Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der Universität Regensburg

Aktenzeichen  7 CE 19.10127 u.a.

Datum:
1.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36174
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 44 Abs. 3, § 48, § 50, § 53
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 6, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2
LUFV § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
KapVO § 11
GG Art. 5 Abs. 3
GKG § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die Beschwerde ist nicht erfolgreich. Die Studienplatzkapazitäten wurden korrekt berechnet. Insbesondere ist eine Deputatsermäßigung gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 LUFV für die Funktion des Studienfachberaters bis zu 25 v. H. zulässig, so dass die Reduzierung der vorgeschriebenen 9 SWS um 1 SWS rechtskonform ist (BeckRS 2014, 47184) (Rn. 9 – 11 und 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Dienstleistungsexport kann auch durch NC-Studiengänge für zulassungsfreie Studiengänge erbracht werden (BeckRS 2017, 103979), wenn die betreffende Lehrleistung nicht selbst vom importierenden Studiengang oder von einem sonstigen nicht zulassungsbeschränkten Studiengang erbracht werden kann (BeckRS 2010, 37305). Die damit einhergende Beeinträchtigung des grundrechtlichen Anspruchs auf Zulassung (bei NC-Studiengängen Teilhabe an den vorhandenen Ausbildungskapazitäten), ist nicht unverhältnismäßig, da die exportierte Lehre nicht verloren geht, sondern Ausbildungskapazität in einem anderen Studiengang schafft (BeckRS 2019, 14315). (Rn. 12 – 17, 15 und 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E HV 18.10206 2019-08-22 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen jeweils die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für jedes Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der Universität Regensburg (im Folgenden: UR) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2018/2019. Sie machen geltend, dass mit der in der Satzung der UR über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2018/2019 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 4. Juli 2018 festgesetzten Zulassungszahl von 224 Studienanfängerinnen und Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Anträge mit Beschlüssen vom 22. August 2019 abgelehnt. Es werde nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen, dass über die für das Wintersemester 2018/2019 kapazitätswirksam vergebenen Studienplätze hinaus noch (mindestens) ein weiterer Studienplatz im Studiengang Humanmedizin im ersten Fachsemester zur Verfügung stehe, der von den Antragstellern in Anspruch genommen werden könnte.
Gegen diese Beschlüsse wenden sich die Antragsteller mit den vorliegenden Beschwerden. Ihr Bevollmächtigter rügt im Wesentlichen, dass die Universität im Rahmen ihrer Kapazitätsberechnung unzulässigerweise eine Deputatsermäßigung für Prof. Dr. W. als Studienberater für Molekulare Medizin anerkannt habe. Studienberatung gehöre jedoch zu den Hauptaufgaben eines Professors, für die eine Entlastung nicht gewährt werden könne. Ferner wenden sich die Antragsteller gegen den Dienstleistungsexport zu Gunsten des Studiengangs Angewandte Bewegungswissenschaften B.A. Dadurch werde der Studiengang Medizin überproportional belastet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 30. September 2019 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich den Beschwerden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), wird im Ergebnis nicht erkennbar, dass an der UR über die im Wintersemester 2018/2019 tatsächlich besetzten Studienplätze hinaus noch ungenutzte Ausbildungskapazität im Studienfach Humanmedizin (Vorklinik) vorhanden war.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im ersten Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin (Vorklinik) ausgeschöpft hat.
1. Mit ihrem Vorbringen, das Lehrangebot sei zu niedrig berechnet worden, weil für Prof. Dr. W. eine Deputatsermäßigung um eine auf acht Semesterwochenstunden berücksichtigt worden sei, dringen die Antragsteller nicht durch.
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) haben Professorinnen und Professoren eine Lehrverpflichtung von neun Semesterwochenstunden. Mit Schreiben vom 21. Juni 2012 ermäßigte das damalige Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Lehrverpflichtung von Prof. W. um eine auf acht Semesterwochenstunden auf Grundlage des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LUFV.
Dies ist nicht zu beanstanden. Zwar ist richtig, dass die Studienberatung zu den hauptberuflichen Aufgaben von Professorinnen und Professoren gehört (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie des weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen – BayHSchPG). Jedoch nimmt Prof. Dr. W. darüber hinaus die Funktion eines Studienfachberaters wahr, für die § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LUFV ausdrücklich eine Reduzierung der Lehrverpflichtung um bis zu 25 v.H. zulässt. Die Ermäßigung um eine Semesterwochenstunde bewegt sich deutlich unterhalb dieser zulässigen Obergrenze (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 15.1.2014 – 7 CE 13.10362 – juris Rn. 11).
