Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin aufgrund des Gebots der Kapazitätserschöpfung

Aktenzeichen  7 CE 20.10047

Datum:
11.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2841
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV aF § 44 Abs. 3, § 50, § 53

 

Leitsatz

Können im Vergabeverfahren Studienplätze in einem Studiengang einer Lehreinheit bei gleichzeitig hoher Nachfrage in einem anderen Studiengang derselben Lehreinheit nicht besetzt werden, setzt sich das Kapazitätserschöpfungsgebot gegenüber der staatlichen Widmungsbefugnis in Gestalt der Anteilquoten durch. Die ungenutzte Kapazität ist dem derselben Lehreinheit zugeordneten anderen Studiengang zuzurechnen. (Rn. 11 und 9 – 16)

Verfahrensgang

RO 1 E HV 19.10085 2020-03-05 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. März 2020 wird der Antragsgegner verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses unter den Antragstellern ein Losverfahren durchzuführen und diejenigen Antragsteller, die die allgemeinen Immatrikulationsvoraussetzungen erfüllen, vorläufig zum 1. Fachsemester im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, zuzulassen, auf die bei der Verlosung die ersten drei Rangplätze entfallen.
Soweit diese Antragsteller nicht innerhalb von zwei Wochen, nachdem ihnen die Zuweisung des Studienplatzes bekannt gegeben wurde, bei der Universität R. die vorläufige Immatrikulation beantragen und an Eides statt versichern, dass sie an keiner anderen Hochschule im Bundesgebiet vorläufig oder endgültig im Studiengang Humanmedizin zugelassen sind, sind diese Studienplätze unverzüglich an die nach dem Verlosungsergebnis nachfolgenden Antragsteller zu vergeben, sofern diese die allgemeinen Immatrikulationsvoraussetzungen erfüllen.
Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des jeweiligen Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfahren auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin, 1. Studienabschnitt, im 1. Fachsemester an der Universität R. (im Folgenden: UR) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2019/2020. Sie machen geltend, dass mit der in der Satzung der UR über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2019/2020 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 15. Mai 2019 festgesetzten Zulassungszahl von 230 Studienanfängerinnen und Studienanfängern im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht hat die UR mit Beschluss vom 5. März 2020 verpflichtet, zwei weitere Studienplätze des 1. Fachsemesters nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2019/2020 für den Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, mittels Losverfahren vorläufig zu vergeben. Im Übrigen hat es die Anträge abgelehnt. Die beanstandungsfrei ermittelte Kapazität sei nicht ausgeschöpft, da tatsächlich nur 228 Studienplätze vergeben worden seien. Darüber hinaus werde es nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen, dass jenseits der für das Wintersemester 2019/2020 kapazitätswirksam vergebenen Studienplätze noch (mindestens) ein weiterer Studienplatz im Studiengang Medizin im 1. Fachsemester zur Verfügung stehe, der von den Antragstellern in Anspruch genommen werden könnte.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit den vorliegenden Beschwerden. Die Bevollmächtigten tragen im Wesentlichen vor, die für den Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) für das Wintersemester 2019/2020 im 1. Fachsemester festgesetzten 32 Studienplätze seien nicht vollständig besetzt worden. Es seien zwei Studienplätze frei geblieben. Die dadurch nicht verbrauchte Kapazität sei dem Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, zuzurechnen. Im Übrigen weiche die UR beim Lehrdeputat der Stellengruppe der Akademischen Räte auf Lebenszeit pauschal von den Vorgaben der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) ab. Die UR deckele die Deputate dieser Stellengruppe abweichend von § 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV auf neun Lehrveranstaltungsstunden (LVS). Eine Begründung für die Festsetzung der Deputate auf unter zehn Stunden fehle. Ferner führe die UR Praktika, wie z.B. das Praktikum „Einführung in die klinische Medizin“ nur mit neun bis zehn Studierenden, statt wie in der Kapazitätsberechnung zu Grunde gelegt, mit einer Gruppengröße von 15 Studierenden durch. Diese geringere Gruppengröße hätte sie in der Kapazitätsberechnung ausweisen müssen. Die Zugrundelegung einer Gruppengröße von g = 10 würde zu einer weiteren Erhöhung des Curricularwerts führen. Es sei dann zur Rückführung auf den Curricularnormwert eine anteilige Kürzung vorzunehmen, die höher ausfalle, als die von der UR tatsächlich vorgenommene. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungen vom 1. April 2020 und vom 9. Mai 2020 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich den Beschwerden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Beschwerden haben teilweise Erfolg.
Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats sind zwei der für das Wintersemester 2019/2020 im 1. Fachsemester festgesetzten Studienplätze im Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) unbesetzt. Die dadurch frei gebliebene Kapazität ist dem Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, 1. Fachsemester zuzurechnen. Insoweit sind die Beschwerden der Antragsteller begründet (1.). Im Übrigen sind sie jedoch unbegründet (2.).
1. Die Antragsteller machen erfolgreich geltend, dass im Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.), der ebenso wie der Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, der Lehreinheit Vorklinik zugeordnet ist, im Wintersemester 2019/2020 zwei Studienplätze des 1. Fachsemesters unbesetzt geblieben sind. Diese sind dem Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, aufgrund einer horizontalen Substitution zuzurechnen. Die UR hat in ihrer Zulassungszahlsatzung für das Wintersemester 2019/2020 im 1. Fachsemester 32 Studienplätze für den Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) festgesetzt. Zum Stichtag 1. Dezember 2019 waren nur 30 Studierende eingeschrieben. Damit besteht in der Lehreinheit Vorklinik ungenutzte Kapazität in Höhe von zwei Studienplätzen des Studiengangs Molekulare Medizin (B.Sc.).
a) Die von der UR berechnete Kapazität für den Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, erhöht sich aufgrund dessen im Wege der horizontalen Substitution im Ergebnis um drei Studienplätze.
Nach der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern vom 18. Juni 2007 ([GVBl S. 401], in der hier einschlägigen bis 30.11.2019 geltenden Fassung der Verordnung vom 28.4.2018 [GVBl S. 277]) – HZV a.F. – wird die Zahl der verfügbaren Studienplätze aus einer Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage ermittelt. Der Berechnung des Lehrangebots liegt jeweils eine Lehreinheit, also eine für Zwecke der Kapazitätsermittlung abgegrenzte fachliche Einheit, die ein Lehrangebot bereitstellt (§ 44 Abs. 2 Satz 1 HZV a.F.), zugrunde. Die einer Lehreinheit zugeordneten Studiengänge können bei der Berechnung zusammengefasst werden (§ 44 Abs. 1 Satz 3 HZV a.F.). Die Hochschulzulassungsverordnung geht für Berechnungszwecke davon aus, dass die Lehrangebote der Lehrpersonen in einer Lehreinheit grundsätzlich untereinander austauschbar sind (sog. horizontale Substituierbarkeit). Sind – wie hier – einer Lehreinheit mehrere Studiengänge zugeordnet, wird die für die Lehreinheit zunächst ermittelte Gesamtkapazität im Verhältnis der festgesetzten Anteilquoten (§ 49 Abs. 1 HZV a.F.) auf die zugeordneten Studiengänge aufgeteilt. Das von der Lehreinheit bereitgestellte Lehrangebot geht also unabhängig von der Zahl der zugeordneten Studiengänge stets als einheitliche Größe in die Kapazitätsberechnung ein (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1989 – 7 C 15.88 – juris Rn. 11 f.). Dabei ist die Bildung von Anteilquoten Ausdruck der grundsätzlichen Befugnis des Staates, die eingesetzten Mittel aufgrund bildungsplanerischer Erwägungen für bestimmte Studiengänge zu „widmen“ (BVerwG, U.v. 15.12.1989 a.a.O. Rn. 13; BayVGH, B.v. 12.3.2007 – 7 CE 07.10003 – juris Rn. 11). Dies ist mit dem Kapazitätserschöpfungsgebot grundsätzlich vereinbar. Denn dieses enthält nicht die Verpflichtung, das Zulassungswesen dergestalt zu optimieren, dass studiengangübergreifend eine möglichst große Gesamtzahl von Bewerberinnen und Bewerbern zugelassen werden kann (BVerwG, U.v. 15.12.1989 – 7 C 15.88 – juris Rn. 14).
