Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit

Aktenzeichen  B 1 K 18.234

Datum:
14.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23945
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 1, § 5 Abs. 1, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 1
RuStaG 1913 § 4 Abs. 1
VwZVG Art. 29, Art. 30, Art. 31, Art. 36
VwGO § 42 Abs. 1, § 80 Abs. 5,§ 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 3 S. 2, § 154 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35 S. 1
GKG § 63 Abs. 1 u. Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die erhobene Klage ist hinsichtlich der Anfechtung der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids unzulässig, im Übrigen unbegründet.
I.
Die erhobene Klage gegen die Ziffer 3 des verfahrensgegenständlichen Bescheids ist unzulässig. Die Sofortvollzugsanordnung ist kein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 S. 1 BayVwVfG, sondern eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Hauptverwaltungsakt, die rechtliche Aussagen zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trifft. Rechtsschutz gegen die erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung richtet sich daher ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO und ist nicht im Rahmen eines Klageverfahrens (§ 42 Abs. 1 VwGO) zu gewähren (vgl. hierzu Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 42 m.w.N; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 36. EL Februar 2019, § 80 Rn. 199 m.w.N.).
II.
Im Übrigen hat die Klage in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom … ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheiderlasses (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35 m.w.N.).
1. Der in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis des Klägers ist rechtmäßig. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG hat die zuständige Behörde eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend den Kleinen Waffenschein nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist unter anderem zu versagen, wenn eine Person nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 WaffG i. V. m. § 5 WaffG besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, b und c WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Zur Beurteilung der Frage, ob einer dieser absoluten Unzuverlässigkeitsgründe vorliegt, ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen eine Prognose zu erstellen und der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf stRspr des BVerwG z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris, sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris). Bloße Vermutungen reichen hingegen nicht. Der strafrechtliche Grundsatz der Unschuldsvermutung greift jedoch auch nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das Verwaltungsgericht anschließt, sind Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, waffenrechtlich unzuverlässig (vgl. bspw. BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – juris Rn. 14 ff.; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339 – juris Rn. 13; B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 12 ff.).
Der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 94) definiert „Reichsbürger“ als eine personell, organisatorisch und ideologisch äußerst heterogene Gruppe, der jedoch die fundamentale Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung gemein ist. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175 ff.; so auch Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 197 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. „Reichsbürger“ behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich „Reichsbürger“ auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die „Reichsbürgerbewegung“ wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die „Reichsbürgerideologie“ insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein (Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 176 und Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 198).
Wer der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (vgl. BVerwG, B.v. 26.3.1997 – 1 B 9/97 – juris), muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578; B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; OVG Lüneburg, B.v. 18.7.2017 – 11 ME 181/17; VG Minden, U.v. 29.11.2016 – 8 K 1965/16; VG Cottbus, U.v. 20.9.2016 – VG 3 K305/16; VG München, B.v. 8.6.2017 – M 7 S 17.933; einschränkend VG Gera, U.v. 16.9.2015 – 2 K 525/14 Ge – jeweils juris).
„Reichsbürger“ sind davon überzeugt, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland austreten können. Als ersten Schritt zu ihrem vermeintlichen Austritt betrachten sie häufig die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 und unter Angabe „Königreich Bayern“ als Geburts-, Wohnsitz- und/oder Aufenthaltsort (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 184; BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 21 CS 18.578 – juris Rn. 16). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – u.a. den „Ausstieg aus der Firma BRD“. Er wird zudem als Nachweis der „Rechtsstellung“ als Staatsangehöriger des vorgeblich fortbestehenden „Deutschen Reichs“ angesehen. Die Rückgabe amtlicher Ausweisdokumente an die Behörde und eine erklärte „Kündigung“ in diesem Zusammenhang legen „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Betreffende nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht, sondern die Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Regelungen des Waffengesetzes in Abrede stellt. Letztlich hat er sich damit als außerhalb der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland stehend definiert (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 180 f.; Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 204 f.).
Die Kammer ist – wie auch das Landratsamt in seiner Abwägungsentscheidung – zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Kläger die Ideologie der sogenannten „Reichsbürger“ als für sich verbindlich zu eigen gemacht hat. Das und damit die für den Kläger negative Prognose im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG stützen sich darauf, dass der Kläger ein für „Reichsbürger“ typisches Verhalten gezeigt hat. So hat er im Formular für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises die „reichsbürgertypischen“ Formulierungen „Herzogtum Sachsen-Meiningen“ und „Kgr. Bayern“ als Geburts- bzw. Wohnsitzstaat angegeben sowie auf eine „Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913“ verwiesen. Darüber hinaus hat der Kläger im bereits vorausgefüllten Antrag keine Wohnadresse angegeben und diese erst auf Nachfrage sowie nach einem Hinweis der Sachbearbeiterin beim Landratsamt nachtragen lassen. Zudem hat er am 1. August 2017 bei seiner Wohnortgemeinde seinen noch bis zum Jahr 2021 gültigen Personalausweis mit dem Hinweis abgegeben, dass er den Ausweis nicht mehr brauche. Wie der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigte, hat er seinen Personalausweis bis zum heutigen Tag nicht mehr bei der Gemeinde abgeholt. Auch äußerte er bei einem Telefonat am 22. September 2017 gegenüber dem Polizeipräsidium …, dass er sich mit Hilfe des Staatsangehörigkeitsausweises als „echter Deutscher“ registrieren lassen wollte. All diese Tatsachen sprechen für eine Zugehörigkeit des Klägers zur „Reichsbürgerbewegung“.
