Aktenzeichen 20 ZB 16.991
BayAbfG Art. 31 Abs. 2 S. 1
VwZVG Art. 21 S. 2, Art. 38 Abs. 3
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 43 Abs. 3, Art. 44 Abs. 2 Nr. 5, Art. 51 Abs. 1 Nr. 1
RL 2008/98/EG Art. 2 Abs. 1 lit. b
Leitsatz
1. Die Rechtmäßigkeit einer bestandskräftigen Beseitigungsanordnung und der damit verbundenen Zwangsmittelandrohung sind in einem Klageverfahren, das auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durchgeführten Ersatzvornahme gerichtet ist, nicht mehr zu prüfen, weil die Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt zwar dessen Wirksamkeit, nicht aber dessen Rechtmäßigkeit voraussetzt (st. Rspr., zB BVerwG NVwZ 2009, 122). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein nachträgliches Sachverständigengutachten zu der Frage, ob abgelagerte Gegenstände und Stoffe als Abfälle iSd § 3 KrWG einzustufen sind, führt zu keiner (erheblichen) Veränderung der Sachlage iSd Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG bzw. Art. 21 S. 2 VwVZG, weil es sich dabei um keine Tatsachen-, sondern um eine Rechtsfragen handelt. (Rn. 18 und 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein – auch unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung – neuer Verwendungszweck lässt die Abfalleigenschaft nach § 3 Abs. 1-4 KrWG nur dann entfallen, wenn er “unmittelbar” an die Stelle des bisherigen Verwendungszwecks getreten ist; das bedeutet, dass die tatsächliche Verwirklichung des neuen Verwendungszwecks zwar nicht sofort, aber in absehbarer Zeit wahrscheinlich sein muss, wofür der Abfallbesitzer bzw. -erzeuger die Darlegungslast trägt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Anordnung zur Beseitigung von Gegenständen, die im Eigentum Dritter stehen, ist nicht wegen des Verlangens einer strafbaren Handlung nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nichtig, wenn die Dritteigentümer zur Duldung der Beseitigung verpflichtet worden sind.(Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine abfallrechtliche Beseitigungsanordnung ist hinreichend bestimmt, wenn die zu beseitigenden Gegenstände zumindest in groben Umrissen beschrieben werden; ins Detail gehender Bezeichnungen bedarf es nicht, wenn Verwechselungen ausscheiden oder die nähere Bezeichnung diversen Unrats schlechthin unmöglich ist, wobei im Zweifel die Bescheidbegründung – auch letztlich maßgeblich – zur Auslegung des Bescheidtenors heranzuziehen ist (vgl. BayVGH BeckRS 2014, 59712 Rn. 15 und 16). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die im Hinblick auf die Neufassung der europarechtlichen Abfallrahmenrichtlinie und entsprechende Umsetzungsvorschriften im Kreislaufwirtschaftsgesetz zweifelhafte Frage, ob die abfallrechtliche Befugnis des Art. 31 Abs. 2 S. 1 BayAbfG für die Beseitigung baulicher Anlagen zu abfallrechtlichen Zwecken noch (vorrangig) heranzuziehen ist, kann dahinstehen, wenn die bauliche Anlage durch äußere Einwirkungen für ihren ursprünglichen Verwendungszweck unbrauchbar und damit zu Abfall geworden ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 17 K 15.4370 2015-12-03 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.154,28 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts München, das seine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung einer abfallrechtlichen Beseitigungsanordnung im Wege der Ersatzvornahme abgewiesen hat.
Der Kläger ist neben seinem Sohn und seiner Tochter Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 604 der Gemarkung F* … (Landkreis E* …*). Das Landratsamt E* … führte dort seit dem Jahr 1996 mehrere Ortseinsichten wegen vermuteter illegaler Abfallablagerungen diverser Arten und Materialien durch.