Die Widmungsbefugnis des Staates, also die Aufteilung der Kapazität auf mehrere einer Lehreinheit zugeordnete Studiengänge, wird allerdings durchbrochen, wenn dies unerlässlich ist, um ein mit dem Kapazitätserschöpfungsgebot unvereinbares Ergebnis, nämlich das Freibleiben von Studienplätzen zu vermeiden (BVerwG, U.v. 15.12.1989 a.a.O. Rn. 15). Können im Vergabeverfahren Studienplätze in einem Studiengang einer Lehreinheit bei gleichzeitig hoher Nachfrage in einem anderen Studiengang derselben Lehreinheit nicht besetzt werden, setzt sich daher das Kapazitätserschöpfungsgebot gegenüber der staatlichen Widmungsbefugnis in Gestalt der Anteilquoten durch (vgl. OVG Hamburg, B.v. 24.8.2012 – 3 Nc 163/11 – juris Rn. 81; OVG RhPf, B.v. 27.10.2014 – 6 B 10777/14 – juris Rn. 6; OVG Saarl, B.v. 26.3.2018 – 1 B 854/17.NC u.a. – juris Rn. 28). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die im Vergabeverfahren 2019/2020 infolge von zwei nichtbesetzten Studienplätzen nichtausgeschöpfte Kapazität im Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) dem Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, zuzurechnen ist, um zu verhindern, dass innerhalb der Lehreinheit Vorklinik freie Kapazität ungenutzt bleibt.
Die vom Antragsgegner insoweit zitierte Rechtsprechung vermag am hier gewonnenen Ergebnis nichts zu ändern. Denn der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2013 – NC 2 B 395/12 – (juris Rn. 13) liegt eine andere Ausgangslage zugrunde. Das Oberverwaltungsgericht hatte dort über die Frage zu entscheiden, ob Überhänge aus der klinischen Lehreinheit zu berücksichtigen und der vorklinischen Lehreinheit zuzurechnen seien. Gleiches gilt für den ebenfalls angeführten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. August 2019 – 13 B 25/19 – (juris Rn. 27 ff.), mit dem dieses eine lehreinheitsübergreifende Substitution von ungenutzter Ausbildungskapazität in der (virtuellen) Lehreinheit Bildungswissenschaften zugunsten der Lehreinheit Psychologie abgelehnt hat. Hier ging es ebenfalls – anders als im vorliegenden Fall – um freie Kapazität innerhalb eines Studiengangs, der einer anderen Lehreinheit zugeordnet war. Auch der Senat hat bereits mit Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 7 CE 13.10279 – (juris Rn. 9), auf den das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in dessen zitierter Entscheidung Bezug nimmt, entschieden, dass der Grundsatz der horizontalen Substituierbarkeit nur im Verhältnis von Lehrpersonen ein- und derselben Lehreinheit gelte und nicht lehreinheitsübergreifend zwischen der Lehreinheit Vorklinik und den klinischen Lehreinheiten. Da die ungenutzte Ausbildungskapazität im hier zu entscheidenden Fall allerdings innerhalb der Lehreinheit Vorklinik besteht, ist aus den genannten Entscheidungen mangels vergleichbarer Sachlage nichts abzuleiten.
b) Auf die Frage, ob der freien Kapazität im Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) Überbuchungen im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, entgegenzuhalten wären, kommt es hier nicht an, da im streitgegenständlichen Semester keine solchen Überbuchungen erfolgten.
