Verwaltungsrecht

Verwaltungsgerichte, Präklusionswirkung, Präklusionsvorschriften, Präklusionsregelung, Zulassungsantrag, Streitwertfestsetzung, Klageerhebung, Wasserrechtliche Erlaubnis, Begründungsfrist, Tatsachenvortrag, Gehobene Erlaubnis, Klagebegründungsfrist, Vorangegangenes Verwaltungsverfahren, Verspätete Klagebegründung, Beiladung, Aufklärungsrüge, Außergerichtliche Kosten, Verspätetes Vorbringen, Beweisantrag, Revisionsbegründungsfrist

Aktenzeichen  8 ZB 20.1873

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6121
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§§ 87b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3, 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5, 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2, 144 Abs. 4 (analog) VwGO,, 6 UmwRG

 

Leitsatz

1. Die innerprozessuale Präklusion nach § 6 Satz 2 UmwRG tritt als zwingende Rechtsfolge kraft Gesetzes ein und hängt nicht von einer richterlichen Ermessensentscheidung ab. Sie zieht nicht die Unzulässigkeit, sondern die Unbegründetheit der Klage nach sich.
2. Das Gericht muss die Beteiligten nicht nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO über die Folgen der Versäumung der zehnwöchigen Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG belehren.

Verfahrensgang

AN 9 K 18.2280 2020-06-30 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte gehobene wasserrechtliche Erlaubnis. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Gemarkung B: und beabsichtigt, auf diesem Grundstück Quarzsand abzubauen.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen die stets widerrufliche gehobene Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser aus dem Brunnen 4 (FlNr. … Gemarkung W.), dem Brunnen 5 (FlNr. … Gemarkung B.) und dem Brunnen 6 (FlNr. … Gemarkung B.). Die erlaubte Gewässerbenutzung dient der öffentlichen Trinkwasserversorgung.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 30. Juni 2020 abgewiesen hat. Die Klage sei zulässig, insbesondere liege die erforderliche Klagebefugnis vor und es sei nicht von einer Präklusion auszugehen. Die Klage sei aber unbegründet, weil eine Beeinträchtigung des künftig geplanten Sandabbauverfahrens der Klägerin durch die erteilte gehobene Erlaubnis nicht ersichtlich sei. Die durchgeführte Umweltverträglichkeitsvorprüfung und ihr Ergebnis begegneten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 19). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19).
Nach diesem Maßstab zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils auf.
1.1 Das Verwaltungsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht (§ 144 Abs. 4 VwGO entsprechend) abgewiesen, weil sie aus ohne Weiteres auf der Hand liegenden Gründen offensichtlich unbegründet ist. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts war das mit Schriftsatz vom 29. April 2019 beim Verwaltungsgericht eingegangene Klagevorbringen nämlich bei der Entscheidung nicht mehr zu berücksichtigen, weil die Klägerin mit ihrem Vortrag nach § 6 UmwRG präkludiert war.
Gemäß § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt ist (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Frist kann nach § 6 Satz 4 UmwRG (nur) dann auf Antrag verlängert werden, wenn die Person in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.
1.1.1 Die Klägerin hat die zehnwöchige Begründungsfrist ab dem Zeitpunkt der Erhebung der Klage gegen die gehobene wasserrechtliche Erlaubnis, welche eine Zulassungsentscheidung im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) UmwRG darstellt, nicht eingehalten. Die Frist begann mit Erhebung der Klage nach § 81 Abs. 1 VwGO, d. h. mit Eingang der Klage beim Verwaltungsgericht am 23. November 2018, zu laufen und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit dem 1. Februar 2019. Innerhalb dieser Frist erfolgte kein Tatsachenvortrag der Klägerin. Dem Gericht lag allein der mit der Klageerhebung eingegangene streitgegenständliche Bescheid vor. Damit ist die Klägerin ihrer Begründungsobliegenheit nach § 6 Satz 1 UmwRG nicht nachgekommen.
