Verwaltungsrecht

waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Teilnahme an zwei Veranstaltungen der Partei „Der, Dritte Weg“

Aktenzeichen  B 1 K 19.204

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50154
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) WaffG (in der Fassung vom 31.06.2017)
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte mit begleitenden Verfügungen durch Bescheid des Landratsamts vom 31. Januar 2019 sowie die aufgrund von Wiederholungsgefahr zulässig auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) umgestellte Anfechtungsklage gegen die im streitgegenständlichen Bescheid erfolgte Ungültigerklärung des Jagdscheins,*der nach drei Jahren ohnehin seine Gültigkeit verloren hat und zu verlängern gewesen wäre, sind unbegründet. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende Begründung des Bescheids und sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist auszuführen:
1. Der Bescheid vom 31. Januar 2019 ist die waffenrechtlichen Verfügungen betreffend (Nrn. 1, 3, 4, 6, 7 und 8) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheiderlasses (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35 m.w.N.).
a) Der in der Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis des Klägers ist rechtmäßig. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) hat die zuständige Behörde eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist unter anderem zu versagen, wenn eine Person nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 WaffG i.V. m. § 5 WaffG besitzt.
Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) WaffG in der Fassung vom 30. Juni 2017 besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
aa) Zur Bestimmung des Begriffs „Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ kann auf die Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG zurückgegriffen werden. Nach der zweiten Tatbestandsvariante des Art. 9 Abs. 2 GG sind solche Vereinigungen verboten, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 23 mit den entsprechenden Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG). Das Bundesverwaltungsgericht führt zur Frage, wann sich eine Vereinigung gegen diese elementaren Grundsätze „richtet“, Folgendes aus: „Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Anders als bei Art. 21 Abs. 2 GG, der fordert, dass eine Partei „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, muss jedoch nicht bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sein. Entscheidend ist, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 529 ff., 594 f.; Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14 – NVwZ 2018, 1788 Rn. 108 f.). Dazu genügt aber, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will, wie dies für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend ist. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen“ (BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 23).
Die Teilnahme an Veranstaltungen einer Partei, bei denen zum Ausdruck kommt, dass sich die Veranstaltung gegen elementare Grundsätze der Verfassung richtet, oder an solchen Veranstaltungen einer gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Partei, die die öffentliche Wahrnehmung dieser Partei stärken, eignet sich für die Annahme, dass der Teilnehmer einzeln Bestrebungen unterstützt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Soweit die Veranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich sind, sind sie dazu geeignet, öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren, den Geltungsanspruch der Partei zu unterstreichen und dadurch auch ihr Aktions- und Rekrutierungspotenzial zu stärken. Selbiges gilt, wenn Veranstaltungen zur programmatischen Zielverfolgung oder zumindest zur Festigung der innerparteilichen Strukturen beitragen bzw. dem persönlichen Zusammenhalt von Mitgliedern und Sympathisanten dienen (VG München, U.v. 13.11.2013 – M 7 K 12.2797 – juris Rn. 33).
bb) Der Kläger hat am 18. Juni 2016 an einer Sonnwendfeier der Partei „Der Dritte Weg“ in … teilgenommen und am 12. März 2017 in der Burgruine „…“ die Veranstaltung „Heldengedenken“ der Partei „Der Dritte Weg“ besucht. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Feststellungen der Polizeibehörden (z.B. Schreiben der Kriminalpolizeiinspektion … vom 22. November 2018) und der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung.
Die Teilnahme an den zwei Veranstaltungen der Partei stellt eine Tatsache dar, die annehmen lässt, dass der Kläger zumindest zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses einzeln Bestrebungen unterstützt hat, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet haben.