c) Für die Umrechnung der freien Studienplätze aus dem Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) in den Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, ist zunächst zu ermitteln, in welchem Umfang durch die Nichtbesetzung zweier Studienplätze im Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) Lehrkapazität in der Lehreinheit Vorklinik frei geblieben ist. Maßgeblich hierfür ist der Curriculareigenanteil, der den eigenen Ausbildungsaufwand der Lehreinheit Vorklinik abbildet. Um die frei gebliebene Kapazität zu errechnen, ist die Zahl der freien Studienplätze aus dem Studiengang Molekulare Medizin (B.Sc.) mit dem Curriculareigenanteil des Studiengangs Molekulare Medizin (B.Sc.) zu multiplizieren (2 x 2,1273 = 4,2546). Das Ergebnis ist die nominelle Anzahl noch verfügbarer Lehrveranstaltungsstunden innerhalb der Lehreinheit Vorklinik. Um diese freie Kapazität für Bewerber im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, nutzbar zu machen, ist dieser Wert durch den Curriculareigenanteil des Studiengangs Medizin, 1. Studienabschnitt, zu dividieren (4,22546 / 1,6218 = 2,6234). Vorliegend ergeben sich damit drei Studienplätze für den Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt (vgl. so auch im Ergebnis VGH BW, B.v. 2.5.2007 – NC 9 S 105.06 – juris Rn. 40).
Durch eine horizontale Substitution der freien Kapazität zu Gunsten des Studiengangs Medizin, 1. Studienabschnitt, werden andere Lehreinheiten, die Dienstleistungen für die Lehreinheit Vorklinik erbringen, nicht unzumutbar belastet. Es ist insbesondere nicht dargelegt, dass die durch die horizontale Substitution ausgelöste erhöhte Nachfrage mit den dort gegebenen Kapazitäten nicht befriedigt werden könne (vgl. OVG Hamburg, B.v. 24.8.2012 – 3 Nc 163/11 – juris Rn. 83). Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass es sich lediglich um eine sehr geringe Anzahl von zusätzlichen Studienplätzen handelt und darüber hinaus im streitgegenständlichen Semester 2019/2020 keine Überbuchungen im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, 1. Fachsemester erfolgt sind.
Die freien Studienplätze sind im Rahmen eines von der UR durchzuführenden Losverfahrens vorläufig zu vergeben. Die Antragsteller haben einen Anspruch auf Teilnahme an diesem Losverfahren.
2. Aus den im Beschwerdeverfahren weiter vorgetragenen Gründen, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), wird im Ergebnis nicht erkennbar, dass an der UR über die im Wintersemester 2019/2020 tatsächlich besetzten Studienplätze sowie über die wie oben ausgeführt zu verlosenden weiteren drei Studienplätze hinaus noch ungenutzte Ausbildungskapazität im Studienfach Medizin, 1. Studienabschnitt, vorhanden war.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im 1. Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin ausgeschöpft hat.
a) Mit ihrem Vorbringen, das Lehrangebot sei zu niedrig berechnet worden, weil für die Akademischen Räte auf Lebenszeit, ohne dies näher zu begründen, keine Deputatsverpflichtung von zehn Lehrveranstaltungsstunden (LVS) angesetzt worden sei, dringen die Antragsteller nicht durch. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV haben wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Beamtenverhältnis (Art. 19 ff. BayHSchPG), soweit ihnen Lehraufgaben übertragen werden, eine Lehrverpflichtung von höchstens zehn LVS. Der Senat hat bereits mehrfach ausgeführt, es begegne auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der UR zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten keinen Bedenken, dass dieser Maximalwert im Hinblick auf die von dieser Personengruppe wahrzunehmenden weiteren Dienstaufgaben regelmäßig nicht voll ausgeschöpft werde (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 7 CE 19.10047 – juris Rn. 11; B.v. 20.11.2018 – 7 CE 18.10060 – juris Rn. 15; B.v. 23.7.2012 – 7 CE 12.10054 – juris Rn. 18).
b) Die von der UR vorgenommene anteilige „Stauchung“ von Eigen- und Fremdanteil zur Rückführung auf den Curricularnormwert für den Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere verhilft den Antragstellern ihr Vortrag nicht zum Erfolg, die Gruppengröße im Praktikum „Einführung in die klinische Medizin“ sei zu Unrecht rechnerisch mit 15 Studierenden angesetzt worden, obwohl die UR diese Veranstaltung tatsächlich mit circa neun bis zehn Studierenden pro Gruppe durchführe, und infolgedessen sei ein höherer Faktor für die „Stauchung“ anzusetzen.
