Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 18.10009

Datum:
8.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25035
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
BayHZV § 46 Abs. 2, § 48, § 50 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 abs. 4 GG) liegt nicht darin, dass im gerichtlichen Eilverfahren um die vorläufige Zulassung zum Medizinstudium von der Universität keine Glaubhaftmachung aller in der Kapazitätsberechnung berücksichtigten Parameter verlangt wurde. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der (gerichtlichen) Überprüfung der Kapazitätsberechnung kommt es wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips auf die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stellen und damit auch auf die Namen der jeweiligen Stelleninhaber nicht an. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Sind Funktionsstellen seit Jahren von denselben Personen besetzt, ist eine laufende Überprüfung der unbefristet erteilten Lehrdeputatsreduzierungen grundsätzlich nicht erforderlich. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 E 17.20123 2018-02-26 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Universität) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2017/2018.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat den Antrag mit Beschluss vom 26. Februar 2018 abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der Universität über die vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze im Studiengang Humanmedizin im ersten Fachsemester zur Verfügung stünden.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, weil es ungeprüft die nicht plausibilisierte Kapazitätsberechnung der Universität übernommen habe. Im Gegensatz zu den Vorjahren habe diese nur eine rudimentäre Kapazitätsdarstellung anstatt einer korrekten Kapazitätsberechnung nach der Hochschulzulassungsverordnung vorgelegt. Die Lehrdeputatsreduzierungen seien aktuell zu erläutern, nachzuweisen und zu begründen. Entgegen der Rechtsprechung des Senats seien die hohen Lehrdeputatsreduzierungen unter anderem für Strahlenschutzbeauftragte zu hinterfragen und aktuell wirksame Verfügungen über die Reduzierungen vorzulegen. Der Dienstleistungsexport für Pharmazie und Zahnmedizin sowie für Biomedizin sei nicht plausibel hergeleitet, ebenso nicht der Curriculareigenanteil der Vorklinik sowie die Curricularanteile bei den Dienstleistungsexportstudiengängen. Auffällig sei insbesondere, dass sich der Curriculareigenanteil von 1,6322 im Vorjahr auf 1,6987 erhöht habe.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität für Studienanfänger (erstes Fachsemester) im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu bemerken:
a) Eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) liegt nicht darin, dass im gerichtlichen Eilverfahren von der Antragsgegnerin keine Glaubhaftmachung aller in der Kapazitätsberechnung berücksichtigten Parameter verlangt wurde. Zwar dürfen im gerichtlichen Eilverfahren die Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht überspannt werden (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 31.3.2004 – 1 BvR 356/04 – BayVBl 2005, 240 f.). Dieser Grundsatz hat jedoch nicht zur Folge, dass nunmehr an den Antragsgegner überspannte Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung der in der Kapazitätsberechnung berücksichtigten Daten gestellt werden dürften (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2011 – 7 CE 11.10711 – juris Rn. 8). Dies gilt vorliegend namentlich im Hinblick auf die von der Antragstellerin vorgetragenen Einwände und Bedenken, die in der Rechtsprechung des Senats in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bereits geklärt sind und deshalb keine weitere Sachaufklärung erfordern.
b) Nicht zu beanstanden ist, dass die Universität eine von der bisherigen Handhabung abweichende Kapazitätsberechnung, insbesondere durch Verwendung neuer Berechnungsformulare, vorgenommen hat. Ein Anspruch der Antragstellerin, die bestehende Kapazitätsermittlung in der alten Form beizubehalten oder diese in bestimmter Art und Weise darzustellen, besteht nicht. Die Darstellung der Kapazitätsberechnung obliegt allein der Universität, zumal der Antragsgegner die Notwendigkeit der neuen Berechnung mit Schreiben vom 18. April 2018 erläutert hat. Seinen Ausführungen zufolge erfordern die ausdifferenzierten Studienordnungen zur Beschreibung der individualisierten Wahlpflichtbereiche ein transparentes Regelwerk zur Ausweisung der Curricularanteile. Das „alte ZVS-Formular“ erfülle diese Anforderungen nicht mehr. Allein maßgeblich ist die Plausibilität der Berechnung, die gerichtlich nachzuprüfen ist.
