig als widerlegt anzusehen. (Rn. 45 – 47)
2. Selbst bei solchen Äthiopiern, die sich in herausgehobener Art und Weise exilpolitisch in Deutschland engagieren, ist es gegenwärtig nicht (mehr) beachtlich wahrscheinlich, dass diesen bei Rückkehr eine Verfolgung aus politischen Gründen droht. (Rn. 60)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 30.08.2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt diesbezüglich zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Selbst unter Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers im Klageverfahren besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Der Kläger hat sein Herkunftsland nicht vorverfolgt verlassen. Dem Kläger ist es auch in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen ist, einen schlüssigen, zusammenhängenden und nachvollziehbaren Sachvortrag abzuliefern. Im Gegenteil, der Vortrag blieb vage, detailarm und widersprüchlich, so dass das Gericht dem Vorfluchtgeschehen keinen Glauben schenkt.
aa) Das Gericht teilt uneingeschränkt die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 06.02.2018, wonach der Kläger über seine Identität täuscht. Nach der vorliegenden VIS-Auskunft hat der Kläger unter dem Namen …, geb. am … in …, bei der spanischen Botschaft in Addis Abeba ein Visum für den Schengen-Raum beantragt und am 18.08.2016 mit einem Gültigkeitszeitraum vom 22.08.2016 bis zum 25.09.2016 erhalten. Gegenüber dem Bundesamt und dem Gericht gab und gibt der Kläger jedoch an, … zu heißen und in … geboren zu sein. Die Einlassung des Klägers gegenüber dem Gericht, das Schengen-Visum habe er mit einem gefälschten Reisepass über einen Schleuser erlangt, ist höchst unglaubwürdig. Bereits der Aussage des Klägers, die Unterschrift auf dem Reisepass, welcher auf den Namen … ausgestellt ist und bis zum 25.05.2021 gültig ist, sei nicht seine eigene Unterschrift, ist im Hinblick auf die anderweitig im Asylverfahren geleisteten – täuschend ähnlichen – Unterschriften wenig überzeugend. Völlig unglaubwürdig ist, dass der Kläger aufgrund der genauen Personal- und Passkontrollen auf dem Flughafen Bole in Addis Abeba am 14.10.2016 mit einem gefälschten äthiopischen Pass ausgereist sein will (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 22.03.2018, S. 26; VG Bayreuth, U.v. 15.12.2016 – B 2 K 16.30717). Auch die vorgetragene problemlose Einreise über den Flughafen Frankfurt a.M. mit einem gefälschten äthiopischen Pass kann dem Kläger in Anbetracht der Auskunftslage nicht geglaubt werden. Nach der Auskunft der Bundespolizeidirektion Frankfurt a.M. an das VG Ansbach vom 10.09.2014 in der dortigen Streitsache AN 3 K 14.30428 ist die Behauptung äthiopischer Asylsuchender, problemlos mit gefälschten Reisedokumenten über den Flughafen Frankfurt a.M. in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, haltlos. Im Rahmen der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle werden die vorgelegten Ausweisdokumente eingehend und unter Zuhilfenahme verschiedener technischer Geräte auf Verfälschungsmerkmale hin überprüft. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Kläger behauptet, mit dem gefälschten Reisepass und dem – über den Schleuser erlangten – Schengen-Visum nach Deutschland eingereist zu sein. Ausweislich der VIS-Auskunft war das Schengen-Visum jedoch bereits am 25.09.2016 abgelaufen, sodass es nach Auffassung des Gerichts ausgeschlossen ist, dass der Kläger am 15.10.2016 mit dem gefälschten Reisepass und dem vom 22.08.2016 bis zum 25.09.2016 gültigen Schengen-Visum über den Flughaften Frankfurt a.M. in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (vgl. auch Auskunft der Bundespolizeidirektion Flughaften Frankfurt a.M. vom 18.09.2014 a.a.O. und VG Bayreuth, U.v. 15.12.2016 – B 2 K 16.30717).
bb) Von massiven Widersprüchen sind ferner die klägerischen Einlassungen zu seinem Einsatz als Militärangehöriger bei Demonstrationen geprägt. Bei der Anhörung beim Bundesamt am 10.11.2016 hat der Kläger noch angegeben, er sei als Militärangehöriger zweimal bei Demonstrationen eingesetzt worden. Gleiches lässt sich dem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28.02.2018 entnehmen. Seitens des Militärs habe man ihn gezwungen, mit dem Schlagstock gegen regierungskritische Demonstranten vorzugehen. Deswegen habe er die Armee verlassen und sich später den Demonstranten gegen die Regierung angeschlossen. Dem Gericht erklärt er hingegen in der mündlichen Verhandlung, er sei niemals dienstlich bei einer Demonstration gewesen, sondern immer nur als Demonstrationsteilnehmer. Auf Vorhalt des Gerichts konnte der Kläger dem Gericht für diese massiven Widersprüchlichkeiten keine plausible Erklärung liefern. Der Kläger suchte vielmehr nur Ausflüchte und erklärte letztlich, er sei als Privatperson bei den Demonstrationen gewesen, sein Chef habe ihm aber Hinweise gegeben, dass er als Privatperson gegen die Demonstranten vorgehen solle. Diese Einlassung ist aber in keiner Weise geeignet, die Unstimmigkeiten zum Vortrag beim Bundesamt plausibel aufzuklären. Der Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung hat insoweit eine ganz andere inhaltliche Qualität als die bisherigen Einlassungen.
cc) Grob unstimmig sind auch die klägerischen Einlassungen zu seiner Freilassung. Bei der Anhörung beim Bundesamt gab der Kläger noch an, er sei auf der Demonstration festgenommen und mit zwei Polizisten in einem Bus Richtung Gefängnis gefahren. Auf dem Weg zum Gefängnis habe man ihn in einem Waldstück abgesetzt. Der Bus sei dann mit den anderen festgenommenen Personen zum Gefängnis weitergefahren. Kollegen, die zugleich gute Bekannte gewesen seien, seien anschließend zu ihm in den Wald gekommen und hätten ihm zur Flucht verholfen. Dem Gericht erklärte er hingegen in der mündlichen Verhandlung, er sei nach einer Demonstration am 06.01.2009 des äthiopischen Kalenders von der Tigray-Polizei festgenommen und in ein Gefängnis verbracht worden. Im Gefängnis habe er einen ehemaligen Kollegen getroffen, den er alles erzählt habe. Daraufhin habe der Kollege zu ihm gesagt, er müsse verschwinden. Auf Vorhalt des Gerichts will der Kläger dann dem ominösen Kollegen doch nicht im Gefängnis, sondern an einem Ort vor dem Gefängnis, wo er von der Tigray-Polizei der anderen Polizei übergeben worden sei, getroffen haben. Daneben erklärte der Kläger dem Gericht, die Tigray-Polizei habe ihn den befreundeten Kollegen übergeben, während beim Bundesamt noch die Rede davon war, dass ihn die festnehmenden Polizisten alleine im Wald zurückgelassen hätten, bevor die befreundeten Kollegen gekommen seien um ihm zu helfen. Konfrontiert mit diesen Widersprüchlichkeiten vermochte der Kläger dem Gericht ebenfalls keine plausible Erklärung zu liefern. Er flüchtete sich vielmehr in gerichtsbekannte Ausflüchte und versuchte die Unstimmigkeiten mit Verständigungsproblemen beim Bundesamt zu rechtfertigen. Dies ist schon im Ansatz nicht glaubwürdig, da der Kläger beim Bundesamt bescheinigt hat, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben hat und er zudem Gelegenheit hatte, ausführlich seine Fluchtgründe zu berichten. Daneben ist von einem anwaltlich vertretenen Kläger zu erwarten, dass evtl. Lücken oder Unstimmigkeiten in der Niederschrift zeitnah moniert werden und nicht erst fast zwei Jahre später auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung.
dd) Nicht glaubwürdig sind auch die Ausführungen des Klägers beim Bundesamt zur „Fahnenflucht“. Es widerspricht jeglicher Logik, dass ein Soldat, der – weil seine Kündigung nicht akzeptiert worden ist – von der Armee geflüchtet sein will, einen Monat später an einer (verbotenen bzw. regierungskritischen) Demonstration teilnimmt, obwohl er weiß, dass dort Soldaten und andere Sicherheitskräfte zur Niederschlagung eingesetzt werden und damit das Risiko, entdeckt bzw. verhaftet zu werden, extrem hoch ist.
ee) In Anbetracht der massiven Widersprüchlichkeiten schenkt das Gericht dem klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung, er sei seit dem Jahr 2014 Mitglied der Andenet und habe bereits in Äthiopien politische Opposition betrieben, keinen Glauben. Das Gericht stuft diesen Sachvortrag als unglaubwürdige Steigerung des Fluchtgeschehens ein, um eine bessere Anerkennungswahrscheinlichkeit zu erlangen. Weder in der mündlichen Verhandlung noch im dort übergebenen Schriftsatz vom 24.08.2018 ist dargetan, warum der Kläger eine politische Betätigung in Äthiopien beim Bundesamt oder im bisherigen Klageverfahren mit keinem Wort erwähnt hat. Dies gilt umso mehr, da der Kläger nach der Bescheinigung der Andenet vom 26.08.2016 für die Partei eine große Infrastruktur aufgebaut haben und er in diesem Zusammenhang vom Regime verfolgt worden sein soll, sodass er das Land habe verlassen müssen. Es ist höchst unglaubwürdig, wenn der Kläger in Äthiopien herausgehoben oppositionell aktiv gewesen sein will und in diesem Zusammenhang die Flucht hat ergreifen müssen, er aber beim Bundesamt über diese Tätigkeiten kein Wort verloren hat. Vielmehr stützte er dort seine Fluchtgeschichte auf eine Festnahme bei einer Demonstration und dem Fernbleiben vom Militär. Dieser Einschätzung des Gerichts stehen auch die vorgelegten Bescheinigungen der Andenet nicht entgegen. Es ist gerichtsbekannt, dass derartige Bescheinigungen in afrikanischen Ländern leicht gegen entsprechende Geldzahlungen erhältlich sind. Am Wahrheitsgehalt der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht massive Zweifel.