Mit Bescheid vom 19. September 2013 ordnete das Landratsamt nach Anhörung des Klägers diesem gegenüber die Beseitigung und ordnungsgemäße Entsorgung der auf dem o.g. Grundstück gelagerten Abfälle an. Für die Beseitigung wurden unter Beifügung eines entsprechend gekennzeichneten (nicht amtlichen) Lageplans vier Abschnitte (A bis D) gebildet und für die Räumung der Abschnitte zeitlich gestaffelte Fristen gesetzt (Ziffer 1 des Bescheides). Die Anordnung wurde auf Art. 31 Abs. 2 Bayer. Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) gestützt. Des Weiteren wurde der Kläger verpflichtet, einen Nachweis der Entsorgung „in geeigneter Weise“ vorzulegen (Ziffer 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtungen nach Ziffer 1 wurde die nach den gebildeten Abschnitten getrennte Verwaltungsvollstreckung im Wege der Ersatzvornahme angedroht, wobei für jeden Abschnitt vorläufige Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von jeweils 3.577,14 EUR veranschlagt wurden (Ziffer 3). Die beiden anderen Miteigentümer wurden jeweils zur Duldung der Beseitigung und der Ersatzvornahme verpflichtet (Ziffer 4), des Weiteren wurden dem Kläger die Kosten der Amtshandlung auferlegt und eine Gebühr sowie Auslagen festgesetzt (Ziffern 5 und 6).
Die hiergegen zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhobene Klage (Az.: M 17 K 13.4854) nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2014 zurück, nachdem der Beklagte die Fristsetzungen in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides geändert hatte.
In der Folgezeit beauftragte das Landratsamt ein privates Unternehmen mit der Durchführung der Ersatzvornahme des ersten Abschnitts, die am 12. Februar 2015 stattfand und bei der weitere abgelagerte Gegenstände und Materialien zum Vorschein kamen.
Nachdem der Kläger der Beseitigungsanordnung hinsichtlich der folgenden Abschnitte nur teilweise nachgekommen war, wurde mit Schreiben des Landratsamtes vom 29. September 2015 die Ersatzvornahme der weiteren Räumungsabschnitte am 6. Oktober 2015 angekündigt.
Die am 1. Oktober 2015 erhobene Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ersatzvornahme (Az. M 17 K 15.4370) wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 3. Dezember 2015 ab. Die zu vollstreckende Beseitigungsanordnung, verbunden mit der Androhung der Ersatzvornahme, sei aufgrund der Klagerücknahme vom 9. Oktober 2014 bereits bestandskräftig. Die Anordnung sei auch vollstreckbar, insbesondere seien keine Gründe für ihre Nichtigkeit ersichtlich und sie sei hinreichend bestimmt. Eine eigenständige Rechtsverletzung des Klägers aufgrund der Durchführung der Ersatzvornahme liege nicht vor.
Das Urteil wurde dem Klägerbevollmächtigten am 11. April 2016 zugestellt.
Am 9. Mai 2016 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Zur Begründung macht er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sowie besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache geltend.
Am 24. Mai 2016 beantragte der Kläger beim Landratsamt u.a. das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens bezüglich der Beseitigungsanordnung vom 19. September 2013.
Den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Einstellung der Vollstreckung lehnte der Senat mit Beschluss vom 30. Mai 2016 ab (Az.: 20 AE 16.1038), die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wurde mit Beschluss vom 31. Mai 2016 (Az.: 20 AE 16.1051) zurückgewiesen.
Vom 31. Mai bis 2. Juni 2016 wurde die Ersatzvornahme der Räumung weiterer Abschnitte nach der Anordnung vom 19. September 2013 fortgesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Die Akten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (Az.: 20 AE 16.1038) sowie des dazugehörigen Anhörungsrügeverfahrens (Az.: 20 AE 16.1051) wurden beigezogen.
II.
Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 3. Dezember 2015 hat in der Sache keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) nicht vorliegen.
1. Ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Zulassungsantrag (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124a Rn. 58). Nach dem Erlass des angefochtenen Urteils eingetretene tatsächliche Veränderungen des Sachverhalts sind jedoch zumindest dann bei der Entscheidung über den Zulassungsantrag zu berücksichtigen, wenn sie noch innerhalb der Frist zur Begründung des Antrags auf Berufungszulassung eingetreten sind und vorgetragen wurden (Kopp/Schenke a.a.O., § 124 Rn. 7c; tendenziell weiter Happ in Eyermann a.a.O., § 124 Rn. 22). Damit sind im vorliegenden Falle sowohl der Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens vom 24. Mai 2016 als auch die vom 31. Mai bis 2. Juni 2016 durchgeführte Ersatzvornahme zu berücksichtigen.
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils liegen vor, wenn die angegriffene Entscheidung mit überwiegender (bzw. hoher) Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 20 ZB 11.1146 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 – DVBl 2004, 838). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht richtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546).
a) Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung, also der Beseitigungsanordnung vom 19. September 2013, sowie der damit verbundenen Androhung der Ersatzvornahme in dem vorliegenden, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchführung der Ersatzvornahme gerichteten Klageverfahren nicht mehr zu prüfen sind. Wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend ausführt, sind sowohl die Beseitigungsanordnung als auch die damit gemäß Art. 36 Abs. 2 VwZVG verbundene Androhung der Ersatzvornahme bestandskräftig geworden, weil der Kläger seine dagegen gerichtete Klage zurück genommen hat. Nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen setzt die Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt zwar dessen Wirksamkeit, nicht aber dessen Rechtmäßigkeit voraus (stRspr, z.B. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – juris Rn. 12 m.w.N.; Käß in Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, VwZVG, Art. 21 Rn. 21). Die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte ist daher nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens, worauf der Senat auch schon in seinem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hingewiesen hat (BayVGH, B.v. 30.5.2016 – 20 AE 16.1038 – juris Rn. 4). Einwände gegen den zu vollstreckenden Anspruch, d.h. insbesondere die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung, können deshalb nur nach Maßgabe des Art. 21 VwZVG geltend gemacht werden (dazu b)).
b) Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne von Art. 21 Satz 2 VwZVG ist nicht eingetreten, insbesondere nicht durch den Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens gemäß Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG vom 24. Mai 2016. Zwar stellt eine Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG zugleich eine nach Art. 21 Satz 2 VwZVG erhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage dar (Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand 1. September 2017, 20.21 VwZVG Anm. 3 zu Art. 21). Es liegen jedoch keine Gründe im Sinne des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG vor, die das Landratsamt zu einem Wiederaufgreifen des Verfahrens verpflichten würden, worauf der Senat bereits in seinem Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hingewiesen hat (BayVGH, B.v. 30.5.2016 – 20 AE 16.1038 – juris Rn. 6). Eine Veränderung der Sachlage im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG ist anzunehmen, wenn nach dem materiellen Recht entscheidungserhebliche Tatsachen, die im Zeitpunkt des Erlasses des früheren Bescheides vorlagen, nachträglich wegfallen oder wenn neue, für die Entscheidung erhebliche Tatsachen nachträglich eintreten (Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff a.a.O., 10.51 BayVwVfG, Anm. 3.1.1 zu Art. 51; Giehl/Adolph/Käß a.a.O., BayVwVfG, Anm. III.1.a) zu Art. 51). Eine Änderung der Rechtslage liegt dem gegenüber vor, wenn nach Eintritt der Bestandskraft das für die konkrete Entscheidung maßgebliche materielle Recht geändert oder aufgehoben wurde (Giehl/Adolph/Käß a.a.O., Anm. III.1.b) zu Art. 51; Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff a.a.O.). Eine derartige entscheidungserhebliche Veränderung der die Beseitigungsanordnung und Ersatzvornahmeandrohung im Bescheid vom 19. September 2013 tragenden Sach- oder Rechtslage liegt jedoch nicht vor.
Ein nachträglich erstattetes Sachverständigengutachten, wie hier das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Dipl.-Ing. Dr. … … vom 27. November 2015 sowie das ergänzende Gutachten desselben Sachverständigen vom 23. Mai 2016, führt nicht zu einer neuen Sachlage (Giehl/Adolph/Käß a.a.O. Anm. III.1.a) unter Verweis auf BVerwG, U.v. 20.9.1960 – III C 9.60 – BVerwGE 11, 124; BayVGH, U.v. 24.10.1977 – 52 III 76 – DVBl. 1978, 114). Es kann offen bleiben, inwieweit es sich bei den Sachverständigengutachten um „neue“ Beweismittel im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG handelt. Denn die Frage, ob die vom Kläger gelagerten Gegenstände und Stoffe als Abfälle im Sinne des § 3 KrWG einzustufen sind und daher – bei Vorliegen der weiteren formellen und materiellen Voraussetzungen – die Beseitigungsanordnung nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayAbfG zu Recht ergangen ist, stellt keine Tatsachenfrage dar, die dem Beweis durch einen Sachverständigen (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG) zugänglich wäre. Vielmehr handelt es sich um eine Rechtsfrage, die durch die zuständigen Behörden und im Streitfalle durch die Gerichte zu beantworten ist.
Eine relevante Veränderung der tatsächlichen Umstände ist auch nicht darin zu sehen, dass – wie im Sachverständigengutachten vom 23. Mai 2016 festgehalten und auf den beigefügten Lichtbildern ersichtlich – auf dem klägerischen Grundstück nunmehr Baumaschinen (Betonmischer) und Sand in Eimern und Gefäßen als Baustoffe für angebliche Bauarbeiten bereitgehalten werden und offenbar zwischenzeitlich eine bei der vorherigen Inaugenscheinnahme des Grundstücks durch den Gutachter am 25. November 2015 nicht vorhandene Betontreppe errichtet wurde. Auch ist es nach den Feststellungen des Gutachters im Detail zu Materialbewegungen (Umschichtungen) gekommen. Diese veränderten Umstände führen nicht zu einem Entfallen der Abfalleigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 bis 4 KrWG. Es mag sein, dass die Feststellungen des Gutachters in Teilen eine (subjektive) Wiederverwendungsabsicht des Klägers nahe legen. Dies führt aber zum einen nicht dazu, dass nunmehr in Bezug auf alle von der Beseitigungsanordnung erfassten Stoffe und Materialien unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, wie in § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG verlangt wird, ein neuer Verwendungszweck anzunehmen ist. Denn ein solcher muss nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG „unmittelbar“ an die Stelle des bisherigen, entfallenen Verwendungszwecks getreten sein. Das bedeutet, dass die tatsächliche Verwirklichung des neuen Verwendungszwecks zwar nicht sofort, aber in absehbarer Zeit wahrscheinlich sein muss; der Kläger als Abfallbesitzer bzw. – erzeuger trägt hierfür die Darlegungslast (Jarass/Petersen, KrWG, § 3 Rn. 88; Frenz in Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, KrWG, Stand Juni 2017, § 3 Rn. 25; Kopp-Assenmacher/Schwartz, KrWG, § 3 Rn. 21). Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist es allein aufgrund der Menge der vorhandenen Gegenstände und Materialien, die im Übrigen auch durch die der Begründung des Berufungszulassungsantrags beigefügten Lichtbilder der Ersatzvornahme vom 31. Mai bis 2. Juni 2016 belegt wird, und in Anbetracht des Lebensalters sowie des Gesundheitszustandes des Klägers unwahrscheinlich, dass er die angeblichen Baumaterialien in absehbarer Zeit vollumfänglich noch wird verarbeiten können. Zum anderen behauptet auch der Kläger nicht, dass die im Zeitpunkt des Bescheidserlasses bereits vorhandenen und bestandskräftig als Abfall eingestuften Stoffe und Materialien mittlerweile vollständig entfernt worden seien.
c) Keinen rechtlichen Zweifeln unterliegt auch die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass mit der Beseitigungsanordnung vom 19. September 2013 ein wirksamer Grundverwaltungsakt im Sinne des Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG vorliegt. Die Nichtigkeit des zu vollstreckenden Grundverwaltungsaktes kann unabhängig von der Regelung des Art. 21 Satz 2 VwZVG auch noch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen geltend gemacht werden, da ein nichtiger Verwaltungsakt keine Rechtsfolgen entfaltet und deshalb auch keiner Bestandskraft fähig ist (vgl. Käß in Giehl/Adolph/Käß a.a.O., Art. 21 Rn. 31). Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beseitigungsanordnung jedoch nicht nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nichtig, worauf der Senat bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hingewiesen hat (BayVGH, B.v. 30.5.2016 – 20 AE 16.1038 – juris Rn. 5). Insbesondere wird von dem Kläger – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt – mit der Beseitigung von Gegenständen, die nach seinem Vortrag nicht in seinem Eigentum stehen, sondern seinem Sohn bzw. seiner Tochter gehören, keine strafbare Handlung verlangt. Denn die beiden Miteigentümer des Grundstücks wurden zur Duldung der Beseitigung verpflichtet. Soweit der Kläger nunmehr behauptet, einzelne Gegenstände – wie das angeblich im Eigentum einer Bekannten stehende Damenfahrrad – gehörten weder ihm noch den beiden Miteigentümern des Grundstücks, sondern einer dritten Person, ist dieses durch nichts belegt und daher als Schutzbehauptung zu werten. Des Weiteren war dem Kläger bzw. seinen Beauftragten die Aussonderung des Damenfahrrads auch noch bei Gelegenheit der Ersatzvornahme ohne weiteres möglich. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts vermag der Kläger damit nicht aufzuzeigen.
d) Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die zu vollstreckende Grundverfügung hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG ist. Der Einwand der mangelnden Bestimmtheit des Grundverwaltungsaktes kann, jedenfalls wenn die angebliche Unbestimmtheit erst im Rahmen der Vollstreckung zu Tage tritt, auch noch nach dem Eintritt der Bestandskraft mit Rechtsbehelfen gegen Vollstreckungsmaßnahmen geltend gemacht werden (Käß in Giehl/Adolph/Käß a.a.O., Art. 21 Rn. 26). Der hier zu vollstreckenden Beseitigungsanordnung mangelt es jedoch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Im Abfallrecht müssen zu beseitigende Gegenstände zumindest im groben Umriss beschrieben werden; ins Detail gehender Bezeichnungen bedarf es nicht, wenn Verwechslungen ausscheiden oder die nähere Bezeichnung diversen Unrates schlechthin unmöglich ist. Bei Zweifeln über die Reichweite eines Bescheidstenors ist die Bescheidsbegründung zu seiner Auslegung heranzuziehen, wobei es genügt, wenn sich die Bestimmtheit der Regelung allein aus der Begründung, nicht aber aus dem verfügenden Teil des Verwaltungsaktes ergibt. Maßgebend ist dabei der objektive Erklärungswert der heranzuziehenden Begründung (BayVGH, B.v. 8.12.2014 – 22 CE 14.2388 – NVwZ-RR 2015, 326, juris; B.v. 17.5.2011 – 20 CS 11.907 – juris). Auf die zutreffenden Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil kann hierzu verwiesen werden. Die Einwände des Klägers hiergegen verfangen nicht. Angesichts der schieren Menge der gelagerten Materialien und Gegenstände, der teilweisen Vermischung und Verteilung derselben auf dem gesamten klägerischen Grundstück war dem Beklagten eine nähere Bezeichnung der zu beseitigenden Abfälle nicht zumutbar. Der Bestimmtheit steht auch nicht entgegen, dass sich unter der Abfallmenge möglicherweise noch gebrauchsfähige Gegenstände befinden. Die Behörde braucht eventuell verwertbare Einzelteile, die ungeordnet zusammen mit dem Abfall gelagert sind, nicht ausdrücklich auszunehmen. Eine Aussortierung ist daher, soweit sie der Abfallbesitzer nicht selbst vornimmt, im Rahmen des zwangsweisen Vollzugs der Beseitigungsanordnung möglich (BayVGH, B.v. 17.5.2011 – 20 CS 11.907 – juris). Es ist dann Sache des Klägers als Abfallbesitzer, die konkrete Gebrauchsfähigkeit einzelner Gegenstände darzulegen (BayVGH, B.v. 8.12.2014 – 22 CE 14.2388 – NVwZ-RR 2015, 326, juris). Im Übrigen irrt der Kläger auch in seiner Rechtsansicht, dass es allein oder zumindest maßgeblich auf seine Einschätzung ankomme. Die Annahme der Abfalleigenschaft setzt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG einen Entledigungswillen voraus. Dieser wird nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG bei Entfallen oder Aufgabe der ursprünglichen Zweckbestimmung vermutet, wenn kein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Die Vermutung kann somit nur durch eine unmittelbare neue Zweckbestimmung widerlegt werden, die jedoch nach § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG nicht allein nach der Auffassung des Erzeugers oder Besitzers, sondern unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen ist. Dieses Kriterium und seine Beurteilung durch die Behörde und ihre Beauftragten unterliegt im Streitfalle der vollen gerichtlichen Nachprüfung.
e) Des Weiteren sind keine eigenständigen Rechtsverletzungen durch die konkrete Art und Weise der Durchführung der Ersatzvornahme ersichtlich. Nach Art. 38 Abs. 3 VwZVG sind förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung bei der Anwendung eines Zwangsmittels insoweit zulässig, als geltend gemacht werden kann, dass diese Maßnahmen eine selbständige Rechtsverletzung darstellen. Nach diesem Maßstab verletzt die schon durchgeführte oder noch beabsichtigte Ersatzvornahme in verschiedenen Teilabschnitten des klägerischen Grundstücks den Kläger nicht in seinen Rechten.
Soweit der Kläger geltend macht, dass es sich bei einzelnen Gegenständen, beispielsweise Holz und Baumaterialien, nicht um Abfälle im Sinne des § 3 KrWG handele, war es ihm angesichts des seit der Bekanntgabe der Beseitigungsanordnung verstrichenen Zeitraums, der darin gesetzten Fristen und des ausdrücklichen Hinweises des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren gegen die Beseitigungsanordnung (Anlage K8, Bl. 46 der Gerichtsakte des erstinstanzlichen Verfahrens) zumutbar, solche Gegenstände auszusondern. Eine entsprechende Sortierung bei der Durchführung der Ersatzvornahme ist dem Landratsamt bzw. seinen Beauftragten angesichts der auf den vorgelegten Lichtbildern eindrucksvoll erkennbaren Mengen verschiedenster Materialien, verteilt auf verschiedenste Standorte auf dem gesamten Grundstück, nicht zumutbar. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil wird im Übrigen Bezug genommen.
f) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen schließlich auch nicht im Hinblick darauf, dass im Rahmen der letzten Ersatzvornahme vom 31. Mai bis 1. Juni 2016 ein Holzunterstand beseitigt wurde. Denn auch insoweit fehlt es an einer eigenständigen Rechtsverletzung des Klägers im Sinne des Art. 38 Abs. 3 VwZVG durch Überschreiten des von der Grundverfügung gesteckten sachlichen Rahmens der Vollstreckung. Zwar handelt es sich bei dem Holzunterstand – nach den in der Akte vorhandenen Lichtbildern zu beurteilen – zweifellos um eine bauliche Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO, d.h. um eine mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlage (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2017, Art. 2 Rn. 51). Nach bisheriger Rechtsprechung wird hinsichtlich der Beseitigung baulicher Anlagen Art. 76 Satz 1 BayBO als bauordnungsrechtliche Befugnisnorm von der abfallrechtlichen Befugnis nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayAbfG verdrängt, wenn es der Behörde durch die Beseitigung nicht (vorrangig) darauf ankommt, baurechtsgemäße Zustände herzustellen, sondern einen abfallrechtswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2017, Art, 76 Rn. 23; BVerwG, B.v. 1.11.1993 – 4 B 185.93 – juris; U.v. 18.10.1991 – 7 C 2.91 – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2007 – 15 CS 07.966 – juris). Zwar könnten sich daran im Hinblick auf die Neufassung des Abfallbegriffs und des Anwendungsbereiches des Abfallrechts durch die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie, ARRL) sowie die entsprechenden Umsetzungsvorschriften im Kreislaufwirtschaftsgesetz Zweifel ergeben. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG unterfallen u.a. „kontaminierte Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind“, nicht dem Anwendungsbereich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (vgl. dazu die Gesetzesbegründung, wonach der Abfallbegriff auch weiterhin auf bewegliche Sachen fokussiert sei, BT-Drs. 17/6052, S. 58, 70; vgl. dazu BVerwG, B.v. 26.7.2016 – 7 B 25.15 – juris Rn. 6). Dem gegenüber bestimmt Art. 2 Abs. 1 b) ARRL, dass (u.a.) „Böden (in situ), einschließlich nicht ausgehobener Böden und dauerhaft mit dem Boden verbundener Gebäude“ nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Inwieweit mit der Verwendung des Begriffs des „Bauwerkes“ anstatt „Gebäude“ in § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG eine Verengung oder Erweiterung des Anwendungsbereiches des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gegenüber der Richtlinienvorschrift einhergeht, bedarf jedoch im vorliegenden Falle keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen auf Seite 2 des Aktenvermerks des Landratsamtes vom 7. Juni 2016 (Anlage zum Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 29.7.2016, Bl. 171/172 der Gerichtsakte des Zulassungsverfahrens), die von dem Kläger nicht substantiiert in Frage gestellt werden, ist der beseitigte Holzunterstand nach der Entfernung einer Stütze durch den Kläger während der Durchführung der Ersatzvornahme am 31. Mai 2016 instabil geworden und gefährdete die Räumungsarbeiten auf dem klägerischen Grundstück (S. 2 des Aktenvermerks). Der Holzunterstand ist damit durch äußere Einwirkung zu Abfall geworden, weil er für seinen ursprünglichen Verwendungszweck so nicht mehr zu gebrauchen war und nach der Verkehrsauffassung kein anderer Verwendungszweck unmittelbar an dessen Stelle getreten ist (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KrWG). Im Übrigen wurden zwei weitere auf dem klägerischen Grundstück vorhandene Holzunterstände – wie der Kläger selbst einräumt – nach Rücksprache mit der Bauabteilung des Landratsamtes dort belassen, so dass auch insoweit keine eigenständige Rechtsverletzung im Sinne des Art. 38 Abs. 3 VwZVG ersichtlich ist.
3. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, weil der Sachverhalt geklärt ist und die angesprochenen Rechtsfragen, soweit sie entscheidungserheblich sind, sich ohne Weiteres aus dem Gesetz bzw. aus dazu ergangener Rechtsprechung beantworten lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).