Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Reichsbürgerbewegung

Aktenzeichen  24 ZB 20.309

Datum:
10.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12537
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 7 K 17.3740 2019-10-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 19.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten sowie die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2019 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2017 erweise sich als rechtmäßig, weil der Kläger im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden sei. Insbesondere die Angaben, die er im Zusammenhang mit einem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gemacht und das Verhalten, das er anschließend gegenüber der zuständigen Behörde gezeigt habe, sprächen für seine Zugehörigkeit zur sogenannten Reichsbürgerbewegung und dafür, dass er sich deren Ziele und Ideologie zu eigen gemacht habe. Dieser Umstand rechtfertige eine negative Prognose im Hinblick auf seine künftige waffenrechtliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er insbesondere geltend, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Außerdem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2017, mit dem u.a. der Widerruf der auf den Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten verfügt und sein Jagdschein mit sofortiger Wirkung für ungültig erklärt und eingezogen wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Der Kläger macht – wie schon im erstinstanzlichen Verfahren – im Wesentlichen und sinngemäß geltend, sein Verhalten sei fehlerhaft gewürdigt worden, denn dieses lasse tatsächlich nicht auf eine „reichsbürgertypische“ Gesinnung und eine mögliche künftige waffenrechtliche Unzuverlässigkeit schließen. Er habe zwar einen „Staatsangehörigenausweis“ beantragt, in dem Zusammenhang jedoch nicht überblickt, welche „geheimen Zeichen“ er mit seinem Verhalten ausgesandt habe und sei der unzutreffenden Auffassung gewesen, dass die Erteilung eines solchen Ausweises unter anderem auch für Ärzte, Anwälte und Richter Zulassungsvoraussetzung sei. Seine diesbezüglichen Einlassungen habe das Verwaltungsgericht ebenso wenig berücksichtigt wie den Umstand, dass im Wesentlichen ein Bekannter und nicht er selbst den entsprechenden Antrag anhand einer Anleitung aus dem Internet ausgefüllt habe. Das Gericht habe sämtliche seiner Distanzierungs- und Erklärungsversuche als lediglich verfahrenstaktisch motiviert betrachtet, es habe aber stattdessen „genauer hin(zu) sehen, ob es sich im Einzelfall um einen Gefährder handele, oder, wie hier, um einen treuen und zuverlässigen ehemaligen Staatsdiener; die Textbausteinbegründung des Ersturteils genüge diesen Anforderungen jedenfalls nicht“. Er habe keinerlei Verhaltensweisen gezeigt, die eine Leugnung staatlicher Autorität oder eine Ablehnung staatlicher Organe der Bundesrepublik Deutschland belegen könnten, sondern habe vielmehr „als langjähriges Mitglied der CSU nur die Stellung unter Generalverdacht zurückgewiesen“. Die Beantragung einer zwar „überflüssigen, aber offiziell angebotenen Staatsbürgerschaftsbescheinigung“ sei jedenfalls nicht ungesetzlich, hieraus eine waffen- bzw. jagdrechtliche Unzuverlässigkeit abzuleiten komme der Annahme einer – rechtlich unzulässigen – rückwirkenden Strafbarkeit gleich.
Dieses Vorbringen verhilft seinem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg. Entgegen der Darstellung des Klägers hat das Verwaltungsgericht seine Einlassungen in allen Einzelheiten und keineswegs nur im Wege der Verwendung von „Textbausteinen“ gewürdigt (UA S. 12 ff.). Dass es aus seinem Vortrag nicht die gewünschten rechtlichen Schlüsse gezogen hat und vor allem nicht zu dem vom Kläger erstrebten Ergebnis gelangt ist, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Zutreffend, mit ausführlicher Begründung und in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. UA S. 13 f.) ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, namentlich die Angaben des Klägers im Antragsverfahren auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (u.a. die Benennung des Geburtsstaates mit „Königreich Bayern“, die Aussage, er besitze neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch die des Königreichs Bayern, Abstammung gemäß RuStAG Stand 1913 und die Forderung nach einer bestimmten Schreibweise des Vor- und Familiennamens sowie einer Ausrichtung des Siegels auf dem Staatsangehörigkeitsausweis auf zwölf Uhr, wobei Siegel und Unterschrift erst bei Abholung der Urkunde im Beisein des Antragstellers anzubringen seien) zeigten ein für sogenannte Reichsbürger typisches Verhalten und sprächen dafür, dass sich der Kläger deren Ideologie zu eigen gemacht habe. Das rechtfertige die Annahme bzw. Prognose, dass der Kläger nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit verfüge, eine Einschätzung, die der Kläger durch seine Erklärungen nicht habe entkräften können. Dagegen ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Soweit der Kläger darüber hinaus unter Verweis auf „königstreue Anhänger des Ludwig II von Bayern“, bayerische Böllerschützen und eventuelle Umstände eines alkoholbedingten Führerscheinentzugs sinngemäß geltend macht, im Gegensatz zu den genannten Beispielen unterliege er hier einer unzulässigen, rückwirkenden Bestrafung, verkennt er bereits, dass es sich beim Widerruf einer Waffenbesitzkarte und der Ungültigerklärung eines Jagdscheins aufgrund waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nicht um eine Strafe, sondern um Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Interesse der Allgemeinheit handelt.
2. Den weiter geltend gemachten Zulassungsgrund gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat der Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. zum Ganzen: Eyermann VwGO 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 35 ff).
Der Kläger hält folgende Fragen für „umstritten“:
– „ob eine rückwirkende Ächtung eines Antrags auf einen bis dahin zulässig staatlich angebotenen Staatsangehörigenausweis möglich ist;
– ob ein rückwirkender Entzug des Vertrauens in die waffenrechtliche Zuverlässigkeit möglich ist;
– ob allein die Beantragung eines Staatsangehörigenausweises unter Vorgabe reichsbürgertypischer Ausfüllhinweise die Anhängerschaft ohne weitere reichsbürgertypische Handlungen belegt;
– ob die Distanzierung von der Reichsbürgerszene für die Glaubhaftigkeit in jedem Fall auch das Eingeständnis der Zugehörigkeit erfordert und damit eine reuige Umkehr und deshalb Betroffene, die nie diese Anhängerschaft ausübten, wahrheitswidrig diese vorgeben müssten, um das waffenrechtliche Vertrauen wiederzuerlangen“.
Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen nicht dargelegt. Abgesehen davon, dass dem Darlegungserfordernis nicht durch die bloße Behauptung, eine Frage sei allgemein „umstritten“, genügt ist, können die aufgeworfenen Fragen ersichtlich auch nur in Abhängigkeit von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden und sind damit einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und Nrn. 20.3, 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren unter Abzug des auf die dortige Klagerücknahme entfallenden Betrags.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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