Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Nichtberücksichtigung einer Bewerbung im gestuften Stellenbesetzungsverfahren

Aktenzeichen  3 CE 20.1463

Datum:
20.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20577
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 44a, § 123
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung mit der Begründung, der Bewerber erfülle nicht die Voraussetzungen des konstitutiven Anforderungsprofils, stellt lediglich den ersten Schritt in einem gestuften Stellenbesetzungsverfahren dar, das mit der Stellenbesetzung, d.h. mit der Auswahlentscheidung, als eigentliche Sachentscheidung endet (Rn. 9). (redaktioneller Leitsatz)
2. Einwendungen gegen die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung kann der Antragsteller demgemäß im gerichtlichen Verfahren erst erheben, wenn ein anderer Bewerber endgültig ausgewählt worden ist (Rn. 13). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 20.404 2020-05-25 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 21.875,23 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Technischer Oberrat (Besoldungsgruppe A 14) in den Diensten der Antragsgegnerin. Im November 2019 bewarb er sich zusammen mit dem Beigeladenen auf die Stelle einer Sachgebietsleiterin/eines Sachgebietsleiters Verkehrsinfrastruktur Sonderprojekte (Besoldungsgruppe A 15; Entgeltgruppe E 15 TVÖD) beim Baureferat, Hauptabteilung Tiefbau, Abteilung Straßenplanung und -bau. Am 21. Januar 2020 erhielt der Antragsteller über das E-Recruiting-System der Antragsgegnerin die Mitteilung, dass seine Bewerbung mangels mehrjähriger Führungserfahrung nicht berücksichtigt werden könne. Auf seinen hiergegen erhobenen Widerspruch wiederholte die Antragsgegnerin unter dem 30. Januar 2020 ihre Ablehnungsbegründung und wies darauf hin, dass Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit einem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung zulässig seien sowie der Antragsteller über den Ausgang des Verfahrens abschließend informiert werde.
Den daraufhin erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, der Antragsgegnerin aufzugeben, die streitgegenständliche Stelle nicht zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden wurde, lehnte das Verwaltungsgericht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab; die Ablehnung der Bewerbung stelle sich als Vorbereitungshandlung der verfahrensabschließenden Auswahlentscheidung dar.
Mit Schreiben vom 29. April 2020 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Ausgang des Besetzungsverfahrens mit. Dagegen wandte sich der Antragsteller am 6. Mai 2020 mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat (M 5 E 20.2020).
Mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegengetreten ist, verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter und macht insbesondere geltend, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass eine gerichtliche Überprüfung wegen der Zweiwochenfrist auch nach der Rechtsprechung des Senats eine rechtzeitige „Unterrichtung“ des abgelehnten Bewerbers voraussetze. Der Hinweis in dem Schreiben vom 30. Januar 2020, man werde den Antragsteller „abschließend informieren“ genüge hierfür nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zu entsprechen. Die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist zutreffend, weil der Antrag gemäß § 44a VwGO unzulässig ist.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt gemäß § 44a Satz 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.
Eine Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung mit der Begründung, der Bewerber erfülle nicht die Voraussetzungen des konstitutiven Anforderungsprofils, stellt lediglich den ersten Schritt in einem gestuften Stellenbesetzungsverfahren dar, das mit der Stellenbesetzung, d.h. mit der Auswahlentscheidung, als eigentliche Sachentscheidung endet (BayVGH, U.v. 4.12.2012 – 7 ZB 12.1816 – juris Rn. 12; B.v. 30.4.2009 – 7 CE 09.661 – juris Rn. 29; OVG NW, B.v. 11.9.2007 – 6 B 1094/07 – juris Rn. 5 f.).
Auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2006 (2 VR 2.05 – juris Rn. 5) kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen, weil es dort – wie das Verwaltungsgericht zu Recht feststellte (Rn. 24) – nicht um ein beamtenrechtliches Stellenbesetzungsverfahren, sondern um das Verfahren einer Einstellung in den höheren Dienst gegangen ist, bei dem eine Benachrichtigung des abgelehnten Bewerbers über die erfolgreichen Bewerber nicht stattfindet und das deshalb nicht vergleichbar ist.