Substantiierte Einwendungen gegen die Deputatsermäßigung für Prof. Dr. W. ergeben sich aus der Beschwerdebegründung nicht. Die Antragsteller haben keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, die Zweifel an der Erforderlichkeit oder dem Umfang der gewährten Deputatsminderung begründen könnten.
2. Gegen die Kapazitätsberechnung ist auch hinsichtlich des Dienstleistungsexports zu Gunsten des Studiengangs Angewandte Bewegungswissenschaften B.A. nichts zu erinnern.
Mit ihren – nicht näher substantiierten – Einwänden betreffend die Höhe des angesetzten Dienstleistungsexports insbesondere in den Studiengang Angewandte Bewegungswissenschaften B.A. bleiben die Antragsteller ohne Erfolg.
Nach § 48 Abs. 2 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern – HZV – (vom 18.6.2007 [GVBl S. 401], in der hier einschlägigen Fassung der Verordnung vom 28.4.2018 [GVBl S. 277]) sind zur Berechnung des Bedarfs an Dienstleistungen Studienanfängerzahlen für die nicht zugeordneten Studiengänge anzusetzen, wobei die voraussichtlichen Zulassungszahlen für diese Studiengänge und/oder die bisherige Entwicklung der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen sind.
Der Senat hat wiederholt entschieden, dass grundsätzlich auch „harte“ NC-Studiengänge für zulassungsfreie Studiengänge Dienstleistungen erbringen dürfen (BayVGH, B.v. 23.2.2017 – 7 CE 17.10011 – juris Rn. 10; B.v. 12.4.2012 – 7 CE 11.10764 – juris Rn. 15). Weder ergibt sich aus dem Wortlaut der einschlägigen kapazitätsrechtlichen Vorschrift (§ 48 HZV) ein generelles Verbot dieser Art noch wird dies in der Rechtsprechung oder im Schrifttum angenommen (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rn. 454; Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl. 2003, Rn. 5 zu § 11 KapVO). Denn die mit einem Dienstleistungsexport einer Lehreinheit einhergehende Beeinträchtigung des grundrechtlichen Anspruchs des Studienbewerbers auf Zulassung, der bei NC-Studiengängen als Recht auf Teilhabe an den vorhandenen Ausbildungskapazitäten gewährleistet ist, ist im Grundsatz nicht unverhältnismäßig, weil die als Dienstleistung exportierte Lehre nicht verloren geht, sondern Ausbildungskapazität in einem anderen Studiengang schafft (OVG NW, B.v. 5.7.2019 – 13 C 37.19 – juris Rn. 16).
Erforderlich ist in einer solchen Konstellation jedoch eine genaue Überprüfung, ob die betreffende Lehrleistung stattdessen auch von dem importierenden Studiengang selbst oder von einem sonstigen nicht zulassungsbeschränkten Studiengang erbracht werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2010 – 7 CE 10.10146 u.a. – juris Rn. 18). Es ist nicht ersichtlich und wird auch von den Antragstellern nicht substantiiert vorgetragen, dass dies für die hier in Streit stehenden Fächer Anatomie, Physiologie und Biochemie, die an der UR bereits seit Jahren von der Lehreinheit Vorklinik in die dieser nicht zugeordneten Studiengänge Angewandte Bewegungswissenschaften B.A., Biologie B.S. sowie mehrere Lehramtsstudiengänge nach Maßgabe der dortigen Studien- und Prüfungsordnungen exportiert werden, ohne weiteres möglich wäre. Über die konkrete Ausgestaltung der Lehre entscheidet die Hochschule im Rahmen ihrer grundrechtlich geschützten Freiheit von Wissenschaft und Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) grundsätzlich eigenverantwortlich.
Die tatsächliche Erhöhung des Dienstleistungsexports ist der Zunahme der Studienanfängerzahlen in den Studiengängen Angewandte Bewegungswissenschaften B.A. und Biologie B.S. geschuldet. Die UR hat schlüssig dargelegt, dass sich in diesen Studiengängen die Studienanfängerzahlen im Wintersemester 2018/2019 im Vergleich zu den vorherigen Semestern deutlich erhöht haben. Beide Studiengänge sind seit dem Studienjahr 2017/2018 zulassungsfrei. Im hier relevanten Zeitraum hat die Anzahl der im ersten Fachsemester eingeschriebenen Studierenden im Studienfach Angewandte Bewegungswissenschaften B.A. 227 (Aq/2 = 113,5), im Fach Biologie B.S. 270 (Aq/2 = 135) betragen. Die UR hat hieraus den zu exportierenden Dienstleistungsbedarf korrekt berechnet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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