aa) In dem der Kapazitätsermittlung zugrundeliegenden Berechnungsmodell der Hochschulzulassungsverordnung stellt die Betreuungsrelation grundsätzlich eine abstrakte Größe dar. Für die Gruppengrößen enthält nur § 2 Abs. 4 Satz 5 ÄAppO eine normative Vorgabe; danach darf die Zahl der Teilnehmer an einem Seminar 20 nicht überschreiten. Die Gruppengrößen bei Praktika, die nicht normiert sind, müssen so bemessen sein, dass im Ergebnis der normativ festgelegte Curricularnormwert von 2,42 nicht überschritten wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 26; B.v. 11.4.2011 – 7 CE 11.10004 u.a. – juris Rn. 27). Eine Korrektur der Gruppengröße entsprechend der Ausbildungswirklichkeit verlangt das Kapazitätsrecht grundsätzlich nicht. Denn das abstrakte Berechnungsmodell der Hochschulzulassungsverordnung beruht gerade nicht auf aus der „Hochschulwirklichkeit“ möglichst exakt abgeleiteten Werten, sondern basiert auf festgesetzten Parametern innerhalb einer abstrakten Berechnungsmethode (vgl. SächsOVG, B.v. 29.10.2019 – 2 B 214/19.NC – juris Rn. 12). Daher können die Antragsteller mit ihrem Einwand, die tatsächliche Gruppengröße im Praktikum „Einführung in die klinische Medizin“ belaufe sich auf regelmäßig neun bis zehn Studierende, so dass der Kapazitätsberechnung zu Unrecht eine Gruppengröße von 15 Studierenden zu Grunde gelegt worden sei, nicht durchdringen.
bb) Auch gegen die von der UR vorgenommene Berechnung der Curricularanteile und die erfolgte proportionale Kürzung des Curricularwerts auf 89,1936% ist nichts zu erinnern. Ohne Erfolg machen die Antragsteller daher geltend, der von der UR errechnete Curricularwert für den vorklinischen Studienabschnitt in Höhe von 2,7132 sei unter Berücksichtigung der Gruppengröße g = 10 im Praktikum „Einführung in die klinische Medizin“ in Höhe von 2,7465 (2,7132+0,0333) anzusetzen und daher richtigerweise proportional auf 88,1121% zu kürzen.
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass eine Hochschule bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts von 2,42, mit dem die Einheitlichkeit der Kapazitätsermittlung gewährleistet wird, und der Aufteilung auf die beteiligten Lehreinheiten über einen Gestaltungsspielraum verfügt (BayVGH, B.v. 7.5.2020 – 7 CE 20.10009 u.a. – BeckRS 2020, 14842 Rn. 10; B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 27). Dass dieser Gestaltungsspielraum bei Festlegung des kapazitätsbestimmenden Eigenanteils des Studiengangs Medizin, 1. Studienabschnitt, überschritten wäre, der Antragsgegner etwa den Curricularnormwert manipulativ kapazitätsverknappend aufgeteilt oder bei der Bildung des Curriculareigenanteils anderweitig willkürlich oder missbräuchlich gehandelt hätte, wird nicht dargelegt.
Der Senat sieht vorliegend keine Veranlassung, eine höhere proportionale Kürzung vorzunehmen. Eine proportionale Kürzung des Curricularwerts auf den Curricularnormwert durch das Gericht ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur dann angebracht, wenn sich die Annahme aufdrängt, dass zu Lasten der jeweiligen Antragsteller Kapazitäten nicht ausgeschöpft worden sind. In Betracht kommt dies grundsätzlich nur dann, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Überschreitung des Curricularnormwerts auf einem erhöhten Ansatz der Lehrnachfrage beruht und mithin der Curriculareigenanteil überhöht ist.