ff) Im Übrigen macht das Gericht von seinem Ermessen Gebrauch und weist das Vorbringen hinsichtlich einer Tätigkeit des Klägers für die Andenet gem. § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.
Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG hat der Kläger die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung anzugeben. Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der obigen Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist. Der Kläger wurde sowohl von der Beklagten im Bescheid vom 11.04.2017 als auch vom Gericht in der Klageeingangsmitteilung darauf hingewiesen, dass die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids anzugeben sind. Die politische Tätigkeit des Klägers in Äthiopien wurde aber erstmals in der mündlichen Verhandlung am 30.08.2018, obwohl der Kläger nach eigenen Angaben und ausweislich der Bescheinigungen bereits seit dem Jahr 2014 die Partei tätig sein soll, vorgetragen. Weiterhin wurde der Kläger auch mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung – unter Hinweis auf § 87b Abs. 3 VwGO – aufgefordert, bis zum 23.07.2018 evtl. neue Unterlagen vorzulegen bzw. neue Umstände vorzutragen. Auch innerhalb dieser Frist erfolgte kein entsprechender Vortrag. Es wäre dem anwaltlich vertretenen Kläger daher ohne weiteres zuzumuten gewesen, fristgerecht die Tätigkeit des Klägers für die Andenet in Äthiopien vorzubringen. Entschuldigungsgründe sind weder dargetan noch anderweitig ersichtlich. Die Einlassung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung, er versuche seit dem 24.08.2018 erfolglos den Schriftsatz mit Anlagen an das Gericht zu faxen, ändert hieran nichts. Zum einen lag nach Auskunft der Poststelle des Gerichts im maßgeblichen Zeitraum vor der mündlichen Verhandlung keine „Fax-Störung“ vor. Zum anderen liegt auch der 24.08.2018 weit jenseits der gesetzlichen bzw. behördlichen Präklusionsfrist. Letztlich würde die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags nach Überzeugung des Gerichts zur Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen, da in diesem Fall das Gericht weitere Ermittlungen zum Wahrheitsgehalt der Bescheinigungen und zum Umfang der politischen Tätigkeit des Klägers in Äthiopien anstellen müsste.
gg) Selbst wenn man die Tätigkeit des Klägers für die Andenet als wahr unterstellen würde, führt dies – im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer Verfolgung aus politischen Gründen. Aufgrund der geänderten politischen Lage in Äthiopien ist es nach Auffassung des Gerichts im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht (mehr) beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien erneut einer politischen Verfolgungshandlung mit flüchtlingsrechtlicher Intensität ausgesetzt sein würde. Zwar ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung immer noch begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift begründet damit eine Vermutung dafür, dass ein vorverfolgter Kläger erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in sein Heimatland bedroht wird.