Der Kläger konnte sich auch nicht hinreichend von der „Reichsbürgerszene“ distanzieren. Wie dargestellt sind „Reichsbürger“ eine organisatorisch und ideologisch äußerst heterogene Gruppe. Eine wie vom Klägerbevollmächtigten geforderte Einordnung des Klägers zu einer bestimmten Reichsbürgergruppe ist daher nicht nötig und möglich. Auch ist es nicht erforderlich, dass für eine Einordnung zur „Reichsbürgerbewegung“ alle Indizien, die auf einen „Reichsbürger“ hindeuten würden, erfüllt sein müssen. Der Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Polizeipräsidium … am 22. September 2017 äußerte, dass er straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich nie in Erscheinung getreten sei, Steuern und Rundfunkbeiträge bezahle sowie seine Erklärung, er erkenne die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland an und der Umstand, dass er einen vorübergehenden Reisepass (Gültigkeit: 28. Juli 2017 bis 28. Juli 2018) hatte, genügen für sich allein nicht, um sich ernsthaft von der „Reichsbürgerbewegung“ zu distanzieren. Vielmehr konnte der Kläger in den wesentlichen Punkten nicht glaubhaft und widerspruchsfrei Abstand von der „Reichsbürgerbewegung“ nehmen:
Als Hauptgrund für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gab der Kläger an, dass er den „gelben Schein“ wollte, da sein Personalausweis kein Nachweis für die deutsche Staatsangehörigkeit sei und er über einen Freund und ein YouTube-Video gehört habe, dass in bestimmten politischen und juristischen Berufen ein solcher Ausweis nötig sei (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 2 und 3). Bereits diesbezüglich konnte er nicht nachvollziehbar erklären, warum er als Sohn eines Deutschen, der nach eigenen Angaben nie Probleme wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit gehabt habe (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 2), überhaupt einen Nachweis über seine Staatsangehörigkeit benötigte. Der Kläger ist selbstständiger …und … (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 2), sodass er gerade nicht zu der oben genannten Berufsgruppe gehört. Allein die Angabe, dass er auch einen Staatsangehörigkeitsausweis gewollt habe (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 2), genügt nicht, um den Verdacht, dass der Kläger aufgrund einer gewissen Sympathie mit der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ den Staatsangehörigkeitsausweis als Notwendigkeit erachtete, auszuräumen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich der Kläger tatsächlich als „echter Deutscher“ registrieren lassen wollte, insbesondere, da der Kläger nicht schlüssig und glaubhaft darlegen konnte, wieso er bei der Beantragung die für „Reichsbürger“ typischen Formulierungen „Herzogtum Sachsen-Meiningen“, „Kgr. Bayern“ und „Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913“ verwendete. So verwies er lediglich pauschal auf eine Ausfüllanleitung aus einem YouTube-Video (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 2), die er angeblich ungeprüft übernommen hat. Der Kläger hat nach eigenen Angaben selbst bemerkt, dass das verwendete Vokabular skurril sei, wollte aber dennoch „just for fun“ sehen, ob er den Ausweis tatsächlich bekomme (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 2 f.). Bereits der Umstand, dass der Kläger das verwendete Vokabular seltsam fand und er dieses trotzdem übernommen hat, ohne diesbezüglich weiter nachzuforschen oder bei der Behörde nachzufragen (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 3), lässt darauf schließen, dass der Kläger derartig vom Inhalt des YouTube-Videos überzeugt war, dass er die „skurrilen“ Angaben absichtlich übernahm. Von einem selbstständigen …, der es gewohnt ist Formulare jeglicher Art für … auszufüllen und Anträge bei Behörden zu stellen, ist zu erwarten, dass er ihm seltsam vorkommende Wortlaute aus dem Internet nicht blindlings und ohne weitere Überprüfung übernimmt. Dies wird dadurch bestärkt, dass der Kläger angab, normalerweise keinen Handlungsanweisungen aus dem Internet zu folgen und mit Internetinhalten kritisch umzugehen (Sitzungsprotokoll, S. 3). Es handelte sich bei dem abgegebenen Antrag auch um einen bereits vom Kläger vorausgefüllten Antrag, für den er etliche Anlagen (Dokumente über seine Vorfahren) beibringen musste, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger spontan den Antrag mit dem verwendeten Vokabular gestellt hat. Vielmehr hat er gezielt und nachdem er längere Bedenkzeit bezüglich der Inhalte des YouTube-Videos hatte, das „reichsbürgertypische“ Vokabular verwendet. Die Aussage des Klägers, den Antrag mit diesen Angaben „just for fun“ und ohne Wissen über die Bedeutung des YouTube-Videos und des „reichsbürgertypischen“ Vokabulars beantragt zu haben, wird daher als bloße Schutzbehauptung gewertet. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger sich mit dem Gedankengut, welches mittels des YouTube-Videos verbreitet wurde, auseinandergesetzt hat, davon überzeugt war und es sich zu eigen gemacht hat.