Mit seiner Auffassung, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass eine gerichtliche Überprüfung wegen der Zweiwochenfrist eine rechtzeitige Information des abgelehnten Bewerbers voraussetze und es hieran aufgrund der allgemeinen Formulierung „über den Ausgang des Verfahrens werden wir sie abschließend informieren“ (Schr. v. 30.1.2020) fehle, vermag der Antragsteller nicht durchzudringen. Das Schreiben vom 30. Januar 2020 kann nicht als Erlass einer in der Form eines Verwaltungsakts selbständigen Vorab- oder Teilregelung gesehen werden, die bestandskraftfähig wäre und daher gesondert anfechtbar sein muss. Dies gilt umso mehr als die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 30. Januar 2020 ausdrücklich auf § 44a VwGO Bezug nahm und den Antragsteller unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 7. Senats auf seine Rechtsschutzmöglichkeiten hinwies. Der Antragsteller wurde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass Einwendungen gegen den Ablauf eines Personalauswahlverfahrens erst erhoben werden können, wenn ein anderer Bewerber ausgewählt worden ist. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den ausdrücklichen Hinweis, er werde über den Ausgang des Verfahrens abschließend informiert, konnte der Antragsteller von einer rechtzeitigen Benachrichtigung und Wahrung der Zweiwochenfrist – wie dies auch tatsächlich erfolgt ist (Schr. v. 29.4.2020) – zur Sicherstellung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs ausgehen. Es bestanden keinerlei gegenteilige Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragsgegnerin die ausgeschriebene Stelle unter Missachtung einer angemessenen Rechtschutzfrist mit einem konkurrierenden Bewerber besetzen werde. Aus diesen Gründen kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg auf den Beschluss des VG Wiesbaden vom 28. Januar 2009 (8 L 682/08.WI – juris Rn. 25) stützen, weil dort der vorab ausgeschlossene Bewerber gerade keine Mitteilung über die Auswahl eines anderen Bewerbers erhalten sollte, die ihm die Möglichkeit zur Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes eröffnet hätte.
Die in seiner Beschwerdebegründung formulierte Besorgnis, die Antragsgegnerin werde die Zweiwochenfrist nicht einhalten, weshalb er bereits vor Erhalt des abschließenden Mitteilungsschreibens „gezwungen [gewesen sei], gerichtlichen Rechtsschutz zu beantragen“, ist nicht gerechtfertigt (dazu ausführlich BA Rn. 26 ff.). Zwar ist die Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität in aller Regel rechtsbeständig und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Jedoch wäre der Grundsatz der Ämterstabilität durchbrochen, wenn die Antragsgegnerin ihre aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgende Pflicht zur Mitteilung und Einhaltung der Wartezeit von zwei Wochen gegenüber dem Antragsteller verletzt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2018 – 2 A 5.18 – juris Rn. 24 ff.; U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 31 ff.).
Der Hinweis auf die Nichterfüllung des konstitutiven Anforderungsprofils im mehrstufigen Verwaltungsverfahren bleibt damit ein bloßes Verwaltungsinternum, auf dessen Rechtmäßigkeit es erst bei der gerichtlichen Überprüfung der abschließenden Sachentscheidung (Auswahlentscheidung) ankommt. Einwendungen gegen die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung kann der Antragsteller demgemäß im gerichtlichen Verfahren erst erheben, wenn ein anderer Bewerber endgültig ausgewählt worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2009 – 7 CE 09.661 – juris Rn. 22; OVG NW, B.v. 10.6.2011 – 1 A 1125/09 – juris Rn. 15 kein isolierter Rechtsschutz gegen eine Stellenausschreibung bzw. das in ihr enthaltene Anforderungsprofil).
Die Beschwerde des Antragstellers ist demnach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Der Beigeladene hat sich nicht durch eigene Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt, so dass keine Veranlassung besteht, dem Antragsteller aus Billigkeitsgründen die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6, § 47 GKG (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben