Verwaltungsrecht

Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen, Fortsetzungsfeststellung, Antrag bei Anordnungsbehörde, Rechtsschutzbedürfnis, Anordnungsgrund

Aktenzeichen  M 6 E 21.6506

Datum:
11.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3470
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 21
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1117,66 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist die Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis des Bayerischen Rundfunks vom … November 2021.
Mit Schreiben vom … November 2021 wurde von Obergerichtsvollzieher A. ein Termin zur Vermögensauskunft für den … Dezember 2021 um 10:15 Uhr in A. anberaumt.
Mit Fax vom … Dezember 2021 (11:17 Uhr) ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stellen. Er beantragte wörtlich,
„1. die Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis des Bayerischen Rundfunks wird für unzulässig erklärt.
2. die Vollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis des Bayerischen Rundfunks wird bis zum Erlass des Urteils in dieser Sache einstweilen eingestellt.“
Zur Begründung ließ er im Wesentlichen vortragen, dass eine Klage über die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht anhängig sei (M 6 K 21.2111). Der Antragsteller hätte in diesem Verfahren auf 25 Seiten eine Fülle von Gründen vorgebracht, dass der öffentliche Rundfunk die Bedingungen des Rundfunkstaatsvertrags in vielfacher Weise missachtet. Auf die Fülle der Argumente sei abzustellen. Dem Antragsteller sei bis zum Abschluss des Befreiungsverfahren Aufschub zu gewähren. Die Zwangsvollstreckung sei daher rechtsmissbräuchlich und müsse für unzulässig erklärt werden.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2021 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass der Termin zur Vermögensauskunft verschoben worden sei. Er beantragte nunmehr,
„3. Die Zwangsvollstreckung wird, erforderlichenfalls gegen Sicherheitsleistung, die auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volks- oder Raiffeisenbank erbracht werden kann, eingestellt.
4. den beauftragten oder nun noch zu beauftragenden Gerichtsvollzieher wird untersagt, aus dem vorhandenen Rechtsgrund von dem Antragsteller zu fordern, Auskünfte über sein Vermögen zu geben.
Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2021 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners und trat dem Antrag entgegen. Er beantragte,
den Antrag „zurückzuweisen“.
Mit Schriftsatz vom … Januar 2020 trug er insbesondere vor, die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen lägen vor.
Eine Hauptsacheklage wurde nicht erhoben.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Am 11. Februar 2022 wurde mündlich zur Sache verhandelt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte mit, dass der Antragsteller am … Februar 2022 die ausstehende Summe bezahlt habe. Er beantragte nunmehr,
„festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung vom … Februar 2022 rechtswidrig gewesen sei.“
Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners beantragte,
den Antrag „kostenpflichtig zurückzuweisen“.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakte in diesem und im Verfahren M 6 K 21.2111 sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz bleibt ohne Erfolg.
Im vorliegenden Verfahren der Vollstreckung eines Leistungsbescheids auf Grundlage von Art. 26, 27 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) ist der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) eröffnet, soweit sich der Betroffene gegen die Vollstreckbarkeit des Titels wendet, mithin Einwendungen geltend macht, die das „Ob“ der Vollstreckung betreffen. Für Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung, das „Wie“ der Vollstreckung, sind gemäß Art. 26 Abs. 7 Satz 2 VwZVG die Zivilgerichte zuständig (Käß in Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand November 2019, Art. 21 Rn. 51; BayVGH, B.v. 3.2.2012 – 6 C 12.221 – juris Rn. 4 ff.). Im vorliegenden Fall macht der Antragsteller Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch als solchen geltend. Er begehrt zuletzt die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung und wendet sich damit im Grunde gegen das „Ob“ der Vollstreckung, sodass eine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit besteht.
Der Antrag ist jedoch bereits unstatthaft.
Nach Begleichung des Ausstandsbetrages hat sich das ursprüngliche Begehren des Antragstellers erledigt. Die Umstellung des Antrages in ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes undienlich.
In Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kommt eine analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO systematisch nicht in Betracht (vgl. nur Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 139 m.w.N). Wie sich besonders im vorliegenden Verfahren zeigt, ist bereits das strukturelle Rechtsschutzziel einer einstweiligen Anordnung und eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens gegenläufig. Das vorläufige Rechtsschutzverfahren ist lediglich auf den Erlass einer vorläufigen Regelung gerichtet und kann damit gerade nicht zu einer endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme führen bzw. diese nachträglich feststellen. Ein Feststellungsinteresse, das einen Fortsetzungsfeststellungsantrag allein zu rechtfertigen vermag, kann in einem Eilverfahren nicht befriedigt werden. Eine Hauptsacheklage, bei der dies bei Vorliegen eines entsprechenden Feststellungsinteresses möglich wäre, wurde bereits nicht erhoben.
Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien weist das Gericht darauf hin, dass sich aus dem Vorbringen des Bevollmächtigten des Antragstellers nicht im Ansatz Gründe für einen (vorläufige) Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung ergeben hatten.
Weder hat der Antragsteller bei der Anordnungsbehörde die Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt (Art. 21 Satz 1 VwZVG) noch hat er einen Anordnungsgrund mittels geeigneter Nachweise glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich und sogar gegenteilig vorgetragen, dass die Begleichung des zu vollstreckenden Betrages zu einer wirtschaftlichen Überforderung des Antragstellers führt und dieser sodann nicht mehr in der Lage wäre, essenzielle Zahlungen vorzunehmen, sodass eine Verweisung auf einen Erstattungsanspruch nach Art. 28 VwZVG unzumutbar wäre.
Einschränkungen in der Antragstellung, die eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vermieden hätten, wurden nicht vorgenommen, vielmehr wurde – ohne dass eine Hauptsache anhängig gemacht wurde – direkt die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung im einstweiligen Rechtsschutz begehrt (siehe Antrag 1.) und auch im Feststellungantrag weiterverfolgt.
Des Weiteren gehen die von der Antragstellerpartei im Wesentlichen vorgebrachten materiellen Einwendungen fehl, da diese den Anspruch selbst betreffen. Materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch sind im Vollstreckungsverfahren nur zu prüfen, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können (Art. 21 Satz 2 VwZVG). Die im Zwangsvollstreckungsverfahren zu prüfenden Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen wurden von der Antragspartei gar nicht erst Zweifel gezogen. Auch ist der Hinweis auf die Anzahl der Seiten und Menge der Argumente (und nicht auf deren Qualität) in der Sache wenig hilfreich.
Der Antrag war insgesamt abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.7.1 Satz 1, Nr. 1.5 Satz 2).


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