Die Anforderungen an den innerhalb der Frist zu liefernden Tatsachenvortrag richten sich nach Sinn und Zweck von § 6 UmwRG. Dieser besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gemacht wird (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16). Die Klagepartei hat den Prozessstoff grundsätzlich innerhalb der Begründungsfrist festzulegen. Damit soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird, was späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht ausschließt (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – NVwZ 2019, 1202 = juris Rn. 14 m.w.N.). Die klagende Partei muss alle Tatsachenkomplexe benennen, die aus ihrer Sicht die Klage begründen (vgl. OVG HH, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – VRS 137, 281 = juris Rn. 142 m.w.N.; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand: August 2020, § 6 UmwRG Rn. 59). Der erforderliche Tatsachenvortrag muss zwar nicht erschöpfend sein. Aus Sinn und Zweck der Norm wird jedoch gefolgert, dass die Klagepartei die maßgeblichen Tatsachen mit einem Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz vortragen muss. Der Vortrag muss geeignet sein, dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten einen hinreichenden Eindruck von dem jeweiligen Tatsachenkomplex zu verschaffen und ihnen zu ermöglichen, bei verbleibenden Unsicherheiten gezielt nachzuforschen (vgl. OVG HH, U.v. 29.11.2019 a.a.O. juris Rn. 142). Bei einer Anfechtungsklage muss sich die Klagebegründung mit der angegriffenen Entscheidung selbst auseinandersetzen. Nur diese ist Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens. Es genügt regelmäßig nicht, wenn die Klagepartei allein pauschal auf Einwände verweist, die sie im behördlichen Verfahren zur Sprache gebracht hat (vgl. Bunge, UmwRG, 2. Aufl. 2019, § 6 Rn. 19 m.w.N.; OVG HH U.v. 29.11.2019 a.a.O. juris Rn. 145 f.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist fristgemäß keine den Anforderungen des § 6 UmwRG entsprechende Klagebegründung bei Gericht eingegangen. Der Senat kann insoweit der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht folgen, wonach dem mit Einreichung der Klage vorgelegten streitgegenständlichen Bescheid bereits die klägerischen Einwendungen vollständig zu entnehmen seien und dies für den Ausschluss der Präklusion ausreiche. Allein durch die Vorlage des Bescheids hat sich die Klägerin in keiner Weise mit den Gründen der streitgegenständlichen Erlaubnis insbesondere im Hinblick auf die Zurückweisung ihrer Einwendungen im Verwaltungsverfahren auseinandergesetzt. Im Fall eines Individualklägers sind alle Tatsachen zu benennen, die aus seiner Sicht zu seiner unmittelbaren Betroffenheit oder zu einer adressatengleichen Beeinträchtigung seiner rechtlich geschützten Belange führen (Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand: August 2020, § 6 UmwRG Rn. 59; vgl. zu § 43e EnWG auch BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 4 A 16.16 – DVBl 2017, 1039 = juris Rn. 37). Den im streitgegenständlichen Bescheid nur stichpunktartig unter Ziffer 3.9. aufgeführten Einwendungen der Klägerin lassen sich jedoch gerade keine konkreten Tatsachen entnehmen, die eine Beeinträchtigung der Klägerin in subjektiven Rechten belegen und der Begründung ihrer (Drittanfechtungs-)Klage dienen könnten. Darauf und auf den Aspekt der fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung ist die Klägerin erstmals im nach Fristablauf eingereichten Klagebegründungsschriftsatz vom 29. April 2019 eingegangen.
Im Übrigen ist anzumerken, dass die Klägerin bei Klageerhebung eine Begründung der Klage mit gesondertem Schriftsatz in Aussicht gestellt hat. Der angefochtene Erlaubnisbescheid diente somit nicht der Klagebegründung, sondern war ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die dort beschriebenen Einwendungen beigefügt worden.
1.1.2 Die Klägerin hat ihren verspäteten Vortrag nicht gemäß § 6 Satz 2 und 3 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 VwGO entschuldigt.
