Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  M 3 E Z 16.10388

Datum:
16.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 3, § 56 Abs. 1 S. 2
VwGO VwGO § 86 Abs. 1, § 123

 

Leitsatz

1 Das Gericht ist zu einer umfassenden, unabhängig von der konkreten Fallgestaltung und dem konkreten Vorbringen vorzunehmenden Überprüfung der der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde liegenden Kapazitätsberechnung und ihrer Parameter auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung eines dem Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Rechtsschutzes nicht verpflichtet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Hochschulen entscheiden im Rahmen des ihnen zustehenden Organisationsermessens eigenverantwortlich, welche Lehreinheiten in welchem Umfang an der Ausbildung der Studenten im jeweiligen Studiengang zu beteiligen sind; die Aufteilung des Curricularnormwertes auf die an der Ausbildung der Studierenden beteiligten Lehreinheiten ist vom Studienbewerber hinzunehmen und vom Gericht nicht zu beanstanden, solange der Curricularnormwert für einen Studiengang in der Summe nicht überschritten wird (Anschluss an BayVGH BeckRS 2012, 54422). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 Hinsichtlich der – kapazitätsmindernden – Berücksichtigung der Tätigkeiten der Lehrpersonen in der Krankenversorgung, wie sie in der streitgegenständlichen Kapazitätsberechnung auf der Grundlage des § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 HZV vorgenommen wurde, bestehen keine Bedenken (Anschluss an BayVGH BeckRS 2011, 30444). (Rn. 30 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragspartei hat im vorliegenden Verfahren beim Verwaltungsgericht München beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Studium der Zahnmedizin im Wintersemester 2016/17 an der …-Universität M. (LMU) im 1. Fachsemester zuzulassen,
hilfsweise beschränkt auf eine Anzahl von Semestern zuzulassen.
Die LMU hat mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Es sei kein Zulassungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Die Kapazität im Studiengang Zahnmedizin sei bereits ausgelastet bzw. sogar überbucht. Von den im streitgegenständlichen Studiengang im 1. Fachsemester immatrikulierten 71 Studierenden sei eine Person schon im vorangegangenen Semester beurlaubt gewesen; selbst wenn dieser Fall unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht berücksichtigt würde, wäre die festgesetzte Zulassungszahl mit dann 70 Studierenden ausgeschöpft.
Das Gericht hat der Antragspartei die Stellungnahme der LMU vom 13. Dezember 2016 übersandt, die den Link zu der im Internet bereitgestellten Kapazitätsberechnung für den Studiengang Zahnmedizin enthält.
Auf den Einwand der Bevollmächtigten der Antragspartei hin bat das Gericht die LMU um Mitteilung, ob bei der Kapazitätsberechnung nach der personellen Ausstattung Lehrpersonen berücksichtigt worden seien, die nicht mit Zahnärzten besetzt seien.
Die LMU teilte hierzu mit Schreiben vom 22. Februar 2017 mit, der Krankenversorgungsabzug in der Zahnmedizin richte sich gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 HZV pauschal nach dem dort vorgegebenen System und nicht danach, ob Krankenversorgung durch eine einzelne Stelle erbracht werde. Dementsprechend werde bei der Berechnung des Krankenversorgungsabzugs auf die dieser Lehreinheit zugeordneten Stellen und nicht auf die dort tätigen Personen abgestellt, d.h. auch hier gelte das nach § 45 Abs. 1 HZV im Kapazitätsrecht maßgebliche Stellenprinzip. Es habe folglich kapazitätsrechtlich keine Bedeutung, ob eine Stelle eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters in der Zahnmedizin von einem approbierten Zahnarzt oder von einem Naturwissenschaftler besetzt sei. Hierzu verwies die LMU auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28.4.2011 – 7 CE 10.10402 u.a. Im Übrigen betreffe der Krankenversorgungsabzug nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 3 Satz 1 HZV nicht nur die unmittelbare Krankenversorgung, sondern auch diagnostische Untersuchungen, die nicht nur von Zahnärzten vorgenommen werden könnten.
