Verwaltungsrecht

Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  6 ZB 18.651

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6959
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

Unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes bedarf es der Durchführung einer Ortsbesichtigung nicht, wenn und soweit die maßgeblichen Behördenakten hinreichend aussagekräftige Pläne, Karten, Fotos, Luftbildaufnahmen o.ä. enthalten, die die für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmale so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 11 K 16.1837 2018-02-21 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Februar 2018 – RO 11 K 16.1837 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 1.146‚41 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO)‚ der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 6. November 2015 gegenüber der Klägerin für die „Erneuerung/Verbesserung der Teileinrichtungen Gehweg‚ Randsteine‚ Rinnen‚ Fahrbahn und Oberflächenentwässerung in der B…straße“ eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 1.161‚- Euro für deren Grundstück FlNr. 43/16 fest. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil zu einem geringen Teil stattgegeben: Es hat den Vorauszahlungsbescheid insoweit aufgehoben, als eine höhere Vorauszahlung als 1.146‚41 Euro festgesetzt wurde; im Übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.
1. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels‚ auf dem die Entscheidung beruhen kann‚ zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Klägerin rügt als Verletzung der Aufklärungspflicht‚ das Verwaltungsgericht hätte – wie dies in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragt worden sei – einen Augenschein zu der Frage einnehmen müssen‚ ob der Straßenteil‚ auf den sich die Verbesserungsmaßnahmen beschränken‚ zur B…straße oder vielmehr zur U…straße gehöre. Damit wird ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt.
Zunächst bleibt festzuhalten‚ dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung lediglich einen bedingten Beweisantrag gestellt hat‚ so dass dessen Ablehnung nicht durch gesonderten Beschluss erfolgen musste. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die vor Ort bestehende Situation in nicht zu beanstandender Weise anhand der von der Beklagten vorgelegten und zu den Akten genommenen (Bl. 45‚ 63 bis 66 der VG-Akte) bzw. in den vorgelegten Behördenakten enthaltenen (Grundlagenakte unter Nr. 2 und 3; Sachakte unter Nr. 15) – hinreichend aussagekräftigen – Pläne‚ Karten‚ Fotos und Luftbildaufnahmen beurteilt. Derartige Lichtbilder und Pläne sind im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar‚ wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen‚ dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall‚ so bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung (vgl. dazu BVerwG‚ B.v. 3.12.2008 – 4 BN 26.08 – juris Rn. 3). Das gilt nur dann nicht‚ wenn ein Beteiligter geltend macht‚ dass die Karten und Lichtbilder in Bezug auf bestimmte‚ für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen und dies zutreffen kann (stRspr‚ vgl. BVerwG‚ B.v. 4.6.2008 – 4 B 35.08 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 22.3.2016 – 6 ZB 15.1227 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Die Sachverhaltsaufklärung des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit diesen Grundsätzen. Die Klägerin legt (auch) mit dem Zulassungsantrag nicht dar‚ dass die vom Verwaltungsgericht verwerteten Pläne und Luftbilder keine verlässliche Grundlage für die Zuordnung des betreffenden Straßenstücks zur B…straße bilden. Sie macht lediglich geltend‚ solche Umstände hätten nicht vorgetragen werden können‚ weil es keinen Hinweis dazu gegeben habe‚ dass bzw. welche Luftbilder etc. vom Verwaltungsgericht überhaupt in Augenschein genommen worden seien.
Damit kann die Klägerin nicht durchdringen. Zum einen durfte das Verwaltungsgericht aufgrund der dem Bevollmächtigten der Klägerin gewährten Einsicht in die Behördenakten davon ausgehen‚ dass dieser die darin enthaltenen‚ leicht auffindbaren und offensichtlich aussagekräftigen Pläne und Luftbildaufnahmen kannte‚ auf die es sich bei seiner Entscheidung letztlich gestützt hat. Zum anderen sind keine Gründe ersichtlich‚ weshalb die Klägerin auch in ihrer Zulassungsbegründung keine Umstände für eine aus ihrer Sicht fehlende Aussagekraft vorgetragen hat‚ insbesondere nachdem der Senat dem Bevollmächtigten erneut antragsgemäß Akteneinsicht gewährt hatte. Die Ausführungen in der Zulassungsbegründung genügen daher schon nicht den Anforderungen an die Darlegung‚ inwiefern das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nach Einholen eines Augenscheins in der Frage des Verlaufs und der Ausdehnung der B…straße zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen sollen. Sie beschränken sich vielmehr auf die bloße Behauptung‚ dass dies der Fall gewesen wäre.
2. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen auch keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung wird weder ein einzelner Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt (vgl. zu diesen Maßstab BVerfG‚ B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016‚ 1243/1244 m.w.N.).