Die Voraussetzungen des § 6 Satz 3 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Danach tritt die Präklusion nicht ein, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln. Bei der Auslegung von § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO, der eine klarstellende einfachgesetzliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.1998 – 11 A 6.97 – NVwZ-RR 1998, 592 = juris Rn. 25), ist der Regelungszweck des § 6 UmwRG maßgeblich zu berücksichtigen. Ziel ist es, Rechtssicherheit für das Gericht und die Verfahrensbeteiligten durch frühzeitige Fixierung des Prozessstoffes zu erreichen und so zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen (BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – NVwZ 2019, 1202 = juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 18.2.2020 – 11 B 13/20 – juris Rn. 17 ff., jeweils m.w.N.; vgl. oben 13). Eine Ausnahme von der Präklusionsregelung liegt daher nach § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO regelmäßig vor, wenn deutlich zu Tage tritt, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten der Kläger die Entscheidung angreift, und die Klagebegründungsobliegenheit eine bloße Förmlichkeit wäre. Dagegen kann eine Präklusion nicht für jeglichen Sachverhalt ausgeschlossen sein, der sich aus den Verfahrensakten ergibt, vor allem dann nicht, wenn die Einwendungen die materielle Rechtsmäßigkeit der Entscheidung betreffen (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2019 – 8 A 16.40026 – juris Rn. 25; Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 6 UmwRG Rn. 85). Ein solches Verständnis ließe die Obliegenheit des Klägers zur Fixierung des Streitstoffes innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG im Ergebnis leerlaufen und verpflichtete das Gericht sowie die anderen Beteiligten zur Spekulation, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten der Kläger subjektiv gegen die Entscheidung vorgehen will (OVG NW, B.v. 18.2.2020 – 11 B 13/20 – juris Rn. 48). Die Feststellung des Sachverhalts und damit des Prozessstoffs muss dem Gericht aber nach dem Wortlaut des Gesetzes mit geringem Aufwand möglich sein (vgl. OVG HH, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 150 m.w.N), was sich in den Fällen des § 6 UmwRG auch darauf bezieht, dass der Prozessstoff nach dem Willen des Gesetzgebers zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten werden soll (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – NVwZ 2019, 1202 = juris Rn. 14, unter Verweis auf BT-Drs. 18/12146 S. 16, BT-Drs. 19/4459 S. 32). Es kann im Übrigen dahinstehen, ob es im Anwendungsbereich des § 87b VwGO deshalb nicht auf den zeitlichen Aufwand ankommt, weil dieser Aspekt bereits bei der Frage der Verzögerung nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu prüfen ist (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 87b Rn. 12; Peters/Müller in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 87b Rn. 35 f.), weil § 6 Satz 2 und 3 UmwRG diese Regelung – entsprechend dem Ziel, den Streitstoff generell in einem frühen Stadium zu fixieren – von der Verweisung ausnimmt (vgl. OVG HH, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 151).
Umstände, aus denen sich ergibt, dass die klägerische Beschwer derart auf der Hand lag, dass sich die Angabe von Klagegründen als bloße Förmlichkeit erwiesen würde, zeigt die Klägerin nicht auf. Die maßgeblichen Tatsachen, die ihr Rechtsschutzbegehren stützen könnten, waren weder aus dem Schriftsatz zur Klageerhebung noch aus dem vorgelegten Bescheid offensichtlich ersichtlich. Die Beschwer der Klägerin lag nicht derart auf der Hand, dass sich die Angabe von Klagegründen als bloße Förmlichkeit erwiesen hätte. Dies galt umso mehr, als ihr Schriftsatz zur Klageerhebung bis auf den Klageantrag und den beiliegenden Bescheid keine Orientierung lieferte, die ausreichte, um das Verfahren von Amts wegen sinnvoll zu fördern. Die erst mit dem Schriftsatz vom 29. April 2019 benannten Tatsachen waren somit entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zur Begründung der Klage zuzulassen.
1.1.3 Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist nur auf das Entscheidungsergebnis bezogen und nicht auf einzelne Begründungselemente einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Der dem § 144 Abs. 4 VwGO zugrundeliegende allgemeine Rechtsgedanke, dass allein die fehlerhafte Begründung einer Entscheidung, welche sich im Ergebnis als richtig erweist, dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhilft, ist auch im Berufungszulassungsverfahren zu berücksichtigen. Auch ein solches Antragsverfahren soll aus prozessökonomischen Gründen nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Rechtsstreits bedeutungslos bleiben wird (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9 f.; BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 8 ZB 18.2125 – juris Rn. 11; B.v. 30.9.2014 – 20 ZB 11.1890 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 4.7.2014 – 1 A 891/13 – juris Rn. 3; vgl. auch Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 98). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der den Erfolg des Zulassungsantrags ausschließende Gesichtspunkt ohne weiteres auf der Hand liegt und der Kläger vor Ergehen der Entscheidung über den Zulassungsantrag Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 a.a.O. juris Rn. 17; OVG NRW, B.v. 17.7.1998 – 24 B 370/98 – juris Rn. 39). So liegt der Fall hier. Auf den Hinweis des Senats, dass das Verwaltungsgericht unzutreffend eine Präklusion nach § 6 UmwRG verneint habe, hat die Klägerin keine weiteren Gesichtspunkte aufgezeigt, welche die Richtigkeit des angefochtenen Urteils für sich genommen in Zweifel ziehen könnten.
