Verwaltungsrecht

Vorbeugende Feststellungsklage zur Feststellung der Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst

Aktenzeichen  6 ZB 19.790

Datum:
23.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 17770
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1, § 124 Abs. 2
BLV § 8, § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 24

 

Leitsatz

Für einen vorbeugenden Rechtsschutz ist aber dort kein Raum, wo und solange der Betroffene in zumutbarer Weise darauf verwiesen werden kann, die befürchteten Maßnahmen der Behörde abzuwarten und gegebenenfalls einen von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz – einschließlich der Verfahren nach §§ 80 und 123 VwGO – in Anspruch zu nehmen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 17.1117 2019-02-22 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. Februar 2019 – AN 16 K 17.1117 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Das von der Klägerin beantragte Ruhen des Verfahrens kann nicht angeordnet werden, weil die Beklagte diesem Antrag entgegengetreten ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 251 ZPO).
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, dem Antrag zu entsprechen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die Klägerin steht derzeit als Regierungsoberinspektorin (Besoldungsgruppe A10, Statusbeamtin des gehobenen Dienstes) im Dienst der Beklagen. Sie ist beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) tätig und war dort in unterschiedlichen Bereichen jeweils als Sachbearbeiterin, in der Zeit vom 14. März 2016 bis 1. August 2018 kommissarisch auch auf einem dem höheren Dienst zugeordneten Dienstposten eingesetzt.
Nachdem sie sich mehrmals erfolglos auf Stellenausschreibungen beworben hatte, die auf den Bewerberkreis der Beamten im höheren Dienst beschränkt waren, beantragte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 6. März 2017 gemäß § 8 Abs. 1 BLV bei der Beklagten die Feststellung ihrer Laufbahnbefähigung zum höheren nichttechnischen Dienst (§ 8, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BLV) mit der Begründung, laut Schreiben der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland vom 29. Januar 2015 entspräche das von ihr in Griechenland nach 4-jährigem Studium erworbene Diplom des Fachbereiches Rechtswissenschaften in Verbindung mit dem nach weiteren zwei Jahren Studium erlangten „Postgraduierten-Diplom“ für die Fachrichtung „Strafrechts- und Kriminalwissenschaften“ einem deutschen Hochschulabschluss auf Master-Ebene. Der Widerspruch der Klägerin gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten wurde mit Bescheid vom 18. Mai 2017 mit der Begründung zurückgewiesen, eine Verpflichtung zur abstrakten Feststellung der Laufbahnbefähigung nach § 8 BLV bestehe nur bei Neueinstellungen, Laufbahnwechsel und Versetzung. Im Rahmen ihrer dagegen erhobenen Klage hat sie zuletzt beantragt, festzustellen, dass sie sich mit der festgestellten Befähigung für ein Amt des höheren Dienstes auf ausgeschriebene Stellen des Ausgangsamtes des höheren Dienstes bewerben kann.
Das Verwaltungsgericht hat diese Klage für unzulässig erachtet und mit Urteil vom 22. Februar 2019 aus zwei, die Entscheidung jeweils für sich tragenden Gründen abgewiesen. Zum einen fehle es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinn des § 43 Abs. 1 VwGO, weil bisher noch keine den formellen Voraussetzungen entsprechende Feststellung der Laufbahnbefähigung zum höheren Dienst durch die Beklagte vorliege, so dass dem gestellten Klageantrag hypothetisch künftig eintretende Tatsachen zugrunde gelegt würden. Die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage könne jedoch nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Zum anderen habe die Klägerin auch kein berechtigtes Feststellungsinteresse geltend machen können. Klageziel sei die Verhinderung möglicherweise künftig drohender Rechtsverletzungen, die sich aus einer eventuellen Nichtberücksichtigung der Klägerin in einem Bewerbungsverfahren um ein Statusamt des höheren Dienstes ergeben könnten. Es sei der Klägerin aber zuzumuten, nachträglichen Rechtsschutz gegen eine unter Umständen zu Unrecht erfolgte Nichtberücksichtigung in Anspruch zu nehmen, wobei hierfür insbesondere die Möglichkeit einer raschen Klärung im Wege eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung stehe. Ergänzend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die Klage auch in der Sache keine Erfolgsaussichten habe; denn allein aus einer Feststellung der Laufbahnbefähigung folge noch nicht die Berechtigung, sich auch außerhalb eines nach § 24 BLV geöffneten Verfahrens auf sämtliche Stellen des Eingangsamtes des höheren Dienstes bewerben und damit verlangen zu können, in die Bewerberauswahl mit einbezogen zu werden.