Überschreitet der Curricularwert anhand einer realitätsnahen Berechnung den nach Maßgabe der Hochschulzulassungsverordnung zwingend zugrunde zu legenden Curricularnormwert, obliegt es der Hochschule, unter Abwägung des Teilhabeanspruchs der Bewerber aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG sowie der Lehrfreiheit der Hochschule aus Art. 5 Abs. 3 GG die Beachtung des Curricularnormwerts zu gewährleisten (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 7 CE 19.10083 – juris Rn. 19 f.; OVG NW, B.v. 5.7.2019 – 13 C 37/19 – juris Rn. 7). Die Hochschule kann – ohne dass hierzu eine Verpflichtung besteht – durch anteilige Kürzung von Eigen- und/oder Fremdanteil eine Rückführung auf den Curricularnormwert vornehmen. Die Art und Weise, wie die Rückführung auf den Curricularnormwert kapazitätsrechtlich erfolgt, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und unterfällt dem Gestaltungsspielraum der jeweiligen Hochschule (vgl. VGH BW, U.v. 20.11.2013 – NC 9 S 174/13 – juris Rn. 64; OVG NW, B.v. 3.9.2013 – 13 C 52/13 – juris Rn. 21). Sie überschreitet ihren Gestaltungsspielraum erst dann, wenn sie die Rückführung auf den Normwert missbräuchlich oder willkürlich handhabt, etwa um die Zulassungszahl möglichst kleinzuhalten (vgl. OVG NW, B.v. 5.7.2019 – 13 C 37/19 – juris Rn. 9). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.
Ob die Hochschule die Einhaltung des Curricularnormwerts durch proportionale Kürzung oder durch teilweise Nichtberücksichtigung von Fremdleistungen gewährleistet, liegt innerhalb ihres Organisationsermessens. Ist eine faktische (höhere) Überschreitung des Curricularnormwerts durch die Lehrleistungen anderer Lehreinheiten bedingt, besteht grundsätzlich kein Anspruch von Studienbewerbern auf (höhere) proportionale Kürzung von Fremd- und Eigenanteil mit der Folge, dass durch die Reduzierung des Eigenanteils die Zahl der errechneten Studienplätze steigen würde. Eine derartige Handhabung hätte die mit dem Curricularnormwert als bestimmende Größe für die Ermittlung der Lehrnachfrage (§ 50 Abs. 1 Satz 1 HZV a.F.) nicht zu vereinbarende Konsequenz, dass durch die größere Anzahl von Studienplätzen die Lehrnachfrage erheblich steigen und das durch Anwendung des ursprünglich berechneten Curriculareigenanteils erreichte Gleichgewicht von Lehrangebot und Studienplätzen gestört würde. Im Ergebnis bedeutete dies eine Unterschreitung des für einen Studierenden durchschnittlich erforderlichen Lehraufwands, der für seine ordnungsgemäße Ausbildung aus dem Bereich der Vorklinik zu erbringen ist. Das fordert das Kapazitätserschöpfungsgebot nicht. Einer Hochschule ist es nicht verwehrt, einen weitergehenden Ausbildungsaufwand zu betreiben. Sie kann diesen überobligatorischen Aufwand den Studienbewerbern lediglich nicht kapazitätsmindernd entgegenhalten, sondern muss ihre Berechnungen gleichwohl anhand des Curricularnormwerts vornehmen (vgl. BayVGH 1.12.2020 – 7 CE 19.10109 u.a. – zur Veröffentlichung vorgesehen; ebenso NdsOVG, U.v. 25.6.2019 – 2 LC 655/17 – juris Rn. 50).
Die von den Antragstellern in ihrer Vergleichsberechnung dargelegte (rechnerisch höhere) Überschreitung des Curricularnormwerts ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass sie im Vergleich zur Berechnung des Antragsgegners unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gruppengröße von g = 10 einen um 0,0333 höheren Fremdanteil ansetzen. Sie führt nicht zu der von den Antragstellern geforderten höheren proportionalen Kürzung, da es vorliegend keine Anhaltspunkte für eine kapazitätsschädliche Bestimmung des Curriculareigenanteils gibt und in die Kapazitätsberechnung der UR kein über der Schwelle von 2,42 liegender Curricularwert eingegangen ist (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2018 – 7 CE 18.10012 – juris Rn. 12). Die Antragsteller haben daher keinen Anspruch auf eine weitergehende proportionale Kürzung des Curricularwerts.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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