1.1.4 Zu Recht hat die Klägerin daraufhin gewiesen, dass die Präklusion des Vorbringens nicht – wie es bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts angedeutet wird – die Unzulässigkeit der Klage nach sich zieht. Die in § 6 Satz 1 UmwRG geregelte Klagebegründungsfrist stellt keine Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern eine prozessuale Obliegenheit der Klagepartei dar. Dies bedeutet, dass bei Nichteinhaltung der Frist die Klagepartei mit späterem Vortrag im Prozess präkludiert ist (sog. innerprozessuale Präklusion), was zur Unbegründetheit der Klage führen kann (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16; OVG HH, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 137; NdsOVG, B.v. 28.5.2018 – 12 ME 25/18 – NuR 2018, 871 = juris Rn. 27; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand August 2020, § 6 UmwRG Rn. 74). Die innerprozessuale Präklusion nach § 6 Satz 2 UmwRG tritt als zwingende Rechtsfolge kraft Gesetzes ein und hängt – anders als etwa bei § 17 e Abs. 5 Satz 1 FStrG a. F.- nicht von einer richterlichen Ermessensentscheidung ab (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16). Sie steht damit nicht zur Disposition des Gerichts.
Diesen Vorgaben entsprechend führt allein der Umstand, dass das Erstgericht unter Verkennung der bereits abgelaufenen gesetzlichen Frist des § 6 UmwRG eine richterliche Frist zur Klagebegründung gesetzt hat und die Klage innerhalb dieser Frist begründet worden ist, nicht zu einer Ausnahme von der Präklusionswirkung und ausnahmsweisen Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens. Denn das Gericht hat gerade kein Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge der Präklusion. Wegen des gesetzlichen Ausschlusses des Vorbringens darf das Gericht präkludiertes Vorbringen bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen (Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand August 2020, § 6 UmwRG Rn. 72). Dem Senat ist es damit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verwehrt, aus der verspäteten Klagebegründung die Rechtsfolge einer Nichtberücksichtigung des Klagevorbringens mit der Folge der Unbegründetheit der Klage abzuleiten.
Zudem war die offenbar in Unkenntnis der Regelung des § 6 Satz 4 UmwRG gesetzte richterliche Frist nicht wirksam, da sie erst weit nach Ablauf der gesetzlichen Klagebegründungsfrist erfolgte. Eine abgelaufene Frist kann jedoch grundsätzlich nicht verlängert werden (vgl. BGH, B.v. 29.3.2017 – XII ZB 576/16 – NJW-RR 2017, 577 = juris Rn. 8; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 62).
1.1.5 Das Zulassungsvorbringen geht fehl hinsichtlich der Annahme, es sei im vorliegenden Fall bei der Klagebegründung ausnahmsweise eine Bezugnahme auf die Einwendungen im Verwaltungsverfahren ausreichend gewesen, da die Einwendungen im Verwaltungsverfahren vom Beklagten mit Argumenten zurückgewiesen worden seien, die ihrerseits bereits im Erörterungstermin vom Wasserwirtschaftsamt im Wesentlichen identisch vorgebracht worden seien. Es kann dahinstehen, ob es am Gesichtspunkt der prozessualen Überholung fehlt, weil der Beklagte im Bescheid keine neuen Argumentationen eingeführt, sondern lediglich bekannte Punkte vertieft hat. Denn die Klägerin hat die von ihr erwähnte und in Bezug genommene Stellungnahme im Verwaltungsverfahren vom 29. März 2017 erst zusammen mit der verspäteten Klagebegründung am 29. April 2019 und damit nach Ablauf der zehnwöchigen Begründungsfrist vorgelegt.
1.1.6 Nicht berechtigt ist die Rüge der Klägerin, dass die Rechtsfolge einer unzureichenden Begründung in § 87b VwGO verortet sei und das Erstgericht auf die Anwendbarkeit dieser Vorschrift hätte hinweisen müssen. Es ist gerade nicht die Aufgabe des Erstgerichts über die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vortrags nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO zu belehren. Dies hat der Gesetzgeber in § 6 Satz 2 UmwRG durch die Beschränkung des Verweises auf § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ausdrücklich bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 = juris Rn. 15; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand August 2020, UmwRG § 6 Rn. 47).