Bei der Partei „Der Dritte Weg“ handelt es sich nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern (2016, Seite 139 ff.) um eine Partei, die rechtsextremistisches Gedankengut vertritt: „Der überwiegende Teil der Aktivisten des verbotenen Freien Netzes Süd (FNS) sympathisiert mit der Partei bzw. ist Mitglied oder Fördermitglied. Die ideologischen Ziele der Partei ergeben sich aus ihrer Satzung sowie aus einem „Zehn-Punkte-Programm“, das auf Elemente des 25-Punkte-Programms der NSDAP zurückgreift. Beide Programme basieren auf einem biologischen Volksbegriff. Die NSDAP hatte festgeschrieben, dass nur der ein „Volksgenosse“ sein könne, der „deutschen Blutes“ sei. Die Partei III. Weg fordert die „Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes“ sowie die „Beibehaltung der nationalen Identität des deutschen Volkes“, die es vor Überfremdung zu schützen gelte. Die Partei vertritt ein geschichtsrevisionistisches Weltbild. Sie fordert die Wiederherstellung „Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen“ – damit dürfte Deutschland in den Grenzen vor dem Zweiten Weltkrieg gemeint sein. Auch der Antisemitismus ist prägend für die Ideologie der Partei: In Artikeln auf ihrer Homepage nimmt die Partei III. Weg den Palästina-Konflikt zum Anlass für antizionistische Propaganda. Auf der Startseite wird zudem dazu aufgerufen, keine israelischen Produkte zu kaufen.“ Nach diesen Ausführungen steht fest, dass die Bestrebungen dieser Partei gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
Die Teilnahme an der Sonnwendfeier und am „Heldengedenken“ hat Außenwirkung und ist für Dritte erkennbar. Bei den Veranstaltungen handelte es sich nicht nur um reine Brauchtumspflege, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptet hat. Der Bayerische Verfassungsschutzbericht 2019 führt auf Seite 122 folgendes aus: „Gemeinsame Freizeitaktivitäten haben für die rechtsextremistische Szene mehrere Funktionen: Sie stärken die Gruppenidentität und sollen neue Aktivisten anziehen. Neben dem Besuch von rechtsextremistischen Konzerten spielen dabei auch gemeinsame sportliche Aktivitäten, Wanderungen und Reisen sowie Aktivitäten im Umweltschutz, beispielsweise Säuberungsaktionen im Frühjahr unter dem Motto „Umweltschutz ist Heimatschutz“, eine zunehmende Rolle. Oft richten sich die Freizeit- und Festveranstaltungen ausdrücklich auch an die Ehepartner und Kinder der Aktivisten. Durch die Schaffung eines vorgeblich familien-freundlichen Aktivitätsangebots versuchen rechtsextremistische Gruppen das Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl ihrer Mitglieder zu stärken und gleichzeitig deren Familienangehörige frühzeitig an die Szene zu binden und zu indoktrinieren. Stützpunkte der Partei „Der Dritte Weg“ (III. Weg) berichteten regelmäßig über parteiinterne „Gemeinschaftsaktivitäten“ wie Museums- und Ausstellungsbesuche und Wanderungen. Die Feiern der rechtsextremistischen Szene stehen oftmals in Verbindung mit vermeintlich vorchristlich germanischen Festen.“
Nach diesen Ausführungen stärkt die Teilnahme an der Sonnwendfeier die Gruppenidentität und ist geeignet und darauf ausgerichtet, mehr Aktivisten anzuziehen und die Bestrebungen der Partei zu unterstützen. Selbiges gilt für das „Heldengedenken“. Hinzukommt, dass nach den Ausführungen des Verfassungsschutzberichts Bayern (für das Jahr 2017, Seite 140) bei rechtsextremistischen „Heldengedenk“-Aktionen in der Regel ausschließlich der gefallenen deutschen Soldaten in den beiden Weltkriegen gedacht wird, die als Helden für Volk und Vaterland dargestellt werden. Dabei werden die Angehörigen der Waffen-SS ausdrücklich mit einbezogen. Dem Internetaufruf „Dritter Weg“ zum „Heldengedenken“ (Behördenakte Seite 26 f.) ist hierzu zu entnehmen: „Dieser Heldengedenktag am oder um den 16. März steht maßgeblich unter dem Eindruck der Heldenverehrung und ist demnach kein normales Totengedenken. …Und wer sich der Opfer bewusst macht und vor allem aber auch jener Werte, die den Ahnen Kraft für die vollbrachten Heldentaten verliehen, der kann auch gegen die Bollwerke des Antideutschtums in heutigen Tagen ankämpfen und unseren Helden ein ewiges und wahrhaftes Andenken bereiten.“ Durch die Teilnahme am „Heldengedenken“ wird der Eindruck der inneren Nähe und Verbundenheit mit rechtsextremistischem Gedankengut vermittelt. Eine Außenwirkung ist von der Partei ausdrücklich gewollt, da damit insbesondere auch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl demonstriert werden soll.
