Verwaltungsrecht

Verwaltungsgerichte, Befähigung zum Richteramt, Wiederaufgreifensantrag, Rechtsschutzbedürfnis, Abschiebungshindernis, Asylverfahren, Abschiebungsverbot, Fehlendes Sachbescheidungsinteresse, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Verpflichtungsklage, Prozeßkostenhilfeverfahren, Unzulässiger Asylantrag, Folgeantrag, Vertretungszwang, Maßgeblicher Zeitpunkt, Klageerhebung, Rechtsmittelbelehrung, Asylfolgeantrag, Wiederaufnahmegründe, Gerichtskosten

Aktenzeichen  W 6 K 20.31183

Datum:
16.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39885
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage führt in dem für die gerichtliche Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zum Erfolg, denn der Klageantrag auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Ablehnung der Wiederaufgreifensanträge wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse war rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Denn die Kläger haben schon keinen Anspruch auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG.
1. Die Klage ist vorliegend als Versagungsgegenklage zulässig, da die Kläger die positive Feststellung begehren, dass bei ihnen Abschiebungsverbote vorliegen. Denn in Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen, kann durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung möglichen Anfechtungsklage (isoliert oder hilfsweise) eine Verpflichtungsklage in Bezug auf die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erhoben werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2015 – 1 C 4.15). Vorliegend haben die Kläger zwar keinen Folgeantrag nach § 71 AsylG gestellt, sondern (nur) einen isolierten Folgeschutzantrag, der demnach gerichtlich mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen ist.
2. Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarem Abschluss eines früheren Asylverfahrens erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist nach § 71 Abs. 1 AsylG ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, d.h. wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Antrag ist gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Nach § 51 Abs. 3 VwVfG muss der Antrag binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. § 71 AsylG geht von einer Zweistufigkeit der Prüfung von Asylfolgeanträgen aus (BVerfG, B. v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 30 ff. = DVBl 2000, 1048). Nach § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG hat das Bundesamt in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge – nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Folgeantrag unzulässig, wenn ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist – festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
Soweit ein Ausländer isoliert begehrt, dass eine mit einer früheren ablehnenden Asylentscheidung verbundene Feststellung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen, aufgehoben bzw. das Verfahren wieder aufgenommen wird (isolierter Folgeschutzantrag bezüglich nationaler Abschiebungshindernisse), ist nach der allgemeinen Gesetzessystematik ebenfalls zur Durchbrechung der Bestandskraft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG erforderlich. Folge eines solchen isolierten Folgeschutzantrags ist, dass das Begehr am Maßstab des § 51 VwVfG zu prüfen ist. Dabei ist zu beachten, dass es sich um ein gestuftes Verfahren handelt, für das im Einzelnen die allgemeinen Vorschriften gelten. Der Anspruch des Betroffenen gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG ist letztlich auf eine Entscheidung über die Aufhebung oder Änderung des in Frage stehenden Verwaltungsakts gerichtet. Bevor die Behörde jedoch darüber entscheiden kann, muss sie zunächst in einem eigenständigen Verfahren entscheiden, ob die Voraussetzungen gemäß § 51 VwVfG für eine Wiederaufnahme des bereits mit unanfechtbaren Verwaltungsakt abgeschlossenen Verfahrens gegeben sind (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 51 Rn. 12).
Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens muss die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verfahrenshandlungen erfüllen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 51 Rn. 11). Wie im gerichtlichen Verfahren ist auch in einem behördlichen Antragsverfahren ein Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an der von ihm beantragten Amtshandlung hat, insbesondere sie zur Verwirklichung oder Wahrung eines Rechts benötigt. Dieses Erfordernis ist Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze auch im Verwaltungsverfahren. Für die Beurteilung des Sachbescheidungsinteresses sind dieselben Grundsätze maßgeblich wie für Streitsachen vor den Gerichten. Bei fehlendem Sachbescheidungsinteresse muss die Behörde ohne weitere Sachprüfung ablehnend entscheiden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 22 Rn. 77 ff.).
Vorliegend hat das Bundesamt die Anträge auf Abänderung des Bescheids vom 25. April 2017 wegen mangelndem Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt. Aus der Begründung ergibt sich, dass die Behörde nicht in die Sachprüfung eingestiegen ist, sodass sich das Wiederaufgreifensverfahren noch auf der ersten Prüfungsstufe (s.o.) befand. Zu Recht ging das Bundesamt davon aus, dass es den Klägern nach der erfolgten Abschiebung an einem schutzwürdigen Interesse an der Entscheidung über ihre Wiederaufgreifensanträge fehlt, denn es ist weder ersichtlich noch wurde es dargelegt, welches Interesse die Kläger, die sich nunmehr in der Ukraine befinden und aufgrund der Wiedereinreisesperre von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids vom 25.4.2017) nicht alsbald in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren können, an einer Entscheidung über die Wiederaufgreifensanträge hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten bezüglich des Zielstaats Ukraine haben könnten. Durch die erfolgte Abschiebung hat sich ihr Antragsbegehren bei der Behörde überholt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Abschiebung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 25. April 2017 vollzogen wurde. Die am 28. Februar 2019 gestellten isolierten Folgeschutzanträge hinderten die Abschiebung nicht, da sie keine Folgeanträge i.S.d. § 71 Abs. 1, § 13 AsylG darstellen, sodass nicht die Sperre des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG griff (Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl 2020, § 71 Rn. 13).
3. Nachdem die Klage keinen Erfolg haben konnte, war sie mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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