c) Die Kapazitätsberechnung ist nicht deshalb intransparent, weil der in den Unterlagen zur Kapazitätsberechnung enthaltene Stellenplan die Namen der Stelleninhaber nicht ausweist. Bei der (gerichtlichen) Überprüfung der Kapazitätsberechnung kommt es wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips auf die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stellen und damit auch auf die Namen der jeweiligen Stelleninhaber nicht an. In der unterbliebenen Vorlage einer entsprechenden Aufstellung liegt daher kein ergebnisrelevanter Verfahrensmangel (stRspr d. Senats, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.4.2016 – 7 CE 16.10024 – juris Rn. 9).
d) Die der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Minderungen der Lehrverpflichtung (§ 46 Abs. 2 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18. Juni 2007 [GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. März 2015 [GVBl S. 74]), betreffen, wie sich aus dem Hinweis auf § 4 Abs. 1 Nr. 6 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen [Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV] vom 14. Februar 2007 [GVBl S. 201, BayRS 2030-2-21-WFK], zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 [GVBl S. 286]), ergibt, die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Beamtenverhältnis. Sie sind – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – nach Art und Umfang in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand gerichtlicher Überprüfung gewesen und zu Recht unbeanstandet geblieben (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 15.7.2016 – 7 CE 16.10082 – und ausführlich B.v. 12.2.2014 – 7 ZB 13.10357 – jeweils juris). Laut Schreiben des Antragsgegners vom 8. Dezember 2017 sind die Funktionsstellen seit Jahren von denselben Personen besetzt; eine laufende Überprüfung der unbefristet erteilten Lehrdeputatsreduzierungen ist infolgedessen nicht erforderlich. Anhaltspunkte, die eine weitere Sachaufklärungspflicht nahelegen, sind dem Vortrag der Antragstellerin nicht zu entnehmen.
Ebenso wenig bedarf es der Vorlage von Arbeitsverträgen für die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis. Die Höhe des Lehrdeputats bestimmt sich zwar nach der jeweiligen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses (§ 4 Abs. 1 Nr. 8a LUFV). Anhaltspunkte für fehlerhafte Angaben der Universität in der Kapazitätsberechnung über die Höhe der jeweiligen Lehrverpflichtung gibt es jedoch nicht (vgl. BayVGH B.v. 21.4.2016 – 7 CE 16.10024 – juris Rn. 15).
e) Die für den Dienstleistungsexport (§ 48 HZV) angesetzten Parameter hat die Universität auf gerichtliche Anfrage mit Schreiben vom 10. September 2018 erläutert und plausibilisiert. Mit dem Wintersemester 2017/2018 wurden die Curricularwerte und damit die Curricularanteile nach einem neuen Verfahren berechnet, das im Vergleich zu den Vorjahren zu einem geringeren Dienstleistungsexport für die Studiengänge Pharmazie S, Zahnmedizin S und Biomedizin M führt, während der Dienstleistungsexport für die Studiengänge Psychologie und Biologie entfällt. Der Curriculareigenanteil unterliegt durch die neue Berechnungsmethode nicht mehr den bisherigen Schwankungen, sondern bleibt mit 1,6596 bis zur nächsten Anpassung des Curriculums im Rahmen des „Masterplan Medizinstudium 2020“ unverändert. Insgesamt hat sich die Zulassungszahl für den Studiengang Humanmedizin (vorklinischer Teil) auf 315 (im Jahr 2016/2017: 309) erhöht. Ebenso vorgelegt hat die Universität auf gerichtliche Anfrage eine Übersicht über die Berechnung der einzelnen Curricularanteile. Soweit diese in der Summe den für die Vorklinik vorgegebenen Curricularnormwert von 2,42 (Anlage 7 zu § 50 HZV) übersteigen, fand eine sog. „Stauchung des Wahlpflichtbereichs“ statt mit der Folge, dass der Berechnung der Aufnahmekapazität der normativ festgelegte Wert von 2,42 zugrunde gelegt wurde (vgl. „Festsetzung der Curricularwerte zur Sicherung der Qualität von Studium und Lehre in den Bachelor- und Masterstudiengängen an der Universität – Beschluss der Universitätsleitung 1445/17 vom 29. Mai 2017“). Der durch den Antragsgegner vorgenommenen Plausibilisierung hat die Antragstellerin nichts mehr entgegengesetzt.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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