Die Bevollmächtigten der Antragspartei wandten hiergegen ein, die verlangte Aufklärung müsse durchgeführt werden. Ein Krankenversorgungsabzug für Personen, die nicht Ärzte seien, sei absurd und könne von der HZV nicht gemeint sein. Es werde auch bestritten, dass die entsprechenden Personen überhaupt in der Krankenversorgung tätig seien oder diagnostische Untersuchungen vornehmen könnten; hierzu solle der Dekan Auskunft erteilen. Zunächst müsse aufgeklärt werden, wie viele Personen des wissenschaftlichen Personals nicht Ärzte seien, die Universität möge die jeweilige Ausbildung dieser Personen darlegen und deren Tätigkeiten in der Krankenversorgung, so dass beurteilt werden könne, ob für diese Personen ein Krankenversorgungsabzug gerechtfertigt sei.
Es stünde fest, dass gerade im Fach Zahnmedizin der Krankenversorgungsabzug verfassungswidrig gewesen sei. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass Normen zahlenförmigen Inhalts am Willkürverbot zu messen seien. Es sei vorliegend willkürlich, wenn ein Krankenversorgungsabzug gemacht werde für Personen, die aller Voraussicht nach gar keine Krankenversorgung erbringen könnten.
Außerdem sei die letzte Untersuchung zur Festlegung der Parameter für den Krankenversorgungsabzug in der Zahnmedizin 1995 vorgelegt worden und habe zur KapVO geführt, wonach gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 3c 36% des Lehrangebots abgezogen worden sei. Im Hinblick auf die hiergegen erhobenen Bedenken, dass der Verordnungsgeber die Überschneidung von Krankenversorgung mit der Fort- und Weiterbildung der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht berücksichtigt habe, sei – ohne weitere Untersuchung – der Parameter auf 30 v.H. abgesenkt worden.
Die Fortbildung zum Fachzahnarzt erfolge allein durch Krankenversorgung, weshalb ein Abzug für die Tätigkeit in der Krankenversorgung nicht in Betracht komme. Das niedrige Lehrdeputat von nur 4 SWS dürfe deshalb nicht noch weiter reduziert werden.
Da der Verordnungsgeber den Krankenversorgungsabzug nicht neu regele, müsste diese Neuregelung durch die Gerichte vorgenommen werden, indem im Hinblick auf die seit mehr als 20 Jahren ausstehende Überprüfungspflicht des Gesetzgebers ein Sicherheitszuschlag von 15% zur errechneten Ausbildungskapazität zu machen sei, um den Verordnungsgeber zu veranlassen, hier seiner gesetzlichen Überprüfungspflicht nachzukommen.
Jedenfalls müsse für diejenigen Personen des wissenschaftlichen Personals, insbesondere der wissenschaftlichen Angestellten, die keine Ärzte seien, der Krankenversorgungsabzug entfallen.
Die LMU hat in § 1 Abs. 1 ihrer Satzung über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2016/17 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung 2016/17) vom 14. Juli 2016 in Verbindung mit der Anlage für das 1. Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin 65 Studienplätze für das Wintersemester 2016/17 und 64 Studienplätze für das Sommersemester 2017 festgesetzt (Vorjahr: Wintersemester 2015/2016: 64 Studienplätze, Sommersemester 2016: 63 Studienplätze).
Nach der Studierendenstatistik, Stand 13. Dezember 2016, waren im streitgegenständlichen Studiengang im 1. Fachsemester 71 Studierende immatrikuliert.
Die der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde liegende Kapazitätsberechnung aufgrund der personellen Ausstattung geht von folgenden Werten aus (in Klammern die entsprechenden Werte des vorangegangenen Studienjahres):
– Gesamtdeputat bei 79,8 (78,6) Stellen vor dem Abzug der Verminderungen:
516 SWS (511,48)
– Deputatsverminderung: 5 (2)
– Lehrauftragsstunden / 2 : 0,5 (0,5)
– bereinigtes Lehrangebot Sb (nach Abzug des KVA): 347,6845 (347,0664)
– CAp: 6,2378 (unverändert)
– Summe der Nachfrage in anderen Lehreinheiten: 1,5622 Vorklinik: 0,7939 Klinisch-praktische Medizin: 0,2583 Klinisch-theoretische Medizin: 0,3000 Chemie: 0,1050
Physik: 0,1050 – Schwundfaktor: 0,8613 (0,8740)
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere den vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst überprüften Datensatz für das Studienjahr 2016/17 Bezug genommen.
II.
Der gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren. Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts besteht (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO) gemacht wird. Trotzdem gilt auch in Verfahren nach § 123 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz; dieser kann die Anforderungen an die Glaubhaftmachung reduzieren, wenn sich nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ein Anordnungsanspruch aufdrängt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, Rn. 24 zu § 123). Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen, ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 26 zu § 123).
Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen könnte. Insbesondere dann, wenn mit einer – sei es auch nur befristeten – Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache bereits vorweggenommen würde, muss der Erfolg in der Hauptsache jedoch nicht nur wahrscheinlich sein, sondern bejaht werden können.
Die Antragspartei hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum Studiengang Zahnmedizin an der LMU nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2016/17 zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Kammer sieht es aufgrund der im gebotenen Rahmen vorgenommenen Überprüfung der Kapazitätsberechnung nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass an der LMU im Studiengang Zahnmedizin im Wintersemester 2016/17 im 1. Fachsemester über die Zahl der als kapazitätsdeckend vergeben anzuerkennenden 70 Studienplätze hinaus noch ein weiterer Studienplatz zur Verfügung stünde, der von der Antragspartei in Anspruch genommen werden könnte.
Die Vergabe von 70 Studienplätzen im Wintersemester 2016/17 ist als kapazitätsdeckend anzuerkennen, Einwände gegen diese Annahme hat die Antragspartei nicht erhoben. In der Zahl von 70 immatrikulierten Studierenden sind nach Auskunft der LMU, an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, keine mehrfach im 1. Fachsemester beurlaubten Studierenden mehr enthalten. Abgesehen davon würde sich eine etwa zu Unrecht vorgenommene Überbuchung nur dann entscheidungserheblich auswirken, wenn wenigstens ein Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität vorhanden wäre, was hier jedoch – s. unten – nicht der Fall ist.
Da das Studium im streitgegenständlichen Studiengang sowohl im Wintersemester, als auch im Sommersemester aufgenommen werden kann, und da die LMU die jährliche Aufnahmekapazität auf diese beiden Termine gleichmäßig verteilt, wobei bei ungerader Zahl für das Wintersemester ein Studienplatz mehr festgesetzt wird, würde es im vorliegenden Fall für einen Erfolg des Antrags nicht ausreichen, wenn für das Wintersemester 2016/17 ein noch unbesetzter, 71. Studienplatz und – unter Beibehaltung der für das Sommersemester festgesetzten Zulassungszahl von 64 Studienplätzen – für das Studienjahr eine Aufnahmekapazität von dann 135 Studienplätzen festgestellt würde. Denn damit würde die LMU zu einer sich im weiteren Studienverlauf fortsetzenden Mehrbelastung des Wintersemesters verpflichtet, die in Widerspruch stünde zu der von ihr im Rahmen der ihr zustehenden Lehrfreiheit vorgenommenen gleichmäßigen Verteilung der jährlichen Aufnahmekapazität. Es kann daher im Rahmen das vorliegenden Verfahrens davon ausgegangen werden, dass der Antrag nur dann Erfolg haben kann, wenn für das aktuelle Studienjahr eine Aufnahmekapazität von (mindestens) 141 Studienplätzen festgestellt werden könnte. Tatsächlich entspricht aber – soweit dies bei der im Rahmen des vorliegenden Verfahrens gebotenen Überprüfung von Amts wegen unter Berücksichtigung der von der Antragspartei erhobenen Einwände erkennbar ist – die festgesetzte Zulassungszahl von 65 Studienplätzen im Wintersemester bei 64 Studienplätzen im Sommersemester den rechtlichen Vorgaben und der tatsächlich vorhandenen jährlichen Aufnahmekapazität von 129 Studienplätzen.
Das Gericht hat im Rahmen seiner – auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehenden – Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO) die der Festsetzung der Zulassungszahl zugrunde liegende Kapazitätsberechnung angefordert und der Antragspartei – nebst der von der LMU hierzu abgegebenen Stellungnahme – zugänglich gemacht und den von der Antragspartei erhobenen Einwand gegen den Ansatz eines pauschalen Krankenversorgungsabzugs, bei dem nicht danach unterschieden wird, welche Lehrpersonen tatsächlich in der Krankenversorgung tätig sind, überprüft, jedoch trotzdem keinen im Wintersemester 2016/17 frei gebliebenen Studienplatz festgestellt.
Eine weitere Sachaufklärung hat das Gericht nicht vorgenommen. Das Gericht würde nur dann seine Aufklärungspflicht verletzen, wenn die Antrags- oder Klagepartei auf die Vornahme einer bestimmten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte, das Gericht sie aber gleichwohl unterlassen hätte, oder aber, wenn das Gericht eine weitere Sachaufklärung unterlassen hätte, obwohl sie sich ihm auch ohne Hinwirken der Partei hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2015 – 6 B 41/14 – juris Rn. 26). Hingegen gibt es keine fallübergreifende, allgemeingültige Antwort auf die Frage, welchen Vortrag das Verwaltungsgericht vom Studienplatzkläger erwarten darf, bis es in eine Amtsprüfung eintritt oder die Darlegungslast der Hochschule auferlegt; dies hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BVerwG, B.v. 6.3.2015 – 6 B 41/14 – juris Rn. 30). Das bedeutet, dass das Gericht zu einer umfassenden, unabhängig von der konkreten Fallgestaltung und dem konkreten Vorbringen vorzunehmenden Überprüfung der der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde liegenden Kapazitätsberechnung und ihrer Parameter auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung eines dem Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Rechtsschutzes nicht verpflichtet ist. Hinsichtlich der inhaltlichen Nachprüfung von Kapazitätsberechnungen ist es vielmehr verfassungsrechtlich (nur) geboten, dass das Gericht auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von seinem Erkenntnis- und Erfahrungsstand ausgehend die gegebenen Begründungen nachvollzieht, Streitpunkten entsprechend dem Stand der Rechtsprechung und öffentlichen Diskussion nachgeht sowie die Einwände der Prozessbeteiligten würdigt (BVerfG, B.v. 22.10.1991 – 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 – BVerfGE 85, 36, Rn. 77). Das Gericht muss daher die Kapazitätsunterlagen anfordern, der Antragspartei zugänglich machen und konkreten Hinweisen der Antragspartei auf eine zu gering berechnete Kapazität nachgehen (vgl. BVerfG, B.v. 31.3.2004 – 1 BvR 356 – BayVBl 2005, 240 Rn. 6). Dies ist hier geschehen.
Die vom Gericht von Amts wegen vorgenommene Überprüfung der Kapazitätsberechnung im gebotenen Rahmen und unter Berücksichtigung der von der Antragspartei erhobenen Einwände hat keinen noch freien Studienplatz im Wintersemester 2016/17 erkennen lassen.
Im vorliegenden Berechnungszeitraum hat sich die Ausbildungskapazität des streitgegenständlichen Studiengangs gegenüber dem vorangegangenen Berechnungszeitraum um zwei Studienplätze von 127 auf aktuell 129 Studienplätze erhöht. Diese Erhöhung beruht – neben dem kapazitätsfreundlicheren Schwundfaktor – auf einer Stellenmehrung (um 1,2 Stellen), einem geringfügig erhöhten Lehrangebot, das nun – vor Abzug des Krankenversorgungsabzugs, aber unter Berücksichtigung der Deputatsverminderungen – 511 SWS (Vorjahr: 509,48 SWS) beträgt, obwohl nun erstmals für den Dekan eine Verminderung von 4 LVS und damit – unter Berücksichtigung einer weiteren Verminderung von 1 LVS – eine Verminderung von insgesamt 5 SWS in Abzug zu bringen ist. Tatsächlich hat sich gegenüber dem Vorjahr auch das – um den Abzug für Krankenversorgungbedarf bereinigte – Lehrangebot Sb um 0,6181 SWS (von 347,0664 auf aktuell 347,6845) erhöht.
Der Curriculareigenanteil der Lehreinheit Zahnmedizin (CAp) von 6,2378 ist gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben und wurde vom Gericht nicht beanstandet (z.B. B.v. 23.8.2016 – M 3 E Z 16.10002). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, entscheiden die Hochschulen im Rahmen des ihnen zustehenden Organisationsermessens eigenverantwortlich, welche Lehreinheiten in welchem Umfang an der Ausbildung der Studenten im jeweiligen Studiengang zu beteiligen sind; die Aufteilung des Curricularnormwertes auf die an der Ausbildung der Studierenden beteiligten Lehreinheiten ist vom Studienbewerber hinzunehmen und vom Gericht nicht zu beanstanden, solange der Curricularnormwert für einen Studiengang in der Summe nicht überschritten wird (BayVGH, B.v.14.6.2012 – 7 CE 12.10004 – juris Rn. 11).
Der Curricularnormwert für den Studiengang Zahnmedizin von 7,80 (Ziffer I. der Anlage 7 zur HZV) wird auch bei Ansatz des auf die Lehreinheit Zahnmedizin aktuell entfallenden Eigenanteils (CAp) von 6,2378 in der Summe nicht überschritten. Abgesehen davon würde sich angesichts der vorgenommenen Überbuchung auch der Ansatz des in vorangegangenen Studienjahren zugrunde gelegten CAp von 6,2172 nicht entscheidungserheblich auswirken (siehe unten).
