Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang „Psychologie”

Aktenzeichen  7 CE 18.2023

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8693
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG Art. 43 Abs. 5
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Wahrung der Zumutbarkeit kann es auch bei zugangsbeschränkenden Qualifikationsanforderungen geboten sein, in begründeten Ausnahmefällen geringere Qualifikationen ausreichen zu lassen oder Befreiungsmöglichkeiten vorzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 6 C 19.15 – BVerwGE 157, 46 Rn. 10 m.w.N.). (Rn. 22)
2. Werden in nicht zulassungsbeschränkten postgradualen Masterstudiengängen neben einem Hochschulabschluss oder einem vergleichbaren Abschluss von der jeweiligen Universität auf der Grundlage der Ermächtigung in Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG weitere Qualifikationsvoraussetzungen aufgestellt, darf der Bewerber, der diese weitergehenden Voraussetzungen nicht erfüllt, daher nicht generell darauf verwiesen werden, die Berücksichtigung besonderer Härtegesichtspunkte sei ausgeschlossen. (Rn. 23)

Verfahrensgang

RO 3 E 18.1154 2018-09-04 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antragsgegner wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts R … vom 4. September 2018 verpflichtet, die Antragstellerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt vorläufig zum Masterstudiengang „Psychologie“ an der Universität R … zuzulassen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang „Psychologie“ an der Universität R … (im Folgenden: Universität) für das Wintersemester 2018/2019.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2018 – und im Anschluss daran hinsichtlich der geltend gemachten Härtegesichtspunkte telefonisch – lehnte die Universität die Bewerbung der Antragstellerin für ein Studium im Masterstudiengang „Psychologie“ zum Wintersemester 2018/2019 ab. Die Antragstellerin, die zuvor im Sommersemester 2018 an der Universität ihr Erststudium „Psychologie“ mit dem Bachelor of Science und der Gesamtnote 2,3 abgeschlossen hatte, erfülle nicht die Qualifikation für den begehrten Studiengang, weil ihre Durchschnittsnote nicht den Leistungsanforderungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Prüfungs- und Studienordnung für den Masterstudiengang „Psychologie“ an der Universität R … entspreche (neben anderen Voraussetzungen eine Durchschnittsnote von mindestens 1,3 bzw. 1,4 bis 1,8 mit Nachweis der studiengangspezifischen Eignung). Im Rahmen des qualitativen Eignungsverfahrens könnten Härtefälle aus Rechtsgründen keine besondere Berücksichtigung finden.
Ihren am 26. Juli 2018 gestellten Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Masterstudium zuzulassen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. September 2018 ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie erfülle die von der Universität rechtswirksam durch Satzung festgelegten Zulassungsvoraussetzungen zum nicht zulassungsbeschränkten Masterstudiengang „Psychologie“ nicht, da sie den Abschluss im Bachelorstudiengang „Psychologie“ bereits nicht mit der erforderlichen Durchschnittsnote von mindestens 1,8 Leistungspunkten bestanden habe. Sie könne auch nicht aus Härtegesichtspunkten zum Masterstudium „Psychologie“ zugelassen werden. Die Antragstellerin habe im Rahmen des Bachelorstudiengangs einen weitreichenden Nachteilsausgleich erhalten. Ihre danach erzielte Durchschnittsnote sei allein entscheidend für die Zulassung zum Masterstudium „Psychologie“. Weder könne ihr ein weiterer Nachteilsausgleich – etwa in Form der Besserrechnung von Abschlussnoten – gewährt werden noch könne eine Zulassung aus Härtegesichtspunkten erfolgen. Eine Härtefallregelung, die weder im Bayerischen Hochschulgesetz noch in der maßgeblichen Prüfungs- und Studienordnung enthalten sei, würde zu einer Besserstellung behinderter Studenten im Verhältnis zu nichtbehinderten Studenten und damit zur Anwendung anderer Zugangskriterien zugunsten behinderter Studenten führen. Die Zugangsvoraussetzungen zum Masterstudium „Psychologie“ richteten sich alleine nach leistungsbezogenen Kriterien. Der von der Antragstellerin gestellte Härtefallantrag sei kein geeignetes Instrument, die Zugangsvoraussetzungen zum Masterstudiengang zu umgehen. Ohne dass es darauf