Auch der in diesem Zusammenhang zutreffende Hinweis der Klägerin, dass innerhalb der Rechtsmittelinstanz und auch in Sachen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz die gesetzlichen Fristen gelten, mithin die Vorschrift des § 125 VwGO, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Zwar betrifft dann, wenn das Gesetz zwischen der Einlegung und der Begründung eines Rechtsmittels unterscheidet, die Belehrungspflicht nach § 58 VwGO beide Stufen (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 3 C 23.08 – BVerwGE 134, 41 = juris Rn. 12). Anders etwa als die Berufungs- und Revisionsbegründungsfrist (§ 124a Abs. 3 Satz 1, § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) wird die Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG aber nicht mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung in Gang gesetzt, sondern läuft als selbstständige Frist ab Klageerhebung. Sie ist zudem im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Rechtsmittelbegründungsfristen (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 5 bzw. § 143 Satz 2 VwGO) nicht als Sachurteilsvoraussetzung ausgestaltet, sondern als prozessuale Präklusionsvorschrift für Tatsachen und Beweisantritte (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 = juris Rn. 15).
1.2 Unabhängig davon, dass es auf das weitere Zulassungsvorbringen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgrund der Präklusion des Klagevorbringens nicht mehr entscheidungserheblich ankommt, greift es auch in der Sache nicht durch.
Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass im vorliegenden Fall die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 15 Abs. 1 WHG nicht vorliegen, da keine der dort beschriebenen Fallgruppen eingreife und die wasserwirtschaftliche Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts auf einem unvollständig ermittelten Sachverhalt beruhe und zudem Bewertungsfehler aufweise, geht fehl. Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage gerade nicht auf die von der Klägerin aufgeworfenen Fragestellungen zur Rechtmäßigkeit der Erlaubnis und somit auch nicht auf die in diesem Rahmen erfolgte Bewertung des Wasserwirtschaftsamtes gestützt, sondern die Klageabweisung damit begründet, dass nicht ersichtlich sei, dass durch die streitgegenständliche Erlaubnis bereits eine Beeinträchtigung des geplanten Abbauvorhabens stattfinden kann, da die gehobene Erlaubnis für sich allein zu keinerlei Einschränkungen führe (vgl. UA S. 16). Auch auf die im Zulassungsantrag erneut angeführten Fehler bei der Alternativenprüfung und der vorgebrachten Zweifel an der Bedarfsprognose ist das Erstgericht wegen der diesbezüglich notwendigen, aber nicht erkennbaren drittschützenden Wirkung nicht eingegangen (vgl. UA S. 18). Dem ist der Zulassungsantrag nicht substantiiert entgegengetreten (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Es erschließt sich dem Senat nicht, wie die unvollständige Berücksichtigung des Sachverhalts nicht nur zur objektiven Rechtswidrigkeit des Bescheides, sondern auch zur Betroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten führen soll. Eine solche lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die streitgegenständliche wasserrechtliche Erlaubnis als Grundlage für die spätere Ausweisung eines Wasserschutzgebietes dienen soll. Die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes ist gerade keine rechtlich zwangsläufige Folge der Erteilung einer Erlaubnis für das Zutagefördern von Grundwasser, weil die Erteilung der Erlaubnis und die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes rechtlich nicht aneinandergekoppelt sind (vgl. Nds. OVG, B.v. 13.12.1996 – 3 L 7932/95 – ZfW 1998, 444 = juris Rn. 4).
2. Die Berufung ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Diese Vorgaben erfüllt das Zulassungsvorbringen nicht. Die Klägerin hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Einordnung des § 6 UmwRG als Zulässigkeitskriterium nicht ober- oder höchstrichterlich geklärt sei. Damit hat sie bereits keine Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert, deren grundsätzliche Bedeutung geklärt werden könnte. Im Übrigen sieht der Senat die Klage unter Verweis auf § 6 UmwRG nicht als unzulässig an (vgl. oben unter 1.1.4).
3. Die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), scheidet ebenfalls aus. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin liegt ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht deswegen vor, weil das Erstgericht eine ergänzende Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts hätte einholen müssen.
Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt u.a. die Darlegung voraus, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 2 B 52.18 – juris Rn. 16; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 25). Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, inwiefern sie auf die vermisste Aufklärung hingewirkt hätte. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin hat ausweislich des Sitzungsprotokolls keinen Beweisantrag gestellt. Eine weitere Sachverhaltsermittlung oder Beweiserhebung hätte sich dem Verwaltungsgericht auch nicht ohne einen solchen Beweisantrag aufdrängen müssen. Im Übrigen dient die Aufklärungsrüge nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 2 B 52.18 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 22.11.2018 – 4 ZB 17.1989 – NVwZ-RR 2019, 480 = juris Rn. 18).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichterstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 8 ZB 15.2664 – ZfB 2018, 33 = juris Rn. 24). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie entspricht der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
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