Hinsichtlich der – kapazitätsmindernden – Berücksichtigung der Tätigkeiten der Lehrpersonen in der Krankenversorgung, wie sie in der streitgegenständlichen Kapazitätsberechnung auf der Grundlage des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 HZV vorgenommen wurde, hat das Gericht, insoweit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgend, keine Bedenken. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dieser Frage zuletzt in der – vom Antragsgegner in Bezug genommenen – Entscheidung vom 28. April 2011 – 7 CE 10.10402 u.a. – juris Rn. 12 f, befasst und hierzu ausgeführt:
„Für die Berücksichtigung des Personalbedarfs für die Krankenversorgung im Rahmen der Berechnung des Lehrangebots kommt es jedoch entgegen der Beschwerdebegründung insoweit nicht darauf an, ob sämtliche Stelleninhaber der Lehreinheit Zahnmedizin über eine medizinische Ausbildung verfügen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit auf die Entscheidung des Senats vom 11. März 2010 (Az. 7 CE 10.10075 ) verwiesen, wonach die Abzüge für die (ambulante und stationäre) Krankenversorgung auch dann nicht vermindert werden müssen, wenn einige der in der Zahnklinik beschäftigten Lehrkräfte aufgrund einer nichtmedizinischen Ausbildung oder einer fehlenden Approbation als Arzt oder Zahnarzt tatsächlich nicht in der unmittelbaren Patientenversorgung eingesetzt werden können (ebenso bereits BayVGH vom 1.10.2009 Az. 7 CE 09.10538 sowie zuletzt VG Sigmaringen vom 16.12.2010 Az. NC 6 K 1722.10 und OVG NRW vom 28.3.2011 Az. 13 C 11.11 u.a. ).
Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens an seiner Auffassung fest. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-WFK), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. November 2010 (GVBl S. 735), sieht für die Lehreinheit Zahnmedizin einen Abzug einer Stelle je 7,2 tagesbelegter Betten für den Personalbedarf der stationären Krankenversorgung und sodann einen pauschalen Abzug in Höhe von 30 v.H. für die ambulante Krankenversorgung vor. Dabei ist ausdrücklich auf die „Gesamtzahl aller zugeordneten Stellen“ (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a Satz 1 HZV) bzw. die „Gesamtstellenzahl“ (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c HZV) abzustellen, ohne dass es auf die individuelle Qualifikation der jeweiligen Stelleninhaber ankäme. Dem Krankenversorgungsabzug liegt somit das abstrakte Stellenprinzip und keine konkret-individuelle Betrachtung zugrunde. Der Verordnungsgeber hat sich im Rahmen seines Gestaltungsfreiraums für eine Regelung entschieden, die aus Vereinfachungsgründen auf der Grundlage aller vorhandenen Stellen für den Personalbedarf der ambulanten Krankenversorgung einen pauschalen Abzug in Höhe von 30 v.H. vorsieht. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Regelung nicht exakt den örtlichen Gegebenheiten entsprechen, sondern immer nur einen Annäherungswert darstellen kann. Im Hinblick auf die hiermit erzielte Vermeidung aufwendiger Prüfungen ist dagegen jedenfalls nichts einzuwenden, solange der pauschale Ansatz von 30 v.H. in etwa dem durchschnittlichen Personalaufwand für die Krankenversorgung an deutschen Universitätskliniken entspricht. Selbst wenn einige der Stelleninhaber aufgrund ihrer nichtmedizinischen Ausbildung bzw. ihrer fehlenden Approbation als Arzt oder Zahnarzt nicht in der unmittelbaren Krankenversorgung eingesetzt werden können, entlasten sie durch die Wahrnehmung anderer Aufgaben (z.B. Labortätigkeiten) das medizinische Personal, so dass ihre Tätigkeit zumindest mittelbar der Krankenversorgung zugute kommt.“
Das Gericht sieht daher keine Veranlassung, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die geltenden Regelungen der HZV zur Berücksichtigung des Einsatzes von Lehrpersonal in der Krankenversorgung zu verwerfen und entgegen der vom Verordnungsgeber normierten, pauschalen Berücksichtigung eines bestimmten Anteils des Lehrdeputats für die ambulante und stationäre Krankenversorgung eine am konkreten Aufgabenbereich der jeweiligen Lehrpersonen orientierte Berücksichtigung als einzige, dem Kapazitätserschöpfungsgebot genügende Berechnungsart zu fordern. Abgesehen davon kann der erhobene Einwand gegen § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 HZV bereits deshalb dem vorliegenden Antrag nicht zum Erfolg verhelfen, weil im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes eine alternative Berechnungsgrundlage ohnehin nicht ermittelt werden könnte und keinesfalls glaubhaft gemacht wurde oder sonst erkennbar ist, dass die geforderte, an den konkreten Verhältnissen orientierte Berücksichtigung der für die Krankenversorgung aufzuwendenden Dienstzeit tatsächlich eine höhere Kapazität ergeben würde, geschweige, dass diese Kapazität die für den Antragserfolg erforderliche jährliche Aufnahmekapazität von mindestens 141 Studienplätzen (s. oben) erreichen würde.