Soweit äthiopische Kläger (glaubhaft) aus politischen Gründen vorverfolgt ihr Heimatland verlassen haben, ist aufgrund der gegenwärtigen Auskunftslage und den aktuellen politischen Ereignissen, insbesondere im Juli und August 2018, im gegenwärtigen Zeitpunkt die Vermutung nach der Richtlinie als widerlegt anzusehen sein. Als Folge des im Frühjahr 2018 eingeleiteten Umbruchs hat sich die Situation für Oppositionelle in Äthiopien grundlegend geändert. Unter dem neuen Premierminister Abiy Ahmed wurde insbesondere die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen am 5.7.2018 durch das Parlament aufgehoben (vgl. https://www. aljazeera.com/news/2018/06/ethiopia-olf-onlf-ginbot-7-terror-list-180630110501697.html). Mit Gesetz vom 20.7.2018 wurde zudem allen Äthiopiern, die wegen Verrats, Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder bewaffneten Widerstands verurteilt wurden oder Objekt von Ermittlungen sind, Straffreiheit zugesichert. Durch die Amnestie für alle politische Vergehen soll den Oppositionellen ermöglicht werden, eine friedliche politische Karriere in Äthiopien zu verfolgen (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/07/ethiopian-grants-amnesty-political-prisoners-180720191811460.html). Daneben hat die äthiopische Regierung am 7.8.2018 in Asmara ein „Friedensabkommen“ mit der OLF geschlossen. Die OLF will ihre politischen Ziele danach künftig mit friedlichen Mitteln durchsetzen (https://www.aljazeera.com/news/africa/2018/08/ethiopia-signs-deal-oromo-rebels-hostilities-180807184317117.html; http://www.africanews.com/2018/08/07/ethiopia-govt-agrees-peace-deal-with-ex-terror-group-based-in-eritrea). Auch die Ginbot 7 ist zwischenzeitlich von ihrem Stützpunkt im benachbarten Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt, weil deren Kämpfern und Unterstützern in Äthiopien keine Verfolgung mehr droht (http://www.africanews.com/ 2018/09/03/ethiopia-s-ex-rebel-group-ginbot-7-returns-from-eritrea-base/). Die Zahl der Oppositionellen, die nach Äthiopien zurückkehren, steigt stetig und rasant (http://www.africanews.com/2018/09/03/photos-exiled-oromia-regional-president-returns-to-fanfare/). Daher besteht für den Kläger, der ausweislich der vorgelegten Unterlagen „nur“ für die UDJ (Unity for Democracy and Justice Party – Partei für Demokratie und Gerechtigkeit – Andenet), einer legal Oppositionspartei, tätig war, erst recht keinerlei beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus politischen Gründen (mehr).
Das Gericht verkennt nicht, dass die Arbeit des neuen Premierministers mit Rückschlägen und Gegenwind verbunden ist. Die weiterhin vereinzelten Anschläge und Gewaltakte in Äthiopien vermögen an der Einschätzung des Gerichts zur politischen Verfolgung nichts zu ändern. Die Gewaltakte finden zum einen im Wesentlichen in der „Somali-Region“ statt. Zum anderen wird vorwiegend von andauernden bzw. schwelenden ethnischen Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen berichtet, aber nicht von konkret-individuellen Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylG wegen politischer Aktivitäten Einzelner (https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-ethnische-konflikte-schwelen-weiter/a-45011266). Aufgrund der jüngsten Gesetze und Vereinbarungen, verbunden mit der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann daher nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass oppositionelle Tätigkeiten in Äthiopien zu flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen führen (vgl. auch VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 – RO 2 E 18.31617 – juris**VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 – RO 2 K 17.33894 – juris). Es liegen insbesondere auch keinerlei Anhaltspunkte davor vor, dass die vom Parlament beschlossenen Veränderungen zugunsten der politischen Opposition in der (Vollzugs-) Praxis ignoriert würden.
b) Auf den Nachfluchtgrund der exilpolitischen Betätigung für die EPPFG kann sich der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG auf Ereignisse beruht, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat. Nach Überzeugung des Gerichts ist es aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen exilpolitischer Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.
In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen ist zweifelsohne zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen in der Vergangenheit genau beobachtet hat bzw. durch die Auslandsvertretungen hat beobachten lassen. Ob diese Beobachtungen auch unter dem Regime des seit Anfang April 2018 amtierenden Premierminister Abiy Ahmed fortgeführt werden, ist gegenwärtig nicht ersichtlich. Als Folge des im Frühjahr 2018 eingeleiteten Umbruchs wurde jedoch am 5.7.2018 die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen durch das Parlament aufgehoben (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/06/ethiopia-olf-onlf-ginbot-7-terror-list-180630110501697.html). Zwischenzeitlich hat sich die äthiopische Regierung mit der OLF zudem offiziell versöhnt und diese als politische Kraft anerkannt (vgl. https://www.aljazeera.com/news/africa/2018/08/ethiopia-signs-deal-oromo-rebels-hostilities-180807184317117.html). Mit Gesetz vom 20.7.2018 wurde allen Äthiopiern, die wegen Verrats, Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder bewaffneten Widerstands verurteilt wurden oder Objekt von Ermittlungen sind, Straffreiheit zugesichert. Durch die Amnestie für alle politische Vergehen soll auch den Oppositionellen im Exil ermöglicht werden, nach Hause zurückzukehren und eine friedliche politische Karriere in Äthiopien zu verfolgen (vgl. https://www.aljazeera.com/news/2018/07/ethiopian-grants-amnesty-political-prisoners-180720191811460.html). Auch die Ginbot 7 ist zwischenzeitlich von ihrem Stützpunkt im benachbarten Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt, weil deren Kämpfern und Unterstützern in Äthiopien keine Verfolgung mehr droht (http://www.africanews.com/ 2018/09/03/ethiopia-s-ex-rebel-group-ginbot-7-returns-from-eritrea-base/). Die Zahl der Exilpolitiker, die nach Äthiopien zurückkehren, steigt stetig und rasant (http://www.africanews.com/2018/09/03/photos-exiled-oromia-regional-president-returns-to-fanfare/).