Ist die erstinstanzliche Entscheidung demnach selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.2017 – 8 B 19.16 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag nicht. Jedenfalls greift der hinsichtlich der das verwaltungsgerichtliche Urteil selbständig tragenden Begründung, bei der vorliegenden Klage handele es sich um eine vorbeugende Feststellungsklage, die wegen Fehlens des erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig sei, allein vorgebrachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht durch.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.6.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 13.7.2015 – 6 ZB 15.585 – juris Rn. 3). Das ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem zuletzt gestellten Klagebegehren um eine vorbeugende Feststellungsklage handelt. Ziel der vorliegenden (Feststellungs-)Klage ist es zu verhindern, dass die Beklagte die Klägerin im Falle einer in Zukunft beabsichtigten möglichen Bewerbung auf ein Eingangsamt des höheren Dienstes bereits auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens mit der Begründung aus dem Kreis der in den Leistungsvergleich aufzunehmenden Bewerber ausschließt, sie besitze nicht die Bewerbungsberechtigung zum höheren Dienst. Damit handelt es sich der Sache nach um eine vorbeugende Feststellungsklage: Die Klägerin will einem möglichen künftigen frühzeitigen Ausschluss aus dem Bewerbungsverfahren mangels (förmlicher) Feststellung der Laufbahnbefähigung vorbeugen.
Klagen, mit denen vorbeugend Rechtsschutz begehrt wird, erfordern nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein entsprechend qualifiziertes, d.h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, U. v. 7.5.1987 – 3 C 53.85 – juris Rn. 25; B.v. 20.9.1989 – 9 B 165.89 – juris Rn. 3 m.w.N.). Für einen vorbeugenden Rechtsschutz ist aber dort kein Raum, wo und solange der Betroffene zumutbarer Weise darauf verwiesen werden kann, die befürchteten Maßnahmen der Behörde abzuwarten und gegebenenfalls einen von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz – einschließlich der Verfahren nach §§ 80 und 123 VwGO – in Anspruch zu nehmen. Das folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der der Gerichtsbarkeit nur die Kontrolle der Verwaltungstätigkeit aufträgt, ihr aber grundsätzlich nicht gestattet, bereits im Vorhinein gebietend oder verbietend in den Bereich der Verwaltung einzugreifen. Vorbeugende Klagen sind daher nur zulässig, wenn ein besonders schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 3 C 35.07 – juris Rn. 26 m.w.N.). Ein derart qualifiziertes Rechtsschutzinteresse ist hier nicht gegeben.
Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, die Beklagte habe bereits geäußert, sie werde auch in Zukunft außerhalb von nach § 24 BLV geöffneten Verfahren eine Bewerbung der Klägerin auf Eingangsämter des höheren Dienstes nicht berücksichtigen. Damit wird das erforderliche spezifische Interesse gerade an vorbeugendem Rechtsschutz nicht dargetan. Den gegen einen als unberechtigt angesehenen Ausschluss aus dem Bewerberkreis eröffneten „normalen“ Rechtsschutz hat die Klägerin in der Vergangenheit bereits selbst in Anspruch genommen, wenn auch in der Sache ohne Erfolg. Er sichert die Klägerin auch in Zukunft in hinreichender Weise ab, auch wenn die Beklagte – im Übrigen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu den Beschluss des Senats vom 25. Juli 2018 – 6 CE 18.1319 – S. 5 unter 2.) – im Vorfeld geäußert haben mag, eine Bewerbungsberechtigung der Klägerin bestehe – unabhängig von deren materiellen Befähigung zum höheren Dienst – nur bei entsprechender Öffnung der jeweiligen Ausschreibung. Die Notwendigkeit, in Zukunft möglicherweise erneut eine entsprechende Klage oder ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren anstrengen zu müssen, macht die hier erhobene vorbeugende Feststellungsklage nicht zu der der Klägerin allein zumutbaren Rechtsschutzform. Vielmehr ist der Klägerin ein Abwarten zuzumuten, ob und gegebenenfalls mit welcher Begründung sie bei zukünftigen Auswahlverfahren bezüglich eines Eingangsamtes des höheren Dienstes aus dem Bewerberkreis ausgeschieden wird. Durch dieses Abwarten entstehen der Klägerin keine nicht wieder rückgängig zu machenden Einbußen für ihre Rechtsstellung. Sie kann einen etwaigen Ausschluss aus dem Bewerberkreis anfechten und gerichtlich überprüfen lassen.
Da somit zumindest für eine das Urteil selbständig tragende Begründung kein durchgreifender Zulassungsgrund vorliegt, kommt es auf das weitere Zulassungsvorbringen nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47‚ § 52 Abs. 6 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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