ankomme, sei das Vorbringen der Antragstellerin, sie könne an einer anderen Universität nicht studieren, nicht hinreichend glaubhaft und schlüssig. Soweit sie vortrage, dass das Studium an anderen behindertengerechten Universitäten für sie zeitaufwendiger, finanziell nicht leistbar und ihr lange Wege im Rollstuhl nicht zumutbar seien, könne dies keine Berücksichtigung finden, da hierdurch das Studium für die Antragstellerin lediglich beschwerlicher werde. Es sei nicht schlüssig, warum die Antragstellerin in anderen Städten keine behindertengerechte Wohnung in der Nähe der jeweiligen Universität finden könne. Die vorgetragene örtliche Gebundenheit der Antragstellerin beruhe erkennbar auch auf eigenen Präferenzen und Wünschen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Über die ebenfalls am 26. Juli 2018 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht bislang noch nicht entschieden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde. Sie trägt im Wesentlichen vor, sie habe einen GdB von 100, sei an den Rollstuhl gebunden, stark sehbehindert und benötige zudem dauerhaft eine Begleitperson. Sie habe mit jeder Stufe und jedem Kopfsteinpflaster zu kämpfen. Sie habe enorme Schwierigkeiten gehabt, in R … ein behindertengerechtes Umfeld zu schaffen. Sie sei im Vergleich zu anderen Bewerbern, die diesen Einschränkungen nicht unterlägen, schlechter gestellt. Von einer mehrfachen Berücksichtigung ihrer Behinderung könne daher keine Rede sein. Sie halte es für diskriminierend, wenn ihr im Rahmen des Masterstudiums keine Gelegenheit gegeben werde, ihre beruflichen Ziele weiterzuverfolgen. Für ihren Berufswunsch des Psychotherapeuten sei ein Masterstudium unumgänglich. Ein Studium an einer anderen Universität sei mit erheblichen Herausforderungen für sie verbunden. Sie könne nicht wie jeder andere, nicht behinderte Student den Studienplatz einfach wechseln. Dabei gehe es nicht um Bequemlichkeit, sondern um massive gesundheitliche Einschränkungen, mit denen sie zu kämpfen habe.
Sie stehe vor dem Problem, dass sie in ganz Bayern nicht studieren könne: an behindertengerechten Universitäten wie in R … wegen der Note, an anderen Universitäten trotz erreichter Note und erfüllter Eignungsvoraussetzungen wegen des fehlenden behindertengerechten Campus. Sie habe sich bei anderen Universitäten erkundigt und die Gegebenheiten zum Teil vor Ort in Augenschein genommen. Bei sämtlichen Universitäten sei sie auf erhebliche Herausforderungen gestoßen, die in R … nicht vorlägen, seien es die Gebäude oder die Installation, das Vorhandensein von Behindertenbeauftragten oder die Hilfe beim Aufbereiten von Studienmaterial in der geeigneten Schriftgröße, usw.. Auch benötige sie permanente Assistenz, sowohl im Studium als auch im Alltag. Dies verursache einen enormen organisatorischen Aufwand, da sie die Assistenz nur für 8 Stunden am Tag finanzieren könne. Die Tatsache, dass allein die Universität R … einen behindertengerechten, in sich geschlossenen Campus vorhalte, sei dabei eine unverzichtbare Hilfe. Zudem benötige sie eine Reihe von Therapien, um ihre Bewegungsfähigkeit im Rollstuhl und ihre Gesundheit so weit wie möglich zu erhalten. Da sie selbst wegen ihrer Sehbehinderung nicht Auto fahren dürfe und Autofahrten aus versicherungstechnischen Gründen nicht von der Assistenz durchgeführt werden könnten, sei es auch im Hinblick auf ihre Therapien erforderlich, dass sie in R … bleiben könne. Eine Zulassung zum Masterstudium „Psychologie“ ausschließlich nach leistungsbezogenen Kriterien berücksichtige nicht, dass es behinderte Menschen gebe, die auf die Örtlichkeiten einer bestimmten Universität angewiesen seien, zumal sie an anderen Universitäten die Eignungsvoraussetzungen für den gewünschten Masterstudiengang erfülle.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts R … vom 4. September 2018 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig – bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache – zum Masterstudiengang „Psychologie“ an der Universität R … (Wintersemester 2018/2019) zuzulassen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die begehrte Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und ihre vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang „Psychologie“ zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
I.