Die Klägerin trägt vor‚ gegen die Zugehörigkeit der ausgebauten Teilstrecke zur B…straße spreche‚ dass diese eine eigene Flurnummer trage und auch eigens mit einer Länge von unter 300 m gewidmet worden sei. Auch die Geschichte bestätige „die Eigenständigkeit der B…straße“. Bei der U…straße habe es sich früher um die sogenannte „E…straße“ gehandelt‚ zu der die B…straße sichtlich eine – selbständige – Stich Straße dargestellt habe. Die B…straße habe erkennbar die Funktion‚ das dortige Wohngebiet zu erschließen. Demgegenüber diene die U…straße‚ wie schon der Name zeige‚ sehr viel weiter gesteckten Zielen. Die U…straße verlaufe an Ort und Stelle von Nord nach Süd‚ während die B…straße‚ an der das Grundstück der Klägerin anliege‚ westlich abknickend einen anderen Verlauf nehme. Im Übrigen handle es sich bei der B…straße schon in ihrem „natürlichen“ Verlauf um die längste Straße im Geviert; würde man ihr den westlichen Teil der U…straße auch noch zuschlagen‚ sei kaum ein Grund ersichtlich‚ warum man nicht auch die G…straße hinzunehme. Die „eigentliche“ B…straße verfüge beidseits über einen Bürgersteig‚ ganz im Gegensatz zur „uneigentlichen“ auf der Ostseite. Diese habe nur auf einer Seite einen Bürgersteig‚ was sie gerade auf eine Stufe stelle mit der U…straße. Der in der „B…straße“ nun neu verlaufende Kanal sei als gemeinsame Entwässerung (für Teilstrecken) der B…straße und der U…straße ausgestaltet; damit rechne die ausgebaute Anlage zur U…straße und nicht zur B…straße.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet‚ ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu wecken. Das Verwaltungsgericht hat unter zutreffender Darstellung und in Anwendung des der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Maßstabs zur Bestimmung von Anfang und Ende einer öffentlichen Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG auf der Grundlage der in den Akten befindlichen und allen Beteiligten bekannten Unterlagen festgestellt‚ dass die ausgebaute Teilstrecke nicht‚ wie die Klägerin meint‚ zur U…straße‚ sondern zur B…straße gehört‚ die an ihrer Abzweigung von der H…straße beginnt und erst gegenüber der S…straße an der Einmündung in die U…straße endet. Das Verwaltungsgericht führt weiter aus‚ die B…straße ende entgegen der Auffassung der Klägerin nach dem maßgeblichen Gesamteindruck bei natürlicher Betrachtungsweise nicht bereits im Kurvenbereich im südlichen Streckenabschnitt‚ weil dieser baulich nicht wie ein Kreuzungsbzw. Einmündungsbereich ausgestaltet sei; die B…straße verlaufe vielmehr in einer U-förmigen Kurve und setze sich fort bis zur Einmündung in die U…straße gegenüber der S…straße.
Diesen überzeugenden Erwägungen hält der Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen‚ das einer weiteren Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte. Die Argumente der Klägerin‚ im Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen sei die B…straße mit der FlNr. 44/54 mit dem Anfangspunkt H…straße und dem Endpunkt U…straße mit einer Länge von unter 300 m eingetragen‚ was gegen einen „einheitlichen Straßenzug“ spreche‚ geht ebenso fehl wie der Hinweis auf die Geschichte der Straßenführung. Denn maßgeblich für die Bestimmung der abzurechnenden öffentlichen Einrichtung sind weder Grundstücksgrenzen‚ Flurnummern oder die Eintragungen im Bestandsverzeichnis. Wie weit eine einzelne Orts Straße reicht‚ bestimmt sich allein nach dem Gesamteindruck‚ den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf die Straßenführung, -breite, -ausstattung und -länge vermitteln‚ also auch nicht danach‚ ob der Straßenzug einen oder zwei Namen führt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 6 ZB 17.1104 – juris Rn 6; U.v. 22.4.2010 – 6 B 08.14.83 – juris Rn. 14).
Nach den – hinreichend aussagekräftigen – Luft- und Lichtbildern weist die U…straße im maßgeblichen Bereich zwei von Nord nach Süd verlaufende Richtungsfahrbahnen auf‚ die durch einen schmalen begrünten Mittelstreifen getrennt sind. Dagegen erscheint die ab der Einmündung gegenüber der S…straße bis zum Kurvenbereich im Süden nahezu parallel zur U…straße verlaufende, etwa 120 m lange Teilstrecke mit der Bezeichnung „U…straße 48 bis 78“ als eine von dieser U…straße augenfällig durch einen mit Bäumen bestückten‚ nach Süden hin breiter werdenden Streifen abgegrenzte Straße, die (trotz der Namensgleichheit) nicht zur Verkehrseinrichtung U…straße gehört, sondern sich vielmehr als bloßer (unselbstständiger) Teil der hier in einer U-förmigen Kurve verlaufenden B…straße darstellt. Der von der Klägerin hervorgehobenen Umstand‚ die „eigentliche“ B…straße verfüge anders als der zu betrachtende Straßenteil beidseits über einen Bürgersteig‚ fällt demgegenüber nicht ins Gewicht.
3. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich‚ dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist‚ die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. In der Sache kritisiert die Klägerin nur die Würdigung des aus den Akten hinreichend deutlichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht‚ die auf dessen wertender Betrachtungsweise im Einzelfall beruht und vom Senat geteilt wird.
4. Die Kostenentscheidung gefolgt aus § 154 Abs. 2 VwGO‚ die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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