Ein Wertungswiderspruch dazu, dass die bloße Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung noch nicht ausreicht, die Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) WaffG anzunehmen, besteht nicht, da der Kläger durch die wiederholte Teilnahme an diesen öffentlichkeitswirksamen Aktionen (die bewusst von der Partei auf diese Wirkung angelegt sind) zumindest nach außen den Eindruck vermittelt hat, dass er hinter den Zielen der Vereinigung steht. Das Kriterium der Außenwirkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein wichtiges Abgrenzungskriterium zur bloßen Mitgliedschaft oder passiven Teilnahme an Parteiveranstaltungen (vgl. U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 29). So führt auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 16. März 2018 (3 A 556/17 – juris Rn. 52) aus: „Wer beispielsweise nicht nur einmalig, sondern des Öfteren wiederholt an Veranstaltungen der Vereinigung teilnimmt, gibt ebenfalls nach außen zu erkennen, dass er hinter den Zielen der Vereinigung steht. Auch damit unterstützt er die Vereinigung, denn je mehr Mitglieder und sonstige Interessenten an einer Veranstaltung der Vereinigung teilnehmen, desto mehr Gewicht kommt ihr in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit im Rahmen der politischen Willensbildung zu.“ (ebenso VG München, U.v. 13. 11.2013 – M 7 K 12.2797 – juris Rn. 33).
cc) Es sind keine atypischen Umstände ersichtlich, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG zu widerlegen. Strafrechtlich und waffenrechtlich beanstandungsfreies Verhalten in der Vergangenheit genügt zur Widerlegung der Vermutung der Unzuverlässigkeit allein nicht (BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 34). Aber auch im Rahmen der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Einzelfallentscheidung, ob die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit widerlegt ist, weil der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Zusammenhang zwischen der relevanten Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt (BVerwG, U.v. 19.6.2019, a.a.O., Rn. 34), ergeben sich keine Umstände, die zugunsten des Klägers die Regelvermutung widerlegen. Dies wäre nur bei einer unmissverständlichen Distanzierung des Klägers vom rechtsextremistischen Gedankengut der Fall (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019, a.a.O., Rn. 36).
Das Gericht glaubt dem Kläger, dass er zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Veranstaltungen der Partei „Der Dritte Weg“ mehr besuchen möchte. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ist ihm heute offenbar wichtiger als die Teilnahme an Veranstaltungen, die rechtsextremistisches Gedankengut vermitteln.
Da auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses abzustellen ist, wäre aber eine Distanzierung von diesem Gedankengut zu diesem Zeitpunkt (somit 31. Januar 2019) erforderlich. Insoweit kann eine Distanzierung nicht erkannt werden. Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er von Freunden, die der Partei „Dritter Weg“ zuzurechnen sind, zu der Sonnwendfeier mitgenommen wurde. Dem Kläger war somit bewusst, dass es sich um eine Veranstaltung handelte, die nach außen mit rechtsextremistischem Gedankengut in Verbindung gebracht wird. Ihm war bekannt, dass es sich bei der Partei „Der Dritte Weg“ um eine (zwar nicht verbotene) aber doch dem rechten Spektrum zuzuordnende Partei handelt (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung). Dennoch entschloss er sich ein zweites Mal, nämlich am 12. März 2017 am „Heldengedenken“ der Partei „Der Dritte Weg“ teilzunehmen, die in der Außenwirkung (gegen die verfassungsmäßige Ordnung) sogar noch über eine Sonnwendfeier hinausgeht. Eine Auseinandersetzung mit der Teilnahme an der zweiten Veranstaltung fand gerade nicht statt. Durch die wiederholte Teilnahme hat der Kläger nach außen zu verstehen gegeben, dass er die Partei unterstützt. Sein Verhalten erweckt den Eindruck, dass er hinter dem Gedankengut der Partei steht. Den Eindruck machte der Kläger nicht versehentlich, da ihm das Gedankengut der Partei bekannt war. Der von ihm selbst gemachte Vorbehalt, es habe sich für ihn nur um „Brauchtumspflege“ gehandelt, ist unbeachtlich, weil es sich für Außenstehende um einen nicht erkennbaren (da geheimen) Vorbehalt handelt, der den aktiven Beitrag der Teilnahme als Unterstützungshandlung nicht schmälert. Dies gilt vor allem deswegen, weil der Kläger die Veranstaltungen nicht nur zufällig besuchte oder nur so „reingeschnuppert“ hat, wie der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung ausführte. Der Kläger wurde in den Jahren 2015 (5. Januar 2015: Pegida-Veranstaltung in … nach Erkenntnissen der Kriminalpolizeiinspektion …, Schreiben vom 22. November 2018, und Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung), 2016 (Sonnwendfeier) und 2017 („Heldengedenken“) wiederholt als Teilnehmer von Veranstaltungen festgestellt, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. Dies wertet die Kammer nicht als Zufall.
Zu Pegida führt der Bayerische Verfassungsschutzbericht 2016 auf Seite 171 folgendes aus: „In Bayern schlossen sich mehrere Gruppierungen der seit Oktober 2014 von Dresden ausgehenden Protestbewegung PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) an bzw. griffen in ihrer Selbstbezeichnung auf ähnliche Namensbestandteile zurück. Die Gruppierungen PEGIDA-München, PEGIDA Nürnberg, NüGIDA, Allgida Kempten und PEGIDA Franken in Würzburg werden vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als extremistische Bestrebungen beobachtet. Unter den Verantwortlichen bzw. Rednern finden sich Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum wie auch aus dem Bereich der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit. Kennzeichnend für die Ideologie, die diese Gruppierungen auf ihren Kundgebungen und über das Internet verbreiten, sind die Hetze gegen Muslime und muslimische Asylbewerber sowie Aufrufe zur Selbstjustiz. Insoweit Rechtsextremisten Einfluss auf die ideologische Ausrichtung der Gruppierungen haben, finden sich auch rassistische Argumentationsmuster.“
Mag es sich bei der Teilnahme an der Pegida-Veranstaltung am 5. Januar 2015 zwar nicht um eine Veranstaltung handeln, die im Jahr 2015 als verfassungsfeindlich eingestuft wurde, so wird aber dennoch deutlich, dass der Kläger nicht unbedarft in die Veranstaltungen des „Dritten Weges“ hineingegangen ist, sondern ihm klar gewesen sein musste, welchen Eindruck die Teilnahme an einer Veranstaltung in der Öffentlichkeit macht, welche von Verantwortlichen aus dem rechtsextremistischen Spektrum organisiert wird.
dd) Zur Beurteilung der Frage, ob einer der absoluten Unzuverlässigkeitsgründe vorliegt, ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen eine Prognose zu erstellen und der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf stRspr. des BVerwG z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris, sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris).
Von einem solchen Restrisiko ist hier auszugehen, da durch die nach außen dargestellte Nähe zu rechtsextremistischem Gedankengut durch Teilnahme an den Veranstaltungen (Sonnwendfeier und „Heldengedenken“) Zweifel bleiben, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen würde.
b) Die begleitenden Anordnungen in den Nrn. 3, 4 und 6 erweisen sich ebenfalls als rechtmäßig. Die Aufforderung, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen innerhalb einer Frist von drei Wochen einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt nachzuweisen (Nr. 4), basiert auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Die Rückforderung der Waffenbesitzkarte (Nr. 3) folgt aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG.
c) Die Zwangsgeldandrohung in der Nr. 7 wurde auf der Grundlage der Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29, 30, 31, 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) rechtmäßig erlassen.
2. Die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins in Nr. 2 des Bescheids war rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Gem. § 18 Satz 1 BJagdG ist die zuständige Behörde verpflichtet, einen erteilten Jagdschein einzuziehen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die gem. § 17 Abs. 1 BJagdG der Erteilung eines Jagdscheins entgegengestanden hätten. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG knüpft insoweit an die waffenrechtliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung i.S.v. § 5 bzw. § 6 WaffG an, bei deren Fehlen nur die Erteilung eines Jagdscheins nach § 15 Abs. 7 BJagdG (sog. „Falknerschein“) in Betracht kommt, ein Jagdschein i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BJagdG hingegen zu versagen ist. Nachdem – wie unter Nr. 1 dargestellt – der Kläger waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) WaffG ist, war auch die Ungültigerklärung des Jagdscheins rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Rückgabe des Jagdscheins (Nr. 3 des Bescheids) ist ebenfalls § 18 Satz 1 BJagdG.
II. Der Kläger trägt als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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