Die erforderliche Dringlichkeit und damit der Anordnungsgrund für den Erlass der beantragten einstweiligen Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ergeben sich aus dem Umstand, dass die Antragstellerin aufgrund des ergangenen Bescheids vom 2. Juli 2018 derzeit gehindert ist, das beabsichtigte Masterstudium aufzunehmen.
Ein Studienbeginn im Wintersemester 2018/2019 ist zwar nach dessen Ende ausgeschlossen. Erkennbares Ziel der Antragstellerin ist es jedoch, mit dem Studium, das nur im Wintersemester aufgenommen werden kann (§ 4 Abs. 4 Satz 1 der Prüfungs- und Studienordnung für den Masterstudiengang „Psychologie“ an der Universität R … vom 20.7.2012, zuletzt geändert durch Satzung vom 26.6.2017 – im Folgenden: PStO), zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beginnen. Auch wenn dies erst zum Wintersemester 2019/2020 möglich sein wird, ist hierdurch die Dringlichkeit nicht entfallen (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2012 – 7 CE 11.3019 – BayVBl 2012, 533 Rn. 11 f.). Für die Zulassung trotz des zwischenzeitlich abgeschlossenen Semesters spricht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten die Erwägung, dass die effektive Durchsetzung eines verfassungsmäßig gewährleisteten, in seiner Verwirklichung aber situationsabhängigen Rechts nicht darunter leiden darf, dass sich die Verhältnisse während der unvermeidlichen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens zum Nachteil des Rechtssuchenden verschlechtern. Die Antragstellerin hat den Umstand, dass sie trotz frühzeitiger Beantragung der einstweiligen Anordnung an den Lehrveranstaltungen des Wintersemesters 2018/2019 nicht teilnehmen konnte, nicht zu vertreten. Sie muss sich nicht darauf verweisen lassen, zunächst das verwaltungsgerichtliche Verfahren in der Hauptsache durchzuführen, mit dessen Abschluss ohnehin erst nach einer längeren Prozessdauer gerechnet werden kann. Auch im Hinblick auf die bereits verlorene Zeit, die die Antragstellerin im Falle der Zulassung zum begehrten Masterstudium für ihre Ausbildung hätte nutzen können, ist die Dringlichkeit für die begehrte Entscheidung nach wie vor zu bejahen.
Der Senat legt daher den Antrag dahingehend aus, dass die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, vorläufig zum Masterstudiengang „Psychologie“ an der Universität zugelassen zu werden, ohne dass sie das Vorliegen der in § 4 Abs. 1 PStO festgelegten studiengangspezifischen Eignung nachweisen muss. Damit könnte ihr die Universität beim nächstmöglichen Studienbeginn die nicht vorliegende Eignung nicht mehr entgegenhalten.
II.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf vorläufige Zulassung zum – nicht zulassungsbeschränkten – Masterstudium „Psychologie“. Dieser folgt nicht bereits daraus, dass die von der Universität für die Zulassung zum Masterstudium Psychologie in § 4 Abs. 1 PStO festgelegten Eignungskriterien, die die Antragstellerin unstreitig nicht erfüllt, unangemessen hoch sind und daher von ihr nicht gefordert werden können (nachfolgend 1.). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin jedenfalls einen Anordnungsanspruch dahingehend, dass bei der Entscheidung über ihren Antrag auf Zulassung zum Masterstudium „Psychologie“ die von ihr geltend gemachten Härtegesichtspunkte einbezogen werden. Trotz des Interesses der Universität, zum Masterstudiengang „Psychologie“ nur Bewerber zuzulassen, die die Zugangsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 PStO erfüllen, bestehen im Hinblick auf die von der Antragstellerin vorgetragenen Härtegründe erhebliche Bedenken, dass ihre Nichtzulassung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist (nachfolgend 2.). Unter Berücksichtigung der Interessen beider Beteiligten ist daher der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin geboten (nachfolgend 3.).
1. Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin folgt nicht bereits daraus, dass die Universität ihr die fehlende Eignung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu Unrecht entgegengehalten hat.
a) Regelungen, die wie § 4 PStO den Zugang zu einer Berufsausbildung in einer staatlichen Ausbildungsstätte an den Nachweis einer fachlichen Qualifikation knüpfen, schränken die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufswahl ein. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Abschluss der Ausbildung notwendig ist, um einen bestimmten Beruf ergreifen zu können. Vom Schutzbereich dieses Grundrechts umfasst ist auch die Wahrnehmung von Chancen, die die Bewerber der angestrebten beruflichen Tätigkeit näherbringen oder die beruflichen Perspektiven verbessern. Eine solche Chance stellt eine staatliche Ausbildung dar, deren Abschluss für die Ausübung eines bestimmten Berufs zwar nicht normativ erforderlich ist, die jedoch den Berufseinstieg erleichtern oder sich auf andere Weise vorteilhaft für das berufliche Fortkommen auswirken kann (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 6 C 19.15 – BVerwGE 157, 46 Rn. 7 m.w.N.).