Es besteht für das erkennende Gericht auch kein Anlass, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes den normativ in § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) HZV vorgegebenen Prozentsatz des Krankenversorgungsabzugs nach unten zu korrigieren. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sieht den Prozentsatz von 30.v. der um den stationären Krankenversorgungsabzug geminderten Gesamtstellenzahl als Abzug für die ambulante Krankenversorgung weiterhin als sachgerecht und nicht überholt an (BayVGH, B.v. 8.5.2013 – 7 CE 13.10048 – juris Rn. 19). Neuere empirische Erkenntnisse, die die Ergebnisse des dieser Regelung zu Grunde liegenden Gutachtens der Projektgruppe Zahnmedizin des Landes Niedersachsen vom 21. November 1995 infrage stellen könnten, waren dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht bekannt. Solche Erkenntnisse oder auch nur Anhaltspunkte hierfür hat auch die Antragspartei nicht vorgetragen, sondern sich lediglich auf die Länge des Zeitraums, der seit der zu Grunde liegenden Erhebung vergangen ist, berufen. Dies reicht jedoch nicht aus, um im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von einer normierten Regelung zur Kapazitätsberechnung abzuweichen.
Da die LMU keinerlei in ihrem Ermessen stehende, kapazitätsmindernde Entscheidungen getroffen hat, vielmehr trotz der auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LUFV für den neuen, nicht hauptberuflichen Dekan Prof. H. bewilligten Deputatsverminderung von 4 LVS das Lehrangebot erhöht wurde, musste sich dem Gericht eine weitere Sachaufklärung einzelner, der Kapazitätsberechnung zu Grunde liegender Parameter nicht aufdrängen.
Die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität des Studiengangs Zahnmedizin aufgrund der personellen Ausstattung mit 129 Studienplätzen ist nach der Formel II. der Anlage 5 zur HZV zutreffend erfolgt:
Ap = (2x Sb)/CA x zp;
da der Lehreinheit Zahnmedizin keine anderen Studiengänge zugeordnet sind, entspricht der Wert CAp dem Wert CA Ap = 347,6845 x 2  695,369
: CAp (= 6,2378)  111,4766
: SF (= 0,8613)  129,4283 gerundet 129 Studienplätze als jährliche Aufnahmekapazität für den Berechnungszeitraum 2016/17.
Die Ausweisung von 65 Studienplätzen für das Wintersemester 2016/17 (bei 64 für das Sommersemester 2017 ausgewiesenen Studienplätzen) war daher vom Gericht nicht zu beanstanden.
Da die aufgrund der personellen Ausstattung errechnete Kapazität deutlich geringer ist als die ausstattungsbezogene Aufnahmekapazität (§ 56 Abs. 1 Satz 2 HZV), die laut der vorgelegten Berechnung (Blatt 7/8 der vorgelegten Kapazitätsberechnung) gerundet 169 Studienplätze beträgt, ist gemäß § 56 Abs. 2 HZV dieses niedrigere Berechnungsergebnis der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde zu legen; eine weitere Aufklärung war diesbezüglich nicht geboten.
Da im Studiengang Zahnmedizin im Wintersemester 2016/17 kein freier Studienplatz mehr vorhanden war, der von der Antragspartei hätte in Anspruch genommen werden können, war der Antrag abzulehnen.
Der Hilfsantrag war ebenfalls abzulehnen, da der Studiengang nicht in einzelne Studienabschnitte, zu denen eine gesonderte Zulassung erfolgt, unterteilt ist.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO;
Streitwert: §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.


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