Verwaltungsrecht

vierjähriger ununterbrochener Aufenthalt (kein)

Aktenzeichen  W 7 E 21.65

Datum:
20.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 5344
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
AufenthG § 25a Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der am … … 2002 geborene Antragsteller ist ukrainischer Staatsangehöriger. Er reiste am 8. Juli 2014 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15. Mai 2017 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Dezember 2018 – W 6 K 18.31784 – abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil wurde mit Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Januar 2019 – 11 ZB 19.30312 – abgelehnt.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 27. November 2018 ließ der Antragsteller bei der Regierung von Unterfranken – Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG beantragen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 18. Mai 2020 abgelehnt. Über die hiergegen erhobene Klage W 7 K 20.795 ist noch nicht entschieden.
2. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2021 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers,
„im Wege der einstweiligen Anordnung die Beklagtenseite zu verpflichten, dem Kläger den Aufenthalt in Deutschland bis zum rechtskräftigen Abschluss des laufenden Verfahrens zu gestatten“.
Die Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung seien gegeben, insbesondere auch nach Aufnahme des Antragstellers in die …Schule, die er bis zum 27. Juli 2023 besuchen werde, um dort seine Ausbildung abzuschließen. Die ZAB habe aber mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 mitgeteilt, dass die Abschiebung des Klägers in Vorbereitung sei.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Auf den Schriftsatz vom 14. Januar 2021 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch im Verfahren W 7 K 20.795 verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung ist demnach das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Duldungsanspruch wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG besteht insbesondere nicht aufgrund einer etwaigen Vereitelung des Anspruches auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.
Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG, wonach ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion nur für den Fall eines rechtmäßigen Aufenthalts vorgesehen ist, kann allein daraus, dass der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geltend macht und diesen im Bundesgebiet durchsetzen will, grundsätzlich kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis folgen, dem durch Aussetzung der Abschiebung für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens Rechnung zu tragen ist (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 22.8.2017 – 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.11.2018 – 19 CE 17.550 -, juris Rn. 30). Dem in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Anliegen und der Gesetzessystematik widerspräche es, wenn ein Ausländer für die Dauer eines jeden (anderen) Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens die Aussetzung der Abschiebung beanspruchen könnte (vgl. etwa BayVGH, B.v. 27.11. 2018 – 19 CE 17.550 -, juris Rn. 30).
Der Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG hat vorliegend keine Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 AufenthG. Der Antragsteller hat daher grundsätzlich auch für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung.
Ausnahmsweise kann jedoch zur Gewährleistung effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG die Aussetzung der Abschiebung als sog. Verfahrensduldung geboten sein, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 22.8.2017 – 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.11.2018 – 19 CE 17.550 -, juris Rn. 31).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall:
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG. Die Voraussetzungen hierfür liegen weder zum jetzigen Zeitpunkt vor noch haben sie zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27. November 2018 vorgelegen.
Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer unter näher bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Antragsteller nicht geduldet, sondern im Besitz einer Aufenthaltsgestattung, da sein Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. Dies war erst mit dem die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss des BayVGH vom 28. Januar 2019 der Fall. Nach diesem Zeitpunkt war der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig und nicht im Besitz einer Duldung, da die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht vorgelegen haben. Der Antragsteller war im Pass seiner Mutter eingetragen, der bis 1. Juli 2019 gültig war, weshalb die Abschiebung nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich war. Eine rechtliche Unmöglichkeit wurde weder vorgetragen noch ist sie sonst ersichtlich.
Ein Duldungsgrund lag daher erst nach dem Ablauf der Gültigkeit des Passes vor. Nach § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist aber ein vierjähriger ununterbrochener erlaubter, geduldeter oder gestatteter Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlich. Diese Voraussetzung ist ersichtlich nicht erfüllt, da der geduldete Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift nicht vor dem 2. Juli 2019 begonnen hat.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG. Weder der Behördenakte noch der Gerichtsakte ist zu entnehmen, dass ein solcher Antrag jemals bei der Behörde gestellt wurde, insoweit fehlt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Ein solcher Anspruch scheidet aber bereits deshalb aus, da konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet wurden, wie sich aus dem Schreiben der ZAB vom 14. Januar 2021 ergibt.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG.


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