Das erkennende Gericht ist bereits vor dem politischen Umbruch in Äthiopien im Frühjahr/Sommer 2018 davon ausgegangen, dass nicht jede, wie auch immer geartete, Form der Betätigung für eine der zahlreichen exilpolitischen Gruppen in der äthiopischen exilpolitischen Szene im Ausland bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr führt. Vielmehr kommt es für die Feststellung des relevanten Gefährdungsgrades grundsätzlich darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und in welcher Art und in welchem Umfang der oder die Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v.20.11.2017 – B 2 K 16.31139 – juris; vgl. auch VG Kassel, U.v. 22.2.2018 – 1 K 302/17.KS.A – juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017- 1 K 2320/17.KS.A – juris; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180 – juris). Bloßen „Mitläufern“ droht bei einer Rückkehr grds. keine beachtliche Verfolgungsgefahr. Der aktuellen Auskunftslage – unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Stellungnahmen aufgrund des Beweisbeschlusses des BayVGH vom 26.3.2018 (Az. 8 B 17.31645 u.a.) – ist nichts anderes zu entnehmen.
Dem Auswärtigen Amt (AA) lagen schon nach dem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 22.3.2018 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Maßgeblich sei vielmehr der konkrete Einzelfall, also beispielsweise, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen werde oder um welche politische Tätigkeit es sich handle (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung sei auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätige. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibe – soweit bekannt – ohne Konsequenzen (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A – juris; VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris). Der Lagebericht vom 22.3.2018 geht insbesondere auch auf die innenpolitischen Entwicklungen im Frühjahr 2018 und auf den am 16.2.2018 ausgerufen (neuerlichen) Ausnahmezustand ein (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 6). Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen hält das Auswärtige Amt hinsichtlich der Gefährdungseinschätzung bei Rückkehr von im Ausland exilpolitisch tätigen Äthiopiern an den Ausführungen im Lagebericht vom 6.3.2017 fest (vgl. AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, S. 16; AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18).
Aufgrund des Beweisbeschlusses des BayVGH vom 26.3.2018 (Az. 8 B 17.31645 u.a.) teilte das Auswärtige Amt mit Stellungnahme vom 14.6.2018 mit, es sei zwar davon auszugehen, dass äthiopische Stellen exilpolitische Organisationen in Deutschland beobachten und die Mitgliedschaft bzw. die Unterstützungshandlungen für eine solche Organisation bekannt werde. Allerdings müsse auch davon ausgegangen werden, dass das Interesse an der Beobachtung von Personen/Aktionen und die Weitergabe der Informationen vom Grad der Involvierung bzw. der konkreten Aktivität der betreffenden Person abhänge. Zudem geht auch das AA von einem Wandel der innenpolitischen Lage seit dem Amtsantritt des neuen Premierministers aus. Der im Februar 2018 für sechs Monate verhängte Ausnahmezustand sei Anfang Juni 2018 vorzeitig beendet worden. Seit Januar 2018 sei eine größere Anzahl vom politisch Gefangenen, darunter auch Mitglieder der bislang als terroristisch eingestuften Ginbot 7, entlassen worden. Ob eine Unterstützung einer Exilorganisation oder eine einfache Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation (ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben) bei einer Rückkehr negative Auswirkung nach sich zieht, kann vor dem innenpolitischen Hintergrund vom AA nicht beurteilt werden. Sollte es Auswirkungen geben, sei jedoch davon auszugehen, dass die Art der Auswirkung vom Grad der Involvierung bzw. der konkreten Aktivitäten der betreffenden Person abhänge. Es sind lt. AA auch keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen der exilpolitischen Tätigkeit durch äthiopische Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden.
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr wegen der einfachen Mitgliedschaft und/oder einem durchschnittlichen Engagement in einer exilpolitischen Organisation, kann der neusten Auskunft des Auswärtigen Amtes damit schon im Ansatz nicht entnommen werden.
Die Auskunft des Leibniz-Instituts (GIGA an VG Gießen vom 30.1.2017 in der Sache 6 K 4787/15.GI.A) – zum Fall einer exilpolitischen Tätigkeit für die EPPFG – stellt ebenfalls nur fest, dass eine Verhaftung für den Fall der Rückkehr nicht ausgeschlossen werden könne. Diese Feststellung erreicht aber schon nicht den Maßstab der notwenigen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit (VG Regensburg, U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris).