Für derartige subjektive Voraussetzungen des Zugangs zu Berufsausbildungen in staatlichen Ausbildungsstätten wie den Hochschulen gelten grundsätzlich die gleichen verfassungsrechtlichen Maßgaben wie für unmittelbare Berufszugangsvoraussetzungen: Ihre Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG setzt voraus, dass sie der Förderung eines wichtigen Gemeinschaftsguts dienen und der Gesetzgeber diesem Interesse unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit den Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des Einzelnen einräumen darf. Als wichtiges Gemeinschaftsgut kommt jedes öffentliche Interesse in Betracht, das der Gesetzgeber nach seinen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Zielen als besonders förderungswürdig ansieht. Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, wenn die Zugangsbeschränkung geeignet ist, das Gemeinschaftsinteresse zu fördern, hierfür kein gleich wirksames, aber weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung steht, und eine Gesamtabwägung der Schwere des Grundrechtseingriffs mit Gewicht und Dringlichkeit des Gemeinschaftsinteresses ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit für die Betroffenen nicht überschritten ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 6 C 19.15 – BVerwGE 157, 46 Rn. 8 m.w.N.).
Zugangsbeschränkende Qualifikationsanforderungen sind regelmäßig dem wichtigen Gemeinschaftsgut zu dienen bestimmt, die Qualität der Ausbildung zu sichern (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 6 C 19.15 – BVerwGE 157, 46 Rn. 9 m.w.N.). Qualifikationsnachweise sind hierfür regelmäßig geeignet, wenn sie einen inhaltlichen Bezug zu den Ausbildungsinhalten aufweisen. Sie sind erforderlich, wenn bei objektiver Betrachtung die Annahme berechtigt ist, dass Bewerber, die nicht im Besitz der Nachweise sind, den Anforderungen der Ausbildung voraussichtlich nicht gewachsen sein werden. Schließlich müssen die Nachweispflichten in einem angemessenen Verhältnis zu den Anforderungen der Ausbildung stehen; sie dürfen nicht überzogen sein. Unverhältnismäßig sind insbesondere Zugangsbeschränkungen, die darauf angelegt sind, dass sie nur überdurchschnittlich befähigte Bewerber erfüllen können (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 6 C 19.15 – BVerwGE 157, 46 Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 2.2.2012 – 7 CE 11.3019 – BayVBl 2012, 533).
b) Durch Bezugnahme u.a. auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 23. Mai 2015 – RO 9 K 14.1431 – (juris) sowie mit dem ergänzenden Hinweis im angefochtenen Beschluss, die in § 4 Abs. 1 PStO festgelegten Voraussetzungen stellten keine unangemessenen Anforderungen dar und es werde hierdurch keine unverhältnismäßige Niveaupflege betrieben, hat das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten, dass § 4 PStO im Hinblick auf die festgelegten Qualifikationsanforderungen nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Nach dem Vortrag des Antragsgegners hätten in den letzten drei Bewerbungszeiträumen jeweils der überwiegende Teil der Bewerber, durchschnittlich 78%, in ihrem Erstabschluss einen Notendurchschnitt von 1,8 oder besser erreicht. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts dürfte zutreffend sein. Da die Antragstellerin dem nicht entgegengetreten ist, ist eine weitergehende Prüfung im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst. Vielmehr ist im Beschwerdeverfahren davon auszugehen, dass § 4 PStO keine unangemessen hohen zugangsbeschränkenden Qualifikationsanforderungen aufstellt.
2. Soweit die Universität und das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass sich die Zulassung zum – nicht zulassungsbeschränkten – Masterstudiengang „Psychologie“ ausschließlich nach leistungsbezogenen Kriterien zu richten hat und Härtegesichtspunkte auch im Einzelfall nicht zum Tragen kommen können, ist diese Auffassung mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar (nachfolgend a). Ob die in § 4 PStO aufgestellten (weiteren) Qualifikationsanforderungen im Hinblick auf eine etwaige Notwendigkeit einer Härtefallregelung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt (nachfolgend b). Anders als es das Verwaltungsgericht meint, hat die Antragstellerin jedenfalls einen Anordnungsanspruch dahingehend, dass bei der Entscheidung über ihren Antrag auf Zulassung zum Masterstudium „Psychologie“ die von ihr geltend gemachten Härtegesichtspunkte berücksichtigt werden (nachfolgend c).
a) Zur Wahrung der Zumutbarkeit kann es auch bei zugangsbeschränkenden Qualifikationsanforderungen geboten sein, in begründeten Ausnahmefällen geringere Qualifikationen ausreichen zu lassen oder Befreiungsmöglichkeiten vorzusehen (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 6 C 19.15 – BVerwGE 157, 46 Rn. 10 m.w.N.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert auch im Bereich grundrechtlicher Teilhabeansprüche, dass – selbst in Konkurrenzsituationen – im Einzelfall besondere Umstände berücksichtigt werden, die in der Person des Bewerbers liegen und von diesem nicht zu vertreten sind. Nur so kann im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG sichergestellt werden, dass der Einzelne durch besondere Eignungsanforderungen nicht übermäßig und unzumutbar beschwert wird. Aus dem Gebot der Gleichheitsgerechtigkeit folgt zwar, dass sich die Regeln über die Vergabe von Studienplätzen grundsätzlich an dem Kriterium der Eignung orientieren müssen (BVerfG, U.v. 19.12.2017 – 1 BvL 3/14 u.a. – BVerfGE 147, 253 Rn. 109 f.). Schon begrifflich schließt die Einräumung von Chancen das Risiko des Fehlschlages ein. Bei der Vergabe verknappter unteilbarer Güter kann jedes Auswahlsystem nur einem Teil der Bewerber reale Aussichten eröffnen; wesentlich ist alsdann, dass der Realisierungsgrad der Chancen wenigstens durch objektiv sachgerechte und individuell zumutbare Kriterien bestimmt wird (vgl. BVerfG, U.v. 8.2.1977 – 1 BvF 1/76 u.a. – BVerfGE 43, 291 Rn. 69). Verfassungsrechtlich haben daher auch die im Kapazitätsrecht geltenden Härtefallregelungen, wie beispielsweise der vorliegend nicht anwendbare § 15 HZV, im Lichte des Gleichheitssatzes die Funktion, innerhalb eines notwendig schematisierenden Auswahlsystems für Massenverfahren einen Ausgleich für die mit dem System selbst verbundenen Unbilligkeiten im Einzelfall zu schaffen (vgl. BVerfG, U.v. 8.2.1977 – 1 BvF 1/76 u.a. – BVerfGE 43, 291 Rn. 194). Auch sie sind daher Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und stellen sicher, dass (subjektive) Zulassungsbeschränkungen mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind.
Werden in nicht zulassungsbeschränkten postgradualen Masterstudiengängen neben einem Hochschulabschluss oder einem vergleichbaren Abschluss von der jeweiligen Universität auf der Grundlage der Ermächtigung in Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG weitere Qualifikationsvoraussetzungen aufgestellt, darf der Bewerber, der diese weitergehenden Voraussetzungen nicht erfüllt, nicht generell darauf verwiesen werden, die Berücksichtigung besonderer Härtegesichtspunkte sei ausgeschlossen. Vielmehr ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Nichtzulassung des Bewerbers zum begehrten Masterstudium wegen der geltend gemachten Gründe eine außergewöhnliche Härte bedeutet. Eine außergewöhnliche Härte ist aus Verhältnismäßigkeitsgründen dann anzunehmen, wenn besondere, vor allem soziale und/oder familiäre Gründe in der Person der Bewerberin oder des Bewerbers die Aufnahme des beabsichtigten Masterstudiums gerade an dem ausgewählten Studienort zwingend erfordern. Eine derartige besondere Angewiesenheit auf den begehrten Studienort kann sich gleichermaßen für behinderte und nichtbehinderte Bewerber ergeben. Daher greift der Verweis auf einen dem Studienbewerber im Bachelorstudium gewährten Nachteilsausgleich zu kurz. Er verkennt, dass es Härtegesichtspunkte gibt, die durch Nachteilsausgleich nicht kompensiert werden können. Denkbar sind beispielsweise Fallgestaltungen, bei denen – trotz einer (Schwer) Behinderung – kein Nachteilsausgleich erforderlich ist, Härtegründe aber dennoch zwingend berücksichtigt werden müssen. In anderen Fällen kann es geboten sein kann, derartige Gründe – trotz gewährten Nachteilsausgleichs – im Rahmen einer nachfolgenden Härtefallentscheidung erneut einzubeziehen.
Zwar dürfen behinderte Studienbewerber wegen ihrer Behinderung grundsätzlich keine Besserstellung gegenüber nichtbehinderten Bewerbern erfahren. Um die Gefahr einer ungerechtfertigten Durchbrechung des Gleichheitsgebots auszuschließen, muss deshalb bei der Prüfung eines Härtefallantrags ein strenger Maßstab angelegt werden. Notwendig ist der Nachweis einer besonders schwerwiegenden persönlichen Ausnahmesituation. Das Vorliegen einer Schwerbehinderung allein rechtfertigt in der Regel noch nicht, einen Härtefall anzunehmen. Nicht mit dem Gleichheitsgebot wäre es daher vereinbar, einen (behinderten) Studienbewerber, der sich auf das Vorliegen einer besonderen Härte beruft, auch dann zum begehrten Masterstudium zuzulassen, wenn er mit dem im Bachelorstudium erzielten Ergebnis an keiner anderen deutschen Universität einen derartigen Studienplatz erhalten könnte. Andererseits darf der Studienbewerber im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht pauschal darauf verwiesen werden, mit einem Bachelorabschluss könne man bereits einen Beruf ausüben bzw. die Wahl des Studiums und des Schwerpunkts im Bachelorstudium beruhten allein auf eigener Entscheidung.
b) Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Prüfungs- und Studienordnung für den Masterstudiengang „Psychologie“ an der Universität R … enthalte keine Härtefallregelung und müsse dies aus Rechtsgründen auch nicht, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt. Der Senat hat daher im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu prüfen, ob die durch § 4 Abs. 1 PStO aufgestellten besonderen Eignungsvoraussetzungen der Antragstellerin vorliegend deshalb nicht entgegengehalten werden können, weil die Prüfungs- und Studienordnung wegen einer fehlenden Härtefallregelung insoweit nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sein kann.
c) Allerdings spricht nach dem Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in der Gesamtschau viel dafür, dass in ihrer Person jedenfalls der von ihr geltend gemachte Härtefall vorliegt, weil es ihr im Hinblick auf die besonderen, durch ihre spezielle Behinderung wesentlich geprägten Lebensumstände nicht zugemutet werden kann, das Masterstudium „Psychologie“ an einer anderen deutschen Universität aufzunehmen. Das Vorliegen eines Härtefalls kann in ihrem besonderen Fall jedenfalls nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Universitäten, an denen die Antragstellerin ebenfalls potentiell ein Masterstudium „Psychologie“ aufnehmen könnte, über das Siegel „behindertengerecht“ verfügen. Auch ist dem Umstand, dass der Antragstellerin im Bereich Psychologie wegen ihrer Behinderung lediglich ein enges Berufsfeld offen stehen wird, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen. Anders als es das Verwaltungsgericht annimmt, kann auch nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass ein Studium an einer anderen deutschen Universität für die Antragstellerin aufgrund ihrer konkreten Lebensumstände lediglich „beschwerlicher“ wäre und ihr daher ein Studienortwechsel zugemutet werden könne. Zwar hat die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, dass ihr insoweit keine weiteren Anstrengungen abverlangt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob es der Antragstellerin unter Berücksichtigung aller Umstände ihres konkreten Einzelfalls zumutbar ist, das beabsichtigte Masterstudium an einer anderen Universität aufzunehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin mit ihrer im Bachelorstudium erzielten Gesamtnote an keiner anderen Universität im Bundesgebiet einen Masterstudienplatz „Psychologie“ erlangen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Da ein weiteres Zuwarten mit dem beabsichtigten Studienbeginn bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine erhebliche Härte für die Antragstellerin mit sich bringen würde, hat das Interesse der Universität, nur solche Bewerber zuzulassen, die die von ihr in § 4 Abs. 1 PStO festgelegten Eignungskriterien erfüllen, vorliegend zurückzutreten. Zur Abwendung dieser Nachteile ist daher der Erlass der einstweiligen Anordnung geboten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57).


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