An einer ernsthaften Distanzierung von der „Reichsbürgerideologie“ fehlt es auch, da der Kläger bewusst gegenüber einer Behörde „reichsbürgertypische“ Angaben gemacht hat, um so zu sehen, was passiere und ob er den Ausweis auch tatsächlich erhalte (Sitzungsprotokoll, S. 3), anstatt gerade zutreffende Angaben zu seinem Wohnsitz- und Geburtsstaat zu verwenden und abzuwarten, ob er auch hierdurch den Staatsangehörigkeitsausweis erhält. Er hat durch dieses Verhalten gerade gezeigt, dass er die Behörde auf die Probe stellen wollte und es ihm gerade nicht um eine gewöhnliche Beantragung eines amtlichen Dokumentes ging.
Auch die Abgabe des Personalausweises konnte vom Kläger nicht nachvollziehbar und glaubhaft erklärt werden. Es handelte sich bei der Abgabe um keine Spontanhandlung, sondern eine länger geplante Aktion, da der Kläger vor der Abgabe noch den vorläufigen Reisepass für eine anstehende Mallorca-Reise beantragte (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 2). Hätte sich der Kläger das Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ nicht zu eigenen gemacht, hätte er den Personalausweis, der keinen Einfluss auf den Erhalt des Staatsangehörigkeitsausweis hat, nicht einfach abgegeben. Der Einwand, den Personalausweis abzugeben, um einem möglichen Verlust und dessen bürokratischen Aufwand vorzubeugen, erscheint unglaubhaft, da der Kläger den Ausweis auch einfach sicher Zuhause hätte aufbewahren können und für die Beantragung des vorläufigen Reisepasses (gültig ab 28. Juli 2017) für eine Mallorca-Reise ein viel größerer Aufwand betrieben werden musste. Der Umstand, dass der Kläger im Jahr 2017 viel im Ausland unterwegs gewesen ist und den vorläufigen Reisepass als Ersatz für einen verlorenen Pass beantragte (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 3), wurde vom Kläger zum Ende der Hauptverhandlung erwähnt, nachdem das Gericht diesbezüglich kritisch nachgefragt hat. Die primäre Angabe, den vorläufigen Reisepass für eine EU-Reise beantragt zu haben, erscheint daher am ehesten der Wahrheit zu entsprechen.
Verstärkend kommt hinzu, dass der Kläger, obwohl ihm das Polizeipräsidium … am 22. September 2017 und das Landratsamt im Rahmen des Entziehungsverfahrens auf die Abgabe des Personalausweises als „reichsbürgertypische“ Handlung hingewiesen hatten, seinen Personalausweis bis heute nicht von der Gemeinde zurückgeholt hat. Dies wäre eine Distanzierungshandlung gewesen, die darauf hätte schließen lassen, dass er tatsächlich nicht im Bewusstsein der „Reichsbürgerideologie“ gehandelt hat.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass sich der Kläger im Jahr 2017 nicht nur mit der „Reichsbürgerbewegung“ beschäftigt hat, sondern sich auch das Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ als für sich überzeugend übernommen und danach gehandelt hat. Hierdurch hat er erklärt, dass für ihn die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Gesetze zur Aufbewahrung und dem Umgang mit Waffen keine Gültigkeit beanspruchen.
2. Gegen die Anordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Rückforderung des Kleinen Waffenscheins basiert auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG und erweist sich aufgrund des rechtmäßigen Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis des Klägers ebenso als rechtmäßig.
3. Die Zwangsgeldandrohung in der Ziffer 4 wurde auf der Grundlage der Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29, 30, 31 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) erlassen. Die Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) von einem Monat (vgl. Ziffer 2 des Bescheids) ist ausreichend bemessen, um der Verpflichtung zur Abgabe des Kleinen Waffenscheins nachzukommen. Das angedrohte Zwangsgeld bewegt sich im unteren Bereich des Rahmens, den Art. 31 Abs. 1 Satz 1 VwZVG vorgibt.
4. Schließlich begegnet die Kostenfestsetzung in der Ziffer 5 des verfahrensgegenständlichen Bescheids keinen rechtlichen Bedenken. Die Gebührenfestsetzung bewegt sich innerhalb des der Behörde vorgegebenen Rahmens (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG i. V. m. Tarif-Stellen 39 und 16 der Lfd. Nr. 2.II.7 des Kostenverzeichnisses).
III.
Der Kläger trägt als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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