Nichts anderes folgt aus der Auskunft des Leibniz-Instituts vom 19.5.2018 (GIGA an den BayVGH in der Sache 8 B 17.31645 u.a.). In der aktuellen Auskunft wird lediglich ausgeführt, dass die äthiopische Regierung über ihre Auslandsvertretungen und einem Netz von Informanten die Aktivitäten der exilpolitischen Organisationen verfolge sowie dass davon auszugehen sei, dass sowohl die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung als auch Unterstützungshandlungen einzelner Personen der äthiopischen Regierung bekannt werden würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person als einer Exilorganisation zugehörig eingestuft wird, dürfte lt. der Stellungnahme vom 19.5.2018 mit der Häufigkeit der entsprechenden Aktivitäten wachsen. Auch das Leibnitz-Institut konnte keine Angaben zu Vernehmungen, Inhaftierungen und Misshandlungen zurückgekehrter Äthiopier, die keine herausgehobene Funktion in der Exilpolitik hatten, machen. Die Stellungnahme verweist auf Seite 8/9 nur auf zwei prominente und hochrangige Exilpolitiker, die nach Auffassung des Gerichts kein Beispiel und Maßstab für die Behandlung der breiten Masse von exilpolitisch tätigen Äthiopiern sind. Im Übrigen wird lediglich davon ausgegangen, dass es vor dem volatilen Hintergrund der politischen Veränderungen „keinesfalls auszuschließen ist“, dass einfachen Mitgliedern oder Unterstützern von politischen Exilorganisationen, die von der Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, die Verfolgung und Verhaftung drohe (S. 2 und 3 der Stellungnahme).
AMNESTY INTERNATIONAL (AI) führte mit Stellungnahme vom 11.7.2018 an den BayVGH (Az. 8 B 17.31645 u.a.) aus, dass sich die politische Lage in Äthiopien seit Anfang 2018 deutlich verändert hat. Trotz begrüßenswerter Veränderungen in Äthiopien bleibe abzuwarten, wie sich die menschenrechtliche Situation vor Ort entwickeln werde. Vor dem Hintergrund der neuen und sich ständig ändernden Situation sei es AI nach eigenen Angaben nicht möglich, eine Aussage über die aktuelle Situation bzw. über zukünftige Entwicklungen zu treffen. Daher legte AI dem Gutachten die politische Situation in Äthiopien der letzten Jahrzehnte bis Anfang 2018 zugrunde. Die Ausführungen von AI zur politischen Situation in Äthiopien und zur Behandlung von exilpolitisch tätigen Personen bis Anfang 2018 sind jedoch nicht geeignet, eine verlässliche Auskunft über die gegenwärtige Situation, die nach § 77 Abs. 1 AsylG im Asylverfahren maßgeblich ist, zu liefern. Bemerkenswert ist zudem, dass die Auskunft vom 11.7.2018 nicht einmal den Beschluss des äthiopischen Parlamentes vom 5.7.2018 aufgreift, mit dem die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen aufgehoben wurde. Vielmehr wird – unter Bezugnahme auf veraltete Quellen – weiterhin davon ausgegangen, dass die OLF von der Regierung als terroristische Organisation eingestuft wird (S. 3 und 4 der Stellungnahme).
G. Sch. geht in seiner Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen in der dortigen Streitsache 6 K 4787/15.GI.A davon aus, dass eine Verfolgungsprognose anhand bestimmter Merkmale nicht abgegeben werden könne, weil das Handeln der äthiopischen Sicherheits- und Justizbehörden gegenüber allen wirklichen und putativen Gegnern von einem hohen Maß an Willkürlichkeit geprägt sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei generell die Unterscheidung zwischen unbedeutender und exponierter Stellung in einer Oppositionsorganisation als nicht relevant für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr anzusehen. Dies gelte in besonderem Maß seit dem Erlass der Anti-Terrorismusgesetze und gerade auch unter dem Ausnahmezustand. Weiter führt er aus, dass mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ eine längere Inhaftierung – verbunden mit intensiver Befragung – auch unter dem jetzigen Ausnahmezustand als Minimum anzunehmen sei. Es bleibt jedoch offen, wie Sch. trotz der Prognoseunsicherheit zu dieser Annahme kommt. So belegt er diese Annahme nicht mit konkreten Beispielen für ein Einschreiten äthiopischer Stellen gegen Rückkehrer, obwohl er angibt, dass diese häufig verhaftet würden (Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass kaum Abschiebungen nach Äthiopien stattfinden, was die Grundlage dieser Aussage allerdings fraglich erscheinen lässt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es seit Mitte 2015 im Zusammenhang mit dem „Masterplan“ der Regierung vor allem in der Provinz Oromia zu Massenprotesten kam und es im Zusammenhang mit diesen Protesten und dem Einschreiten der Sicherheitskräfte zu Todesfällen und Verhaftungen gekommen ist. So sollen nach dem Gutachten von G. Sch. im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden sein. Diese Verhaftungen fanden jedoch im Zusammenhang mit – zumindest teilweise – gewaltsamen Protesten in Äthiopien statt. Sie sind kein Beleg dafür, dass auch Rückkehrer alleine wegen ihrer exilpolitischen Betätigung nun einem beachtlichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Dies belegen auch die Ausführungen in der Stellungnahme Sch.s nicht hinreichend. Dieser führt zwar nachvollziehbar aus, dass im Zusammenhang mit den Unruhen in Äthiopien selbst die äthiopische Diaspora – auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach dem äthiopischen Anti-Terrorismusgesetz von 2009 – verstärkt überwacht wird (Rn. 134 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Ein konkretes Beispiel für eine Verfolgung allein auf Grund einer exilpolitischen Tätigkeit unterbleibt jedoch. Auffällig ist hierbei auch, dass Sch. zum einen zwar deutliche Aussagen trifft (Bestrafung jedes Mitglieds einer exilpolitischen Gruppe, die mit einer als terroristisch eingestuften Gruppe zusammenarbeitet [Rn. 232 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; häufige Verhaftungen [Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumaner Haftbedingungen [Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017]), gleichzeitig aber äußert, dass sich angesichts der Willkürlichkeit die konkreten Verfolgungshandlungen im Einzelnen schwer vorhersagen ließen und er an anderer Stelle (Rn. 226 der Stellungnahme vom 15.2.2017) angibt, dass im heutigen Äthiopien, die eine staatliche Verfolgung auslösenden Momente in der Regel vielschichtig seien und sich nur selten auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren ließen (vgl. ausführlich: VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A – juris).
Auch unter Einbeziehung der Stellungnahme G. Sch.s vom 18.2.2018 in der Streitsache W 3 K 16.30383 an das VG Würzburg ist das Gericht nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr für Rückkehrer alleine wegen jeder – wie auch immer gearteter – Form der exilpolitischen Betätigung überzeugt. Zwar kommt G. Sch. zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass unter dem wiedereingeführten Ausnahmezustand exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt seien, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden (Rn. 83 der Stellungnahme vom 18.2.2018), während in der Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen noch ausgeführt wurde, angesichts der Willkürlichkeit im Handeln der Sicherheitsorgane und der mangelnden Rechtsstaatlichkeit in Äthiopien lasse sich im Einzelnen nicht vorhersagen, was Rückkehrer zu befürchten hätten. Eine längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumanen Haftbedingungen sei jedoch als Minimum anzunehmen (Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017; dieser Passus befindet sich im Übrigen auch noch unter Rn. 82 der Stellungnahme vom 18.2.2018). Anderseits führt Sch. in Rn. 17 der Stellungnahme vom 18.2.2018 aus, aufgrund es neuerlichen Ausnahmezustandes vom 16.2.2018 scheinen die gleichen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 zu gelten. Für das Gericht ist daher weder nachvollziehbar noch plausibel dargelegt, warum nunmehr (allein) aufgrund des Ausnahmezustand 2018 exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt sein sollen, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden, wenn keine anderen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 gelten. Im Übrigen sind die Ausführungen Sch.s durch die aktuellen politischen Entwicklungen in den letzten Wochen und Monaten teilweise überholt. Der im Februar 2018 für sechs Monate anberaumte Ausnahmezustand wurde – wie bereits ausgeführt – am 5.6.2018 wegen der „relativen Stabilität und Ruhe im Land“ vorzeitig wiederaufgehoben. Daneben wurden vom Parlament im Juli 2018 grundlegende Änderungen bei den „Anti-Terrorgesetzen“ sowie eine Amnestie für politische Vergehen/Verbrechen beschlossen.
Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Auskunftslage nimmt das Gericht daher nicht an, dass äthiopischen Asylbewerbern, die sich zu einer Exilorganisation bekennen, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG erwartet (vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 15.08.2018 – B 7 K 17.31116 – juris; VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 – RO 2 K 17.33894 – juris). Erforderlich für einen beachtlichen Nachfluchtgrund aufgrund exilpolitischer Betätigung ist nämlich eine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Nicht ausreichend ist hingegen, dass eine solche möglich ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Bei einer Rückkehr nach Äthiopien mussten schon bislang allenfalls solche Personen mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt haben, dass sie die äthiopischen Behörden als ernsthafte Oppositionsangehörige einstufen haben (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 20.11.2017- B 2 K 16.31139 – juris; VG Gießen, U.v. 25.4.2018 – 6 K 116/17.GI.A – juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017 – 1 K 2320/17.KS.A – juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.Gl.A – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 21 B 15.30119 – juris; BayVGH, U.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363 und 21 B 05.31082 – juris; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017- W 3 K 17.31180 – juris). Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen musste davon ausgegangen werden, dass auch diesen nicht verborgen geblieben sein kann, dass bei einer Vielzahl von äthiopischen Asylbewerbern weniger politische Interessen maßgeblich sind als vielmehr das Bemühen, sich im Asylverfahren eine günstigere Ausgangsposition zu verschaffen. Im Hinblick darauf war es schon bislang nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden „Mitläufer“ als für das Regime gefährlich erachten und gegen diese im Falle ihrer Rückkehr in einer Art und Weise vorgehen, dass die für eine Schutzgewährung anzulegende Schwelle erreicht wird.
Die aktuellen Entwicklungen in Äthiopien sprechen dafür, dass nunmehr selbst solchen Äthiopiern, die sich in herausgehobener Art und Weise exilpolitisch in Deutschland engagieren, nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr droht, sondern dass dies allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen (noch) beachtlich wahrscheinlich erscheint (VG Bayreuth, U.v. 15.08.2018 – B 7 K 17.31116 – juris; vgl. VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 – RO 2 E 18.31617 – juris, VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 – RO 2 K 17.33894 – juris). Dem steht auch das wiederholt vom Klägerbevollmächtigten zitierte Urteil des HessVGH vom 21.03.2007 (Az.: 9 UE 1676/06.A) nicht entgegen. Zum einen behandelt die zitierte Entscheidung den Fall der Rückkehr einer exilpolitisch tätigen Klägerin nach Eritrea und nicht wie vorliegend nach Äthiopien. Zum anderen geht der Klägerbevollmächtigte mit keinem Wort auf den „politischen Umbruch“ in Äthiopien ein.
Der Kläger als einfaches Mitglied einer exilpolitischen Vereinigung musste schon bislang – und muss erst recht im Hinblick auf die aktuellen politischen Entwicklungen – im Falle einer Abschiebung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, wegen exilpolitischer Tätigkeit im Ausland von den äthiopischen Behörden in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise belangt zu werden. Ein besonders gelagerter Ausnahmefall ist vorliegend in keinster Weise ersichtlich. Der Kläger ist seit dem 01.03.2017 Mitglied der EPPFG. Er hat ausweislich der vorgelegten Bestätigungen bzw. nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung bislang an fünf exilpolitischen Veranstaltungen der Vereinigung in Deutschland teilgenommen und ist daher unstreitig als bloßer Mitläufer zu qualifizieren. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger am 10.02.2018 in … zum „head of accountant in … and Surrounded“ gewählt worden ist. Von einer ernsthaften Tätigkeit als Leiter der Buchhandlung bzw. Kassenverwalter kann nämlich keine Rede sein. In der mündlichen Verhandlung stellte sich heraus, dass der Kläger keinerlei Ahnung vom Kassenstand der Gruppierung oder von der konkreten Mitgliederzahl der Gruppe hat, deren Kassenverwalter er sein will. Nach mehrmaligem Zögern stufte er die Mitgliederzahl der …gruppe auf 200 bis 300 Mitglieder ein. Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung stellte sich dann noch heraus, dass der Kläger keinerlei Befugnisse über die Kasse hat. Seine Aufgabe ist es vielmehr, bei Veranstaltungen den Mitgliedsbeitrag einzusammeln und diesen an den Kassenverwalter weiterzugeben. Der Kläger ist daher allenfalls ein Helfer des Kassenverwalters und mitnichten in einer herausgehobenen Position. Lediglich ergänzend weist das Gericht noch darauf hin, dass selbst der Kassenverwalter der …gruppe schon im Ansatz nicht derart exponiert exilpolitisch tätig ist bzw. dass es sich auch insoweit nicht um einen besonders gelagerten Ausnahmefall handeln würde, der mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Äthiopien führt. Es ist für das Gericht daher nicht einmal im Entferntesten ersichtlich, dass dem Kläger im Falle der Abschiebung relevante Verfolgungsmaßnahmen wegen exilpolitscher Tätigkeiten in Deutschland drohen würden.
c) Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht.
2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).
Ein innerstaatlicher Konflikt im obigen Sinne ist im Herkunftsland – und insbesondere in Herkunftsregion – des Klägers nicht ersichtlich (vgl. nur VG Ansbach, U.v. 19.9.2017 – AN 3 K 16.30505 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris).
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat nach eigenen Angaben in Äthiopien die Schule zwölf Jahre besucht und abgeschlossen. Der Kläger verfügt damit über eine überdurchschnittliche Bildung. Zwar hat er keinen Beruf erlernt und ist nach eigenen Angaben nur beim Militär gewesen. Ihm ist es aber zumutbar, sämtlichen – auch schlichten – Erwerbstätigkeiten nachzugehen.*Weiterhin verfügt der Kläger über einen Vater und eine Großfamilie in Äthiopien, so dass im Bedarfsfall gegenseitige Hilfe im Rahmen des Familienverbundes zu erwarten ist. Die hohen Voraussetzungen für die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind daher schon im Ansatz nicht erfüllt.
b) Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen. Ihm steht auch kein subsidiärer Schutz oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt zudem keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
5. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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