Verwaltungsrecht

Verweigerung des Wehrdienstes als asylrelevante Verfolgung

Aktenzeichen  11 ZB 17.31802

Datum:
5.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1338
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 5, § 24, § 31, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 138

 

Leitsatz

1. Bei einer auf die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland gestützten Grundsatzrüge nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG genügt es nicht, die gerichtlichen Feststellungen zu den Gegebenheiten im Herkunftsland des Asylsuchenden bloß in Zweifel zu ziehen oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 113715). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein geltend gemachter Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO) stellt weder einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 138 VwGO dar, noch erfasst § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG etwaige Verfahrensverstöße im Verwaltungsverfahren. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 9 K 17.34870 2017-10-20 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O. § 124a Rn. 72; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 124a Rn. 102 ff.; Berlit in GK-AsylG, Stand Oktober 2017, § 78 Rn. 88 m.w.N.). Bei einer auf die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland gestützten Grundsatzrüge genügt es nicht, die gerichtlichen Feststellungen zu den Gegebenheiten im Herkunftsland des Asylsuchenden bloß in Zweifel zu ziehen oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2017 – 11 ZB 17.30602 – juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 5; B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 7 m.w.N.; Berlit, a.a.O., § 78 Rn. 609 ff.). Ferner sind die Voraussetzungen von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht erfüllt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.2017 – 1 B 98/17 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Der Zulassungsantrag formuliert bereits keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage, sondern zieht unter Wiederholung des Klagevorbringens die vom Verwaltungsgericht hieraus gezogenen Schlüsse in Zweifel. Dies läuft der Sache nach auf die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hinaus, was nach der abschließenden Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG jedoch kein Grund für die Zulassung der Berufung ist. Im Übrigen setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht mit den Urteilsgründen auseinander, die ausführlich und zutreffend darlegen, unter welchen Voraussetzungen staatliche Maßnahmen wegen einer Verweigerung des Wehrdienstes und die Heranziehung zum Wehrdienst als asylrelevante Verfolgung zu qualifizieren sind, und führt auch keine Erkenntnisquellen zum Beleg dafür an, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind.
Ebenso wenig ist ein Verfahrensfehler dargelegt, der nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO zur Zulassung der Berufung führen könnte. Weder ist der geltend gemachte Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO) ein absoluter Revisionsgrund im Sinne von § 138 VwGO noch erfasst § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG etwaige Verfahrensverstöße im Verwaltungsverfahren. Abgesehen davon ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass eine Personenidentität von Anhörer und Entscheider im Asylverfahren rechtlich nicht erforderlich und eine Personenverschiedenheit verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist (vgl. vgl. § 5, §§ 24 f., § 31 AsylG, Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Asylverfahrensrichtlinie – juris; BVerwG, B.v. 13.5.1996 – 9 B 174.96 – JurionRS 1996, 21040; BayVGH, B.v. 23.7.1997 – 24 B 96.32748 – BeckRS 1997, 25163; B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 5 m.w.N.; VGH BW, B.v. 31.1.2017 – A 9 S. 1047.16 – juris Rn. 11).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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